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ID1500400600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Müntefering


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! Der Start in eine Legislaturperiode ist immer die Ge-
    legenheit, die politischen Ziele der kommenden Jahre zu
    markieren und auch die ersten konkreten Schritte festzu-
    legen. Das hat der Herr Bundeskanzler auf der Grundlage
    der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen heute
    für die Regierung getan.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Märchenonkel! – Zurufe von der CDU/CSU: Wo? – Wann?)


    Wir 251 von der SPD werden in der Koalition mit den
    Grünen zusammen alles dafür tun, dass Bundeskanzler
    Gerhard Schröder und diese Regierung gute Politik für
    unser Land machen können. Die Arbeit kann beginnen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das Wahlergebnis vom 22. September war knapp, aber
    klar. Die Mehrheit der Menschen hat Gerhard Schröder
    als Bundeskanzler gewollt und gewählt, auch bewusst die
    Koalition von SPD und Grünen gewählt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Die Leute sind getäuscht worden!)


    Dr. Angela Merkel




    Franz Müntefering
    Die Verlierer vom 22. September heißen Edmund Stoiber
    und Angela Merkel.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Der Verlierer heißt Deutschland!)


    Die Opposition hat in der Demokratie eine wichtige Funk-
    tion – das wissen wir und das respektieren wir –, aber Herr
    Stoiber hat es vorgezogen, nicht im Deutschen Bundestag
    dabei zu sein und nun aus München Strippen zu ziehen.

    Ihnen, Frau Merkel, will ich sagen: Es macht keinen
    Sinn, dass Sie uns heute wieder Ihre verkorksten Wahlre-
    zepte anbieten. Was Sie heute vorgelesen haben, war eine
    Rede aus der Wahlkampfzeit.


    (Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Sie hätten in der Zwischenzeit lesen sollen, was wir uns
    für diese Legislaturperiode vorgenommen haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Mit genau den Thesen, die Sie heute vorgetragen haben,
    sind Sie am 22. September gescheitert. Die Menschen
    wollen Ihre Politik nicht. Auch deshalb haben sie uns ge-
    wählt und uns das Vertrauen für die kommenden vier
    Jahre für die Regierung in Deutschland gegeben.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie, Frau Merkel, sind gut beraten, neu zu beginnen.

    Lassen Sie Ihre in der Wahl gescheiterten Positionen
    friedlich ruhen und denken Sie neu nach! Kümmern Sie
    sich vor allem um Ihre Selbstfindungskommission, von
    der man lesen konnte! Da haben die lange Zeit etwas zu
    tun, zum Beispiel in der Geschichte mit dem Tafelsilber.
    Klären Sie sicherheitshalber auch, ob die Herren Merz
    und Koch denn Ihre Helfer oder Ihre Helfershelfer sind!
    Schauen Sie, ob das mit den Referenten denn jetzt unter-
    einander geklärt ist!


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Oh, wie billig!)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen hier über
    Politik, nicht über die Neuroseprobleme von CDU/CSU
    sprechen. Es gibt schwerwiegende politische Herausfor-
    derungen in Deutschland – nur Ignoranten verdrängen
    das –, aber diese Probleme sind lösbar; nur Angsthasen
    leugnen das. Deutschland ist ein starkes Land mit großem
    Potenzial, mit tüchtigen Unternehmern und tüchtigen Un-
    ternehmerinnen, mit tüchtigen Arbeitnehmern und Ar-
    beitnehmerinnen, mit einer tragfähigen Infrastruktur, mit
    erstklassigen Forschungseinrichtungen und vielen Paten-
    ten, mit leistungsfähigen Schulen und Hochschulen, mit
    einem Wohlstand wie nie zuvor in der Geschichte, mit ei-
    nem stabilen sozialstaatlichen Aufbau, mit Menschen, die
    zu Anstrengungen bereit sind – der Gegenwart und der
    Zukunftsfähigkeit wegen.

    Wir wissen: Es wird nicht leicht. Aber die deutschen So-
    zialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind voller Zu-
    versicht in die Gestaltbarkeit der Dinge und der Zukunft.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Deutschland ist mit dieser Regierung auf gutem Weg.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Politik hat eine große Verantwortung, aber sie schafft
    nicht alles allein. Wir wollen Verantwortungspartner-
    schaft. Wir wollen die Koalition mit den Menschen in un-
    serem Land. Dazu suchen wir das offene und, wo es nötig
    ist, auch streitige Gespräch um den richtigen Weg. Wir
    kehren nichts unter den Teppich. Wir machen deutlich, wo
    gemeinsame Anstrengungen erforderlich sind. Wir wollen
    den Dialog und den Kompromiss.

    Wir brauchen viele, die diesen Weg aktiv mitgehen,
    zum Beispiel in den Vereinen, in den Verbänden, in den
    Gewerkschaften, in den Kirchen, in den Initiativen und in
    den Gruppen. Es sind Millionen, die sich für die Gesell-
    schaft aktiv und oft mit viel Einsatz von Zeit und mit
    ihrem wenigen Geld engagieren. Das ist der gesellschaft-
    liche Kitt, der dazu beiträgt, Lebensqualität in den Städ-
    ten und Dörfern zu garantieren.


    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

    Diejenigen, die sich zum Beispiel in den kleinen Sport-
    vereinen engagieren, tun für die Entwicklung der Kinder
    und Jugendlichen unendlich viel. Diese Menschen haben
    Dank verdient und wir brauchen sie auch weiterhin.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unser Land braucht auch das Engagement der Ent-
    scheidungsträger in der Wirtschaft. Die meisten dieser
    Entscheidungsträger werden akzeptieren, dass sie auf ei-
    nige steuerliche Privilegien in Zukunft verzichten müs-
    sen, weil die Lage der Staatskasse und das Gemeinwohl
    das erfordern. Sie werden deswegen nicht arm und sie
    bleiben wettbewerbsfähig. Man konnte lesen – Frau
    Merkel zitierte das eben –, dass einige über die Verlage-
    rung des Standorts ihres Unternehmens ins Ausland nach-
    denken. Diejenigen, die das tun, darf man daran erinnern,
    dass die Wirtschaft für die Menschen da ist und nicht um-
    gekehrt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in
    Deutschland über Jahrzehnte Erfolge erzielt und Reich-
    tum erworben hat, der muss auch seine Verantwortung für
    die Menschen und Regionen in Deutschland sehen. Ver-
    ehrte Bosse, so viel Patriotismus muss schon sein, dass
    man nicht wegläuft, wenn es im eigenen Land einmal an-
    strengend wird.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Jawohl, Genosse!)


    In diesen Tagen wird vieles gleichzeitig angemahnt –
    mit Recht.

    Erstens. Die Konsolidierung des Haushalts muss wei-
    tergehen; die Neuverschuldung muss sinken. 2006 muss
    die Nettokreditaufnahme des Bundes bei null sein. Ich
    möchte Sie an das erinnern, was Sie uns 1998 hinterlassen


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    70


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    haben: Das, was wir da geerbt haben, bedeutete, dass wir
    an jedem Tag in Bonn und dann in Berlin 220 Milli-
    onen DM Schuldzinsen zu zahlen hatten – nicht Schulden,
    sondern Zinsen für Schulden! Das darf so nicht weiter-
    gehen. Wir werden mit Hans Eichel dafür sorgen, dass
    die Nettokreditaufnahme sinkt; denn wir wollen unseren
    Kindern etwas anderes als Schuldscheine und Hypo-
    theken vererben. Das bleibt das Ziel unserer Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zweitens. Es geht um die Investitionen des Bundes in
    Bildung, Forschung und Infrastruktur. Diese Investi-
    tionen müssen weitergehen, und zwar mit steigender Ten-
    denz. In die Infrastruktur muss auch deshalb investiert
    werden, weil wir nicht von der Substanz leben dürfen.
    Übrigens, die Investitionen des Bundes sind im kommen-
    den Jahr höher als je zuvor:


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was?)

    Sie liegen bei fast 29 Milliarden Euro.

    Drittens. Die Steuern müssen sinken. Das werden sie
    2004 und 2005. Das entsprechende Gesetz ist beschlossen
    und gilt. Nach Ablauf von sechs Jahren werden wir den
    Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent auf 15 Prozent und
    den Spitzensteuersatz ebenfalls deutlich gesenkt haben.
    Das ist eine steuerpolitische Großtat, von der Sie nur träu-
    men können. Wir haben die Steuern gesenkt und wir wer-
    den das auch weiterhin tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Viertens. Die Lohnnebenkostenmüssen sinken. Dafür
    zu sorgen ist besonders schwer, weil die Last in Zeiten ho-
    her Arbeitslosigkeit auf wenigen Schultern liegt. Wir wer-
    den die Entwicklung der Rentenversicherungs- und der
    Krankenversicherungsbeiträge sehr bald gesetzlich stabi-
    lisieren. Sie alle werden dann Gelegenheit haben, dafür zu
    stimmen und mit dafür zu sorgen, dass das, was wir alle
    miteinander wollen, nämlich stabile Lohnnebenkosten, er-
    reicht wird. Man darf gespannt sein, ob diejenigen, die
    dem Grundsatz heute Beifall zollen, mitmachen, wenn es
    um die Umsetzung in konkrete Maßnahmen geht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zum Kapitel Lohnnebenkosten gehört auch, dass wir

    der illegalen Beschäftigung – der am schnellsten wach-
    senden Branche überhaupt – noch massiver als bisher den
    Kampf ansagen. Ein Bauunternehmer mit 20 Angestell-
    ten, für die er ordnungsgemäß Arbeitnehmer- und Arbeit-
    geberbeiträge entrichtet, wird von solchen Bauunterneh-
    mern ausgetrickst, die durch Ausbeutung illegal
    Beschäftigter die Preise unterbieten. Es darf nicht so blei-
    ben, dass die ehrlichen Unternehmer und die ehrlichen Ar-
    beitnehmer in Deutschland die Dummen sind, während
    sich die anderen ins Fäustchen lachen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es verwundert schon, dass die Spitzen der Unterneh-
    merverbände die Bundesregierung wegen der zu hohen
    Lohnnebenkosten attackieren, obwohl sich in ihren eige-

    nen Reihen genau diejenigen befinden, die das System
    durch illegale Beschäftigung massiv unterlaufen. Die Ver-
    bände sollten sich um die schwarzen Schafe in ihren ei-
    genen Reihen kümmern. Wenn sie das täten, dann wäre
    viel gewonnen. Die Verbände sollten zugeben, dass Kün-
    digungsschutz für Arbeitnehmer und Flächentarife unver-
    zichtbare Stabilisatoren unserer wirtschaftlichen Ordnung
    sind und bleiben müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Konsolidierung des Haushalts, steigende Investitions-

    quote, sinkende Steuern, stabile Sozialversicherungs-
    beiträge – das alles bei den gegebenen weltwirtschaft-
    lichen Rahmenbedingungen gleichzeitig zu erreichen ist
    nicht leicht, aber möglich. Wir werden das schaffen. Dazu
    müssen alle einen Beitrag leisten, der ihren Möglichkei-
    ten entspricht. Privilegien werden beschnitten, Ausgaben
    gekürzt, eine gerechte Verteilung der Lasten gesichert.
    Starke Schultern werden mehr zu tragen haben als
    schwächere, damit alle Chancen haben, die Chance auf
    Bildung und auf Beschäftigung ganz vorneweg. Deshalb
    machen wir diese Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zu dieser für die kommenden Jahre dominierenden
    Aufgabe gehört es auch, die Verkrustungen des Fördera-
    lismus in unserem Land aufzubrechen und wieder mehr
    Klarheit über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
    zwischen Bund und Ländern einschließlich Gemeinden
    zu schaffen. Bürgernähe, Demokratie und moderne Ver-
    waltung brauchen klare Regeln. Die Gemeindefinanz-
    reform, die in Vorbereitung ist, wird uns dicht an dieses
    Thema heranführen. Es wäre gut, wenn jenseits der Ta-
    gesaktualitäten ein zielführendes Nachdenken über die
    Frage begänne, wie sich deutsche Politik in einem unbe-
    strittenen förderalen System so organisiert, dass sie effi-
    zient und unkompliziert zeitgemäß wirken kann und neue
    Impulse möglich werden. Ich fordere keinen Konvent,
    aber doch einen zielgerichteten Dialog hierzu. Ich hoffe,
    dass sich keine Seite des Hauses diesem Dialog entzieht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Unabhängig davon werden wir mit unserer Entschei-
    dung vor allem zu Arbeitsmarkt-, Steuer- und Finanzpoli-
    tik jetzt die Basis für die großen politischen Projekte
    schaffen, die wir in dieser Legislaturperiode voranbringen
    wollen, die sich von dem Motto der Koalitionsvereinba-
    rung „Erneuerung – Gerechtigkeit – Nachhaltigkeit“ ab-
    leiten. Ein Projekt heißt: Beschäftigung. Beschäftigung
    schafft Wachstum, Wachstum schafft Beschäftigung. Da-
    ran orientieren wir uns bei der Umsetzung der Hartz-Vor-
    schläge und bei der Mittelstandsinitiative.

    Hartz nimmt den zentralen Gedanken auf, dass die Ar-
    beit, die es in Deutschland gibt, von denen getan werden
    muss, die legalerweise in Deutschland sind. Wir können
    es uns nicht leisten, über 4Millionen gezählte Arbeitslose,
    über 1 Million offene Stellen und wachsende illegale Be-
    schäftigung zu akzeptieren.

    Vermittlung ist nicht alles – klar – aber gezieltere Ver-
    mittlung ist schon wichtig. Personal-Service-Agenturen,

    Franz Müntefering




    Franz Müntefering
    die Arbeitnehmer auf Zeit vermitteln, sie nicht in die Ar-
    beitslosigkeit zurückfallen lassen, sondern sie sozial si-
    chern und qualifizieren, werden nicht das ganze Problem
    lösen, aber doch zur Lösung beitragen. Kapital für Arbeit
    hilft den Arbeitgebern, die Arbeitslose dauerhaft einstel-
    len, ihre Eigenkapitaldecke und ihre Investitionskraft zu
    stärken.

    Beschäftigung schaffen, Vermittlung verbessern, kun-
    denfreundliche und effiziente Strukturen in der Arbeits-
    marktpolitik schaffen, das will das Konzept Hartz. Mein
    Appell geht an das ganze Haus, als Gesetzgeber das rund-
    um vernünftige Konzept Hartz schnell auf den Weg zu
    bringen. Sie werden in wenigen Tagen dazu alle mitei-
    nander Gelegenheit haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es wird uns wichtige Schritte voranbringen und der
    Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen.

    Dazu gehört aber auch die Mittelstandsinitiative als
    weiterer zusätzlicher Impuls, der bald realisiert werden
    muss. Unser Land braucht mehr Unternehmerinnen und
    Unternehmer. In der Wissensgesellschaft sind mehr denn
    je Menschen gefragt, die den Mut haben, eigene unterneh-
    merische Initiativen und Ideen zu verwirklichen, Verant-
    wortung zu übernehmen und Arbeitsplätze zu schaffen.
    Wir werden deshalb mit einer neuen Gründerinitiative den
    Sprung in die berufliche Selbstständigkeit fördern und
    begleiten. Es geht um Beratung und Information, um Exis-
    tenzgründerlehrstühle, um verbesserte Finanzierung. Dazu
    gehört auch, den unternehmerischen Generationswechsel
    zu erleichtern und den Berufszugang sowie die Vereinbar-
    keit von Familie und Beruf zu verbessern.

    Wir werden im Handwerksbereich den eingeleiteten
    Liberalisierungsprozess fortführen und darauf hinwirken,
    dass das Handwerksrecht einen wirksamen Beitrag zur
    Bekämpfung der Schwarzarbeit erbringen kann. Wir wol-
    len die erleichterte Betriebsübernahme durch langjährige
    Gesellen und Lockerung des Inhaberprinzips auch bei den
    Personengesellschaften.


    (Beifall bei der SPD)

    Existenzgründer werden in den ersten vier Jahren von
    Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer freigestellt.
    Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche
    Ausgleichsbank werden zu einem Förderinstitut zur Un-
    terstützung der mittelständischen Wirtschaft mit dem Ziel
    kostengünstiger Förderinstrumente zusammengelegt. Die
    Umsetzung der Idee einer Mittelstandsinitiative ist eine
    der zentralen Punkte dieser Bundesregierung für die kom-
    mende Legislaturperiode. Das hat die volle Unterstützung
    der SPD-Bundestagsfraktion.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ein Projekt heißt: Deutschland kinder- und familien-
    freundlicher machen. In den vergangenen vier Jahren ha-
    ben wir in diesem Bereich viel aufgeholt. Es bleibt aber
    auch noch genug zu tun. Die Familienmüssen selbst ent-
    scheiden, wie sie leben und wie sie ihr Leben organisie-
    ren wollen. Wir machen da niemandem Vorschriften. Die
    eine Lebensform ist genauso viel wert wie jede andere. Es

    ist aber offensichtlich, dass die unzureichenden Möglich-
    keiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz
    besonders junge Frauen und Mütter behindern. Das wol-
    len wir ändern. Betreuungsangebote für die Kinder wer-
    den verbessert, bei den 0- bis 3-Jährigen im Krippenalter
    und bei den Grundschülern im Hortalter ist der Nachhol-
    bedarf besonders groß. Den Ausbau des Angebots an
    Ganztagsschulen und Krippenplätzen werden wir mit
    Bundesmitteln forcieren. Das ist gut für die Kinder, aber
    auch für die Eltern.

    Die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen leh-
    ren: Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeu-
    tet mehr Kinder, nicht weniger. Das bedeutet im Übrigen
    auch, das Können und die Kreativität der Frauen stärker
    als bisher in die Volkswirtschaft einzubeziehen. Eine Er-
    werbsquote von nur 60 Prozent bei den Frauen im Westen
    der Republik ist zu wenig. Es müssen noch mehr eine
    Chance bekommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Noch etwas zum Thema junge Frauen: Diese müssen
    mehr Chancen im Bereich der Informations- und Kom-
    munikationstechnologien bekommen. Dass Studienplätze
    in diesem Bereich bisher überwiegend von jungen Män-
    nern besetzt werden, ist nicht gut. Frauen beherrschen das
    Thema und die Technik mindestens genauso gut wie die
    Männer. Wir wollen – das steht in unserer Koalitionsver-
    einbarung –, dass bis 2005 Frauen mindestens 40 Prozent
    der Studien- und Ausbildungsplätze in den IT-Berufen
    einnehmen. So konkret sieht bei uns die Schaffung von
    Chancengleichheit aus. Das werden wir auch durchsetzen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Übrigens gibt es nicht nur bei Frauen auf dem Arbeits-
    markt Nachholbedarf, sondern generell auch bei älteren
    Menschen. Zu den Älteren zählen heute vielfach schon
    50-Jährige und nicht selten noch Jüngere. Wir wollen mit
    entsprechenden Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt dafür
    sorgen, dass sich das ändert. 55-Jährige gehören nicht in
    den Vorruhestand. Sie gehören an die Arbeit und können
    das auch.


    (Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Richtig!)

    Dass in Deutschland das Arbeitsleben im Durchschnitt
    mit 21 Jahren beginnt und mit circa 59 Jahren endet, hat
    zu schlimmsten Verwerfungen in unserem Sozialstaat ge-
    führt. 38 Jahre Lebensarbeitszeit sind zu wenig. Wir
    werden daran arbeiten müssen, dass man ins Arbeitsleben
    früher hineinkommt und später aussteigt.

    Das offizielle Renteneintrittsalter von 65 Jahren muss
    nicht erhöht werden. Wer wie Herr Merz das fordert, re-
    det Unsinn. Wer wirklich zu einem Invaliden wird, muss
    sozial abgesichert sein, egal wann er Invalide wird. Mit
    unseren Maßnahmen kommen wir aber auf ein faktisches
    Renteneintrittsalter von 62 oder 63 Jahren, nicht mehr wie
    bisher von 59 Jahren. In den sozialen Sicherungssystemen
    macht das einen riesigen Unterschied aus. Wir müssen die
    Trendwende in den kommenden Jahren schaffen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    72


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Auch für die Betroffenen ist das übrigens wichtig. Die al-
    lermeisten wollen nicht mit 59 oder 55 oder 52 oder noch
    früher vom Arbeitsmarkt verdrängt werden; sie wollen ar-
    beiten. Sie können das auch, sie haben Erfahrung, sie ha-
    ben Wissen. Die Unternehmen in unserem Land müssten
    verrückt sein, wenn sie diese Altersklasse abschrieben.
    Diesen Menschen muss eine Chance im Leben und auf
    dem Arbeitsmarkt gegeben werden.


    (Beifall bei der SPD)

    Damit hängt noch ein Weiteres zusammen: Ich höre von

    den Unternehmensverbänden, es fehlten Hunderttausende
    qualifizierterArbeitnehmer.Dazu sage ich: Erstens. Bil-
    den Sie doch aus, Herr Rogowski und Herr Hundt.


    (Beifall bei der SPD)

    Personalentwicklungspolitik ist doch auch Ihre Aufgabe.

    Zweitens. Vergessen Sie die Älteren nicht und ver-
    steigen Sie sich nicht auf Zuwanderung als einzige Mög-
    lichkeit. Gegen das, was die Kochs und Becksteins da
    erzählen, ist festzuhalten: Mit unserem Zuwanderungs-
    gesetz wird Arbeitsmigration gelenkt und gesteuert und
    nicht ausgeweitet. Es wird kein Mandat für 100 000 Inge-
    nieure in der Altersklasse zwischen 30 und 35 Jahren von
    irgendwo aus der Welt geben, während hier im Land
    Ingenieure und qualifizierte Facharbeiter, die älter als
    45 Jahre sind, arbeitslos sind. Dafür werden wir sorgen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ein Projekt heißt: die Jungen an die Arbeit. Kluge

    Kommentatoren vermissen Visionen in unserer Koali-
    tionsvereinbarung. Da steht aber:

    Kein junger Mensch darf nach der Schule in die Ar-
    beitslosigkeit entlassen werden.

    Wenn das nicht ein Anspruch ist, vielleicht sogar eine
    Vision! Es ist nämlich das Schlimmste, was jungen Men-
    schen passieren kann, dass sie in der Schule – erfolgreich
    oder weniger erfolgreich – pauken und nach der Schule
    die Perspektivlosigkeit folgt. Die jungen Menschen müs-
    sen die Chance haben, weiter zu lernen und zu studieren.
    Mehr von ihnen als bisher müssen studieren oder aber
    eine duale Ausbildung bekommen oder aber anderswie an
    Ausbildung oder Arbeitsfähigkeit herangeführt werden.

    Modulare Ausbildung wird dabei ein größeres Gewicht
    bekommen; denn eines ist klar: Wer 22 oder 25 Jahre alt
    ist und seinen Tag nie zu strukturieren brauchte, nie or-
    dentlich zu lernen oder zu arbeiten brauchte, ist für den
    Arbeitsmarkt verloren. Politik und Wirtschaft, Städte und
    Arbeitsverwaltung sowie Schulen und Familien sind ge-
    fordert. Auch die 6 bis 8 Prozent der jungen Menschen,
    die die Schule ohne Abschluss verlassen, brauchen eine
    Chance, gerade sie.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es wird auch deutlich, wie wichtig es ist, dass unsere Schul-
    kinder die deutsche Sprache lernen, dass sie sie beherrschen.
    Diese Aufgabe beginnt im Vorschulalter und in der Integra-
    tionsförderung, aber auch in den Familien, gerade dort.


    (Albert Deß [CDU/CSU]: Da gibt es in Nordrhein-Westfalen Nachholbedarf!)


    Ein Projekt heißt: ökologische Modernisierung. Die
    Naturkatastrophen rücken näher an die Zivilisation heran.
    Jahrhunderthochwasser sind wahrscheinlich gar keine
    Jahrhunderthochwasser mehr. Wir müssen noch massiver
    Klimaschutz betreiben und den Weg eines vernünftigen
    Energiemix gehen.


    (Beifall bei der SPD)

    In der vergangenen Legislaturperiode haben wir im Deut-
    schen Bundestag 17-mal über wichtige Umweltgesetze
    abgestimmt. Darunter waren die Gesetze zum Klima-
    schutz, zu erneuerbaren Energien, zur Nutzung von Sonne
    und Wind, zur Verstärkung der Kraft-Wärme-Kopplung.
    15-mal haben CDU/CSU dagegen gestimmt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)


    Die Menschen in Deutschland waren gut beraten, dass sie
    auch an dieser Stelle uns und nicht dem selbst ernannten
    Umweltexperten Stoiber vertrauten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein Projekt heißt: das Gesundheitswesen solidarisch or-
    ganisieren und paritätisch finanzieren. Die gesetzliche
    Krankenversicherung ist das solidarischste System über-
    haupt. Sie kann nur funktionieren, wenn alle wissen: Viele
    müssen mehr einzahlen, als sie herausbekommen, damit
    einige, die darauf angewiesen sind, mehr an Sachleistung
    herausbekommen, als sie eingezahlt haben. So funktio-
    niert das. Aber jeder kann betroffen sein, jeder kann hilfs-
    bedürftig werden, kann auch schon in jungen Jahren auf
    qualifizierte medizinische Hilfe angewiesen sein.

    Das System kann gesichert werden, wenn alle Betei-
    ligten mithelfen, seine Effizienz zu verbessern und da zu
    sparen, wo es ohne Einschränkung in der Qualität mög-
    lich ist. Darauf richten sich unsere Bemühungen um eine
    umfassende Gesundheitsreform. Im Vorgriff darauf wird
    es darum gehen, die Versicherungsbeiträge schnell zu sta-
    bilisieren.

    Ein Projekt heißt: lebendige Demokratie, offene Ge-
    sellschaft.

    Es gibt in unserer Gesellschaft Minderheiten unter-
    schiedlichster Art. Sie alle können sich darauf verlassen: So-
    lange Sozialdemokraten regieren, solange diese Koalition
    regiert, werden sie nicht ausgegrenzt, sondern akzeptiert.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben in den vergangenen Jahren in Deutschland viele
    böse Heimsuchungen durch Menschen erlebt, die Minder-
    heiten beschimpft und drangsaliert haben, einige bis zum
    schlimmsten Exzess. Wir wollen in einem Land leben, in
    dem kein Mensch Angst haben muss, nur weil er anders ist
    als andere, und zwar unabhängig von seiner Hautfarbe,
    seiner Religion, seiner Herkunft, seiner Eigenart. Das wol-
    len wir zusammen mit allen Gutwilligen erreichen: ein
    Land der guten Nachbarschaft sein nach innen und nach
    außen, ein Land ohne Bundesprüfstelle für Leitkultur.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Franz Müntefering




    Franz Müntefering

    Ein Projekt heißt: Deutschland, ein normales Land in
    Europa. Lange Zeit war Deutschland getrennt und wir
    Deutschen in West und in Ost lebten in einer besonderen
    Situation. Wir hatten einVaterland, aber wir lebten in zwei
    Welten. Unsere Situation war unnormal. Wie tief greifend
    die Entwicklung seit 1990 für unser Land und für uns als
    Deutsche in diesem Land sein würde, haben wir 1990
    vielleicht noch nicht geahnt.

    Jetzt ist Deutschland ein normales Land in Europa
    mit Rechten und Pflichten und in der Verantwortung, sei-
    nen Beitrag für das Gelingen Europas zu leisten. Bundes-
    kanzler Gerhard Schröder tut das, selbstbewusst die In-
    teressen Deutschlands wahrend – das hat sich in den
    vergangenen Tagen nicht zum ersten Mal gezeigt –, aber
    auch darauf bedacht, dass Deutschland seinen Beitrag
    dazu leistet, dass dieses Europa weiter wachsen kann und
    eine Region des Friedens, der Demokratie und des Wohl-
    stands bleibt. Die Bundesregierung hat dafür unsere Un-
    terstützung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Vor mehr als zehn Jahren meinten manche in Deutsch-
    land, die Zeit der Sozialdemokratie sei vorbei, sie habe
    nahezu alles erreicht. Diejenigen, die damals dieser Mei-
    nung waren, haben sich geirrt. Die Sozialdemokraten
    regieren heute. Wir werden dafür sorgen, dass sich dieses
    Land erneuert; denn die Erneuerung zu gestalten ist drin-
    gend notwendig in einer Zeit der Globalisierung, der Eu-
    ropäisierung, der tief greifenden demographischen Verän-
    derung und der neuen Kulturtechniken. Wir sichern dabei
    soziale Gerechtigkeit. Denn das ist und bleibt der Kern so-
    zialdemokratischer Politik: das Soziale und das Demo-
    kratische.

    Wir wissen, dass Politik heute nur gut sein kann, wenn
    sie auch morgen und übermorgen gut ist. Nachhaltigkeit
    ist für manche nur ein Modewort. Aber sie ist unverzicht-
    bar. Deshalb gilt für unsere Politik in den kommenden
    vier Jahren und, wie wir hoffen, weit darüber hinaus, was
    über der Koalitionsvereinbarung steht, nämlich das Land
    zu erneuern, soziale Gerechtigkeit zu sichern und für
    Nachhaltigkeit zu sorgen. Wir wollen zusammen mit den
    Grünen Deutschland voranbringen. Wir nehmen uns viel
    vor. Wir werden es schaffen.

    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Westerwelle,

FDP-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Guido Westerwelle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Regierungser-
    klärung in einer Geschäftsmäßigkeit abgegeben, die für

    die erste Regierungserklärung dieser Legislaturperiode
    wirklich bemerkenswert ist.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist Frau Flach, Herr Westerwelle?)


    Sie haben den Text der Regierungserklärung, der Ihnen
    aufgeschrieben wurde und der selbst ohne Schwung ist,
    ohne Dynamik und ohne Temperament vorgetragen.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist Frau Flach, Herr Westerwelle? Wir wollen Frau Flach sehen!)


    So kann man das Land nicht in Schwung bringen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Diese Regierungserklärung war eine Regierungser-
    klärung der babylonischen Sprachverwirrung. Als ich
    gestern Nacht diesen Text zum ersten Mal lesen konnte,
    den Sie heute im Stile eines Notars bis auf wenige Ab-
    weichungen eins zu eins verlesen haben, ist mir wie dem
    gesamten Bundestag heute ein Wort aufgefallen, das es
    verdient, noch einmal erwähnt zu werden: intelligentes
    Sparen. Herr Bundeskanzler, es ist zwar gut, dass Sie,
    wenn auch unbeabsichtigt, Ihren Wortwitz in Anbetracht
    der Erblast, die Schröder Schröder hinterlassen hat, nicht
    verloren haben. Aber man muss schon fragen: Was heißt
    eigentlich intelligentes Sparen? Intelligentes Sparen heißt
    für die Deutschen nichts anderes als höhere Steuern,
    höhere Abgaben, höhere Schulden und weicher Euro. Sie
    haben eine babylonische Sprachverwirrung vorgetragen,
    aber keine sachliche, vernünftige und konkrete Regie-
    rungserklärung.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Man muss im Detail nachlesen, was Sie im Koalitions-

    vertrag aufgeschrieben haben. Zunächst einmal haben Sie
    Ihren Koalitionsvertrag mit „Erneuerung – Gerechtigkeit
    – Nachhaltigkeit“ überschrieben.


    (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

    Das sind ebenfalls drei Worte der babylonischen Sprach-
    verwirrung. Denn nach rot-grüner Lesart heißen Erneue-
    rung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit Folgendes: Er-
    neuerung heißt bei Ihnen neue Steuern und neue
    Schulden. Gerechtigkeit heißt bei Ihnen: Alle haben die
    Chance, arbeitslos zu werden. Nachhaltigkeit heißt bei Ih-
    nen: Solange Rot-Grün regiert, wird es auch so bleiben.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deswegen ist es notwendig, dass wir auf das hinweisen,

    was Sie vor der Wahl gesagt haben und was Sie nach der
    Wahl sagen. Vor der Wahl haben Sie gesagt, die Steuern
    würden nicht erhöht. Nach der Wahl haben Sie allen mit-
    teilen müssen, dass die Steuern natürlich erhöht werden.


    (Lothar Mark [SPD]: Was ist mit den 18 Prozent?)


    Vor der Wahl haben Sie gesagt – auch das ist bemerkens-
    wert –, die Abgaben würden nicht steigen. Mittlerweile
    wissen wir, dass alle Abgaben für die sozialen Siche-
    rungssysteme steigen werden.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    74


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Vor der Wahl haben Sie davon gesprochen, man dürfe
    keine Politik zulasten der Jungen machen und dement-
    sprechend dürfe unser Land nicht mit neuen Schulden
    konfrontiert werden. Mittlerweile wissen wir, dass Sie die
    Schulden entgegen dem, was Sie sich für die nächsten
    Jahre vorgenommen hatten, deutlich erhöhen werden, und
    zwar schon nach jetzigem Stand vermutlich um weit mehr
    als 6 Milliarden Euro. Das ist ein falscher Weg der Regie-
    rung und das wird Ihnen zunehmend entgegengehalten.

    Wir haben in der letzten Woche bemerkenswerte Kron-
    zeugen bekommen, die ich Ihrer Aufmerksamkeit emp-
    fehle. Nach Ihrer Lesart sind das ja die „Kettenhunde“ der
    Opposition. Die Repräsentanten großer Verbände, die am
    gesellschaftlichen Leben mitwirken, auf dem Bundespar-
    teitag der SPD als Kettenhunde zu bezeichnen, allein das
    ist schon eine bemerkenswerte Wortwahl.


    (Beifall bei der FDPund der CDU/CSU –Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Kettenhunde in Ihrer eigenen Partei!)


    Es gibt übrigens einen weiteren Beitrag zur babyloni-
    schen Sprachverwirrung. Von Herrn Müntefering haben
    wir gerade Entsprechendes gehört. Er hat über Toleranz ge-
    genüber Minderheiten gesprochen und festgestellt, dass sie
    notwendig ist. Aber als bei der Kanzlerwahl eine Stimme
    aus Ihren Reihen fehlte, haben Sie großspurig hinaus-
    posaunt: Wir werden den schuldigen Abweichler finden.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Übel! – Zurufe von der SPD: Oh!)


    Das ist Ihr Parlamentsverständnis und Ihr Toleranzver-
    ständnis. Es ist ein politischer Treppenwitz, was Sie als
    politischer Wächter für Kultur hier einbringen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte für Sie aus dem Herbstgutachten der
    führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, das letzte Wo-
    che veröffentlicht worden ist, zitieren. Dies muss aus un-
    serer Sicht vorgetragen werden. Mögen Sie die führenden
    Wirtschaftsköpfe in unserem Lande auch Kettenhunde
    nennen; sie haben Ihnen die Wahrheit ins Stammbuch ge-
    schrieben. Wörtlich stand im Herbstgutachten der letzten
    Woche:

    Die Koalitionsvereinbarungen zur Anhebung von
    Steuern und Sozialabgaben sind das Gegenteil des-
    sen, was wachstumspolitisch geboten ist. ... Auch
    hier hat sich die Politik in den vergangenen Jahren in
    die falsche Richtung bewegt.

    Aus meiner Sicht füge ich hinzu: All das, was Sie hier
    zur Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik vor-
    getragen haben, ist exakt das Gegenteil von dem, was
    Deutschland braucht, damit es einen besseren Weg ein-
    schlagen kann.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben ja die Hartz-Kommission als Generallö-
    sungsmittel eingeführt, so als ob das der entscheidende

    Beitrag sei. In Wahrheit haben Sie dabei vergessen, dass
    Sie damit nur an den Symptomen kurieren werden. Als
    Herr Hartz im Sommer dieses Jahres das erste Mal mit sei-
    nem Konzept an die Öffentlichkeit gegangen ist,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die erste Fassung war gut!)


    da konnte man noch hoffen, dass aus „Hartz“ irgendwann
    einmal ein Bernstein wird. Mittlerweile haben wir fest-
    stellen können, dass durch die Intervention Ihrer Gewerk-
    schaftsfunktionäre und Ihrer Regierungsmitglieder die
    notwendigen Strukturmaßnahmen, die seinerzeit von
    Hartz vorgeschlagen worden sind, weich gespült und aus-
    geblendet wurden.

    Der eigentliche Problempunkt ist: Sie drücken sich vor
    dem, was Deutschland wirklich braucht. Die Regierung
    geht den Weg der ungeplanten Planwirtschaft, anstatt den
    Weg der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft zu ge-
    hen. Das wird Ihnen auf die Füße fallen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Genauso wie Sie vor der Bundestagswahl zu all unse-
    ren Vorhaltungen gesagt haben, das sei Propaganda der
    Opposition,


    (Jörg Tauss [SPD]: 18 Prozent!)

    sagen Sie jetzt vor der Hessenwahl und der Niedersach-
    senwahl wieder nicht die Wahrheit. Sie werden die Steu-
    ern nach der Hessen- und der Niedersachsenwahl weiter
    erhöhen.


    (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Katrin Dagmar GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie werden nicht mehr im Landtag sein!)


    Sie werden an die Mehrwertsteuer herangehen und den
    Bürgern noch kräftiger in die Tasche greifen. Deswegen
    werden wir in diesen beiden Landtagswahlkämpfen auf
    Folgendes aufmerksam machen: Wer sich diesem Abkas-
    sieren entgegenstellen will, wer eine Politik der wirt-
    schaftlichen Vernunft will, der hat bei den beiden Land-
    tagswahlen die Möglichkeit zu einer schnellen Revanche
    gegen Rot-Grün.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In der Wirtschafts-, in der Steuer- und in der Finanzpo-
    litik gibt es keine Perspektive.


    (Johannes Kahrs [SPD]: Kümmern Sie sich mal um die FDP!)


    Man sollte sich einmal ansehen, mit welcher Flickschus-
    terei Sie an die Steuersystematik herangegangen sind. Es
    macht schon fast Freude, sich die Details einmal anzu-
    schauen. Wir erleben beispielsweise, dass die Umsatzbe-
    steuerung der landwirtschaftlichen Vorprodukte erhöht
    wird. Bei der Landwirtschaft findet die Mehrwert-
    steuererhöhung jetzt schon statt, das haben Sie beschlos-
    sen. Davon ausgenommen sind die Futterzubereitung für
    Hunde und Katzen sowie Kuchen und Kauspielzeuge für
    Hunde und andere Tiere.

    Dr. Guido Westerwelle




    Dr. Guido Westerwelle

    Ich kann Ihnen sagen, wie so etwas zustande kommt.
    Ich habe da so eine Ahnung: Als Rote und Grüne am Ko-
    alitionstisch zusammengesessen sind, haben sie sich ge-
    sagt, die Bauern können wir strafen, sie haben uns nicht
    gewählt, aber unter den Katzenliebhabern könnte es noch
    ein paar Anhänger geben, deshalb können wir die Steuer
    nicht erhöhen. Das ist Ihre Steuer- und Abgabenpolitik
    ohne Sinn und Verstand, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr.Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das war alles für die Katz! Das ist Steuerpolitik für die Katz!)


    Dann gibt es die Kettenhunde. Ich möchte Ihnen einen
    Kettenhund der Opposition vorstellen.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist Herr Möllemann?)


    – Frau Kollegin, da Sie von den Grünen mit Ihrem Zwi-
    schenruf auf unser Spendenkonto in Nordrhein-Westfalen
    anspielen, möchte ich Ihnen Folgendes dazu sagen: Wis-
    sen Sie, was der Unterschied ist? Bei uns gibt es einen
    Vorgang, den wir aufklären, bei Ihnen kann man eine pri-
    vate Urlaubsreise auf Staatskosten nach Bangkok antreten
    und wird danach in die Regierung befördert. Das ist der
    Unterschied in unserem Moralverständnis. Wo ist denn
    Herr Schlauch?


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Grüne als moralische Instanz? Das ist doch wohl ein Witz.

    Ich möchte jetzt auf die Kettenhunde der Opposition
    eingehen, denn das ist ein bemerkenswerter Punkt.


    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Herrn Gerhardt?)


    Ein Kettenhund der Opposition, der IG-BAU-Chef und
    SPD-Politiker Wiesehügel – er ist ein echter Kettenhund,
    er saß bisher für die Sozialdemokraten im Deutschen
    Bundestag –, sagt zu dem, was Sie bei der Eigenheimzu-
    lage vorhaben, wörtlich:

    Finger weg von der Eigenheimzulage! Rot-Grün ris-
    kiert, zehntausende Jobs in der Baubranche wegzu-
    sparen. Normalverdiener verlieren die Möglichkeit,
    der Mietspirale zu entkommen und privates Wohnei-
    gentum zu bilden.

    So schnell fällt Ihr Lügengebäude zusammen, denn in
    Wahrheit machen Sie keine Politik für Familien. Was ist
    das für eine Familienpolitik, wenn man künftig ein Ei-
    genheim nur noch mit Zulage bauen kann, wenn man
    sechs Kinder hat und in einen Neubau einziehen will? Das
    ist doch keine Familienpolitik. Wir müssen allen Familien
    mit Kindern helfen, wir müssen alle, die mit Kindern zu-
    sammenleben, finanziell entlasten.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie gehen den Weg der Bestrafung von Familien und Be-
    ziehern kleiner Einkommen.

    Entscheidend ist auch, dass Sie sich vor notwendigen
    Strukturreformen drücken.


    (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völliger Unsinn!)


    Ich nenne in diesem Zusammenhang das Stichwort
    Hartz: Hartz immer wieder und überall,


    (Jörg Tauss [SPD]: Wie Möllemann!)

    als ob damit irgendjemandem geholfen wäre. Ich trage Ih-
    nen das Zitat eines weiteren Kettenhundes der Opposi-
    tion, des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt – der ist ein
    echter Kettenhund der Opposition –, vor. Er sagt in der
    „Zeit“:

    Die hartzschen Vorschläge vom Sommer dieses Jah-
    res gehen in die richtige Richtung, aber sie betreffen
    höchstens ein Drittel der gebotenen Deregulierung
    des deutschen Arbeitsmarktes.

    (Franz Müntefering [SPD]: Das wäre doch schon was!)

    Im Bereich der Lohnfindung muss der flächen-
    deckende Tarifvertrag verschwinden, dazu muss im
    Tarifvertragsgesetz die Verordnung der Allgemein-
    verbindlichkeit gestrichen


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ein ganz Schlimmer! Ihr müsst ihn ausschließen!)


    und im Betriebsverfassungsgesetz müssen jene
    Paragraphen abgeschafft werden, die es den Ge-
    schäftsleitungen und den Betriebsräten verbieten,
    Betriebsvereinbarungen über Löhne, Arbeitszeiten
    und Bedingungen abzuschließen.

    Herrgott, dieser Kettenhund der Opposition, Helmut
    Schmidt, hat so Recht, dass Sie endlich einmal auf ihn
    hören sollten. Sie werden mit Hartz ein bisschen an den
    Symptomen herumdoktern, wie Sie es bis jetzt auch ge-
    macht haben, die Ursachen der Arbeitslosigkeit werden
    Sie jedoch nicht bekämpfen; denn die Ursache heißt: Ar-
    beit in Deutschland wird durch zu hohe Steuern und Ab-
    gaben und zu viel Bürokratie zu teuer.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie stehen für mehr Steuern, für mehr Abgaben und für
    mehr Bürokratie. Das ist genau der Weg, der in Deutsch-
    land gestoppt werden muss.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben mittlerweile einige Beschlüsse gefasst. Ich
    habe sie gelesen und gebe zu, dass mir eine Passage auch
    deshalb besonders aufgefallen ist, weil sie ausgerechnet in
    der zweiten oder dritten Zeile auf der Seite 18 Ihres Ko-
    alitionsvertrags stand. Da ist Bemerkenswertes enthalten.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut ja weh!)


    Dort schreiben Sie allen Ernstes nicht nur, dass Sie die
    Abgaben erhöhen wollen – vor der Wahl war dies alles
    nicht wahr –, sondern Sie schreiben auch hinein, dass Sie
    noch weiter an die Schwankungsreserve der Renten ge-
    hen wollen. Die Bürgerinnen und Bürger, die uns jetzt
    zuschauen, wissen vielleicht nicht, was sich dahinter ver-
    steckt. Ich möchte es ihnen sagen: Die Schwankungsre-
    serve ist nichts anderes als der Notgroschen, den man für
    die Rente braucht. Mit Ihrer Politik gehen Sie an diesen


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    76


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Notgroschen der Rente. Sie verschulden die Rente. Dies
    ist eine Katastrophe für Deutschland und für die Rentne-
    rinnen und Rentner.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Das stimmt doch nicht!)


    Nun zu Bundesfinanzminister Hans Pinocchio Eichel,
    der vor der Wahl erzählt hat: Die 3 Prozent werden wir
    nicht reißen. – Ich saß gemeinsam mit Herrn Kollegen
    Merz und Ihnen wenige Wochen vor der Wahl in einer
    Fernsehsendung. Dort haben wir Ihnen gesagt: Sie wer-
    den natürlich die 3 Prozent reißen.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er hat es gewusst!)


    – Sie haben es gewusst und gesagt, dies sei alles Propa-
    ganda der Kettenhunde der Opposition.

    Mittlerweile kann man erkennen, dass Sie in der Tat
    den Wählern vorher die Unwahrheit gesagt haben. Des-