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ID1500400200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen ha-
    ben am 22. September von den Wählerinnen und Wählern
    den Auftrag zur weiteren sozialen und ökologischen Er-
    neuerung unseres Landes erhalten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    – Das mag Ihnen komisch vorkommen; aber es war so.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Ja, mit Lug und Betrug!)


    Ich habe schon gelegentlich feststellen müssen, dass Sie
    das vielleicht ein bisschen anders erwartet hatten. Aber
    nehmen Sie zur Kenntnis: Sie saßen auf der Oppositions-
    seite, Sie sitzen da und Sie werden da sitzen bleiben.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Arroganter Heuchler!)


    Wir haben den Auftrag, Gemeinsinn und Verantwor-
    tungsbereitschaft zu stärken, Solidität, aber auch Solida-
    rität zu organisieren und diesen Auftrag werden wir erfül-
    len. Die Menschen in Deutschland wissen, dass wir in
    wirtschaftlich schwierigen Zeiten leben. Sie wissen um
    die Gefahren durch den internationalen Terrorismus; sie
    wissen um die Gefahren durch regionale Konflikte – alles
    Gefahren, die unsere innere Sicherheit, aber auch unseren
    wirtschaftlichen Wohlstand bedrohen; sie wissen, dass
    uns der veränderte Altersaufbau unserer Bevölkerung und
    der Wandel im Erwerbsleben zu weit reichenden Verände-
    rungen bei den Systemen der sozialen Sicherung, zu Spar-
    samkeit, zu höherer Effizienz und zu größerer Gerechtig-
    keit zwingen.

    Aber die Menschen in Deutschland haben sich aus-
    drücklich nicht dafür entschieden, den Sozialstaat abzu-
    schaffen, wahllos Leistungen zu kürzen


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    oder gar die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
    nehmer zurückzudrehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie haben der neuen Regierung eben nicht den Auftrag er-
    teilt, die Interessen von Gruppen und Verbänden über das
    Gemeinwohl zu stellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wissen um den Wählerauftrag und deshalb überneh-
    men wir Verantwortung für das Ganze.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Entwicklung der internationalen Finanz- und

    Aktienmärkte, die Zurückhaltung von Konsumenten und
    Investoren in allen großen Volkswirtschaften, eine anhal-
    tende Unsicherheit auf den Rohstoff- und Energiemärkten
    durch die explosive Lage im Nahen Osten, das alles gibt
    wenig Anlass zu der Hoffnung auf eine kurzfristige Bes-
    serung der Weltwirtschaft. Deshalb kommt es für uns da-
    rauf an, im Inland die Kräfte für Wachstum und Erneue-
    rung zu stärken.




    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Dabei stehen die klassischen Instrumente, um den
    Konsum und die Investitionstätigkeit durch Subventio-
    nen, durch Finanzspritzen zu stimulieren, nicht mehr zur
    Verfügung; denn diese Instrumente können in einer Zeit
    der fortschreitenden wirtschaftlichen Verflechtung keine
    Wirkung entfalten.

    Die bereits beschlossene nächste Stufe der Steuer-
    reform, die wir zur Beseitigung der nicht vorhersehbaren
    Flutschäden um ein Jahr verschieben mussten, tritt mit
    ihren bedeutenden Entlastungseffekten im Jahr 2004 in
    Kraft. Weitere Entlastungen werden folgen. Sie sind für
    2005 bereits beschlossen und werden die Wachstums-
    kräfte in Deutschland stärken.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Gerade weil die Politik der abgestuften Steuersenkun-
    gen weiterverfolgt wird,


    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Steuererhöhungen!)


    ist es nötig, einzelne Ausnahme- und Subventionstatbe-
    stände im Steuerrecht auf ihre Zweckmäßigkeit und auf
    ihre Zielgenauigkeit hin zu überprüfen und gegebenen-
    falls auch abzuschaffen. Die in der Koalition vereinbarten
    Einsparungen und Einschnitte sind in sich ausgewogen.
    Sie dienen allein dem Ziel, neue Handlungsmöglichkeiten
    für Zukunftsinvestitionen und damit für Wachstum und
    Beschäftigung zu eröffnen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Obenan stehen Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im
    Bildungswesen. Wir müssen und wir werden die Qualität
    von Bildung und Ausbildung deutlich verbessern und damit
    die Lebenschancen insbesondere junger Menschen erhöhen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Gegen vielfachen Widerstand werden wir die Familien
    fördern und die Sozialsysteme reformieren,


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    ohne den Grundsatz der Solidarität preiszugeben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir setzen einen Schwerpunkt öffentlicher Investitio-

    nen bei der Wiederherstellung und der weiteren Moderni-
    sierung der Infrastruktur in den neuen Bundesländern.
    Damit stärken wir die innovativen Kräfte in der Wirt-
    schaft, und zwar ganz gleich ob in kleinen, mittleren oder
    großen Unternehmen.


    (Zuruf von der FDP: Insolvenzen!)

    Es geht uns darum, unsere Spitzenposition in der For-

    schung und bei der Anwendung neuer Technologien so-
    wie bei der ökologischen Modernisierung zu halten und
    sie, wo immer es geht, auszubauen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, zur weiteren Konsolidie-
    rung der öffentlichen Haushalte gibt es keine vernünftige
    Alternative. Wir brauchen Zukunftsinvestitionen statt Zins-
    zahlungen. Wir dürfen heute also nicht das konsumieren,
    was wir unseren Kindern und Enkeln als Zukunftschan-
    cen eröffnen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir brauchen und wir werden Spielräume im Etat schaf-
    fen, um Vorsorge für unsere Volkswirtschaft treffen zu
    können, und werden bei Bedarf gezielt gegensteuern. Die
    Bundesregierung hält an dem Ziel fest, bis 2006 einen
    ausgeglichen Bundeshaushalt zu erreichen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Dabei muss klar sein: Der Stabilitätspakt selbst steht
    nicht zur Diskussion. Was wir aber brauchen, ist seine
    konjunkturgerechte Ausgestaltung.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Gerade in der gegenwärtigen Situation muss es möglich
    sein, die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen.
    Erforderlich ist also mehr Flexibilität, um in konjunktu-
    rell schwierigen Zeiten gegensteuern zu können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Angesichts der schwierigen weltwirtschaftlichen Lage,
    die natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die Kon-
    junktur und das Wachstum in Deutschland hat, müssen
    wir eines erkennen: Es ist jetzt nicht die Zeit, neue Forde-
    rungen zu stellen, ohne zu neuen Leistungen bereit zu
    sein. Wer nur seine Ansprüche pflegt, der hat wirklich
    noch nicht verstanden, worum es geht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das kann ich Ihnen sagen!)


    Wer soliden Wohlstand, nachhaltige Entwicklung und
    neue Gerechtigkeit will, der wird Verständnis dafür auf-
    bringen, dass man bei bestimmten staatlichen Leistungen
    auch kürzer treten muss und dass auf das erreichte
    Leistungsniveau des Staates und der Sozialversicherun-
    gen nicht fortwährend draufgesattelt werden kann.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zur Reform und Erneuerung gehört auch, manche An-
    sprüche, Regelungen und Zuwendungen des deutschen
    Wohlfahrtsstaates zur Disposition zu stellen. Manches,
    was auf die Anfänge des Sozialstaates in der Bismarck-
    Zeit zurückgeht und vielleicht noch vor 30, 40 oder
    50 Jahren selbstverständlich und berechtigt gewesen sein
    mag, hat heute seine Dringlichkeit und damit seine Be-
    rechtigung verloren.

    Diese Bundesregierung, diese Koalition hat eine ge-
    lungene Mischung aus mehr wachstumsfördernden Inves-
    titionen des Staates,


    (Lachen bei der CDU/CSU)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    52


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    intelligentem Sparen, mehr Steuerehrlichkeit und mehr
    Steuergerechtigkeit vereinbart.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wer in einer labilen konjunkturellen Situation noch
    höhere Einsparungen des Staates fordert, der nimmt in
    Kauf, dass die berechtigten Anliegen der Bürgerinnen und
    Bürger Schaden nehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
    kann ja verstehen, dass Sie wegen der verlorenen Wahl
    immer noch ein wenig sauer sind.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn man in Ihre Gesichter schaut, merkt man es Ihnen
    an. Ich kann das gut nachvollziehen. Sie alle haben sich
    schon auf der Regierungsbank sitzen sehen und nun ist es
    wieder nichts geworden. Wenn Sie so weitermachen, wird
    es auch so bleiben; seien Sie sich dessen ganz sicher.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Sie sind ein richtiger Aufschneider!)


    Wie man hört, sind Sie auf dem besten Wege, so weiter-
    zumachen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Hochmut kommt vor dem Fall!)


    Zu der Politik, die wir vereinbart haben, gibt es keine
    vernünftige, jedenfalls keine verantwortbare Alternative.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich sage es noch einmal: Wer in einer labilen konjunktu-
    rellen Situation noch höhere Einsparungen des Staates
    fordert, der nimmt in Kauf, dass die berechtigten Anlie-
    gen der Bürgerinnen und Bürger ernsthaft Schaden neh-
    men. Theoretisch gibt es eine Alternative: Wir hätten, wie
    es ja gelegentlich vorgeschlagen worden ist, über die be-
    schlossenen und notwendigen Einsparungen – etwa bei
    den konsumtiven Ausgaben und bei den Subventionen –
    hinaus in allen Ressorts einen gleich hohen Prozentsatz
    der Leistungen ersatzlos streichen können. Das wäre aber
    das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit gewesen.

    Wir brauchen vor allem Investitionen in Zukunfts-
    chancen; das werden wir organisieren. Wir wollen des-
    halb keinen Staat, der verarmt und damit handlungsun-
    fähig wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Haben wir ja schon!)


    Es bleibt dabei – das ist unsere gemeinsame Überzeugung –:
    Einen solchen Nachtwächterstaat kann sich nur eine kleine
    Minderheit von Mächtigen und Privilegierten leisten. Die
    Mehrheit in unserem Land kann und will das nicht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Mehrheit in unserem Land hat Anspruch auf einen
    Staat, der Gemeinwohl befördert, Chancen eröffnet und
    Gerechtigkeit organisiert. Gerechtigkeit ist nach unserer
    Auffassung viel mehr als die Forderung, dass alle Opfer
    bringen müssen. Mehr als auf die Verteilung knapper wer-
    dender öffentlicher Mittel kommt es heute auf die Vertei-
    lung von Chancen in unserer Gesellschaft an. Unsere po-
    litische Generation steht vor der historischen Aufgabe,
    Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung zu definie-
    ren und sie politisch zu organisieren. Das ist der Grund,
    warum wir die Menschen in Deutschland, auch diejenigen,
    die in diesem Hause auf welcher Seite auch immer Politik
    machen, zu einer Verantwortungspartnerschaft aufrufen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, wie schön!)

    Gemeinsam können wir die gewiss großen, aktuellen
    Schwierigkeiten überwinden und weit über diese Legisla-
    turperiode hinaus die Kräfte und das Können unseres Lan-
    des für ein in jeder Hinsicht reicheres Leben der heutigen
    und der künftigen Generationen mobilisieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Vordringliche Aufgabe in der beginnenden Legislatur-
    periode ist nach unserer festen Überzeugung die Reform
    der Arbeitsmärkte. Wir haben in Deutschland nicht nur
    eine zu hohe Arbeitslosigkeit; wir haben auch zu viele
    Überstunden, zu viel Schwarzarbeit und zu viele offene,
    also nicht besetzte Stellen.

    Mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission ist es ge-
    lungen, nach mehr als 30 Jahren fortwährender Diskus-
    sionen um Reformen auf dem Arbeitsmarkt ein schlüssi-
    ges Gesamtkonzept vorzulegen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Diese Vorschläge, die wir ohne Abstriche umsetzen, wer-
    den die größte Arbeitsmarktreform seit Bestehen der Bun-
    desrepublik bewirken. Ich denke, wir alle sollten die Ge-
    legenheit nutzen, um Herrn Hartz und den Mitgliedern der
    Kommission für ihre Arbeit zu danken, und darangehen,
    die Ergebnisse umzusetzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Was wir mit dieser Reform erreichen werden, ist eben
    nicht nur eine schnellere und effizientere Vermittlung von
    Arbeitslosen in offene Stellen. Nein, wir eröffnen darüber
    hinaus neue Beschäftigungsmöglichkeiten, vor allen Din-
    gen in den Dienstleistungsberufen. Wir schaffen auch bei
    geringem Eigenkapital neue Chancen auf Selbstständig-
    keit und Existenzgründung. Wir sorgen für neue Flexibi-
    lität durch die Einrichtung von Personal-Service-Agentu-
    ren und geben den Menschen die Chance, sich auf Zeit
    beruflich zu bewähren. Vor allem Langzeitarbeitslose er-
    halten endlich wieder Gelegenheit, auf diese Weise in
    Beschäftigung zu kommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir machen mit dieser Reform gerade bei den Dienst-
    leistungen legale Arbeit attraktiv und verringern so die

    Bundeskanzler Gerhard Schröder




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    Versuchung, Arbeitskraft illegal anzubieten. Damit keine
    Missverständnisse aufkommen: Schwarzarbeit ist nach
    unserer Auffassung kein Kavaliersdelikt, sondern ein
    Missbrauch unserer Sozialsysteme. Diesen Missbrauch
    müssen wir mit aller Konsequenz bekämpfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bei allem geht es mit dieser Reform nicht um eine
    falsch verstandene Öffnung der Arbeitsmärkte durch be-
    denkenlose Beschneidung von Arbeitnehmerrechten. Uns
    geht es um die Eröffnung neuer Möglichkeiten. Die Vor-
    schläge der Hartz-Kommission und die Beschlüsse der
    Bundesregierung, die dort erarbeiteten Ergebnisse unver-
    wässert umzusetzen, demonstrieren auch etwas, das weit
    über die dringlichen Reformen auf dem Arbeitsmarkt hin-
    ausweist: Hier ist gezeigt worden, dass auch in vermach-
    teten, teilweise verkrusteten Strukturen die nötigen Verän-
    derungen möglich und politisch machbar sind, jedenfalls
    dann, wenn alle Beteiligten ihre Kraft zur gemeinsamen
    Verantwortung in die Waagschale werfen.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Werden Sie mal konkret!)


    Aus diesem großen Reformprojekt können wir eine
    zentrale Botschaft herauslesen, die auch die Maxime in
    den vor uns liegenden Regierungsjahren sein wird und
    – das füge ich hinzu – sein muss: Es geht nicht darum,
    immer nur zu fragen, was nicht geht. Es geht vielmehr da-
    rum, zu fragen, was jede und jeder Einzelne von uns dazu
    beitragen kann, dass es geht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Bundesregierung tritt ihr neues Mandat mit dem
    festen Willen an, unser Land weiter zu erneuern. Innova-
    tionen, wie wir sie uns vorgenommen haben, brauchen ge-
    wiss Geduld und gelegentlich einen langen Atem. Auch
    wenn der Weg der Reformen mitunter beschwerlich ist –
    wir werden nicht nachlassen.

    In der Koalitionsvereinbarung sind für viele Bereiche
    wichtige Schritte benannt. Gelegentlich sind es erst be-
    scheidene Schritte. Ich meine aber, in allen Punkten ist
    festzustellen, dass die Richtung stimmt.

    Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode die
    Voraussetzungen für eine Politik der Gerechtigkeit, der
    Erneuerung und der Nachhaltigkeit geschaffen. In den
    nächsten vier Jahren werden wir diese Politik weiterhin
    konsequent in die Wirklichkeit des Alltags umsetzen.
    Denn das ist der Maßstab unserer Politik: Sie hat sich im
    Alltag der Menschen zu bewähren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Vieles von dem, was wir bereits begonnen haben oder
    womit wir jetzt beginnen, weist über die nächsten vier
    Jahre hinaus. Manches bei den Veränderungen an den So-
    zialsystemen, an der Finanzstruktur und bei der Entfal-
    tung neuer Wirtschaftskraft wird erst nach einiger Zeit
    vollends zur Wirkung kommen. Unsere große Chance ist
    es, die Gestaltung des gesamten Jahrzehnts in Angriff zu
    nehmen und damit die Frage zu beantworten, wie im Zeit-

    alter der Globalisierung und strukturellen Veränderungen
    des Wirtschaftens und des Arbeitens Gerechtigkeit herge-
    stellt bzw. gesichert werden kann. Deshalb begreifen wir
    es als unsere vordringliche Aufgabe, Deutschland zu ei-
    nem wirklich kinderfreundlichen Land zu machen,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    und zwar zu einem Land, in dem Kinder so gut betreut
    werden, dass sie beim Spielen lernen können und beim
    Lernen das Spielen nicht vergessen müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrike Flach [FDP]: Vier Jahre habt ihr nichts gemacht!)


    Meine Damen und Herren, wir werden erreichen, dass
    Frauen wirkliche Wahlfreiheit zwischen Familie und
    Beruf haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden erreichen, dass das Großziehen von Kindern
    eben nicht als Last oder gar als Risiko empfunden wird.
    Wir werden die Bedingungen dafür schaffen, dass Kinder-
    erziehung als selbstverständlicher und glücklicher Ab-
    schnitt eines erfüllten Lebens erfahren werden kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wollen also ein Land sein, das seinen Kindern alle
    Möglichkeiten einräumt, in einer sicheren Umwelt mit ge-
    sunden und bezahlbaren Lebensmitteln aufzuwachsen,
    und das allen eine erstklassige Bildung und Ausbildung
    garantiert.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Allein dafür stellen wir in den nächsten vier Jahren 4 Mil-
    liarden Euro für die Einrichtung von 10 000 neuen Ganz-
    tagsschulen zur Verfügung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Damit wollen wir mithelfen, dass Deutschland in zehn
    Jahren wieder zu den führenden Bildungsnationen zählt.

    Genauso wenig, wie der Zugang zu erstklassigen Bil-
    dungsangeboten vom Geldbeutel der Eltern abhängen
    darf, dürfen Bildungschancen vom Wohnort bestimmt
    sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Hannover! Glogowski!)


    Wir werden daher gemeinsam mit den Ländern einen Kern
    von nationalen Bildungs- und Leistungsstandards erarbei-
    ten. Den Schulen schließlich müssen wir mehr Autonomie
    gewähren und sie zu mehr Wettbewerb und Eigenverant-
    wortlichkeit herausfordern.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Für Kinder bis zum Alter von drei Jahren werden wir
    eine gesetzliche Betreuungsquote von 20 Prozent errei-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    54


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    chen. Dies finanzieren wir über die Entlastung der Kom-
    munen durch die Reformen am Arbeitsmarkt.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Gerechtigkeit und
    Zukunftsinvestitionen erreicht werden können, wenn un-
    sere Politik ganzheitlich auf diese Ziele ausgerichtet wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden unsere rechtsstaatliche Demokratie stär-
    ken und weiter ausbauen. Die demokratische Teilhabe
    werden wir entwickeln und fördern. Deshalb halten wir an
    unserem Ziel fest, Volksinitiative, Volksbegehren und
    Volksentscheid auf Bundesebene einzuführen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir setzen auf eine umfassende Politik der Integration
    gegen jede Ausgrenzung sozialer, ethnischer, religiöser
    oder kultureller Gruppen und Minderheiten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dabei verstehen wir unter Integration weder die zwang-
    hafte Angleichung noch die Akzeptanz von Parallelge-
    sellschaften. Integration heißt für uns vollkommene Teil-
    habe an den Chancen, aber natürlich auch an den Pflichten
    unseres Gemeinwesens. Eine gesteuerte Zuwanderung
    wird die Zukunftschancen aller Menschen in Deutschland
    erhöhen und denjenigen, die zu uns kommen, weil sie zu
    uns kommen dürfen, eine sichere Lebensperspektive bie-
    ten. Dazu gehört das Angebot, aber auch die Verpflichtung
    zur Integration.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Von entscheidender Bedeutung ist dabei auch die nach-
    holende Integration der Ausländerinnen und Ausländer,
    die bei uns leben. Zugleich werden wir die Ausreisepflicht
    für die Nichtbleibeberechtigten konsequent durchsetzen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das wäre etwas Neues!)


    Wir werden mit einer umfassenden Integrationspolitik
    nicht zuletzt die Versäumnisse früherer Jahrzehnte korri-
    gieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Unser Ziel ist, ein Land zu schaffen, in dem der
    Mensch wirklich im Mittelpunkt aller gesellschaftlichen
    und politischen Entscheidungen steht. Das ist auch ein
    Grund dafür, dass wir den Verbraucherschutz über die
    Lebensmittelsicherheit hinaus stärken und eine moderne
    Familienpolitik fortsetzen, damit die Menschen leben
    können, wie sie leben wollen, anstatt sich vorschreiben zu
    lassen, wie sie leben sollen.

    Vergessen wir aber auch nicht: Mehr Wachstum und
    mehr Produktion bedeuten nicht automatisch mehr Frei-
    heit für den Einzelnen. Für uns ist Lebensqualität mehr
    als Lebensstandard, mehr als Konsum oder Einkommens-

    niveau. Lebensqualität umfasst die ganze Vielfalt des Le-
    bens der Menschen in unserem Land, hat also sehr viel mit
    Freiheit zu tun, und zwar Freiheit von Angst und Not. Das
    heißt aber auch Freiheit zur Verwirklichung ganz persönli-
    cher Lebensentwürfe. Dies ist deswegen so, weil wir Frei-
    heit eben nicht auf Gewerbefreiheit reduzieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Freiheit heißt für uns, dass jede und jeder Einzelne die
    Chance auf ein selbstbestimmtes und eigenverantwortli-
    ches Leben hat.

    Wir wollen ein Land sein, das seine Spitzenstellung im
    Umwelt- und Klimaschutz sowie in Forschung und Tech-
    nologie behauptet und weiter ausbaut.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir schaffen auf diese Weise einen neuen Zusammenhalt,
    der auf Freiheit, auf Selbstbestimmung und auf Nachbar-
    schaft gründet. Wir wollen einen neuen Gemeinsinn und
    einen Staat, der öffentliche Güter wie Gesundheit, Sicher-
    heit und Mobilität bereitstellt, ohne in das private Leben
    der Menschen hineinzuregieren. Deshalb brauchen wir
    nicht einfach weniger oder mehr Staat, sondern vor allem
    einen effizienten, an den Interessen und Bedürfnissen der
    Bürgerinnen und Bürger orientierten Staat, der in der
    Wirtschafts- und in der Gesellschaftspolitik wichtige und
    vor allem richtige Impulse gibt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, aber
    auch der Unternehmen in die Zukunft unseres Landes zu
    stärken sowie die Binnennachfrage und die Investitionen
    anzukurbeln, brauchen wir eine Wirtschafts- und eine Ar-
    beitsmarktpolitik aus einem Guss. Diese Politik steht auf
    fünf Säulen: strategische Investitionen in Bildung, For-
    schung und Infrastruktur für die Familien und zur besse-
    ren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie für die
    ökologische Erneuerung unseres Landes, Fortsetzung der
    Haushaltskonsolidierung und Einsparungen bei den kon-
    sumtiven Staatsausgaben und den Subventionen, nachhal-
    tige Entlastung der Menschen von Steuern und Abgaben,


    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Strukturreformen am Arbeitsmarkt, bei Rente und Ge-
    sundheit, um die sozialen Sicherungssysteme zukunfts-
    fähig zu machen und, wo immer es geht, die Lohn-
    nebenkosten zu senken,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP)


    und Abbau unnötiger Bürokratie.
    Deutschland ist ein Land mit einem großartigen wirt-

    schaftlichen Potenzial und enormen eigenen Wachstums-
    kräften. Unsere Position auf den Weltmärkten im Export,
    das Qualifikationsniveau unserer Arbeitnehmerinnen und
    Arbeitnehmer, die Vielzahl der bei uns entwickelten Ver-
    fahren und Patente und die gute Infrastruktur sind Stärken,
    die wir weiterentwickeln müssen und werden, um auch in
    Zeiten ungünstiger Weltkonjunktur bestehen zu können.

    Bundeskanzler Gerhard Schröder




    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Wir wollen eine neue Kultur der Selbstständigkeit und
    einen neuen Aufschwung bei den Existenz- und Unter-
    nehmensgründungen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dazu bündeln wir die Mittelstandsförderung. Wer sich
    aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen will
    und kann, den werden wir dabei unterstützen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In den ostdeutschen Bundesländern werden wir in den
    Inno-Regio-Prozess durch weiterentwickelte Fördermaß-
    nahmen zur Gründung neuer Unternehmen eingreifen und
    ihn ergänzen. Wir werden die Entwicklung eines neuen
    Mittelstandes im Dienstleistungssektor fördern und die
    Existenzbedingungen kleiner Dienstleistungsbetriebe
    systematisch verbessern.

    Mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan werden wir
    Aufbau Ost und Ausbau West gleichermaßen voranbrin-
    gen. Wir werden die Planung von Bauvorhaben verein-
    fachen und auf diese Weise Investitionen beschleunigen.
    Auf der Grundlage des Solidarpakts II, der bis ins Jahr 2019
    Planungssicherheit gewährt, werden wir die Wirtschafts-
    entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern vorantrei-
    ben. Ostdeutschland muss besser in die überregionale und
    internationale Arbeitsteilung eingebunden werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Besonderes Augenmerk legen wir dabei auch auf die För-
    derung von Direktinvestitionen in den ostdeutschen Län-
    dern und Regionen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz Donnerwetter!)


    Es bedarf nicht erst jener grausamen terroristischen
    Bedrohung, deren Aktualität uns auch in diesen Tagen
    ständig vor Augen geführt wird, um zu erkennen: Sicher-
    heit ist in unserer einen Welt längst nicht mehr mit natio-
    nalen Maßnahmen allein, sondern nur durch internatio-
    nale Zusammenarbeit zu gewährleisten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber auch im nationalen Maßstab, in unserer eigenen Ge-
    sellschaft, ist Sicherheit eben nicht allein Sache von Poli-
    zei, Justiz oder Militär. Die Bundesregierung hat schon
    frühzeitig national und international einen erweiterten Si-
    cherheitsbegriff definiert und dafür geworben. Dazu ge-
    hört die Sicherheit von Leib und Leben vor Krieg und Kri-
    minalität, keine Frage, aber eben auch die materielle,
    soziale und kulturelle Sicherheit, eben zur Vergewisse-
    rung der eigenen Identität, und nicht zuletzt die Sicherheit
    des Rechts und die Absicherung gegen Krankheit und an-
    dere Lebensrisiken.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind davon überzeugt: Erst eine Gesellschaft, die in
    dieser Weise umfassend Sicherheit bereitstellen kann, ist

    fähig zu guter Nachbarschaft und zu friedlicher Zusam-
    menarbeit nach außen, aber eben auch zu den notwendi-
    gen Veränderungsmaßnahmen nach innen.

    Die demographische Entwicklung unserer Bevölke-
    rung etwa kann nicht ohne Auswirkung auf die Struktur
    unserer Systeme der sozialen Sicherung bleiben. Medi-
    zinischer Fortschritt und gestiegene Lebensqualität haben
    unsere Gesellschaft erfreulich verändert, die Lebenser-
    wartungen der Menschen verlängert und immer mehr
    Krankheiten therapierbar gemacht. Doch wenn ein immer
    kleinerer Teil der Gesellschaft die Beiträge für die Kassen
    aufbringen muss, deren Leistungen im Gesundheitswe-
    sen und bei der Altersversorgung von einem immer
    größeren Teil in Anspruch genommen werden, dann be-
    droht das auf Dauer die Funktionsfähigkeit der Solidarge-
    meinschaft.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das wahr?)

    Die Bundesregierung setzt alles daran, das hohe Ni-

    veau der medizinischen Versorgung, das es in unserem
    Land Gott sei Dank gibt, zu sichern und – das ist das Ent-
    scheidende – für jede und für jeden zugänglich zu halten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden dieses leistungsfähige Gesundheitswesen
    dann und nur dann auch für das Wohlergehen aller Men-
    schen nutzen können, wenn wir die Strukturen verändern,
    die Systeme öffnen und in hohem Maße vorhandene Effi-
    zienzreserven auch wirklich nutzen.

    Wir wollen keine Zweiklassenmedizin und mit uns
    wird es sie nicht geben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Lammert [CDU/ CSU]: Das ist doch nicht zu fassen!)


    Was wir aber brauchen und was wir schaffen werden, sind
    mehr Verantwortung und mehr Wettbewerb im System,
    eine Stärkung der Prävention und mehr Zusammenarbeit
    zwischen Kassen, Patienten, Ärzten, Krankenhäusern und
    Gesundheitszentren.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Rolle der Patienten werden wir durch mehr Rechte

    und verbesserte Schutzvorkehrungen stärken. Wir wollen
    mündige Patienten, die aktiv an der Vorsorge und der
    Pflege ihrer Gesundheit teilnehmen.

    In der Rentenpolitik haben wir mit der zusätzlichen ka-
    pitalgedeckten Altersvorsorge begonnen, das Siche-
    rungssystem wirklich zukunftstauglich zu machen. Den
    Weg zu mehr Eigenverantwortung und mehr Wettbewerb,
    den wir mit der Errichtung der zweiten Säule in der Al-
    tersvorsorge eingeschlagen haben, werden wir fortsetzen,
    um so auf Dauer die Renten sicherer zu machen und die
    Beiträge bezahlbar zu halten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sowohl die Gesundheits- als auch die Altersversor-
    gung werden wir nach dem Muster reformieren, mit dem
    wir in der Hartz-Kommission Blockaden beseitigt und


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    56


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    neue Wege eröffnet haben. Im Gesundheitswesen erwar-
    ten wir von allen Beteiligten die unbedingte Orientierung
    an den gemeinsamen Zielen: der Bereitstellung des medi-
    zinisch Notwendigen, dem effizienten Einsatz der Mittel
    und der Entlastung bei den Arbeitskosten. Dabei folgen
    wir dem Grundsatz: „Soziale Sicherheit durch Solidarität
    und Verantwortung“ heißt auch in diesen Bereichen: för-
    dern, aber die Betroffenen auch fordern.

    Neben der sozialen Sicherheit ist die innere Sicherheit
    ein wesentliches Fundament unserer Gesellschaft und
    eine wesentliche Bedingung unserer Freiheit. Wir haben
    deshalb stets betont, dass es keinen Widerspruch zwi-
    schen Sicherheit auf der einen Seite und Bürgerrechten
    auf der anderen Seite geben kann und geben darf.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir verstehen Sicherheit als ein elementares Bürgerrecht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    So verstandene Sicherheit ist nur durch das Zusam-
    menspiel dreier Schlüsselelemente zu gewährleisten: ei-
    ner effizienten, gut ausgerüsteten und bürgernahen Poli-
    zei, entwickeltem Bürgersinn und aktiver Zivilcourage
    sowie einer unabhängigen Justiz in einem starken Rechts-
    staat. Diesem Konzept bleibt die Bundesregierung ver-
    pflichtet.

    Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen werden
    wir auf der Basis der europäischen Beschlüsse die Zu-
    sammenarbeit weiter verbessern. Im Strafprozess stärken
    wir die Rechte der Verbrechensopfer. Die Strafvorschrif-
    ten gegen sexuellen Missbrauch, insbesondere von Kin-
    dern, werden wir fortentwickeln.

    Parallel dazu setzen wir die Reformen in der Gesell-
    schaftspolitik fort. Die Gleichstellung und die gleiche
    Berücksichtigung von Frauen und Männern setzen wir für
    den Bereich der Bundesregierung als durchgängiges Leit-
    prinzip durch.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auf die völlig neue Bedrohungssituation nach den Ter-
    roranschlägen vom 11. September 2001 haben wir umfas-
    send und schnell reagiert. Bis Mitte der Legislaturperiode
    werden wir die Antiterrorgesetzgebung den Erforder-
    nissen weiter anpassen. Moderne Methoden zur Iden-
    titätsfeststellung und zur Aufklärung von Straftaten wer-
    den wir weiterentwickeln und selbstverständlich nutzen.

    Der erweiterte Sicherheitsbegriff ist auch Leitmotiv
    der Bundesregierung in der Außen-, in der Sicherheits-
    und in der Entwicklungspolitik. Wir setzen die Politik der
    guten Nachbarschaft fort und kommen unserer Verant-
    wortung nach, die sich aus Deutschlands politischer und
    geographischer Lage im Herzen Europas, aus der Part-
    nerschaft im Altantischen Bündnis und aus der Wertege-
    meinschaft für Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und
    Gerechtigkeit ergibt.

    Die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderun-
    gen lassen sich an zwei Daten anschaulich festmachen:
    Durch den 9. November 1989 hat sich Deutschlands Rolle

    in der Welt langfristig gewandelt und der 11. Septem-
    ber 2001 hat die Sicherheit in der Welt insgesamt drama-
    tisch verändert. Mir liegt daran, dass Folgendes immer
    wieder deutlich wird: Deutschland ist heute mit fast
    10 000 Soldatinnen und Soldaten nach den Vereinigten
    Staaten von Amerika der größte Truppensteller, was in-
    ternationale Einsätze angeht. Der Kampf gegen den inter-
    nationalen Terrorismus, der – was wir gerade in diesen Ta-
    gen wieder spüren – längst nicht gewonnen ist, wird uns
    auch weiterhin ebenso substanzielles Engagement abfor-
    dern wie unsere langfristig eingegangenen Sicherheits-
    und Aufbauverpflichtungen, etwa auf dem Balkan, aber
    auch in Afghanistan.

    Gleichzeitig befindet sich die Bundeswehr im größten
    Reformprozess ihrer Geschichte, der sie für ihre komple-
    xen Aufgaben von heute und morgen tauglicher als in der
    Vergangenheit machen soll. Die Bundesregierung – mir
    liegt daran, das hier deutlich zu machen – dankt den Sol-
    datinnen und Soldaten ausdrücklich für ihr großes profes-
    sionelles Engagement unter diesen enormen Belastungen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Völlig zu Recht genießen unsere Soldatinnen und Solda-
    ten das große Vertrauen der Menschen, für die sie, ob in
    Kabul, in Bosnien-Herzegowina oder in Mazedonien, im
    Kosovo oder in Georgien, immer auch Hoffnung auf Frie-
    den und auf Sicherheit verkörpern. Welch glückhafter
    Wandel in der deutschen Geschichte!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Fortsetzung der Reform unserer Streitkräfte setzt
    voraus, dass wir das Gesamtspektrum der Aufgaben der
    Bundeswehr unter heutigen sicherheitspolitischen Bedin-
    gungen analysieren und bereit sind, die daraus notwen-
    digen Konsequenzen zu ziehen. Dies erfordert auch eine
    umfassende Prüfung dessen, was wir unter diesen neuen
    Bedingungen an materieller Ausrüstung und an Personal
    wirklich benötigen. Bis Ende der Legislaturperiode wer-
    den wir überprüfen, ob über das beschlossene und ins
    Werk Gesetzte hinaus weitere Strukturanpassungen oder
    gar eine Änderung der Wehrverfassung nötig sind.


    (Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Auch wenn wir infolge unserer wiedererlangten staat-
    lichen Einheit und der damit erlangten vollen Souveränität
    wiederholt unsere nunmehr selbstverständliche Bereit-
    schaft unter Beweis gestellt haben und stellen, ge-
    gebenenfalls unseren militärischen Beitrag für Frieden und
    Sicherheit zu leisten, ist sich die Bundesregierung jedoch
    bewusst: Sicherheit ist heute weniger denn je mit militäri-
    schen Mitteln, geschweige denn mit militärischen Mitteln
    allein herzustellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wer Sicherheit schaffen und aufrechterhalten will, der
    muss – das ist klar – einerseits Gewalt entschieden be-
    kämpfen, andererseits aber auch das Umfeld befrieden, in

    Bundeskanzler Gerhard Schröder




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    dem Gewalt entsteht, und zwar durch präventive Kon-
    fliktregelung, durch Schaffung sozialer und ökologischer
    Sicherheit, durch ökonomische Zusammenarbeit und
    durch das Eintreten für Menschen- und auch für Minder-
    heitenrechte.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Einer solchen präventiven und umfassend ansetzenden
    Außen- und Sicherheitsrepublik bleibt die Bundesregie-
    rung verpflichtet.

    Wir haben nicht erst durch die Attentate von New York,
    Washington, Djerba, Bali und zuletzt Moskau schmerz-
    lich erfahren müssen, dass die Modernisierungs- und Ver-
    flechtungsprozesse unserer heutigen Welt weder zwangs-
    läufig friedlich verlaufen noch automatisch zu mehr
    Freiheit und Demokratie führen. Umso größer ist unsere
    Verpflichtung, den Prozess der Globalisierung nicht nur
    anzunehmen, sondern ihn auch aktiv politisch zu gestalten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sicherheit setzt gerade bei beschleunigten, aber un-
    gleichzeitigen Entwicklungen voraus, dass wir uns ständig
    um Interessenausgleich und auch um eine gerechtere Ver-
    teilung der Globalisierungsgewinne bemühen. Wir wer-
    den unter den Bedingungen einer enger zusammengerück-
    ten Welt keine Sicherheit erreichen, wenn wir Unrecht,
    Unterdrückung und Unterentwicklung weiter gären lassen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Gegen die neue Gefahr einer privatisierten Gewalt von
    Kriegsherren, Kriminellen und Terroristen setzen wir in-
    ternationale Allianzen gegen Terrorismus und gegen Un-
    freiheit. Wir wollen die Stärkung von Gewaltmonopolen
    durch starke, legitimierte internationale Organisationen,
    allen voran die Vereinten Nationen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dies werden wir auch durch unsere Mitarbeit im Weltsi-
    cherheitsrat und den Vorsitz, den Deutschland dort tur-
    nusgemäß übernehmen wird, bekräftigen.

    Die Bundesregierung tritt in ihrer internationalen Ver-
    antwortung dafür ein, dass mit der Globalisierung der
    Märkte eine Globalisierung der Menschenrechte und der
    sozialen Sicherheit einhergeht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In diesem Sinne haben wir uns zuletzt auf dem Welt-
    nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Außer Spesen nichts gewesen!)


    für konsequente Armutsbekämpfung, Öffnung der Welt-
    märkte sowie eine weltweite Anstrengung für Klima-
    schutz und ökologische Energienutzung engagiert.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Finanzierungsbasis für die Entwicklung haben wir
    festgeschrieben; wir werden bis zum Jahr 2006 das Ziel
    einer Quote von 0,33 Prozent für die Entwicklungsarbeit
    umsetzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deutschlands Platz bei der Durchsetzung universeller
    Werte unter Wahrnehmung unserer internationalen Ver-
    antwortung bleibt durch die feste Verankerung in unseren
    Bündnissen, unsere Rolle in der Europäischen Union und
    unsere Freundschaft zu den Vereinigten Staaten von Ame-
    rika bestimmt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Schöne Freundschaft!)


    Unsere transatlantischen Beziehungen, die auf der So-
    lidarität freiheitlicher Demokratien und auf unserer tief
    empfundenen Dankbarkeit für das Engagement der Verei-
    nigten Staaten beim Sieg über die Nazibarbarei und bei
    der Wiederherstellung von Freiheit und Demokratie beru-
    hen, sind von strategischer Bedeutung und von prinzipi-
    ellem Rang.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Diese Beziehungen finden ihren Ausdruck in einer Viel-
    zahl von politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und zi-
    vilgesellschaftlichen Kontakten und Freundschaften.
    Dies schließt aber unterschiedliche Bewertungen in öko-
    nomischen und politischen Fragen nicht aus.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wo es sie gibt, werden sie sachlich und im Geiste freund-
    schaftlicher Zusammenarbeit ausgetragen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat im-
    mer deutlich gemacht, dass Deutschland die Prioritäten bei
    der Bekämpfung des internationalen Terrorismus im fortge-
    setzten Engagement bei Enduring Freedom und in der Fort-
    setzung und Stärkung internationaler Koalitionen gegen den
    Terror sieht. Wir wissen, dass gerade der Nahe und Mitt-
    lere Osten dringend Hoffnung auf greifbare Fortschritte in
    Richtung eines dauerhaften und gerechten Friedens brau-
    chen. In diesem Sinne hat sich die Bundesregierung inten-
    siv für ein Ende der tödlichen Spirale von Terror und Gewalt
    in Israel und in Palästina eingesetzt. Mit unseren europä-
    ischen und amerikanischen Partnern sind wir uns einig, dass
    Frieden im Nahen Osten nur durch ein Ende der Gewalt und
    die Ermöglichung eines Zusammenlebens von Israelis und
    Palästinensern in zwei eigenständigen, anerkannten Staaten
    mit sicheren Grenzen erreicht werden kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Eine solche Lösung muss auf dem Verhandlungsweg ge-
    funden werden.

    Um die Gefahr, die von Massenvernichtungswaffen
    ausgeht, zu mindern, haben wir unsere technischen, per-
    sonellen und sachlichen Mittel angeboten und werden die


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    58


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Mission der VN-Waffeninspektoren im Irak mit allen
    Kräften, die wir haben, unterstützen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Region und die gesamte Welt brauchen genaue
    Kenntnis über die Waffenpotenziale des Regimes im Irak.
    Wir brauchen die Gewissheit, dass die dortigen Massen-
    vernichtungswaffen vollständig abgerüstet werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Über den Weg zu diesem Ziel hat die Bundesregierung
    frühzeitig ihre Auffassung und auch ihre Besorgnisse zum
    Ausdruck gebracht.

    Die zwischenzeitliche Entwicklung und die internatio-
    nale Diskussion vor allen Dingen im Weltsicherheitsrat
    zeigen, dass die Chance besteht, eine militärische Kon-
    frontation am Golf doch noch zu vermeiden. Ich bekräftige
    in diesem Zusammenhang unsere Haltung, dass wir auf
    unbeschränktem Zugang der Waffeninspektoren zu den
    Arsenalen Saddam Husseins beharren. Angesichts der be-
    drohlichen Lage im Nahen Osten und der Notwendigkeit,
    den Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf
    möglichst breiter Grundlage zu führen und ihn dann zu ge-
    winnen, setzt die Bundesregierung auf die Ausschöpfung
    aller Möglichkeiten von internationalen Inspektionen.

    Gegenüber dem Irak und anderen Gefahrenherden
    müssen eine konsequente Politik der Abrüstung und in-
    ternationale Kontrollen vorrangiges Ziel bleiben. Das ist
    einer der Gründe, warum wir immer gesagt haben – das
    gilt nach wie vor –, dass wir uns an einer militärischen In-
    tervention im Irak nicht beteiligen werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, unsere Politik für Frieden,
    Menschenrechte und Sicherheit ist und bleibt eine Politik
    in Europa, für Europa und als Folge dessen auch von Eu-
    ropa aus. Wir setzen die Politik der freundschaftlichen
    Partnerschaft mit Russland in gemeinsamer Verantwor-
    tung fort. Wir unterstreichen unsere Solidarität mit der
    russischen Bevölkerung angesichts brutaler Terroran-
    schläge wie zuletzt in Moskau. Gleichzeitig setzen wir auf
    eine politische Lösung der Konflikte in Tschetschenien
    und in der gesamten Kaukasusregion.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Merkwürdig schwach!)


    Dies ist auch zentrale Forderung der gemeinsamen euro-
    päischen Außen- und Sicherheitspolitik, die zu stärken
    und auszubauen unser Ziel ist.

    Ende der vergangenen Woche ist es dem Europäischen
    Rat in Brüssel gelungen, eine tragfähige Grundlage für die
    Erweiterung der Europäischen Union zu schaffen. Da-
    mit kann das zentrale europäische Projekt am Anfang die-
    ses Jahrhunderts, nämlich die endgültige Überwindung
    der schmerzlichen Teilung Europas, erfolgreich abge-
    schlossen werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben gewusst, dass wir diese historische Chance nur
    nutzen können, wenn sich die Mitgliedstaaten im Europa
    der Fünfzehn vor dem Ende der Beitrittsverhandlungen,
    also noch in diesem Jahr, auf ein belastbares finanzielles
    Konzept vor allem bei der Agrarfinanzierung einigen. Mit
    dem Brüsseler Kompromiss, vor allem auch durch die Zu-
    sammenarbeit mit unseren französischen Freunden, ist ein
    Ergebnis erzielt worden, das den Erfordernissen der Be-
    grenzung der Agrarkosten in der erweiterten Europä-
    ischen Union Rechnung trägt,


    (Beifall bei der SPD)

    das die historische Tragweite der Entscheidung, um die es
    geht, aber nie aus den Augen gelassen hat. Zusammen mit
    unseren Partnern sind wir der gemeinsamen Verantwor-
    tung vor der europäischen Geschichte gerecht geworden
    und haben die Grundlagen dafür gelegt, dass nun auch in
    Europa zusammenwachsen kann, was zusammengehört.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden nunmehr beim europäischen Gipfel im De-
    zember in Kopenhagen die Beitrittsverhandlungen mit
    zehn mittel- und osteuropäischen Ländern abschließen.
    Dabei wissen wir: Gerade uns Deutschen bieten sich mit
    der Vertiefung und der Erweiterung der Europäischen
    Union großartige politische wie ökonomische Möglich-
    keiten.

    Wir wissen: Die Geschichte der Einigung Europas ist
    eine Erfolgsgeschichte. Der Prozess der wirtschaftlichen
    Integration mit der Herstellung des größten Binnenmarkts
    der Welt und der Einführung einer gemeinsamen
    Währung hat nicht zuletzt dazu beigetragen, Nationalis-
    men in Europa klein zu halten oder sie zu überwinden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber, meine Damen und Herren, unser Europa zeichnet
    sich durch mehr aus als durch wirtschaftliche Stärke, Leis-
    tungsfähigkeit, Erfindergeist und Arbeitsfleiß. Europa, das
    ja nie geographisch, sondern immer politisch definiert
    war, steht nach unserer Auffassung für eine ganz spezifi-
    sche Kultur und auch Lebensform. In Europa, unserem
    Europa, hat sich ein eigenes, auch einzigartiges Zivilisa-
    tions- und Gesellschaftsmodell durchgesetzt, das auf dem
    Gedanken der europäischen Aufklärung fußt und auf Teil-
    habe aller Menschen als Triebkraft für seine Entwicklung
    setzt. Dieses Europa, das so mühevoll aus seiner blutigen
    Vergangenheit zur freiheitlichen und friedlichen Gegen-
    wart und Zukunft gefunden hat, ist eine echte Werte-
    gemeinschaft geworden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das europäische Modell der Verbindung aus Eigeninitia-
    tive und Gemeinsinn, aus Individualität und Solidarität,
    hat sich bewährt. Wir, die Deutschen, haben unseren Bei-
    trag dazu geleistet. Es ist ein Modell, das sich auch in Zei-
    ten der Globalisierung durchsetzen kann und ohne dass wir
    es exportieren können oder wollen, auch vielen anderen
    Entwicklungschancen bietet. Die Europäische Union ist
    die Antwort der Völker auf Krieg und Zerstörung. Sie ist

    Bundeskanzler Gerhard Schröder




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    unsere Antwort auf die Globalisierung und auch auf die
    Herausforderung durch Instabilität und durch Terrorismus.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Allerdings hat sich in der vergangenen Zeit das eigent-
    liche Problem in der Konstruktion der Europäischen
    Union zunehmend bemerkbar gemacht. Ich meine vor al-
    lem die Zuordnung der Verantwortlichkeiten. Wir müssen
    dafür Sorge tragen – das ist in dieser Legislaturperiode
    möglich –, dass die Europäische Union auch mit 25 oder
    gar mehr Mitgliedstaaten politisch führbar bleibt. Unser
    Ziel ist eine starke und handlungsfähige, eine verständlich
    organisierte und demokratisch legitimierte Europäische
    Union, die sich durch Transparenz und Bürgernähe aus-
    zeichnet.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dieses Ziel wollen wir bis zur Regierungskonferenz im
    Jahr 2004 erreichen. Mit der in Nizza beschlossenen
    Grundrechte-Charta liegt bereits ein wichtiges Element
    für eine künftige europäische Verfassung vor. Was wir da-
    rüber hinaus zur Komplettierung der europäischen Ver-
    fassung benötigen, wird im Konvent unter Vorsitz von
    Giscard d’ Estaing beraten.

    Die Bundesregierung unterstützt die Arbeit des Kon-
    vents mit allen Kräften. Wir werden daran mitwirken, ei-
    nen Verfassungsentwurf zu präsentieren. Er muss bein-
    halten: eine eindeutigere Abgrenzung der Kompetenzen
    zwischen den Mitgliedstaaten auf der einen Seite und der
    Europäischen Union auf der anderen Seite; die Schaffung
    einer starken und zugleich auch politisch verantwort-
    lichen Kommission, deren Präsident vom Europäischen
    Parlament zu wählen ist; ein in seinen Rechten deutlich
    gestärktes Europäisches Parlament, die Reform des Rates,
    der grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit entscheiden
    soll, sowie eine verbesserte Zusammenarbeit der Ge-
    meinschaft in Fragen der inneren und der äußeren Sicher-
    heit. Die bevorstehenden historischen Weichenstellungen
    wie auch die Arbeiten an der europäischen Verfassung
    werden wir in enger Abstimmung mit unseren französi-
    schen Freunden betreiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben in Brüssel gesehen, dass wir ohne ein ge-
    meinsames deutsch-französischesVorgehen – auch wenn
    gelegentlich schmerzhafte Kompromisse gemacht werden
    müssen – ein Europa der Bürger, dessen Nutzen aus Vertie-
    fung und Erweiterung allen Europäern zugute kommen
    soll, nicht werden schaffen können.

    Wir wollen eine neue Kultur der Selbstständigkeit
    und der geteilten Verantwortung. Deshalb fördern wir die
    weitere Stärkung der freiheitlichen und sozialen Bürger-
    gesellschaft. Ich will allerdings deutlich machen: Wir
    wollen die Zivilgesellschaft nicht deshalb stärken, damit
    sich der Staat aus seinen originären Aufgaben zurückzie-
    hen kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es ist gewiss richtig, dass der Staat nicht die Bereiche or-
    ganisieren soll, in denen es die Gesellschaft besser kann.
    Deshalb brauchen wir weniger Bürokratie und weniger
    Obrigkeitsdenken, aber nicht unbedingt weniger Staat.

    Ebenso klar ist: Der allgegenwärtige Wohlfahrtsstaat,
    der den Menschen die Entscheidungen abnimmt und sie
    durch immer mehr Bevormundung zu ihrem Glück zwin-
    gen will, ist nicht nur unbezahlbar, er ist am Ende auch
    ineffizient und inhuman.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Deshalb fördern wir die Eigenverantwortung und die

    Kräfte zur Selbstorganisation unserer Gesellschaft. Vor
    allem die vielen Tausend ehrenamtlich und freiwillig Täti-
    gen in kulturellen und sozialen Projekten sowie in Pro-
    jekten des Sports brauchen größere Gestaltungsräume.
    Wir fördern diese Verantwortung für das Gemeinwohl
    nicht nur, wir fordern sie auch.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Reichtum und die Kreativität unseres Landes wer-
    den wesentlich bestimmt durch großartige kulturelle
    Leistungen und Angebote. Die Bundesregierung hat be-
    reits in der vergangenen Legislaturperiode begonnen, den
    Dialog mit Künstlern, Intellektuellen und Kulturschaffen-
    den wieder aufzunehmen. Das Amt des Beauftragten für
    Kultur und Medien hat sich als segensreich erwiesen, und
    zwar nicht nur für die Kultur, sondern auch für unser
    ganzes Land und unsere Gesellschaft.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Mir liegt daran, dass deutlich wird: Für die Bundes-
    regierung ist Kultur nicht einfach eine angenehme Ne-
    bensache im Leben der Menschen. Wir wissen vielmehr,
    dass Sicherheit, Identität und die Fähigkeit zur friedlichen
    Nachbarschaft in erheblichem Maße kulturelle Errungen-
    schaften sind. Wir wissen, dass Kunst und Kultur wesent-
    liche Bausteine für eine Gesellschaft der Partnerschaft
    und auch für eine Gesellschaft der Gerechtigkeit sind.
    An diesem Ziel richten wir unsere Kulturpolitik aus – im
    Innern, aber auch im Rahmen der auswärtigen Bezie-
    hungen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Aufgabe ist klar: Um die Erneuerung Deutschlands

    voranzutreiben und die wirtschaftlichen Probleme zu
    meistern, um neue Chancen zu eröffnen und neue Ge-
    rechtigkeit zu organisieren, brauchen wir das Mitwirken
    aller auf allen Ebenen. Wir brauchen eine neue Selbstver-
    antwortung und auch eine neue unternehmerische Verant-
    wortung. Wir stehen vor großen Reformen auf den Ar-
    beitsmärkten sowie bei Bildung und Ausbildung und
    auch – wir wissen, dass dies manchen schmerzen wird –
    in unserem Sozialsystem.

    Dabei setzen wir auf die vielen Tausend Frauen und
    Männer, die in diesen Bereichen engagiert tätig sind. Sie
    sind die eigentlichen Vorantreiber des Wandels. Wir wer-
    den, wo immer es geht, den Konsens mit den volkswirt-
    schaftlichen Akteuren, den Bürgern und den gesellschaft-
    lichen Gruppen suchen.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    60


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Aber genauso klar muss sein: Wir lassen am Primat
    der Politik nicht rütteln.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bei aller Bereitschaft zum Dialog – dies wird ja gele-
    gentlich als Vorwurf konstruiert – und aller Bereitschaft
    zum Konsens muss am Ende die Politik, das heißt die
    Bundesregierung und ihre parlamentarische Mehrheit, die
    notwendigen Entscheidungen treffen – und sie wird es
    tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: In vielen Kommissionen!)


    Die Frage, ob unser Land politisch geführt oder mäch-
    tigen Interessengruppen überlassen wird, ist entscheidend
    für unsere Zukunft.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Zitter, zitter! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was hat der DGB gesagt?)


    Eine Gesellschaft, deren Regierung nicht für die Nutzung
    aller Chancen und für den gleichen Zugang zu den Chan-
    cen sorgt, wird unter den Fliehkräften der Globalisierung
    von innen in Schwierigkeiten kommen, wenn nicht gar
    zusammenbrechen.

    Für Zusammenhalt und Wohlergehen der Gesellschaft
    in Zeiten äußerer Risiken, in Zeiten äußerer Unsicherhei-
    ten und in Zeiten tief greifender innerer Veränderungen zu
    sorgen, das verstehen wir als die zentrale Aufgabe dieser
    Regierung in den nächsten vier Jahren. Das Ziel unseres
    Weges ist klar: ein Leben reicher an Chancen, reicher an
    Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsformen, reicher an
    Dienstleistungen und Märkten, reicher an Zukunftshoff-
    nungen sowie an Kultur und Sicherheit, aber durchaus
    auch reicher an Einkommen und Vermögen für alle.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Gemeinsam werden wir dieses Ziel erreichen und ge-

    meinsam werden wir damit für uns und unsere Kinder
    eine lebenswerte Zukunft schaffen.

    Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ich erteile das Wort der Kollegin Angela Merkel, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! Herr Bundeskanzler, beim Zuhören, insbesondere bei
    der letzten Passage Ihrer Regierungserklärung, in der Sie
    so salbungsvoll die hehren Ziele Ihrer Politik – ein Leben
    reicher an Chancen, reicher an Arbeitsmöglichkeiten,
    reicher an Zukunftshoffnungen, reicher an Einkommen –,
    die wir – so haben Sie gesagt – gemeinsam erreichen wer-

    den, aufgelistet haben, kam mir ein Satz aus dem Johan-
    nesevangelium in den Sinn: „Mein Reich ist nicht von die-
    ser Welt.“


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich füge hinzu: Ihre Wahrnehmung der Realität, Herr

    Bundeskanzler, und Ihre Regierungserklärung sind auch
    nicht von dieser Welt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eigentlich war man mehr als eine Stunde lang versucht,
    den Satz herauszubrüllen: Die Wahrheit ist konkret, Ge-
    nosse! – Das haben wir vermisst, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie haben manches Problem durchaus richtig beschrie-
    ben. Aber man konnte bei mancher Problembeschreibung
    Ihnen und denjenigen, die Ihnen zugehört haben, förmlich
    ansehen, dass sie sich dabei ziemlich schlecht fühlen.
    Denn Lyrik ist nötig. Ich frage Sie: Wen wollen Sie dies-
    mal zum Schuldigen stempeln?

    Die Probleme von heute können Sie eben nicht mehr
    der imaginären Erblast von 16 Jahren Helmut Kohl in die
    Schuhe schieben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Wir haben immer noch 40 Milliarden Euro für Zinsen!)


    Sie spüren es und Sie haben es die ganze Zeit gespürt.
    Das, Herr Bundeskanzler, lastet auf Ihrer Rede. Sie wis-
    sen, es gibt eine Erblast und Sie tragen schwer daran, aber
    es ist Ihre eigene Erblast, die rot-grüne Erblast, die
    Deutschland bremst und Wachstum unmöglich macht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Das haben die Deutschen aber anders gesehen!)


    Die Staatskassen wollen sich partout nicht füllen, die
    Löcher werden täglich größer. Die Rentenversicherung
    verlangt mehr Beiträge und gibt weniger Sicherheit, das
    Gesundheitssystem schluckt das Geld wie ein Pillensüch-
    tiger die Pillen. Daran werden auch die Ankündigungen
    eines Vorschalt- oder Nachschaltgesetzes nichts ändern,
    das wird so bleiben.

    Herr Bundeskanzler, das Schlimmste ist: Die Arbeits-
    losigkeit sinkt nicht, sondern wird weiter steigen. Dabei
    geht es nicht um irgendeine Zahl, um 4 Millionen oder
    4,5 Millionen in diesem Winter; nein, hier geht es um
    Menschen, um Familien, um das Selbstwertgefühl dieser
    Menschen, um Hoffnungen, um Verletzungen, um Ent-
    täuschungen, um richtige menschliche Schicksale. Es ist
    keine nackte Zahl und deshalb sage ich Ihnen: Keines die-
    ser konkreten Schicksale hat in den letzten 65 Minuten in
    diesem Saal eine Rolle gespielt und das werfen wir Ihnen
    vor.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völliger Unsinn! Sie haben keine richtige Wahrnehmung! Das stand schon gestern in Ihrem Konzept!)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder




    Dr. Angela Merkel

    Man hätte sich gewünscht, dass Sie nach der mit Ach
    und Krach gerade einmal so gewonnenen Bundestags-
    wahl diesmal richtig durchstarten.


    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gewonnen ist gewonnen!)


    Der Titel Ihres Koalitionsvertrags ist durchaus viel ver-
    sprechend. „Erneuerung – Gerechtigkeit – Nachhaltig-
    keit“ – das ist Ihr Angebot an die Gesellschaft.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es! Das ist auch gut so!)


    Sie wollen das mit einem Kabinett, das insgesamt an
    Lebensalter auf 800 Jahre kommt, durchsetzen. Ich würde
    sagen: So alt waren Aufbruch und Erneuerung selten in
    Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber wenn man sich einmal die Mühe macht, die darin

    enthaltenen Absichtserklärungen zu verstehen und mit
    dem zu vergleichen, was Ihre Regierung heute, in den Ta-
    gen vor und in den Tagen nach der Wahl gesagt hat,
    kommt es noch schlimmer. Herr Bundeskanzler, es kann
    nur ein einziges Urteil geben: Dies ist ein Koalitionsver-
    trag der Enttäuschung, es ist ein Koalitionsvertrag der
    Täuschung und es ist ein Koalitionsvertrag der Vertu-
    schung. Dies werden wir auch weiterhin beim Namen
    nennen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Man weiß ja auch schon, was jetzt kommt: Wahlkampf

    fortsetzen, schlechte Verlierer, CDU-Staat beenden, Ket-
    tenhunde loslassen, Helfershelfer und so weiter und so
    fort.


    (Jörg Tauss [SPD]: Richtig!)

    Aber damit bekommen Sie nicht einmal mehr die Treues-
    ten der Treuen in Ihren eigenen Reihen hinter dem Ofen
    hervorgelockt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die deutsche Öffentlichkeit fällt auf so etwas schon

    lange nicht mehr herein. Dies alles bestätigt nur den Ein-
    druck, dass Ihnen diese knapp gewonnene Wahl ziemlich
    in den Knochen steckt. Sie haben heute schon Angst vor
    der Quittung, die Sie in Niedersachen und Hessen be-
    kommen werden.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir werden es den Menschen auch immer wieder sagen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie zeigen an diesen Stellen auch schon Verfolgungs-
    wahn. Aber nicht wir haben Ihnen Verfolgungswahn vor-
    geworfen, sondern die „Süddeutsche Zeitung“, die Sie
    wahrscheinlich noch nicht zu den Kettenhunden des kon-
    servativen Lagers zählen können, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Dass Ihr Koalitionsvertrag ein Vertrag der Täuschung
    und Vertuschung ist, belegen einige Zitate:

    Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturel-
    len Situation ökonomisch unsinnig und deswegen
    ziehen wir sie auch nicht in Betracht.

    Gerhard Schröder in der ARD am 26. Juli 2002.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


    Wir halten die Rentenbeiträge langfristig stabil.
    Gerhard Schröder in der „Frankfurter Rundschau“ am
    18. Juni 2002.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wie nennt man das?)


    Ich bin sicher, wir kriegen keinen blauen Brief aus
    Brüssel.

    Herr Eichel am 17. September 2002, fünf Tage vor der
    Wahl, in der ARD-Sendung mit dem schönen Titel „Ihre
    Wahl 2002“.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich erspare Ihnen, dies alles

    auf die Waagschale zu legen. Ich nenne hier nur das Bei-
    spiel Eichel: Von einer Neuverschuldung in Höhe von
    2,5 Prozent war am Tag vor der Wahl die Rede, von
    2,9 Prozent am Tag nach der Wahl und 14 Tage später war
    von einem blauen Brief aus Brüssel die Rede. Inzwischen
    ist er froh, wenn er ihn bekommt und vonseiten der Kom-
    missare in Brüssel nicht noch mehr draufgepackt wird.
    Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist völliger Quatsch!)


    Die Wahrheit ist so konkret, dass man sagen kann: Jede
    Familie in diesem Lande wird draufzahlen. Die Menschen
    kommt die Wahl buchstäblich teuer zu stehen. 200 Euro im
    Monat beträgt die Mehrbelastung für jede deutsche Durch-
    schnittsfamilie mit zwei Kindern und 30 000 Euro Ein-
    kommen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


    Zur Kürzung der Eigenheimzulage:

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Man weiß doch noch gar nicht, was am Ende kommt!)


    – Richtig, Herr Schmidt, man weiß nicht, was am Ende
    kommt. Dies ist das Einzige, was bei Ihnen Gültigkeit hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich füge nur noch hinzu: Es ist gut, dass es uns gibt,


    (Lachen bei der SPD –Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hören Sie doch auf!)


    sonst wüssten die Leute nicht, was kommt. Wenn sie nur
    Sie hätten, würde es ganz schlimm kommen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nun zur Eigenheimzulage:Hören Sie sich einmal Ihre

    Abgeordnete Margrit Wetzel aus Stade an. Sie sagt: Die


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    62


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Streichung der Eigenheimzulage ist ein Schlag ins Ge-
    sicht der deutschen Bauwirtschaft.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)


    – Wo Sozialdemokraten Recht haben, haben sie Recht.

    (Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])


    Sie begreifen doch gar nicht, was Sie den Menschen
    antun! Wissen Sie, was dies für eine Familie bedeutet, die
    ein Haus bauen will? Sie weiß, dass sie ohne diese Förde-
    rung bei der Bank – dies ist doch der entscheidende
    Punkt – nicht mehr kreditfähig ist.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Selbst Gabriel weiß das!)


    Riesige Bauunternehmen machen heute mit Fertigteil-
    häusern Dumpingangebote und zerstören so die kleinen
    Baubetriebe vor Ort. Herr Stolpe, hier frage ich Sie: Was
    tun Sie mit solchen Plänen eigentlich für die Bauwirt-
    schaft im Osten?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dem Stichwort Eigenheimzulage kann man hinzufü-

    gen: Gassteuer, Tabaksteuer, Steuerreform verschoben,
    höhere Rentenbeiträge und höhere Krankenkassenbei-
    träge. Dies zusammen macht die Mehrbelastung in Höhe
    von 200 Euro pro Familie und Monat aus.


    (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir einmal gespannt, wie Sie sparen!)


    Dann behaupten Sie, Ihre Maßnahmen seien nicht nur
    notwendig, sondern gerecht und maßvoll und träfen vor
    allem diejenigen, die noch mehr tragen können.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was ist Ihr Vorschlag, Frau Merkel? Werden Sie einmal konkret!)


    Schauen Sie sich doch einmal an, was das in Wahrheit be-
    deutet. Es trifft alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
    in diesem Lande, es trifft alle Autofahrer und insbeson-
    dere die Pendler. Es trifft die, die Lebensmittel einkaufen,
    denn sie sind von der Erhöhung der Preise der landwirt-
    schaftlichen Vorprodukte betroffen. Es trifft die Leis-
    tungsträger – das sind die Facharbeiter, die Gesellen, die-
    jenigen, die Überstunden machen in diesem Lande –, weil
    Sie die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Vorschlag, Frau Merkel?)


    Es trifft die Mieter in diesem Lande, es trifft die, die für
    ihre Altersvorsorge Wertpapiere gekauft haben, und es
    trifft natürlich wie immer – weil die Sie nicht wählen –
    ganz besonders die Bauern; das ist schon fast Routine.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kein einziger Vorschlag von Ihnen, Frau Merkel!)


    Man muss doch wirklich einmal fragen dürfen: Was ist
    an diesen Belastungen eigentlich gerecht? Wo ist die Ba-

    lance, von der Sie bei diesen Belastungen so gerne spre-
    chen?


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie auch Antworten oder nur Fragen?)


    Besteht schon deshalb eine Balance und ein Gleichge-
    wicht, weil alle in diesem Lande gemeinsam am Boden
    liegen? Das kann doch nicht die Balance sein, die Sie mei-
    nen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich! Sie zeichnen hier ein Zerrbild!)


    Deshalb heißt die schlichte Schlussfolgerung: Rot-
    Grün macht arm


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    und, noch schlimmer, Rot-Grün bietet den Menschen
    überhaupt keine Aussicht in Bezug auf die Frage, wie in
    diesem Lande Wachstum und damit wieder mehr Be-
    schäftigung entstehen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wirklich schlimm an Ihrer Politik ist, dass Sie wissen,
    dass die Lage der öffentlichen Haushalte viel schlechter
    ist, als Sie uns heute sagen.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und was ist jetzt Ihr Vorschlag?)


    Deshalb werden Sie uns, vor allen Dingen nach dem
    2. Februar, scheibchen- und tröpfchenweise weitere
    Maßnahmen zumuten. Darum frage ich heute schon ein-
    mal vorsorglich: Was haben Sie mit dem Ehegattensplit-
    ting vor?


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn vor, Frau Merkel? Sagen Sie uns das doch!)


    Was soll mit dem Sparerfreibetrag geschehen? Was wird
    aus der Entfernungspauschale? Verändert sich an der
    Mehrwertsteuer noch mehr? Beabsichtigen Sie, die Le-
    bensversicherungen noch stärker zu belasten? Es ist doch
    kein Zufall, dass das alles in den Koalitionsgesprächen
    aufgetaucht und anschließend wieder in der Schublade
    verschwunden ist.

    Deshalb sagen wir Ihnen sehr bewusst: Wir verlangen
    im Namen der Bürger dieses Landes,


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die haben Sie gar nicht autorisiert! Finden Sie sich endlich damit ab!)


    dass Sie uns heute und diese Woche hier reinen Wein in
    Bezug auf das einschenken, was Sie in den nächsten Mo-
    naten vorhaben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir würden gern wissen, was Sie vorschlagen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie regieren doch!)


    Dr. Angela Merkel




    Dr. Angela Merkel

    Es ist ganz klar: Sie, die Sie dort sitzen, sind keine Re-
    gierung der Erneuerung, sondern eine Regierung der Ver-
    teuerung.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind eine Opposition der Nörgelei!)


    Oskar Lafontaine hatte doch Recht:

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Nicht der Mut wächst, Herr Bundeskanzler, sondern die Wut
    der Menschen in diesem Lande über diese Art der Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Herr Bundeskanzler, man möchte es mit einem Ihrer
    Lieblingsworte kommentieren: Wie Sie mit den Men-
    schen in diesem Lande umgehen, das ist schlicht und er-
    greifend unanständig.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Unanständig ist das, was Sie machen,


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ihre Rede ist unanständig!)


    und unanständig ist vor allen Dingen das Brechen von
    Versprechen.

    Ich möchte auf die Debatte vom 13. September 2002
    hier in diesem Hause zurückkommen. Ich habe mich da-
    mals gar nicht lange mit den vielen gebrochenen Verspre-
    chen in der Arbeitsmarkt-, Gesundheitspolitik usw. auf-
    gehalten,


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Das hat alles nichts geholfen!)


    sondern ich habe Ihnen nur eines gesagt: Die größte Täu-
    schung der Nachkriegszeit ist Ihre Haltung im Zusammen-
    hang mit einem militärischen Einsatz gegen den Irak.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was?)


    Es hat sich jetzt erwiesen, dass meine Aussage richtig war.

    (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben überhaupt nichts kapiert!)


    Ihre Haltung war und ist der größte Betrug am deutschen
    Wähler in der Nachkriegsgeschichte. Vor der Wahl gab es
    nur ein einziges Wort: Nein. Nein zur UN, nein zum Ver-
    bleib der ABC-Panzer in Kuwait, nein zu Sanktionen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja, genau!)

    Nach der Wahl besitzt der Bundesaußenminister die
    Dreistigkeit, einer englischen Zeitung auf die Frage, was
    mit dem so genannten deutschen Weg sei, zu antworten,
    er könne natürlich nicht für den Kanzler sprechen, aber:
    Forget it! – Auf Deutsch: Vergesst es!
    Das ist es, was Sie hoffen und wovon Sie ausgehen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist die Arroganz der Macht!)


    Für wie dumm halten Sie eigentlich die deutsche Bevöl-
    kerung? Die Menschen werden das nicht vergessen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat doch der Kanzler gerade erklärt! Sie hören ja nicht einmal zu! Sie halten die alten Reden! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das war kein Dolmetscherfehler! Das hat er so gesagt!)


    Die Wahrheit und die Politik sind – Herr Schmidt, da
    können Sie so viel schreien, wie Sie wollen – eben nicht
    so einfach.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt! Darum sind Sie auch nicht gewählt worden!)


    Wie steht es denn mit der Beantwortung der vielen kon-
    kreten Fragen, die sich ergeben? Wie wird sich die Bun-
    desregierung verhalten? Ist sie bereit, sich an einer
    UN-Peacekeeping-Maßnahme nach einer militärischen
    Auseinandersetzung mit dem Irak zu beteiligen? Zu wel-
    chen Hilfsmaßnahmen wäre sie bereit, wenn der Irak Israel
    angreift? Was machen die ABC-Spürpanzer in Kuwait im
    Falle eines militärischen Konfliktes? Würden deutsche
    Soldaten Hilfe für die verwundeten US-Soldaten leisten?
    Würde die Bundesregierung dem NATO-Mitglied Türkei
    militärisch zu Hilfe kommen, wenn sie vom Irak ange-
    griffen würde? Wie verhält sich die Bundesregierung bei
    einer Abstimmung über eine Resolution des UN-Sicher-
    heitsrates nach dem 1. Januar?


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch breit getretener Quark! Unsinn ohne Ende!)


    Wollen Sie alleine mit Syrien mit Nein stimmen? Diese
    Fragen interessieren uns. Wir wollen sie beantwortet ha-
    ben. Auf eine Antwort warten wir schon lange.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben es bis heute nicht ge-

    schafft, unser nationales Interesse zu definieren. Deshalb
    sage ich Ihnen für die CDU und die CSU: Wir alle wollen
    keinen Krieg.


    (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


    Das habe ich schon damals deutlich gemacht und tue es
    jetzt wieder. Wann immer Konflikte diplomatisch oder
    politisch gelöst werden können, sollte in dieser Beziehung
    nichts unversucht gelassen werden.

    Eine kurze Anmerkung zum Wochenende sei mir in
    diesem Zusammenhang gestattet. Wir alle sind gegen ter-
    roristische Angriffe. Ich hätte mir deswegen von Ihnen,
    Herr Bundeskanzler, schon gewünscht, Sie hätten dem
    russischen Präsidenten Putin mit aller Klarheit deutlich
    gemacht, dass wir mit Nachdruck erwarten, dass auch po-
    litische Anstrengungen in Tschetschenien unternommen
    werden. Das wurde versäumt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    CDU und CSU sind bereit, die von der UN erwarteten

    Beschlüsse gegen den Irak zu unterstützen. Wir sind im
    Übrigen der Auffassung, dass die französischen Ansätze
    hierfür eine gute Grundlage bieten.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    64


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ich komme zu einem Punkt, zu dem Sie auch nicht
    Stellung genommen haben, der aber schon im November
    aktuell wird. CDU und CSU erwarten, dass sich die Bun-
    desregierung auf dem NATO-Gipfel in Prag, auf dem
    das Thema Irak mit Sicherheit zur Sprache kommen wird,
    nicht aus dem Kreis der Verbündeten stiehlt, sondern sich
    für eine gemeinsame Position der NATO-Mitgliedstaaten
    einsetzt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich möchte nicht erleben – das sage ich für die Union –,
    dass Norwegen, Ungarn und Polen auf der Seite der Ame-
    rikaner sind und wir nicht. Deutschland hat Freundschaf-
    ten. Diese Freundschaften sind an Werte gebunden und
    müssen in einem Bündnis etwas zählen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das alles sage ich mit Blick auf die Zukunft. Wir ahnen

    doch schon, wie es ablaufen wird, wenn es Weihnachten
    wird, der Januar kommt und die Wahlen in Niedersachen
    und in Hessen vor der Tür stehen. Sie werden in Hessen die
    alten Plakate aus dem Jahr 1991 auspacken, auf denen
    steht: Kein Blut für Öl. – Ich kann Ihnen sagen: Genau das
    wird nicht funktionieren, weil sich die Menschen im Lande
    ziemlich erstaunt die Augen reiben und sich fragen werden:
    War der Irak nicht das Wahlkampfthema? In den Koalitions-
    vereinbarungen sucht man diesen Punkt vergeblich. Vom
    Kosovo, von Mazedonien und von Afghanistan ist zu lesen,
    aber vom Irak ist nicht mit einer Silbe die Rede.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich vermute, wenigstens der Außenminister hat Sie daran
    gehindert, Ihre Lügen in der Koalitionsvereinbarung auch
    noch in Schriftform zu fassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Furchtbar! – Joachim Poß [SPD]: Unglaublich! – Weiterer Zuruf von der SPD: Alte Dreckschleuder!)


    Wenn man sich anschaut, was in den letzten fünf Wo-
    chen passiert ist, dann drängt sich die Frage auf, was Sie
    wirklich wollen. Warum gehen Sie so vor? „Man erkennt
    nicht, wohin es eigentlich geht.“


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Sie haben keine hermeneutische Kompetenz!)


    So klage nicht nur ich, so klagte auch der thüringische
    SPD-Landesvorsitzende Matschie am Wochenende.

    Wo der Mann Recht hat, hat er Recht; denn genau das
    ist das Problem dieses Bundeskanzlers. Man weiß nicht,
    wo es hingeht. Ich sage es mit meinen Worten: Herr Bun-
    deskanzler, welchen Wert hat für Sie eigentlich der Ge-
    staltungsanspruch der Politik gerade jetzt, also in, wie Sie
    so gerne betonen, unserer Zeit der Globalisierung? Sehen
    Sie überhaupt einen Gestaltungsanspruch oder sehen Sie
    in der Globalisierung immer nur einen imaginären Schul-
    digen?

    Ich sage: Gestaltung ist nicht punktuelles Handeln und
    nicht das Reagieren auf kurzfristige Ereignisse, neu-
    deutsch auch Krisenmanagement genannt – selbst wenn
    auch das manchmal erforderlich ist. Ich meine eine Ge-

    staltung, die dem Leben eine Richtung gibt und die Zu-
    sammenhänge herstellt. Ich glaube, dies ist die vor-
    nehmste Aufgabe der Politik.


    (Jörg Tauss [SPD]: Da haben Sie Recht!)

    Sie wollen, wie Sie gesagt haben, eine „rot-grüne Epo-

    che“ beginnen.

    (Jörg Tauss [SPD]: Ja! – Ludwig Stiegler [SPD]: Die dürfen Sie in der Opposition begleiten!)


    „Epochen muss man begründen können.“

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr! – Ludwig Stiegler [SPD]: Sie gründen sich aus sich selbst!)


    – Hören Sie doch zu, Herr Stiegler! „Das ist mit diesen
    90 Seiten Koalitionsvertrag nicht getan.“ – Auch das habe
    wiederum nicht ich, sondern das hat der stellvertretende
    Fraktionsvorsitzende Erler im jüngsten „Spiegel“ gesagt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Herr Erler, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Es
    gibt selbst in der SPD-Fraktion einen kleinen Hoffnungs-
    schimmer. Es ist eben so: Ausrufen allein reicht nicht. Es
    macht die Sache fast noch schlimmer, weil ein ganz
    merkwürdiges und unsicheres Gefühl bleibt; es ist wie ein
    Pfeifen im Walde.

    Meine Damen und Herren, was ist Ihr Gestaltungsan-
    spruch der Politik? Finanzminister Eichel hatte sich mit
    seinem Sparkurs beinahe ein Stück weit in die Herzen der
    Menschen eingegraben. Am Tag der Unterzeichnung der
    Koalitionsvereinbarung in der Neuen Nationalgalerie er-
    klärte er aber dem staunenden deutschen Publikum, dass
    es mit dem Stabilitätspakt nun vorbei sei, dass man ihn
    irgendwie anders auslege und dass man ihn konjunktur-
    bedingt interpretieren müsse. Er tut das Gegenteil von
    dem, was er vier Jahre lang versucht hat, den Menschen
    beizubringen; das zerstört die Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn! Was steht denn im Koalitionsvertrag?)


    Auf der einen Seite erhöhen Sie die Arbeitskosten
    durch steigende Sozialbeiträge für Rente und Gesundheit
    – das ist unstrittig – und auf der anderen Seite wollen Sie
    ebendiese Arbeitskosten über die 500-Euro-Jobs – dort
    halbherzig – und die Ich-AGs wieder heruntersubventio-
    nieren. Meine Damen und Herren, fördern Sie doch den
    gesamten deutschen Mittelstand – denn dann erhalten Sie
    mehr Arbeitsplätze –,


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Machen wir doch längst! Dazu brauchen wir Sie nicht!)


    statt mit Ich-AGs und sonstigen Hilfskonstruktionen an-
    zufangen! Das bringt Deutschland nicht weiter.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und dann das viel gelobte Hartz-Konzept: Die Wirt-

    schaftsweisen – das waren also nicht wir – haben die Er-
    wartung, dass die Arbeitslosigkeit auf unter 2 Millionen

    Dr. Angela Merkel




    Dr. Angela Merkel
    sinken könnte, einhellig als schlicht und ergreifend „illu-
    sorisch“ bezeichnet.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Hartzer Käse!)

    Meine Damen und Herren, es ist ziemlich doll, dass der
    Superminister Clement – noch bevor er vereidigt war –
    die Sachverständigen bezichtigte, dass sie keinen Sach-
    verstand haben. So wird es nicht gehen. Sie werden die
    Statistik fälschen und versuchen, zu tricksen und zu täu-
    schen; aber damit werden Sie keinem einzigen Menschen
    in Deutschland wirklich helfen.


    (Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht!)


    Wir werden das zum Thema machen und Sie zur Rede
    stellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auf der einen Seite wollen Sie, wie das vernünftig ist,

    die Menschen zu mehr Eigenverantwortung heranziehen,
    auf der anderen Seite bestrafen Sie aber diejenigen, die
    diese – auch ohne staatliche Förderung – wahrnehmen
    könnten, indem Sie die Beitragsbemessungsgrenze bei der
    Rente wieder hochsetzen und damit den Menschen die
    Möglichkeit nehmen, eine eigenständige private Vorsorge
    zu treffen. Das ist widersprüchlich und nachhaltig falsch.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Sie führen die Nachhaltigkeit groß im Munde. Deshalb
    ist es das Allerdollste, dass Sie mit der Erhöhung der Bei-
    tragsbemessungsgrenze heute Rentenansprüche begrün-
    den, von denen Sie wissen, dass Sie sie in der Zukunft nie-
    mals werden erfüllen können; das muss den Grünen im
    Herzen wirklich weh tun.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist Unsinn!)


    Das ist eine nachhaltige Täuschung, nicht mehr und nicht
    weniger.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben – das war durchaus richtig – in der vergan-

    genen Legislaturperiode die Steuern auf einbehaltene Ge-
    winne gesenkt, um die Investitionskraft zu stärken. Nun
    aber, wo die Unternehmen dadurch, dass ihre Investitions-
    kraft gestärkt wurde, wieder an Wert gewinnen könnten,
    planen Sie, die Eigentümer durch die Besteuerung von
    Aktiengewinnen zu bestrafen. Wozu führt das? Das führt
    dazu, dass die Gewinne natürlich sofort einbehalten wer-
    den, dass nicht investiert wird, dass die Menschen nicht
    besser dastehen und dass die Eigentümerstrukturen wech-
    seln, weil in anderen Ländern keine Steuern bezahlt wer-
    den müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Ist das Ihre Forderung? Keine Steuern mehr? – Olaf Scholz [SPD]: Keine Steuern?)


    Deshalb hat Professor Sinn zu Recht gesagt: Alles, was
    Sie vorschlagen, ist Gas geben und zugleich bremsen. Ich
    warte auf den Tag, Herr Bundeskanzler, an dem Sie uns
    das als großer Autofreak einmal praktisch vormachen:
    bremsen und zugleich Gas geben. Das kann nach meinem

    technischen Sachverstand nur zu einem nachhaltigen Mo-
    torschaden führen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Die Latte der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.
    Der Bundesumweltminister reist heute nach Neu Delhi.

    Sie haben das Klimaschutzziel für 2005 auf ganz ge-
    schickte Art und Weise eliminiert. Was ist denn nun mit der
    Minderung des CO2-Ausstoßes um 25 Prozent bis zumJahr 2005? Das Ziel taucht nicht mehr auf, weil es in Ihre
    Legislaturperiode fällt. Dafür haben Sie ein Ziel für 2020
    formuliert – unter dem Vorbehalt, dass auch die anderen eu-
    ropäischen Staaten ihren Beitrag dazu leisten. Wir erwarten
    heute von Herrn Trittin, dass er uns genau sagt – ich per-
    sönlich habe mir oft Anschuldigungen anhören müssen –,
    welches Ziel Sie unterstützen und wie hoch die CO2-Min-derung für das Jahr 2005 sein wird. Wir wollen wissen,
    welches das konkrete Ziel für diese Legislaturperiode ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Um Ihr widersprüchliches Verhalten noch einmal deut-

    lich zu machen: Sie haben in der vergangenen Legislatur-
    periode das Erdgas von der Ökosteuer-Regelung aus-
    drücklich ausgenommen, weil es so umweltverträglich ist
    und weil Sie wollten, dass die Menschen dies als Anreiz
    begreifen, möglichst viel mit Erdgas zu heizen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

    Nun tun das 15 Millionen Menschen in Deutschland. Was
    machen Sie? Als Dankeschön wird Erdgas mit der Öko-
    steuer belegt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist es, was die Menschen so missmutig stimmt.

    Herr Bundeskanzler, dieser Missmut ist auch nicht da-
    durch aus der Welt zu schaffen, dass Sie heute eine neue
    Maxime aufgestellt haben – sozusagen der Kennedy-Ver-
    schnitt aus Hannover.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie haben uns gesagt: Hören wir auf, immer nur zu fragen,
    was nicht geht; fragen wir uns, was jeder Einzelne dazu
    beitragen kann, dass es geht.


    (Jörg Tauss [SPD]: Dann fangen Sie einmal damit an! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dazu haben Sie bisher noch keinen Beitrag geleistet!)


    Nun muss ich Sie einmal fragen: Was ist „es“?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    „Es“ ist nämlich im September 2001 die uneinge-
    schränkte Solidarität mit den Amerikanern. Aber „es“ ist
    im September 2002 der deutsche Sonderweg in Bezug auf
    den Irak. „Es“ ist während der Flut der Gemeinsinn und
    die Hilfe. Aber „es“ ist am Tage der Unterschrift unter die
    Koalitionsvereinbarung, dass man allen, die spenden wol-
    len, eines vor das Schienbein gibt und die Abzugsfähig-
    keit der Spenden streicht. So werden Sie die Dinge nicht
    regeln können.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    66


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ihre Maxime ist in Wahrheit: Wer etwas leistet, wird
    vom Staat zusätzlich belastet. Wer mehr Verantwortung
    für sich oder andere übernehmen will, dem werden
    Steine in den Weg gelegt. Wer bereit ist, sich für eine si-
    chere Zukunft und die notwendigen Veränderungen ein-
    zusetzen, der wird von der Regierung spätestens nach
    ein paar Monaten allein gelassen. – Deshalb, Herr Bun-
    deskanzler, hätten Sie besser die Finger von Kennedy
    gelassen. Oder aber, Herr Bundeskanzler, Sie hätten ihn
    wirklich beim Wort genommen: Frage nicht, was dein
    Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein
    Land tun kannst.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was haben Sie denn für einen Beitrag geleistet?)


    Ich bin sicher: Viele Menschen würden gerne etwas
    tun. Aber die Menschen können nichts tun, wenn sie einen
    Koalitionsvertrag vorgelegt bekommen, der das Papier
    nicht wert ist, auf dem er geschrieben ist, und der schon
    gar nicht die Miete des Museums wert ist, in dem er ab-
    geschlossen worden ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weil hinter der Streichliste kein Konzept erkennbar
    ist, lässt sich jeder einzelne Punkt mit Aussicht auf
    Erfolg angreifen.

    Auch das stammt nicht von mir, sondern das hat gestern
    die „Süddeutsche Zeitung“ festgestellt.

    Was heute gesagt wird, ist morgen überholt. Was mor-
    gen gesagt wird, steht im Widerspruch zu dem, was vor-
    her galt. Die Halbwertszeit Ihrer Aussagen wird immer
    kürzer. So regieren Sie zurzeit: im Hier und Jetzt, ohne ein
    Bewusstsein für das, was gestern war und was morgen
    kommt. Das ist das Schlimme.

    Ihr Kronprinz aus Niedersachsen, Herr Bundeskanz-
    ler, der voll auf Ihrer Linie liegt, hat es wieder einmal
    auf den Punkt gebracht. Gabriel sagte auf die Frage,
    warum Rot-Grün seine Vorhaben eigentlich nicht vor
    der Wahl offen gelegt hat: „Das hätten Sie wohl gerne
    gehabt.“


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, das ist das, was Sie in der

    Sozialdemokratie unter Politik verstehen. Politik braucht
    aber kein kurzfristiges Ereignismanagement, sondern sie
    muss mehr denn je gestalten können.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt kommen endlich mal ein paar Antworten von Ihnen! Nun aber los!)


    Denn es geht in der Tat um die Frage, wie wir aus Verän-
    derungen Nutzen ziehen können. Deshalb ist es doch so
    fatal, dass der Bundeskanzler von Augenblick zu Augen-
    blick lebt. Da ist es doch geradezu folgerichtig, dass er als
    Freund großer symbolischer Handlungen genau zu Be-
    ginn dieser Legislaturperiode die Grundsatzabteilung im
    Kanzleramt schließt. Politik ohne Grundsätze – das ist die
    Botschaft für diese Legislaturperiode.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Auch da haben Sie nichts verstanden!)


    Gebraucht wird aber das Gegenteil: Wir brauchen die
    Rückkehr des Politischen.


    (Zurufe von der SPD: Ui! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt wird’s konkret!)


    Darüber gäbe es Einvernehmen. Wir brauchen die Rück-
    kehr des Politischen, nicht ein Verwalten des Augen-
    blicks. Denn Politik hat die Aufgabe, Weichen zu stellen
    und – Richtungen zu geben – Veränderungen über den
    Tellerrand des Hier und Jetzt hinaus.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: 40 Minuten heiße Luft! – Lothar Mark [SPD]: Sie haben immer noch nichts Konkretes gesagt!)


    Das bedeutet auf der einen Seite die Fähigkeit zu Verän-
    derungen auch gegen Stagnation und auf der anderen
    Seite das Setzen von Grenzen und Orientierungspunkten.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr konkret!)


    Es ist keine plumpe Machbarkeitsidee, sondern es geht
    darum, Maßstäbe zu setzen und Linien zu entwickeln, die
    über eine längere Zeit durchgehalten werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Kommen Sie doch mal zur Sache! – Weitere Zurufe von der SPD)


    – Dass Sie so schreien, zeigt doch nur, wie schlecht es Ih-
    nen geht.

    Wir von der CDU/CSU wollen ein Deutschland, das
    die Bürger ermuntert, füreinander einzustehen:


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


    in der Ehe, in der Familie, im Ehrenamt, durch die Sozial-
    pflichtigkeit des Eigentums. Wir meinen, dass die Vo-
    raussetzung dafür in einem transparenten, gerechten und
    einfachen Steuersystem besteht, das Sie bis heute nicht
    geschaffen haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Dagmar Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorhin waren Sie dagegen, Frau Merkel!)


    Falls Sie der Meinung sind, Sie wollten das auch, muss
    man sich doch wundern, dass nicht nur der Bundeskanz-
    ler, sondern zehn, 20 oder 30 Leute an einer Koalitions-
    vereinbarung arbeiten und nicht merken, dass sie mit dem
    Streichen der Spendenabzugsfähigkeit für bestimmte In-
    stitutionen genau diesen Gemeinsinn zerstören. Dafür
    brauchen Sie erst die Bevölkerung und die Opposition.
    Das ist doch das Dilemma in diesem Lande.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir wollen ein Deutschland, das im internationalen
    Wettbewerb besteht und damit die Chancen der Globalisie-
    rung nutzt. Genau dafür brauchen wir die Stärkung der klei-
    nen Einheiten, der Familien, aber vor allen Dingen auch der
    Kommunen und der Gebietskörperschaften. Diese brauchen
    keine Geschenke von oben, hier 10000 Ganztagsschulen
    und dort ein paar Brosamen,


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Brosamen? Kinderbetreuung Dr. Angela Merkel Dr. Angela Merkel ist Brosame? Ganztagsschulen sind Brosamen?)





    sondern sie brauchen langfristige Möglichkeiten, ihre
    Kommunen so zu entwickeln, wie es die Menschen wol-
    len, und zwar inklusive Tagesbetreuung und Kindergär-
    ten. Die ordentliche finanzielle Ausstattung der Kommu-
    nen ist das Gebot der Stunde.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wie finanzieren Sie das?)


    Wir wollen ein Deutschland, das Sicherheit im umfas-
    senden Sinn garantiert: soziale Sicherheit, Sicherheit des
    Verbrauchers und Sicherheit im Inneren genauso wie
    im Äußeren. Deswegen brauchen wir eine Politik – der
    Bundeskanzler hat darauf hingewiesen; er tut aber nichts
    dafür –,


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Doch!)

    die das Zusammenwachsen von innerer und äußerer
    Sicherheit besser bewältigt. Wir brauchen ein Sicherheits-
    paket III, damit endlich bestimmte Lücken geschlossen
    werden, die uns im Kampf gegen den Terrorismus behin-
    dern. Dazu enthält Ihre Koalitionsvereinbarung nur ver-
    schwommene Formulierungen, nichts Konkretes.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wir brauchen ein Zuwande-

    rungsgesetz, durch das die Integration der bei uns leben-
    den ausländischen Bürgerinnen und Bürger verbessert
    wird.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat er doch gesagt! Das steht im Gesetz! Das Gesetz bekämpfen Sie!)


    Diese erfolgt vor Ort. Wir haben bisher nichts darüber ge-
    lesen, welche finanziellen Maßnahmen Sie auf den Weg
    bringen wollen, damit die Integration gelingen kann. Sie
    haben zwar pro forma von „Steuerung der Zuwanderung“
    gesprochen. Aber Sie haben das Wort „Begrenzung der
    Zuwanderung“ nicht in den Mund genommen. Ich sage
    Ihnen: Bei Ihnen gibt es viel zu viele, die noch immer ihre
    multikulturellen Tagträume träumen und sich nicht um die
    eigentlichen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger küm-
    mern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen wie Sie ein verlässliches, zusammenwach-

    sendes und klar geregeltes Europa. Wir begrüßen, wann
    immer es in die richtige Richtung geht, die Arbeit des
    EU-Konvents. Keine Frage, Herr Fischer, wir freuen uns
    über Ihren Sitz im Konvent. Wenn Sie, Herr Bundeskanz-
    ler, uns aber – wie neulich bei der Frage, wie Opposition
    und Regierung gut zusammenarbeiten könnten – großher-
    zige Angebote machen, dann müsste es doch möglich
    sein, dass neben dem Bundesaußenminister auch wir von
    der Opposition einen Sitz in dem EU-Konvent für den
    ausgeschiedenen Bundestagsabgeordneten Meyer be-
    kommen. Herr Schäuble wäre ein toller Partner für Herrn
    Fischer gewesen. Es wäre zum Wohle Deutschlands ge-
    wesen. Das hätte ich unter Großherzigkeit verstanden,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wenn Sie in diesen Tagen über Europa sprechen, dann
    halte ich es für einen Fehler – ich würde es für einen be-
    sonders großen Fehler halten, wenn dies auch noch Teil
    eines Kompensationsgeschäfts wäre –, wenn Sie über den
    Beitritt der Türkei zur Europäischen Union sprechen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Sie wissen doch, dass Ihre Kollegen von der Friedrich-
    Ebert-Stiftung genauso wie die von der Konrad-
    Adenauer-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung alle
    Hände voll damit zu tun haben, zu verhindern, dass sie
    nicht jahrzehntelang ins Gefängnis müssen. Ich sage Ih-
    nen: Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, an dem wir über den
    Beitritt der Türkei zur Europäischen Union sprechen soll-
    ten. Lassen Sie das sein! Das ist nicht zum Wohle der Eu-
    ropäischen Union.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir wollen ein Deutschland, das sich europäischer Tra-
    dition und Werte – ich sage ganz besonnen: gerade auch
    der christlich-abendländischen – bewusst ist. Deshalb
    brauchen wir eine Politik, die fest verwurzelt ist und sich
    gleichzeitig Neuem öffnet. Das ist dann eine Politik, die
    um die Bedeutung von Halt, Heimat und Orientierung der
    Menschen in Zeiten der Globalisierung weiß. Wie wich-
    tig dies gerade auch für jüngere Menschen in unserem
    Land ist, hat noch einmal die Shell-Studie in diesem Jahr
    gezeigt.

    Wir wollen ein Deutschland, das selbstbewusst ist und
    das sein Licht nicht unter den Scheffel stellt. Aber dieses
    selbstbewusste Deutschland werden wir nur bekommen,
    wenn wir ein verlässlicher Partner sind. Verlässlichkeit ist
    die Voraussetzung dafür, dass wir Leadership in Partner-
    ship wirklich leben können.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben auf diesem Gebiet Vertrauen verspielt. Wir von
    der Opposition werden versuchen, es so weit wie möglich
    wiederzugewinnen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb heißt die Rückkehr des Politischen, dass wir

    den Gestaltungsanspruch der Politik bei dem, was wir
    wollen, auch wieder zur Geltung bringen, dass die Men-
    schen wissen, was sie von einer Regierung erwarten kön-
    nen, und zwar nicht nur von Montag bis Dienstag, sondern
    über vier Jahre bzw. – besser – über einen noch längeren
    Zeitraum.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Deshalb machen wir das auch! Völlig richtig!)


    Deshalb sage ich Ihnen – hören Sie noch einmal genau zu –:
    „Wir sind zurzeit dabei auszutesten, wo es beginnt, die Wett-
    bewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und der deutschen
    Unternehmen zu gefährden.“ – Das sagte Herr Supermini-
    ster Clement vorgestern bei „Sabine Christiansen“. Lassen
    wir uns dieses Wort „austesten“ wirklich einmal auf der
    Zunge zergehen: die Wettbewerbsfähigkeit der deut-
    schen Industrie als Versuchskaninchen von Rot-Grün.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völliger Quatsch!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    68


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Da kann ich nur sagen: Der Superminister wird zum Su-
    per-GAU für diese Bundesrepublik Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist unsinnig!)


    Wenn Sie so viel schreien, muss man doch einfach einmal
    fragen: Haben Sie eigentlich verstanden, was Globalisie-
    rung ist?


    (Zurufe von der SPD: Ja!)

    Wissen Sie, dass Globalisierung eine permanente Wettbe-
    werbssituation für jeden kleinen und großen deutschen
    Betrieb bedeutet? Wissen Sie, wie viele Betriebe sich in
    diesem Land mit der Absicht tragen, das Land zu verlas-
    sen, weil sie diese Koalitionsvereinbarung gelesen haben?
    Wenn Sie dann schon einen Supermann für Superwirt-
    schaft aus dem angeblichen Superland holen und der als
    Erstes erklärt, dass er jetzt mal ein paar Versuchsballons
    startet, dann kann ich nur sagen: Sie haben nicht verstan-
    den, wie ernst es um die Arbeitsplätze in dieser Bundes-
    republik Deutschland steht.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben immer noch keine eigene Antwort gegeben!)


    Deshalb sage ich Ihnen: Wir stehen in diesem Parla-
    ment für Verlässlichkeit. Wir wissen, dass unsere Gesell-
    schaft vor großen Herausforderungen steht. Und wir wis-
    sen, dass es wichtig ist, dass wir eine neue bürgerliche
    Gesellschaft in diesem Lande schaffen,


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Ihr seid in der Opposition und da dürft ihr auch bleiben! – Joachim Poß [SPD]: Das wird aber nicht einfach für Sie mit Herrn Merz zusammen!)


    eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne bereit ist, Initia-
    tive zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen.


    (Zuruf von der SPD: Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört!)


    Wir sind bereit, mit den Menschen genau in diesem Sinne
    einen Vertrag zu schließen, weil wir langfristig berechen-
    bar sind.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die haben den Vertrag am 22. September geschlossen!)


    – Hören Sie doch zu! Sie wollen doch immer wissen, wie
    wir unsere Oppositionszeit verstehen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dazu haben Sie in 50 Minuten nichts gesagt!)


    Wir verstehen uns als Wächter, nicht als Blockierer, und
    zwar als Wächter im Sinne der Menschen dieses Landes:
    im Bundestag, im Bundesrat und auf allen Ebenen, in de-
    nen wir Verantwortung haben, sei es als Regierung oder
    sei es als Opposition.

    Herr Bundeskanzler, Sie haben in der Debatte am
    13. September, der letzten vor der Bundestagswahl, in der
    Ihnen eigenen bescheidenen Art dem Kanzlerkandidaten
    der Union, Edmund Stoiber, gesagt – ich wiederhole es

    wörtlich: „Sie wollen vielleicht Kanzler werden, aber Sie
    haben nicht die Fähigkeiten dazu.“


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich antworte Ihnen, und zwar im Lichte dessen, was Sie
    heute hier vorgetragen haben und was wir in den letzten
    Wochen gehört haben:


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja nicht einmal die Fähigkeit zur Opposition!)


    Sie, Herr Bundeskanzler, wollen vielleicht dieses Land ir-
    gendwie von Ereignis zu Ereignis bringen; aber die Fähig-
    keit, es zum Wohle der Menschen in diesem Land zu
    führen und die schöpferischen Kräfte in diesem Land zu
    wecken, haben Sie nicht.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)


    Die haben Sie nicht, weil Sie keine Idee haben und weil
    Sie die Menschen in diesem Land nicht ernst nehmen.
    Und weil Sie die Menschen nicht ernst nehmen, wird die
    Union gebraucht, mehr denn je, CDU und CSU. Ich sage
    Ihnen: Wir nehmen genau diesen Auftrag – und dann auch
    noch mit Freude – an.

    Herzlichen Dank.

    (Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)