Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
24100
(C)
(D)
(A)
(B)
1) Anlage 7 2) Anlage 8
Berichtigung
239. Sitzung, Seite 23965 (D), Zweiter Absatz, der erste
Satz ist wie folgt zu lesen: „Das, was wir bei dieser Minis-
tererlaubnis gehört haben, ist schon abenteuerlich:“
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24101
(C)
(D)
(A)
(B)
Altmaier, Peter CDU/CSU 07.06.2002
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 07.06.2002
Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 07.06.2002
Marieluise DIE GRÜNEN
Bettin, Grietje BÜNDNIS 90/ 07.06.2002
DIE GRÜNEN
Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 07.06.2002
Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 07.06.2002
Bohl, Friedrich CDU/CSU 07.06.2002
Bonitz, Sylvia CDU/CSU 07.06.2002
Borchert, Jochen CDU/CSU 07.06.2002
Brudlewsky, Monika CDU/CSU 07.06.2002
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 07.06.2002
Eppelmann, Rainer CDU/CSU 07.06.2002
Erler, Gernot SPD 07.06.2002
Flach, Ulrike FDP 07.06.2002
Francke, Klaus CDU/CSU 07.06.2002
Frick, Gisela FDP 07.06.2002
Friedrich (Altenburg), SPD 07.06.2002
Peter
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 07.06.2002
Glos, Michael CDU/CSU 07.06.2002
Göllner, Uwe SPD 07.06.2002
Dr. Grygier, Bärbel PDS 07.06.2002
Hampel, Manfred SPD 07.06.2002
Hauser (Rednitzhem- CDU/CSU 07.06.2002
bach), Hansgeorg
Dr. Hendricks, Barbara SPD 07.06.2002
Hoffmann (Wismar), SPD 07.06.2002
Iris
Homburger, Birgit FDP 07.06.2002
Dr. Hoyer, Werner FDP 07.06.2002
Irmer, Ulrich FDP 07.06.2002
Jüttemann, Gerhard PDS 07.06.2002
Jung (Düsseldorf), SPD 07.06.2002
Volker
Kampeter, Steffen CDU/CSU 07.06.2002
Kauder, Volker CDU/CSU 07.06.2002
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 07.06.2002
Kossendey, Thomas CDU/CSU 07.06.2002
Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 07.06.2002
Kühn-Mengel, Helga SPD 07.06.2002
Labsch, Werner SPD 07.06.2002
Dr. Lamers CDU/CSU 07.06.2002
(Heidelberg), Karl A.
Leidinger, Robert SPD 07.06.2002
Dr. Leonhard, Elke SPD 07.06.2002
Lintner, Eduard CDU/CSU 07.06.2002*
Maaß (Wilhelms- CDU/CSU 07.06.2002
haven), Erich
Merten, Ulrike SPD 07.06.2002
Dr. Meyer (Ulm), SPD 07.06.2002
Jürgen
Neuhäuser, Rosel PDS 07.06.2002
Neumann (Bremen), CDU/CSU 07.06.2002
Bernd
Neumann (Gotha), SPD 07.06.2002
Gerhard
Nolte, Claudia CDU/CSU 07.06.2002
Palis, Kurt SPD 07.06.2002**
Raidel, Hans CDU/CSU 07.06.2002***
Rauber, Helmut CDU/CSU 07.06.2002
Rauen, Peter CDU/CSU 07.06.2002
Ronsöhr, CDU/CSU 07.06.2002
Heinrich-Wilhelm
Roos, Gudrun SPD 07.06.2002
Schily, Otto SPD 07.06.2002
Schlee, Dietmar CDU/CSU 07.06.2002
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 07.06.2002**
Hans Peter
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
von Schmude, Michael CDU/CSU 07.06.2002**
Schröder, Gerhard SPD 07.06.2002
Schuhmann SPD 07.06.2002
(Delitzsch), Richard
Seehofer, Horst CDU/CSU 07.06.2002
Dr. Freiherr von CDU/CSU 07.06.2002
Stetten, Wolfgang
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 07.06.2002***
Thiele, Carl-Ludwig FDP 07.06.2002
Dr. Thomae, Dieter FDP 07.06.2002
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 07.06.2002
DIE GRÜNEN
Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 07.06.2002
DIE GRÜNEN
Wagner, Hans Georg SPD 07.06.2002
Wettig-Danielmeier, SPD 07.06.2002
Inge
Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 07.06.2002
Wolf, Aribert CDU/CSU 07.06.2002
Zierer, Benno CDU/CSU 07.06.2002**
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
** für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union
*** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dirk Niebel (FDP) zur Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren
und Volksentscheid in das Grundgesetz (Tages-
ordnungspunkt 17)
Ich hätte dem Gesetz gern zugestimmt, weil ich eine
Stärkung der plebiszitären Elemente für notwendig
halte. Insbesondere das Instrument der Volksinitiative ist
geeignet, Bürgerbeteiligung in einer repräsentativen De-
mokratie zu erhöhen. Politik muss für Bürgerinnen und
Bürger transparent sein und ihre Beteiligung darf sich
nicht auf die Abgabe des Wahlzettels alle vier Jahre be-
schränken. Aber die vorgesehene Ausgestaltung, dass
bei einer Wahlbeteiligung von vielleicht 40 Prozent aller
Bürgerinnen und Bürger nur 27 Prozent aller Wahlbe-
rechtigten, nämlich zwei Drittel von 40 Prozent, eine
Grundgesetzänderung herbeiführen könnten, ohne dass
sie dafür Verantwortung übernehmen müssen und kön-
nen, halte ich für nicht tragbar. Deshalb muss ich dieses
Gesetz ablehnen.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen
Abstimmung über den Antrag der Bundesregie-
rung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an
der internationalen Sicherheitspräsenz im Ko-
sovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfel-
des für die Flüchtlingsrückkehr und zur mi-
litärischen Absicherung der Friedensregelung
für das Kosovo auf der Grundlage der Resolu-
tion 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Verein-
ten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Mi-
litärisch-Technischen Abkommens zwischen der
Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und
den Regierungen der Bundesrepublik Jugo-
slawien und der Republik Serbien vom 9. Juni
1999 (Tagesordnungspunkt 19 a)
Ich stimme der Verlängerung des KFOR-Mandats zu,
da angesichts der Situation im Kosovo derzeit ein Abzug
nicht zu verantworten wäre. Ich möchte aber zum Aus-
druck bringen, dass ich den Kriegseinsatz gegen Serbien
und im Kosovo im Jahre 1999 nach wie vor für falsch
halte und meine jetzige Zustimmung zu der Mandatsver-
längerung keine Änderung dieser Einschätzung bedeutet.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Gesetzentwurf: Änderung des Umsatzsteuer-
gesetzes
– Antrag: Steuerrecht vereinfachen – illegale
Beschäftigung im Baugewerbe sinnvoll be-
kämpfen
(Tagesordnungspunkt 24 a und b)
Dieter Grasedieck (SPD): Die FDP besteht aus vie-
len Bewerbern für die Kompetenzmannschaft. Als Be-
werber müssen Sie sich bewähren. Sie müssen Fehler
schnell erfassen und korrigieren. Schon bei der ersten Prü-
fung haben Sie versagt. Sie hätten sonst die Argumente im
Finanzausschuss und im Plenum zu Ihrem Antrag berück-
sichtigt.
Sie wollten durch Ihren Antrag eigentlich die Bürokra-
tie der Betriebe reduzieren. Nur, die Betriebe empfinden
die Berechnung der Umsatzsteuern nicht belastend. Die
Betriebe beklagen, dass sie die Lohn-, Einkommen- und
Körperschaftsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge
berechnen müssen. Deshalb will das Wirtschaftsministe-
rium die bürokratischen Abläufe vereinfachen. Erste Vor-
schläge werden umgesetzt; jede Firma erhält zum Bei-
spiel nur eine Wirtschaftsnummer für alle Verfahren.
Von Umsatzsteuern war bei den Betriebsumfragen
keine Rede, weil die Erstellung der Voranmeldung über die
EDVals Ergebnis der Buchhaltung erfolgt. Es ist praktisch
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224102
(C)
(D)
(A)
(B)
ein Abfallprodukt. Nun, die monatliche Anmeldung auf
umsatzstärkere Unternehmen hat sich bewährt. CDU/CSU
und FDP haben diese Regelung im Übrigen 1996 einge-
führt.
Wenn Sie sich informiert hätten, wüssten Sie, dass in der
Finanzverwaltung die elektronische Datenübermittlung
zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Steuerberater fast
üblich ist. Durch die Steueranmeldungs-Datenübermitt-
lungsverordnung („STADÜV“) können die Betriebe die
Daten dem Finanzamt elektronisch übermitteln. Die Tech-
nologien haben sich doch weiterentwickelt. Der Stand der
EDV von 1996 ist mit 2002 nicht mehr vergleichbar. Was
1996, mit Ihrem Segen, richtig war, ist 2002 erforderlich.
Die FDP erleichtert durch ihren Antrag den Betrügern
die Arbeit. Das wollen wir nicht. Der Finanzausschuss
will hingegen die Steuerhinterziehung bei der Umsatz-
steuer eindämmen. So wird diskutiert, dass Unterneh-
mensgründer im Gründerjahr und im ersten Folgejahr un-
abhängig von den erzielten Umsätzen ihre Voranmeldung
monatlich abgeben. Die Finanzämter können dadurch
schneller kriminelle Scheinfirmen aufdecken. Das will
der Ausschuss, weil die Scheinfirmen bei Karussellbe-
trugsgeschäften nur kurze Zeit existieren. Zwei Monate
bedeuten einen enormen Informationsvorsprung. Es feh-
len dem Bundeshaushalt, so schätzen Experten, durch den
Umsatzsteuerbetrug 10 Milliarden Euro. Gerade in
Grenzregionen ist deshalb der unbürokratische Informati-
onsaustausch mit den Finanzämtern der Nachbarländer
nötig. Der zeitraubende Weg zum Bundesamt für Finan-
zen muss in Europa im 21. Jahrhundert der Geschichte an-
gehören.
Ein weiteres wichtiges Argument spricht gegen den
FDP-Antrag: Existenzgründer haben bei Investitionen
häufig Liquiditätsprobleme. Durch Ihren Antrag bekom-
men diese Firmen die Vorsteuerüberhänge zwei bis drei
Monate später.
Existenzgründer warnen, sie benötigen gerade in den
ersten zwei bis drei Jahren jeden Euro. Der Zeitraum zur
Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung darf nicht ver-
längert werden. So investiert ein Jungunternehmer im Ja-
nuar für eine CNC-Fräsmaschine netto 100 000 Euro. Ins-
gesamt muss er mit Umsatzsteuer 116 000 Euro an den
Lieferanten bezahlen.
16 000 Euro Umsatzsteuer bekommt der Unternehmer
nach der bisherigen Gesetzgebung Anfang Februar erstat-
tet – nach Ihrem Vorschlag erst zwei bis drei Monate spä-
ter. Unsere Koalition will Jungunternehmer fördern statt
bremsen. Ihr Gesetzesvorschlag ist unternehmerfeindlich.
Jetzt sagen Sie, die Unternehmer können zwischen ein
und drei Monaten frei entscheiden. Durch weitere Aus-
nahmeregelungen bauen Sie keine Bürokratie ab. Da Sie
keinen Gesetzesrahmen schaffen, könnte der Verdacht
aufkommen, dass Sie eigentlich nur die Größtunterneh-
mer fördern wollen. Die Größtunternehmer wären die
wirklichen Gewinner.
Sie sagten in Ihrer Rede am 6. Juli 2001: „Was die
Hand- und Spanndienste im Mittelalter waren, sind heute
die Bürokratiedienste des Mittelstandes für den Staat.“
Dazu kann ich nur sagen: Politik ist mehr als Karneval.
Weil Politik mehr als Karneval ist, lehnen wir derartige
unternehmerfeindliche Gesetze ab. Wir fördern hingegen
junge Unternehmer. 1 000 Jungunternehmer werden mit
0,65 Milliarden Euro vom Bund unterstützt. Das Land
NRW und der EU-Stukturfonds fördern mit 2 Milliarden
Euro 17 000 Unternehmensgründungen.
200 000 neue moderne Arbeitsplätze wurden so einge-
richtet. In meinem Wahlkreis sind so 2 650 Arbeitsplätze
geschaffen worden. Fördern statt bremsen ist angesagt.
Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das Thema
Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Wirtschaft
von unnötiger Bürokratie ist ein wichtiger Bereich der
Wirtschaftsförderung. Gerade im Laufe der letzten Wahl-
periode hat es hier Auswüchse gegeben, die die Vorzeit
bei weitem übertreffen. Bürokratieabbau muss ein ständi-
ger Kampf sein und ist immer und zu jeder Zeit notwen-
dig. In 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland haben wir
unser Staatswesen immer stärker perfektioniert und für
immer mehr Bürokratie gesorgt. Natürlich ist die Bundes-
republik Deutschland von heute mit einer hochkompli-
zierten Wirtschaft und einer großen Bevölkerungsdichte
nicht mehr mit der Bundesrepublik von 1950 zu verglei-
chen. Wir brauchen sicherlich heute zur Regelung der In-
teressenskonflikte, die sich nicht von alleine regeln, mehr
staatlichen Aufwand. Allerdings sind wir in vielen Berei-
chen über das Ziel hinausgeschossen. Insbesondere dort,
wo sich mehrere Behörden mit der gleichen Problematik
befassen, ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Wenn hier nachhaltig Erfolge erzielt werden könnten,
wäre das ein großer Beitrag zur Senkung der Staatsquote.
Unser Ziel „Dreimal unter 40“ ist ehrgeizig, aber erreich-
bar und erst recht notwendig, um die Wirtschaft wieder
stärker in Gang zu bringen. Wer die Staatsquote senken
will, muss die Staatstätigkeit verringern. Das ist für beide
Beteiligte gut, einerseits für den Staat, weil er Aufwand
spart, und andererseits für die Bürger, weil sie sich besser
entwickeln können. Das gilt auch für die Wirtschaft. Die
Reduzierung der Staatstätigkeit soll sich zunächst einmal
auf die Bereiche beschränken, in denen Doppelarbeit in-
nerhalb der Gesellschaft geleistet wird oder wo inner-
staatliche Akte reduziert werden können, ohne dass die
Außenleistung gegenüber dem Bürger weniger werden
muss. Dafür gibt es viele Beispiele.
Alle Bundesländer haben Ende der 60er- und Anfang
der 70er-Jahre Gebiets- und Verwaltungsreformen durch-
geführt. Sinn dieser Maßnahmen war es, die Gebietskör-
perschaften so groß zu gestalten, dass ihre Verwaltungs-
kraft ausreicht, um Fachpersonal zu beschäftigen. Wir
wollten weg von dem „Feierabendbürgermeister“ auf dem
Sofa, hin zu mehr Professionalität, weil die Probleme
größer geworden waren und der Staat vom überwachen-
den Staat zum planenden und vorsorgenden Staat gewor-
den war. Die Gebietsreform ist in den alten Bundeslän-
dern durchgeführt. Die Kommunen haben sich mit
Fachpersonal bestückt. Allerdings ist die Entwicklung
meistens an dieser Stelle stehen geblieben. Der Abbau von
Aufsicht und insbesondere auch Fachaufsicht, die zur Un-
terstützung der „Feierabendbürgermeister“ notwendig
war, erfolgte weitgehend nicht. Ganz im Gegenteil: Wir
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24103
(C)
(D)
(A)
(B)
haben die Verwaltung insbesondere im Bereich der Fach-
aufsicht und des Fachpersonals verstärkt. Hier ist eine
Umkehr erforderlich. Die Christlich Demokratische
Union hat mit dem Konzept „Schlanker Staat – starker
Bürger“ im Jahre 2001 hier erhebliche Vorarbeit geleistet
und viele Möglichkeiten aufgezeigt.
Der FDP-Antrag zur Änderung des Umsatzsteuer-
gesetzes gehört in diese Kategorie. Es geht um die Frage,
in welchen Zeitabständen der Bürger seine Steuern an den
Staat erklären und abführen muss. Bei der Umsatzsteuer
haben wir im Prinzip die Quartalseinteilung. Nur wer mo-
natlich auf eine Zahllast von mehr als 6 136 Euro kommt,
muss monatlich melden und abführen. Der Fiskus ist da-
ran interessiert, die Abführungszeiträume möglichst kurz
zu gestalten, damit er über die notwendigen liquiden Mit-
tel verfügt, um die laufenden Staatsausgaben zu finanzie-
ren. Je später das Geld eintrifft, umso größer ist der Zins-
ausfall. Allerdings muss man sich immer darüber im
Klaren sein, worüber man redet. Hier geht es um die
Frage, ob bei einer Zahllast von über 6 136 Euro der Steu-
erpflichtige monatlich oder quartalsweise melden und ab-
führen muss. Geht man von 6136 Euro und von 5 Prozent
Zinsen aus, dann geht die Steuer aus dem ersten Monat
60 Tage später und im zweiten Monat 30 Tage später an
das Finanzamt. Der Zinsvorteil beträgt für die 60 Tage
circa 51 Euro und für die 30 Tage etwa 26 Euro. Nun muss
abgewogen werden, wie hoch der Verwaltungsaufwand
für eine dreimalige Abführung gegenüber einer einmali-
gen Abführung im Quartal ist und wie hoch der Zinsver-
lust ist. Der Zinsverlust beträgt maximal 77 Euro. Für die-
sen Betrag kann man nur geringe Verwaltungsleistungen
erbringen. Das Finanzamt ist verpflichtet, bei jedem Steu-
erpflichtigen zu prüfen, ob er seine Steuererklärung recht-
zeitig abgibt und die entsprechenden Zahlungen leistet.
Das heißt, wir reden darüber, ob innerhalb eines Quartals
dreimal die Akte gezogen und überprüft werden muss, ob
die Meldung und die Zahlung eingegangen sind. Ange-
sichts des Zinsvorteils von 77 Euro bei 6 135 Euro ist fis-
kalisch sicherlich die monatliche Meldefrist in den unte-
ren Bereichen für den Fiskus teurer als die quartalsweise.
Der Zinsaufwand liegt unter dem Aufwand für die Ver-
waltung. Mit höheren Steuerlasten kann sich das natürlich
ändern. Angesichts des geringen Zinsverlustes ist der
Vierjahreszeitraum mit weniger Aufwand für die Betriebe
und weniger Aufwand für den Fiskus zu befürworten. Die
Union wird deshalb dem Gesetzentwurf der FDP aus der
Drucksache 14/3531 in der Fassung des Ausschusses zu-
stimmen.
Nun zu dem zweiten Antrag, mit dem die Bauabzug-
steuer in der jetzigen Form aufgehoben werden soll. Die
Bundesregierung soll dazu aufgefordert werden, prakti-
kable und zweckdienliche Vorschläge zur Bekämpfung
der illegalen Betätigung im Baugewerbe zu machen.
Lassen Sie mich vorweg deutlich machen, dass wir jeg-
lichen Steuermissbrauch und jegliche Steuerhinterzie-
hung energisch bekämpfen. Allerdings müssen die Mittel,
die eingesetzt werden, auch geeignet sein, das entspre-
chende Ziel zu erreichen. Da hapert es in letzter Zeit doch
häufig. So mussten wir am Mittwoch im Finanzausschuss
gerade erst erlassene Gesetze, wie die Bankenaufsicht und
das Bundesbankengesetz, schon wieder nachbessern, weil
die Beratung offensichtlich nicht sorgfältig genug ausge-
fallen ist. Die Gesetze wurden durchgepeitscht, ohne dass
entsprechende Anhörungen im angemessenen Zeitrahmen
stattfinden und ohne dass ausreichend darüber diskutiert
wurde. Ich nenne hier nur das Beispiel der Verlustver-
rechnung, das 630-DM-Gesetz und auch die Bauabzug-
steuer.
Die Bauabzugsteuer war von Anfang an umstritten.
Uns kamen von der ersten Minute an erhebliche Beden-
ken, ob der Weg richtig sei, zur notwendigen Bekämpfung
von schwarzen Schafen die gutwilligen und ordentlich
Arbeitenden mit Bescheinigungsverfahren zu überziehen.
Ich will es noch einmal deutlich machen: Jeder, der or-
dentlich arbeitet und sich nichts zuschulden kommen
lässt, wird von den Bekämpfungsmaßnahmen insofern er-
fasst, als er sich eine Bescheinigung ausstellen lassen
muss. Außerdem sind Auftraggeber verpflichtet zu prü-
fen, ob der Auftragnehmer eine Bescheinigung hat. Das
heißt also, zur Herausfilterung von schwarzen Schafen
wird jeder ordentlich Arbeitende zur zusätzlichen Büro-
kratie verdonnert. Es gab von Anfang Zweifel, ob wirk-
lich die schwarzen Schafe auf diesem Wege erfasst wer-
den können.
Da es sich um einen Antrag der Länder handelte und
die Verbände der Bauwirtschaft dieses Verfahren wollten,
haben wir uns im wahrsten Sinne des Wortes breitschla-
gen lassen und unsere Bedenken beiseite geschoben. Ich
jedenfalls habe mich schon nach kurzer Zeit sehr über
mich selbst geärgert, dass ich nicht meiner ursprünglichen
Intention gefolgt bin, weil der Ärger los ging. Das fing
schon damit an, dass die meisten Betroffenen überhaupt
nicht mitbekommen haben, dass es sich um eine Forde-
rung ihrer eigenen Verbände handelte. Sie haben der Po-
litik all dies angelastet.
Außerdem bestand die große Gefahr, dass sich die Fi-
nanzverwaltung diesem Instrument zur Erleichterung des
Steuervollzuges auch in solchen Bereichen bedienen
würde, in denen der Fiskus den Vollzugsaufwand und das
Vollzugsrisiko tragen muss. Es kann nicht angehen, dass
beides immer stärker auf die Wirtschaft verlagert wird.
Erst als dann viel zu spät die sehr komplizierten Aus-
fuhrbestimmungen kamen, ließ die Unruhe bei den Be-
troffenen etwas nach. Dabei hat die Bundesregierung den
Fehler gemacht, dass bereits vor den Sommerferien in
Kraft getretene Gesetz erst durch Anwendungsbestim-
mungen vom 1. November 2001 zu konkretisieren. Prak-
tisch sechs Monate blieben die Betroffenen im Ungewis-
sen, in welcher Art und Weise sie von den Dingen berührt
und beeinträchtigt werden. Das hat Spekulationen Tür
und Tor geöffnet und eine große Verunsicherung geschaf-
fen. Das zeigt im Übrigen auch, dass das Gesetz inhaltlich
problematisch ist, wenn eine solche Unruhe entstehen
konnte, die erst durch eine Eingrenzung im Wege des Er-
lasses wieder eingegrenzt werden musste.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass
der vom Finanzausschuss geforderte Bericht der Bundes-
regierung über die praktischen Auswirkungen, der von
mir mit Schreiben vom 7. November 2001 an die Vorsit-
zende des Finanzausschusses gefordert worden ist und der
Gegenstand verschiedentlicher Debatten im Ausschuss
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224104
(C)
(D)
(A)
(B)
war, noch aussteht. Wir wollten insbesondere wissen, in
welchem Umfang und aus welchen Gründen Bescheini-
gungen versagt worden sind und in welchem Umfang Be-
scheinigungen ausgestellt worden sind.
Der entsprechende Bericht ist zugesagt, aber noch nicht
gegeben. Von großem Interesse wird sein, das Verhältnis
von Aufwand und Ertrag festzustellen. Insbesondere aber
gilt es festzustellen, aus welchen Gründen Bescheinigun-
gen versagt worden sind. Wir sahen von Anfang an die
große Gefahr, dass sich die Steuerverwaltung dieses In-
strument zu Eigen machen würde und damit auch Pro-
bleme benutzt, die mit der eigentlichen Steuerverkürzung
durch Unternehmen, die ihre Steuerpflicht nicht erfüllen,
nichts zu tun haben: nicht rechtzeitige Abgabe von Steue-
rerklärungen, geringfügige Fristverzögerung usw.
Auch bei der Bauabzugsteuer muss man, wie bei der
Frage der Festlegung der Zeiträume für Umsatzsteuer-
erklärungen, den ökonomischen Sinn von Zusatzregelun-
gen untersuchen und infrage stellen. Es muss abgewogen
werden, welcher Aufwand bei der Finanzverwaltung und
bei den Betrieben entsteht. Dieser muss dem zusätzlichen
Ertrag an Steuern gegenübergestellt werden und erst wenn
sich hier eine vernünftige Kosten-Nutzen-Relation ergibt,
ist das Verfahren sinnvoll. Deshalb würde mich schon die
Frage interessieren: Wie viele Finanzbeamte sind mit dem
Ausstellen der entsprechenden Bescheinigungen beschäf-
tigt? Da keine zusätzlichen Planstellen bewilligt wurden,
werden sie anderen Steuervollzugsbereichen entzogen.
Wäre es nicht wichtiger, sich auf die inhaltliche Bearbei-
tung und Bekämpfung des Umsatzsteuermissbrauches zu
konzentrieren? Hier werden ja angeblich Steuerhinterzie-
hungen in Milliardenhöhe vorgenommen. Bei der Um-
satzsteuer scheint mir der Computer das einzige Kontroll-
mittel zu sein, ohne dass anhand von den wenigen
Verdächtigungsmerkmalen, die den Umsatzsteuermiss-
brauch kennzeichnen, die Vorgänge ausgeworfen und ei-
ner inhaltlichen Überprüfung durch Beamte unterworfen
werden. Wenn ich aber zig Tausende von Beamten mit
sinnlosen Freistellungsbescheinigungen beschäftige, dann
brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich das Personal
für die eigentlich wichtige Arbeit nicht mehr habe. Auch
diese Frage müsste einmal beantwortet werden.
Die Tatsache, dass der im Finanzausschuss vereinbarte
Bericht zu diesem Komplex nicht gegeben worden ist,
scheint mir Bände zu sprechen. Hat man etwas zu verber-
gen oder warum kommt der Bericht nicht auf den Tisch?
Bei so wichtigen Fragen kann man sich auch nicht damit
ausreden, dass der Vollzug Sache der Länder sei und man
nicht über entsprechende Fakten verfüge. Dann muss man
eben die Länder bitten, die entsprechenden Unterlagen für
den Bericht an den Bund zu geben.
Auch wenn sich momentan die öffentliche Diskussion
ein wenig beruhigt hat, ist das noch nicht ein Zeichen
dafür, dass die Dinge in Ordnung sind. Möglicherweise
haben sich die Betroffenen notgedrungen nur mit der zu-
sätzlichen Bürokratie abgefunden. Deshalb ist es richtig,
die Dinge immer wieder zu hinterfragen und sich damit zu
beschäftigen. Wie gesagt, Bürokratieabbau ist eine Dauer-
aufgabe.
Insbesondere die beratenden Berufe machen zweierlei
deutlich: Zum einen gibt es ganz erhebliche Probleme mit
der Abwicklung. Immer wieder werden Bescheinigungen
mit der Begründung abgelehnt, dass Unternehmen Steu-
ern nicht pünktlich zahlen oder Steuererklärungen nicht
pünktlich abgeben. Das war genau nicht Sinn der Sache.
Auch gehen die Finanzgerichte immer stärker dazu über,
Freistellungen im Klageweg anzuerkennen, weil bei der
Ausstellung der Freistellungsbescheinigungen der allge-
meine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden
müsse und es Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung
sei, illegale Beschäftigung zu bekämpfen, nicht aber vor-
rangig Steuern einzutreiben.
Sinn des Gesetzes war es, Wettbewerbsverzerrungen zu
verhindern, die dadurch entstehen, dass einzelne Unter-
nehmen sich der Steuerpflicht entziehen, während andere
pünktlich zahlen. Gemessen an diesem Ziel ist der Erfolg
des Gesetzes eher bescheiden. Allerdings ist der Bera-
tungsaufwand und sind damit die Kosten in der Praxis sehr
hoch. Dieses ist ein Ausdruck überzogener Bürokratie.
Zum anderen empfinden insbesondere Anbieter aus
dem Ostblock es immer noch als sehr profitabel, sich mit
dem „endgültigen Steuersatz“ von 15 Prozent zu bedie-
nen. Das bedeutet, dass das Gesetz gerade ins Gegenteil
verkehrt wird.
Die Bauverbände, die das Gesetz seinerzeit gefordert
hatten, verteidigen das Gesetz. Dies ist als selbstverständ-
lich anzunehmen, kann jedoch kein Indikator für die
Funktionsfähigkeit der Regelung sein. Wenn mehr als
95 Prozent der beauftragten Unternehmen steuerlich ge-
meldet sind und fast durchgängig auf drei Jahre befristete
Freistellungsbescheinigungen durch die Finanzverwal-
tung erhalten haben, dann macht das deutlich, dass mög-
licherweise hier wieder einmal das Kind mit dem Bade
ausgeschüttet wird. Nur wegen eines ganz geringen Teils,
der weit unter 5 Prozent liegen muss – ein Teil der Unter-
nehmen hat ja zusätzlich zu den 95 Prozent noch kürzere
bzw. auftragsbezogene Bescheinigungen erhalten –, wer-
den alle Unternehmen dem Bescheinigungsverfahren un-
terzogen.
Selbst der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes
muss einräumen, dass derzeitig nicht eingeschätzt werden
kann, ob das Zurückdrängen unseriöser Unternehmen
vom Markt wirklich durch das Gesetz erreicht worden ist.
Die Steuerberaterkammer hat zurecht darauf hingewie-
sen, dass der Arbeitsaufwand mit den Freistellungs-
bescheinigungen bei den Finanzämtern offenbar dazu ge-
führt hat, dass reguläre Arbeit liegen geblieben ist. Dies
führt unter anderem auch dazu, dass Einkommensbe-
scheide erst später ergehen. Dies kann die sehr ärgerliche
Folge haben, dass in Nachzahlungsfällen zusätzliche
6 Prozent Nachzahlungszinsen nach § 233 AO anfallen.
Das trifft die Steuerbürger besonders hart, weil durch das
Steuerentlastungsgesetz die Möglichkeit des Sonderaus-
gabenabzugs von Zinsen auf Steuerforderungen wegge-
fallen ist.
Außerdem weist sie darauf hin, dass der Verwal-
tungsaufwand durch eine gegenwärtig in Vorbereitung
befindlichen neuen Verwaltungsanweisung in Form ei-
nes BMF-Schreibens noch ausgedehnt werden soll und
die Freistellungsbescheinigung offensichtlich zu einem
Sanktionsmittel besonderer Art gemacht werden sollen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24105
(C)
(D)
(A)
(B)
Die Steuerberaterkammer hat sich aus diesem Grund mit
Schreiben vom 23. Mai 2002 an den Bundesfinanzmi-
nister gewandt und darauf hingewiesen, dass es gerade
nicht Sinn des Bauabzugsteuergesetzes war, ein weiteres
Zwangmittel zum Eintreiben von Steuern zu erhalten.
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks
hat auf eine Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen und
praktischen Fragen bei der Anwendung des Gesetzes hin-
gewiesen. Wenn nach fast einem Jahr noch immer so viel
Unklarheiten bestehen, was auch Ausdruck einer in einer
Vielzahl von OFD-Verfügungen zum Thema Steuerabzug
bei Bauleistungen seinen Ausdruck findet, dann spricht
das eher dafür, dass die Regelung nicht besonders gelun-
gen ist.
Ganz besonders schlimm ist es dann, wenn wir Signale
aus der Praxis bekommen, dass sich hier Unternehmen auf
diesem Wege sogar steuerlich entlasten. Sie benutzen das
Instrument der Bauabzugsteuer als Definitivbesteuerung
und erlangen dadurch Wettbewerbsvorteile.
Alles in allem lässt sich zusammenfassen: Wir haben
mit der Bauabzugsteuer ein bürokratisches Monster kre-
iert, das Betriebe und Finanzbehörden mit einem erhebli-
chen Verwaltungsaufwand überzieht, ohne dass es Anzei-
chen dafür gibt, dass die illegale Beschäftigung auf dem
Bau wirksam damit bekämpft werden kann. Das sollte uns
zur Nachdenklichkeit bringen.
Ganz offenbar ist es Ihr Ziel in dieser Wahlperiode ge-
wesen, der Unternehmerschaft mit großem Misstrauen
entgegenzutreten. Sie haben auch immer wieder erklärt,
dass Sie Unternehmen fördern wollen, aber Unternehmer
nicht. Diese Trennung macht eine Denke deutlich, die
nicht geeignet ist, Menschen zur wirtschaftlichen Leis-
tung anzuspornen. Das wiederum hat fatale Folgen für die
Arbeitsplätze, denn nur wenn sich Unternehmerpersön-
lichkeiten finden, die Lust daran haben, wirtschaftlich
tätig zu sein, gibt es auch Arbeitsplätze. Stattdessen über-
ziehen Sie diese Gruppe mit zusätzlich Bürokratie und
kriminalisieren sie, wie Ihr Verhalten zu § 370 a Abgaben-
ordnung beweist. Nicht einmal die 15-zu-Null-zu-Eins-
Entscheidung im Bundesrat kann Sie offensichtlich zur
Einsicht zwingen. Deshalb haben Sie wieder im letzten
Finanzausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag
der CDU abgelehnt. Ja, vor kurzem haben Sie noch jegli-
che Änderungsnotwendigkeit in Abrede gestellt und ge-
meint, durch eine Verwaltungsanweisung könne man das
Gesetz korrigieren. Was ist das für eine Auffassung vom
Rechtsstaat? Erst ein Gesetz machen und dann durch die
Verwaltung wieder einschränken oder auch bei passender
Gelegenheit ausweiten? So kann es nicht gehen. Deshalb
sind wir für eine sehr kritische Überprüfung des Bauab-
zugsteuergesetzes, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit
der Aufhebung endet; wieder einmal wird mit Schrot auf
eine Mücke geschossen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit,
dass man die Mücke trifft, sehr gering, aber der Schaden
im Umfeld ist unermesslich groß. Diejenigen, die wegen
Missbrauchs herausgefiltert werden sollen, werden nicht
betroffen. Dafür aber die Vielzahl der steuerlich ehrlichen
Betriebe mit zusätzlicher Bürokratie überzogen.
Probleme gibt es auch mit der EU-rechtlichen Zuläs-
sigkeit. Die Vorgängerregelung aus dem Steuerentlas-
tungsgesetz 1999/2000/2002 in § 50 a Abs. 7 EstG war als
nicht EU-tauglich qualifiziert wurden. Auch bezüglich
der jetzt geltenden Regelung gibt es erhebliche Bedenken.
Privatdozentin Dr. Hey von der Universität Köln hat in
ihrem Gutachten vom 5. März 2002 festgestellt, dass EU-
Ausländer im Vergleich zu Inländern nur unter deutlich
erschwerten Bedingungen eine Freistellungsbescheini-
gung erhalten, und dies, obwohl hier – anders als bei in-
ländischen Bauleistenden – vielfach kein Besteuerungs-
recht der Bundesrepublik besteht. Im Wege genereller
Freistellung bei Steuerinländern gegenüber nur aus-
nahmsweiser Freistellung bei Steuerausländern darf nicht
durch die Hintertür dieselbe Rechtslage erzeugt werden
wie unter § 50 a Abs. 7 EstG in der Fassung des StEntlG
1999/2000/2002. In diesem Fall muss der gegen § 50 a
Abs. 7 EstG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002
erhobene Vorwurf der Europarechtswidrigkeit mit der
gleichen Schärfte auch gegen die Neuregelung erhoben
werden. Dass die §§ 48 ff. EstG lediglich formal nicht
mehr zwischen In- und Ausländern differenzieren, kann
den Diskriminierungsvorwurf nicht beseitigen; wenn die
Differenzierung im Ergebnis in ähnlicher Weise durch
Anwendung unterschiedlicher Maßstäbe bei der Erteilung
von Freistellungsbescheinigungen erfolgt.
Gemeinschaftsrechtswidrig wegen eines Verstoßes ge-
gen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV sind fol-
gende Einzelregelungen: das Erfordernis der Bestellung
eines inländischen Empfangsbevollmächtigten (§ 48 b
Abs. 1 Satz 1 EstG); das Erfordernis der Ansässigkeitsbe-
scheinigung als Voraussetzung der Freistellungsbeschei-
nigung (§ 48 b Abs. 1 Nr. 3 EstG) sowie der Erstattung
§ 48 d Abs. 1 Satz 4 EstG); die generelle Beweislastum-
kehr, die ausländischen Steuerpflichtigen sowohl im Frei-
stellungs- als auch im zeitnahen Erstattungsverfahren
hohe Nachweispflichten aufbürdet, um das Nichtbestehen
eines Steueranspruchs glaubhaft zu machen, während in-
ländische Bauleistende, soweit sie steuerlich erfasst sind
und in der Vergangenheit ihren Pflichten ordnungsgemäß
nachgekommen sind, ohne weiteres die Freistellungser-
klärung erhalten; die Ausgestaltung von § 48 b Abs. 2
EstG als Ermessensvorschrift; die Möglichkeit europa-
rechtskonformer Auslegung wurde durch das Anwen-
dungsschreiben des BMF nicht genutzt (BMF-Schreiben
vom 1. November 2001, BStBl. I 2001, Seite 804 Rand-
ziffer 29); die auf einzelne Aufträge beschränkte Erteilung
von Freistellungsbescheinigungen an nicht ansässige
Steuerpflichtige, während inländische Steuerpflichtige
Sammelfreistellungsbescheinigungen mit einer Laufzeit
von bis zu drei Jahren erhalten (BMF-Schreiben vom
1. November 2001, BStBl. I 2001, Seite 804 Randziffer 31);
der Ausschluss des Einwandes, dass aufgrund eines Dop-
pelbesteuerungsabkommens kein zu sichernder Steueran-
spruch entstanden ist, im Haftungsverfahren des Leis-
tungsempfängers (§ 48 d Abs. 1 Satz 6 EstG).
Aufgrund der vom Gesetzgeber intendierten Verknüp-
fung von Steuerabzug und Freistellungsverfahren durch
das Verhältnismäßigkeitsprinzip wirken diese Nachteile
auf den Steuerabzug als solchen zurück und begründen
die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der insoweit unteilba-
ren Gesamtregelung der §§ 48 ff. EstG.
Auch wenn sich die Diskussion zurzeit ein wenig be-
ruhigt hat, sind die Probleme mit dem Bauabzugsteuerge-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224106
(C)
(D)
(A)
(B)
setz nicht gelöst und müssen aufgearbeitet werden. Es
spricht vieles dafür, dass die Regelung ihr Ziel nicht er-
reicht oder dass Aufwand und Nutzen in keinem vernünf-
tigen Verhältnis zueinander stehen. Deshalb ist sehr kri-
tisch zu prüfen, ob die Regelung beibehalten werden soll
oder wieder aufgehoben werden muss.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Letztes Jahr haben wir beschlossen, dass Unternehmens-
gründer im Jahr der Gründung und im ersten Folgejahr,
unabhängig von den tatsächlich erzielten Umsätzen, ihre
Voranmeldungen monatlich abgeben.
Das hatte gute Gründe: Seit Jahren wurde in Sonntags-
reden über Umsatzsteuerbetrug in zweistelliger Milliar-
denhöhe geklagt. Nichts ist passiert. Wir haben dann im
letzten Jahr, übrigens auf Initiative der Länder, Maßnah-
men zur Sicherung des Steueraufkommens beschlossen,
zu denen auch die monatliche Meldung der Umsatzsteuer
für Existenzgründer gehört.
Und das war auch höchste Zeit! Die Entwicklung der
Umsatzsteuereinnahmen im Jahr 2001 zeigte überdeut-
lich, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Die sonst
so sicheren Umsatzsteuereinnahmen sind absolut zurück-
gegangen um 1,4 Prozent, und das, obwohl das Bruttoin-
landsprodukt nominal noch um 1,9 Prozent gewachsen
ist. Das war schwer erklärbar. Allgemein wurden Betrü-
gereien mit dem Vorsteuerabzug durch so genannte Ka-
russellgeschäfte als eine Ursache vermutet.
Deshalb war es durchaus sinnvoll für „neue“ Unterneh-
men, eine zweijährige Pflicht zur monatlichen Umsatz-
steuererklärung einzuführen. Die Finanzämter bekommen
so schneller Informationen über neue Unternehmen und
sind damit eher an den Hinterziehungsfällen dran. Ange-
sichts der sehr kurzen Lebensdauer von Unternehmen, die
an solchen Karussellbetrugsfällen beteiligt sind, können
zwei Monate schon den entscheidenden Informationsvor-
sprung ausmachen.
Eine positive Nachricht der Steuerschätzung im Mai
war, dass das Umsatzsteueraufkommen wieder wächst.
Das beweist eindeutig: Die Maßnahmen, die Rot-Grün
zur Sicherung des Steueraufkommens beschlossen hat,
beginnen zu greifen. Es macht schon deshalb keinen Sinn,
in dieser Situation die monatlichen Umsatzsteuervoran-
meldungen völlig abzuschaffen.
Hinzu kommt aber noch: Niemand fordert es! Die
Wirtschaftsverbände fordern es nicht, und auch die Fi-
nanzverwaltungen fordern es nicht. Die Länder hatten den
verschärfenden Maßnahmenkatalog ja einstimmig be-
grüßt. Warum sollten sie dann jetzt die monatliche Mel-
dung ganz abschaffen? Das ergäbe keinen Sinn.
Was die Mittelstandsfreundlichkeit angeht, so ist das
deutsche System im europäischen Vergleich mittelstands-
freundlicher und unbürokratischer, als man annimmt. Es
gab ja in letzter Zeit von verschiedenen Seiten Überle-
gungen, wie man die Umsatzsteuer reformieren könnte.
Die Frage war: Wie müsste das Umsatzsteuersystem aus-
sehen, um es weniger betrugsanfällig zu machen. Ich
denke zum Beispiel an das Mittler-Modell.
Bei der Diskussion zeigte sich dann sehr schnell, das ei-
gentlich alle vor einer wirklichen Reform zurück-
schrecken. Das deutsche Umsatzsteuersystem ist gar nicht
so schlecht. Die Unternehmen mögen es, weil es ihnen Li-
quidität gerade dann verschafft, wenn sie klamm sind, also
viele Rechnungen bezahlen müssen, aber wenig Forderun-
gen an andere haben. Wir finden das normal, weil wir da-
ran gewöhnt sind, aber dem ist nicht so. Fragen sie doch
einmal einen italienischer Unternehmer, was er für Pro-
bleme hat, zu viel gezahlte Vorsteuer zurückzubekommen.
Wir haben jetzt national dem Umsatzsteuerbetrug ei-
nen Riegel vorgeschoben. Mittelfristig wollen wir auf
EU-Ebene eine einheitliche Lösung finden, die das Steu-
eraufkommen sichert und für die mittelständischen Un-
ternehmen unbürokratisch ist. Hier müssen alle EU-Län-
der an einem Strang ziehen, denn die Mehrwertsteuer ist
bereits weitgehend harmonisiert.
Gerhard Schüßler (FDP): Gesetzentwurf und Antrag
der FDP, die wir heute beraten, dienen einem Zweck: der
Steuervereinfachung. Diese wird in allen Reden gefor-
dert, wenn es um Steuerpolitik geht. In der Praxis sieht es
dann vollkommen anders aus.
Die Abschaffung der monatlichen Umsatzsteuervoran-
meldung wäre ein Signal für Entbürokratisierung gerade
für kleine und mittlere Unternehmen. Diese ersticken ge-
radezu an der Formularflut, die sie nicht nur für steuer-
liche Zwecke bewältigen müssen. Am grünen Tisch in der
Bundesregierung wird beschlossen, zur besseren Kon-
trolle oder aus fiskalischen Gründen diesen Unterneh-
mern Monat für Monat eine Voranmeldung abzufordern.
Für Existenzgründer sind diese Anforderungen gerade
noch verschärft worden.
Haben Sie, liebe Kollegen von der Koalition, eigent-
lich einmal daran gedacht, was das für die Betroffenen
bedeutet? Man erwartet die Schaffung von Arbeitsplät-
zen, mehr wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen.
Gleichzeitig wird eine Existenzgründung nicht nur mit
steuerlichen Anforderungen dermaßen erschwert, dass
viele potenzielle Unternehmer mutlos werden und gar
nicht erst beginnen. Kann das richtig sein?
Woran liegt es, dass bei uns ein schier unüberwind-
licher Berg an Bürokratie aufgebaut wird ohne Rücksicht
auf den, der ihn bewältigen soll? Warum muss es für alles
und jedes Statistiken geben? Warum traut der Staat den
Unternehmern nicht, von denen er doch erwartet, dass sie
Arbeitsplätze schaffen?
Es muss endlich Schluss sein mit immer neuen staat-
lichen Auflagen, Pflichten und Bevormundungen!
Die Bauabzugsteuer, Gegenstand des vorliegenden An-
trags der FDP, ist nichts als ein einziges Ärgernis. Der Staat
ist nicht in der Lage, die Auswirkungen der Schwarzarbeit
zu bekämpfen, und – viel wichtiger – nicht bereit, die
Ursachen der Schwarzarbeit endlich zu beseitigen. Stich-
wort: Runter mit den Steuern und Abgaben!
Aus diesen Gründen werden die Auftraggeber von Bau-
leistungen verpflichtet, die Steuer für ihre Auftragnehmer
an das Finanzamt abzuführen. Ich gebe an dieser Stelle zu,
dass die Zustimmung der FDPzu diesem Gesetz ein grober
Fehler war. Aus einer einfachen, wenn auch schlechten Re-
gel wurde allerdings ein bürokratisches Monster. In von
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24107
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der Verwaltung so geliebten BMF-Schreiben wurden Ab-
grenzungsfragen aufgeworfen, ein für Unternehmer und
Verwaltung aufwendiges Freistellungsverfahren kreiert
und im Ergebnis bei den Betroffenen zornige Reaktionen
provoziert. Teile der betroffenen Wirtschaft – auch das
muss einmal gesagt werden – haben diese Regelungen
massiv gefordert. Als die rot-grüne Koalition daranging,
auch eine Haftung für Sozialversicherungsabgaben einzu-
führen, wurde protestiert. Dieses Verhalten kann man ei-
gentlich nur als scheinheilig bezeichnen.
Was bleibt unterm Strich? Wir sollten die Unternehmer
das machen lassen, was sie können: wirtschaften, inves-
tieren und Arbeitsplätze schaffen. Bürokratische Rege-
lungen müssen abgebaut, Steuern und Abgaben gesenkt
werden. Die Initiativen der FDP, die heute vorliegen, sind
gute Ansätze dazu.
Heidemarie Ehlert (PDS): Uns liegt heute zur Bera-
tung und Beschlussfassung ein Gesetzentwurf der Frak-
tion der FDPzur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vor.
Den von den Antragstellern verfolgten Anliegen steht
meine Fraktion prinzipiell aufgeschlossen gegenüber.
Auch die Fraktion der PDS hält Vereinfachungen in der
Steuergesetzgebung, Erleichterungen bei der Umsetzung
der Steuergesetze und Entlastungen der Finanzverwaltun-
gen beim Prozess der Steuerfestsetzung für dringend ge-
boten. Dem vorliegenden Gesetzentwurf unter Drucksa-
che 14/5331 werden wir dennoch unsere Zustimmung
versagen.
Der Gesetzentwurf sieht im Kern vor, den Kalender-
monat als Voranmeldungszeitraum für die Umsatzsteuer
prinzipiell zu streichen. Die mit dieser Streichung ver-
bundenen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftli-
chen Nachteile sowohl für den Staat als auch für die Steu-
erpflichtigen überwiegen jedoch beträchtlich. Eine nur
vierteljährlich abzugebende Umsatzsteuervoranmeldung
würde praktisch dazu führen, dass der Staat zum „Kredit-
geber“ für die Betriebe werden würde, bei denen eine Um-
satzsteuerzahllast anfällt, da diese Beträge erst mit zwei-
monatiger Verzögerung festgesetzt und fällig werden
würden. Diese Tatsache wäre auch eine Zumutung für die
Bürger unseres Landes, die die mit Umsatzsteuer belaste-
ten Produkte täglich erwerben.
Für Unternehmen, die sich in der Phase der Existenz-
gründung befinden, ist die vom Gesetzgeber eingeräumte
Möglichkeit der Vorsteuererstattung auch ein nicht zu un-
terschätzender wirtschaftlicher Faktor. Diese Erstattungs-
möglichkeit nur vierteljährlich in Anspruch nehmen zu
können, würde sich bei vielen Existenzgründern bereits
als eine existenzielle Gefahr darstellen und bei ihnen zu
Liquiditätsengpässen führen. Um all dem zu begegnen,
käme man nicht umhin, zahlreiche Ausnahmetatbestände
im Gesetz zu verankern. Dies würde jedoch wiederum ei-
ner angestrebten Vereinfachung gegenüber der bisherigen
Regelung zuwiderlaufen.
Ich sehe allerdings noch ein anderes praktisches Pro-
blem im Zusammenhang mit der von der FDP angestreb-
ten Regelung, was, wie ich finde, bei der Diskussion im
Ausschuss nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Ihr
Gesetzesvorschlag beabsichtigt, durch den Wegfall der
monatlichen Voranmeldung die vierteljährliche Voran-
meldung ohne Ausnahme vorzusehen. Dies führt zugleich
dazu, dass der Vierteljahrzeitraum der kürzeste Zeitraum
ist, der einer Kontrolle durch die Finanzämter zugänglich
gemacht werden kann. Dies erschwert sowohl kurzfristige
als auch punktuelle Prüfungen in einem bekanntermaßen
betrugsanfälligen Bereich erheblich. All diesen Überle-
gungen wird die derzeit bestehende gesetzliche Regelung
besser gerecht, als es der Gesetzentwurf der FDP tun
würde.
Der mit der Drucksache 14/7541 eingebrachte Antrag
der FDP zur Abschaffung der erst zum 1. Januar 2002 ein-
geführten Bauabzugsteuer wird im Ausschuss intensiv be-
raten werden müssen. Es erhöht in keiner Weise das Ver-
trauen in den Gesetzgeber, wenn Regelungen kurz nach
ihrer Verabschiedung erneut zur Disposition gestellt wer-
den. Eine Entscheidung darüber wird von einer Analyse
der bisher mit der Umsetzung dieser Steuer gemachten Er-
fahrungen auszugehen haben. Dazu sollte eine Anhörung
sowohl von Vertretern der Finanzverwaltungen als auch
der betroffenen Steuerpflichtigen durchgeführt werden.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
Zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-
Sondervermögens für das Jahr 2003 (ERP-Wirt-
schaftsplangesetz 2003) (Tagesordnungspunkt 26)
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):Als Berichterstat-
terin des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie habe
ich heute die angenehme Pflicht, Ihnen über unsere Be-
schlussfassung zum Wirtschaftsplan des ERP-Sonderver-
mögens für das Jahr 2003 zu berichten. Der Wirtschafts-
ausschuss und seine mitberatenden Ausschüsse schlagen
Ihnen mit großer Mehrheit – bei Enthaltung der PDS-Frak-
tion die Annahme des vorliegenden Gesetzes vor.
Ich möchte mich als Unterausschussvorsitzende sehr
herzlich bei allen Mitgliedern dieses arbeitsintensiven
Unterausschusses für die stets offene und angenehme Zu-
sammenarbeit bedanken, besonders bei meiner Stellver-
treterin Dagmar Wöhrl und den Obleuten Hans-Josef Fell,
Gudrun Kopp und Rolf Kutzmutz.
Uns war und ist in unserer gemeinsamen Arbeit stets
bewusst, dass wir mit den Programmen aus dem ERP-
Sondervermögen das Kreditprogramm für den Mittel-
stand in Deutschland entscheiden und in Zusammenarbeit
mit dem Bundeswirtschaftsministerium und den beiden
Förderbanken des Bundes, der Deutschen Ausgleichs-
bank (DtA) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW), fortentwickeln.
Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auch bei al-
len Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser wichtigen
Institutionen sehr herzlich bedanken: Durch ihr Engage-
ment und ihre Kreativität gelingt es, die Förderinstru-
mente immer wieder den neuen Bedingungen auf den na-
tionalen und internationalen Kapitalmärkten anzupassen
und auf die vielen hoffnungsvollen Gründer, die vielen in-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224108
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novativen kleinen und mittleren Unternehmen, die Hand-
werker und kleinen Selbstständigen zuzugehen und ihnen
mit Krediten, aber auch mit Rat beiseite zu stehen.
Was in den letzten 10 Jahren da neu entstanden ist – im
Osten wie im Westen unseres Landes – was sich in der
Gründerszene und bei risikoreichen innovativen Unter-
nehmen getan hat, kann sich – auch wenn es zum Beispiel
auf dem neuen Markt tiefe Einbrüche gegeben hat – in-
ternational sehen lassen und gibt Hoffnung, dass von dort
aus sich nicht nur der Stamm der deutschen Unternehmen
fortlaufend verjüngt, sondern dass mit der Unterstützung
aus diesen Programmen auch eine neue, immer notwen-
dige Dynamik für unsere Volkswirtschaft zum Tragen
kommt und unternehmerische Talente eine Chance be-
kommen, die ansonsten in traditionellen Hierarchien ver-
sauern und in Arbeitslosigkeit resignieren würden. Natür-
lich gab und gibt es in weltwirtschaftlich schwachen
Zeiten auch erhebliche Rückgänge in der Nachfrage bei
den ERP-Programmen, aber bei hoffentlich bald deutlich
anziehenden Wachstumsraten werden wir bei den ERP-
Programmen wieder auf mehr Nachfrage stoßen und die
Mittelstandsfinanzierung wird damit weiter im Brenn-
punkt wirtschaftspolitischer Überlegungen stehen.
Denn ohne mittelständische Unternehmen geht in
Deutschlands Wirtschaft nur wenig: Die mittelständischen
Unternehmen in Deutschland beschäftigen rund 70 Pro-
zent aller Arbeitnehmer, bilden rund 80 Prozent aller Aus-
zubildenden aus, tragen rund 55 Prozent zur Bruttowert-
schöpfung bei und erwirtschaften rund 50 Prozent aller
steuerpflichtigen Umsätze.
Der Mittelstand kann aber seine wichtige Rolle nur be-
halten, wenn seine Finanzierungsbedürfnisse im Zuge
von Unternehmensgründungen und Wachstum mit Kredi-
ten und mit Eigenkapital erfüllt werden können.
Das ERP-Sondervermögen ist das zentrale Instrument
der finanziellen Mittelstandsförderung des Bundes.
Dabei stehen genau die beiden Schwerpunkte im Vor-
dergrund, also die Gewährung von günstigen Investiti-
onskrediten und die Bereitstellung von Risiko- und Betei-
ligungskapital.
Die beiden Förderinstitute des Bundes, die Deutsche
Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau,
ergänzen die ERP-Förderung durch ihre Eigenmittelpro-
gramme mit Darlehens- und Beteiligungskapital.
Das ERP-Wirtschaftsplangesetz 2003, über das wir heute
entscheiden wollen, bildet die jährliche rechtliche und haus-
haltsmäßige Grundlage der ERP-Wirtschaftsförderung.
Im Wirtschaftsplan 2003 stehen – wie im laufenden
Jahr – 5 Milliarden Euro für zinsgünstige ERP-Kredite
zur Verfügung.
Hinzu kommt der Förderansatz im Programm „Beteili-
gungskapital für kleine Technologieunternehmen“.
Hier ist – ebenfalls wie 2002 – ein Betrag von 1 Milli-
arde Euro mobilisiertes Eigenkapital angesetzt. Insgesamt
kann damit der zu erwartenden Nachfrage nach Darlehen
und Beteiligungskapital aus ERP-Mitteln in 2003 ent-
sprochen werden.
Knapp die Hälfte der finanziellen Fördermittel aus dem
ERP-Plan, also rund 2,5 Milliarden Euro, sind für die För-
derung von Investitionen in den neuen Bundesländern
vorgesehen.
Damit ist auch in 2003 die Förderintensität im Osten,
gemessen an der Bevölkerungszahl, größer als im Westen.
Auch die Konditionen für den Osten bleiben nach wie vor
günstiger. Dies bedeutet niedrigere Zinssätze, höhere Mit-
finanzierungsquoten, längere Kreditlaufzeiten und län-
gere tilgungsfreie Anlaufzeiten.
Zusammengefasst bedeutet dies: Der ERP-Wirt-
schaftsplan 2003 leistet mit seinem Fördervolumen von
insgesamt rund 6 Milliarden Euro einen wichtigen Beitrag
zur Förderung von Existenzgründungen sowie zur Stär-
kung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren
Unternehmen, einschließlich der Freien Berufe. Dies ist
gleichbedeutend mit einem substanziellen Beitrag zur
Schaffung neuer und zur Sicherung bestehender Arbeits-
plätze. Wir rechnen damit, dass durch diese Fördermittel
ein Investitionsvolumen von rund 20 Milliarden Euro an-
gestoßen wird.
Aber wir können auch nicht leugnen, dass die Mittel-
standsfinanzierung in Deutschland vor neuen Herausforde-
rungen und Problemen steht: Globalisierung der Finanz-
märkte, die zunehmende Verschärfung des Wettbewerbs
und die Konzentration durch Fusionen von Banken und
anderen Finanzierungseinrichtungen sowie die stärkere
Ausrichtung am Shareholder Value verändern das Banken-
verhalten und die Finanzierungslandschaft drastisch. Neue
Eigenkapitalvorschriften für Banken, Stichwort „Basel II“,
werden diese Entwicklungen verstärken.
Die Auswirkungen betreffen alle Bereiche und damit
natürlich auch die öffentlichen Finanzierungshilfen.
Der Unterausschuss „ERP-Wirtschaftspläne“ hat sich
schon frühzeitig mit den möglichen Konsequenzen dieser
Entwicklung für die Mittelstandsfinanzierung zum Bei-
spiel in seinen Potsdamer Gesprächen befasst.
Auch hat er – gemeinsam mit dem Finanzausschuss –
eindeutige Position bezogen, damit die Baseler Neurege-
lungen keine Nachteile für die mittelständischen Unter-
nehmen mit sich bringen. Der Deutsche Bundestag hat
diese Forderung zweimal einstimmig unterstützt.
Die deutsche Verhandlungsführung hat einiges erreicht
und inzwischen weisen viele Vorschläge aus Basel in die
richtige Richtung. Beispiele hierfür sind: Die Zulässigkeit
des internen Ratings oder die Einbeziehung von mittel-
ständischen Unternehmen in das so genannte Retail-Port-
folio. Hier werden die Kredite zusammengefasst und ver-
einfacht ge„ratet“. Es bleiben aber noch wesentliche
Punkte wie die höhere Risikopositionierung längerfristi-
ger Kredite und die sehr ungünstige Risikoeinstufung von
Bankenbeteiligungen an Wagniskapital – um nur zwei
Beispiele zu nennen – die noch dringend nachgebessert
werden müssen, um die kleinen und mittleren Unterneh-
men in Deutschland nicht schlechter zu stellen. Durch die
globale Konkurrenz werden aber – unabhängig von Basel II,
Bankenkredite künftig stärker risikogewichtet vergeben.
Für die kleinen und mittleren Unternehmen bedeutet dies,
dass die Transparenz der Unternehmen gegenüber dem
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24109
(C)
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Kreditinstitut steigen muss, um eine gute Bonitäts-
einstufung zu erhalten.
Und die finanzielle Mittelstandsförderung des ERP-
Sondervermögens muss sich den durch die Veränderung
der Finanzierungslandschaft entstehenden Herausforde-
rungen stellen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch in Zu-
kunft der Zugang zu Finanzierungsmitteln für den Mittel-
stand offen bleibt! Deshalb hat das Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie bereits im Jahr 2000 den
Dialog mit der Kreditwirtschaft und den betroffenen Ver-
bänden aufgenommen, um für die möglichen auftretenden
Probleme aus verändertem Kreditvergabeverhalten ge-
meinsame Lösungen zu finden und von der öffentlichen
Seite her Maßnahmen zur Senkung der Transaktionskos-
ten zum Beispiel durch elektronische Verfahren und ver-
stärkte Risikoübernahme in öffentlichen Förderprogram-
men zum Beispiel Haftungsfreistellung, Bürgschaften
unter Beibehaltung eines substanziellen Kreditrisikos bei
den privaten Banken zu erreichen.
Die Kreditwirtschaft selbst hat dabei erklärt, dass sie
die Mittelstandsfinanzierung zum Kernbereich ihrer
Tätigkeiten zählt. Den Beweis dafür bleiben uns insbe-
sondere die privaten Großbanken bisher schuldig.
Eine Umfrage der KfW bei mittelständischen Unter-
nehmen macht deutlich, dass die Finanzierungsbedingun-
gen für ein knappes Drittel schwieriger geworden sind –
für eine kleine Minderheit von 3 Prozent freilich besser.
Besonders Kleinst- und Kleinunternehmen stöhnen über
zunehmende Schwierigkeiten. Vor allem der Bau und der
Einzelhandel klagen in überdurchschnittlichem Maße
über Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung, übrigens
unabhängig von der Größe. Aber auch ostdeutsche Unter-
nehmen beklagen sich häufiger über eine schwierigere
Kreditaufnahme – unabhängig von Größe und Branche.
Die öffentliche Seite hat ihre Versprechungen gehalten,
die Deutsche Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für
Wiederaufbau haben viele Maßnahmen für den Mittel-
stand vereinbart und die Zusammenarbeit auf vielen Fel-
dern ausgebaut und damit Synergieeffekte erzielt. Die
Nutzung spezieller Finanzinstrumente erlaubt eine Risi-
koentlastung bei den durchleitenden Hausbanken. Zu-
sammen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau wurde
das Instrument zur Verbriefung von Risiken aus den För-
derkrediten entwickelt und inzwischen praktiziert.
Jetzt geht es darum, solche Transaktionen auch für
kleine Kreditinstitute wie Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken zu ermöglichen.
Bei den Förderkrediten von ERP, DtA und KfW wird
daran gearbeitet, die Programmabwicklung zu vereinfa-
chen und stärker an die banküblichen Strukturen anzu-
passen. Dazu gehört der Einsatz von modernen elektroni-
schen Verfahren ebenso wie die abwicklungstechnische
Vereinfachung der Programme. Aber auch an der Ent-
wicklung verbesserter oder neuer Förderinstrumente ar-
beitet das ERP-Sondervermögen. Für Pilotvorhaben ste-
hen im ERP-Wirtschaftsplangesetz entsprechende Mittel
zur Verfügung.
Ich meine, wir sollten unbefangen über Änderungen
auch höherer Durchleitungsmargen bei Kleinkrediten re-
den, damit die Banken wieder ein Interesse an der Kredit-
vergabe haben. Denn der Bankenkredit wird auch in Zu-
kunft für die große Masse der über drei Millionen kleinen
und mittelständischen Unternehmen in Deutschland die
klassische Finanzierungsform bleiben.
Aber auch die Großbanken müssen wissen, dass sie
ihre Seite des Versprechens zur Sicherstellung der Mittel-
standsfinanzierung halten müssen, weil sonst die Gesetz-
geber sich wie in den USAund Großbritannien Gedanken
über gesetzliche Maßnahmen machen müssen.
Wichtig ist daher, dass wir rechtzeitig den Fragen nach-
gehen, die sich bei der Weiterentwicklung dieser Finan-
zierungsformen stellen. Das ERP-Sondervermögen wird
wie bisher innovativ beteiligt sein.
Otto Bernhardt (CDU/CSU): Grundlage für das heu-
tige ERP-Sondervermögen waren Warenlieferungen nach
Westdeutschland durch die Vereinigten Staaten in den
Jahren 1948 bis 1951 in einer Größenordnung von über
3 Milliarden Euro. Die Vereinigten Staaten verzichteten
damals auf die Gegenleistung und diese bildete den
Grundstock für das ERP-Sondervermögen, das heute eine
Größenordnung von gut 12 Milliarden Euro umfasst.
Grundlage für den Einsatz diese Sondervermögens ist das
ERP-Verwaltungsgesetz aus dem Jahre 1953. Eine der
wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes ist das so ge-
nannte Substanzerhaltungsgebot, das heißt, diese Gelder
sollen zwar im weitesten Sinne für Wirtschaftsförderung
eingesetzt werden, aber immer unter der Auflage, dass die
Substanz des Vermögens dadurch nicht verringert wird.
Außerdem steht in diesem Gesetz, dass der Bundestag
jährlich einen Wirtschaftsplan für die Verwendung des
ERP-Sondervermögens zu beschließen hat. Der Bundes-
tag hat zur Vorbereitung dieser Entscheidung einen Un-
terausschuss des Wirtschaftsausschusses gebildet, der
sich am 24. April dieses Jahres mit dem Gesetz ausführ-
lich beschäftigt hat. Am 16. Mai war die erste Lesung im
Deutschen Bundestag, heute geht es um die zweite und
dritte Lesung und somit um die Verabschiedung des ERP-
Wirtschaftsplanes für das Jahr 2003.
Die Inanspruchnahme der Förderkredite aus dem ERP-
Sondervermögen ist seit dem Jahre 2000 rückläufig und
hat sich insbesondere in den letzten Monaten deutlich ver-
ringert. Während im Jahre 2000 Kredite in einer Größen-
ordnung von insgesamt 5,15 Milliarden Euro zugesagt
wurden, betrugen die Zusagen im Jahre 2001 nur knapp
3,9 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang von
fast einem Drittel; genau: 32,1 Prozent.
Der Wirtschaftsplan für das laufende Jahr 2002 sieht
insgesamt Förderkredite in einer Größenordnung von
5 Milliarden Euro vor. Nach den Zahlen des ersten Quar-
tals scheint sich die rückläufige Entwicklung der Zusagen
bei dem ERP-Förderkreditprogramm aber fortzusetzen.
Die Nachfragerückgänge über praktisch alle ERP-Pro-
gramme führt die Bundesregierung, wie sie im Unteraus-
schuss ausgeführt hat, im Wesentlichen auf die allgemein
schlechtere konjunkturelle Situation zurück.
Zum Teil wird dies im Bereich der Existenzgründungen
vonseiten der Regierungskoalition auch als Trend zur Nor-
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malisierung betrachtet, so der Parlamentarische Staatsse-
kretär Dr. Staffelt in einer seiner letzten Äußerungen. Mei-
nes Erachtens ist dies wiederum sehr kritsch zu bewerten
und ich hoffe sehr, dass dieser Rückgang nicht tatsächlich
eine Normalisierung bedeutet. Die Selbstständigenquote
in Deutschland nimmt bekanntermaßen im internationalen
Vergleich nicht gerade einen der vorderen Plätze ein. Ich
hoffe, dass bei einer konjunkturellen Belebung die Zahl
der Existenzgründungen wieder zunimmt. Wenn dies nicht
gelingt, dann muss man jedoch sehr ernsthaft überlegen,
an welcher Stelle die entsprechenden Rahmenbedingun-
gen verbessert werden könnten.
Ungeachtet dessen, geht das Wirtschaftsplangesetz für
das Jahr 2003 wiederum von Förderkrediten in Höhe von
5 Milliarden Euro insgesamt aus. Auch in der Verteilung
der Mittel hat sich im Vergleich zum laufenden Jahr nichts
verändert. An der Spitze stehen wiederum Vorhaben in
regionalen Fördergebieten mit 1,175 Millionen Euro,
gefolgt von Existenzgründungsdarlehen in Höhe von
1,125 Millionen Euro und Kredite für Umweltschutzmaß-
nahmen in Höhe von 1 Million Euro. Da die einzelnen Po-
sitionen gegenseitig deckungsfähig sind, besteht nicht die
Gefahr, dass es in einer Position zu Engpässen kommen
kann.
Über die Ausgestaltung des Wirtschaftsplanes für das
ERP-Vermögen hat es wiederum im Ausschuss weitge-
hende Übereinstimmung gegeben. Die Zusammenarbeit
in diesem Gremium ist erfreulich konstruktiv und sach-
lich.
Schließlich will ich noch zwei Punkte ansprechen:
Erstens. Der geplante Verkauf der Deutschen Aus-
gleichsbank, DtA, an die Kreditanstalt für Wiederaufbau,
KfW. Wir waren und sind für eine engere Zusammenar-
beit beider Institute, nicht zuletzt, um Synergieeffekte zu
erzielen, die der Mittelstandsförderung dann zugute kom-
men sollen. Mit der gemeinsamen Refinanzierung ist der
wichtigste Bereich für Synergieeffekte voll erschlossen
worden. Auch in anderen Bereichen ist es zu einer deut-
lich besseren und engeren Zusammenarbeit zwischen den
beiden großen Förderinstituten der Bundesrepublik ge-
kommen. Ob vor diesem Hintergrund der geplante Ver-
kauf noch sinnvoll ist, sollte in Ruhe überlegt werden.
Letzlich geht es hierbei meines Erachtens nur noch da-
rum, Geld in die Kasse des Finanzministers zu bekom-
men. Die Zinsen, die die KfW für die Finanzierung der
Übernahme aufbringen müsste, würden aber der Wirt-
schaftsförderung verloren gehen.
Zweitens. Die vom Bundeskanzler angezettelte Dis-
kussion um eine so genannte Mittelstandsbank ist über-
flüssig und substanzlos. Mit der Deutschen Ausgleichs-
bank haben wir eine Mittelstandsbank. Das Duo Deutsche
Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau kann
allen Ansprüchen im öffentlichen Förderungsbereich ge-
recht werden. Richtig ist, dass sich immer mehr Kreditin-
stitute – of mit dem Hinweis auf Basel II – aus der Mit-
telstandsfinanzierung zurückziehen oder zumindest
restriktiver in der Kreditvergabe werden. Im Übrigen, so
auch ein Vertreter der Kreditanstalt für Wiederaufbau,
KfW, hätten gut informierte größere Unternehmen die
veränderte Finanzierungslage längst erkannt und reagie-
ren zum Teil in der Weise, sich gänzlich andere Finanzie-
rungsmöglichkeiten zu suchen. Zudem seien sich diese
gut informierten Unternehmen bewusst, dass von Basel II
keine gravierend negativen Auswirkungen zu befürchten
seien. Die bestehenden Probleme lassen sich somit nicht
mit einer – wie immer gearteten – neuen bzw. weiteren
Mittelstandsbank lösen, sondern nur durch gezielte und
umfassende Aufklärungskampagnen, gerade bei den klei-
neren und eher schlecht informierten Unternehmen.
Abschließend einige Anmerkungen zum Entschlie-
ßungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 14/9290. Die
dort genannten Feststellungen sind – zumindest teilweise –
richtig, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen finden
aber nicht unsere Zustimmung. Die geforderte Aufgabe
des Hausbankenprinzips bedarf einer gründlichen Dis-
kussion. Letztlich würde dies dazu führen, dass die zen-
tralen Förderinstitute, Deutsche Ausgleichsbank und
Kreditanstalt für Wiederaufbau, ein Filialnetz vor Ort
aufbauen müssten, um in der Fläche präsent zu sein. Da-
mit würden erhebliche Mittel, die heute für die Wirt-
schaftsförderung zur Verfügung stehen, für die eigene
Organisation benötigt. Die Forderung, bestimmte Förde-
rungen an die Auflage zu binden, dass die Unternehmen
eine erweiterte Mitbestimmung nach dem Montanmodell
einführen, lehnen wir strikt ab. Dies wäre ein Schritt
zurück und kein zukunftsträchtiger Weg.
Meine Fraktion dankt den Mitarbeitern der Deutschen
Ausgleichsbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau
für ihre erfolgreiche Arbeit, schwerpunktmäßig zum
Wohle des deutschen Mittelstandes. Wir werden dem Ge-
setz über die Feststellung des Wirtschaftsplanes des ERP-
Vermögens für das Jahr 2003 unsere Zustimmung geben.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Un-
ternehmen, die investieren und Arbeitsplätze schaffen
wollen, brauchen Zugang zu Kapital. Die meisten
Arbeitsplätze entstehen in kleinen und mittleren Unter-
nehmen. Gerade für sie ist der Zugang zu Finanzmitteln
jedoch häufig besonders schwer. Durch Globalisierung
und Wettbewerbsorientierung des Bankensektors hat sich
diese Situation deutlich verschlechtert. Deshalb muss die
Politik hier ein besonderes Augenmerk auf gute Rahmen-
bedingungen haben.
Eine ausreichende Eigenkapitalquote ist die beste Ab-
sicherung der Mittelstandsfinanzierung. Mit der Steuerre-
form haben wir die Eigenkapitalbildung besonders der
kleinen und mittleren Unternehmen deutlich erleichtert.
Die Wirtschaftsweisen haben es uns bestätigt. Mit unserer
Steuerpolitik haben wir den Mittelstand deutlich entlastet.
Bereits im Jahr 2001 wurde der Mittelstand um netto
7 Milliarden Euro entlastet. Im Jahr 2005 wird die letzte
Stufe der Steuerreform greifen; die Entlastung des Mittel-
standes wird dann gegenüber 1998 15 Milliarden Euro be-
tragen. Wir haben damit die Voraussetzung für die Ver-
besserung der Eigenkapitalsituation der mittelständischen
Personengesellschaften geschaffen.
Wichtig bleiben die Förderkredite des Bundes aus dem
Marshall-Plan-Vermögen, dem ERP-Vermögen. Auch im
nächsten Jahr werden 5 Milliarden Euro zinsverbilligte
Kredite zur Verfügung stehen. Rund die Hälfte davon
kommt den neuen Ländern zugute.
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Zusätzlich stellen die Förderbanken des Bundes KfW
und DtA 10 Milliarden Euro für die Kreditfinanzierung
des Mittelstandes bereits, insgesamt also ein Volumen von
15 Milliarden Euro.
Der Rückzug der Privatbanken aus dem Kreditgeschäft
mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen führt
dazu, dass für diese der Zugang zu Krediten immer
schwerer wird.
Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau hat
zur Sicherung des Zugangs des Mittelstandes zu Krediten
neue Instrumente entwickelt. Auf Initiative des BMWi
wurden Instrumente zur Verbriefung von Risiken vor al-
lem aus Förderkrediten der durchleitenden Hausbanken
an mittelständische Unternehmen und deren Platzierung
am Kapitalmarkt vorbereitet. So ermöglichen zum Bei-
spiel Kreditderivate die Trennung und den Handel von
Kreditrisiken. Die Eigenkapitalbelastung bei diesen Ban-
ken wird so verringert und ihre Spielräume für Mittel-
standskredite werden erhöht. In einem nächsten Schritt
soll dieses Instrument auf Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken ausgeweitet werden. Wir haben in den letz-
ten Jahren viel für mehr Selbstständigkeit und für kleine
und mittlere Unternehmer erreicht. Eine neue Kultur der
Selbstständigkeit hat sich entwickelt und unserem Land
einen Modernisierungsschub gegeben. Daran hat die
Überbewertung neuer Unternehmen wie Technologieun-
ternehmen von Medien und Börse in der Phase der über-
triebenen Euphorie und die derzeitige Unterbewertung
nichts ändern können. Die Zahl der Unternehmensgrün-
dungen in Deutschland hat kontinuierlich zugenommen –
im Jahr 2001 gab es in der Summe von Gründungen und
Insolvenzen 7 000 Unternehmen mehr als im Jahr 1998.
Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir ei-
nen weltweit beachteten Boom in der Sonnen- und Wind-
energie ausgelöst. Viele neue Unternehmen sind entstan-
den. Das ERP-Programm ist ein wichtiges Instrument zur
Gestaltung des ökologischen Strukturwandels. Allein die
Mittel im ERP-Umwelt- und Energieeinsparprogramm
haben wir seit Beginn unserer Regierungsbeteiligung ver-
doppelt. Mehr als 1 Milliarde Euro wurden im Jahr 2001
dafür verausgabt.
Auch die Mittel der Deutschen Ausgleichsbank für in-
novative ökologische Technologien sind kontinuierlich
nach oben gefahren worden: von 350 Millionen Euro im
Jahr 1998 auf 800 Millionen Euro im Jahr 2001. Diese
Mittel kommen zu einem wesentlichen Teil der Förderung
erneuerbarer Energien zugute.
Wir haben bis Ende 2000 60 000 Arbeitplätze im Be-
reich der erneuerbaren Energien geschaffen – bis Ende
dieses Jahres werden es 120 000 sein. Überwiegend sind
diese Arbeitsplätze bei der Windenergie entstanden. In
Zukunft werden Biomasse und Solaranlagen noch schnel-
ler wachsen.
Die Kreditvergabe wird international durch die so ge-
nannten Baseler-Eigenkapital-Unterlegungsvorschriften
für Kreditinstitute geregelt. Diese Vorschriften werden
derzeit neu festgelegt. Wir setzen uns dafür ein, dass da-
bei die Interessen des Mittelstandes stärker berücksichtigt
werden. Dabei haben wir schon einiges für den Mittel-
stand erreicht, zum Beispiel die Anerkennung des bank-
internen Rating. Weiteres, wie die Anerkennung mittel-
standsüblicher Sicherheiten, bringen wir auf die Tages-
ordnung.
Gudrun Kopp (FDP): Der deutsche Mittelstand ist
derzeit in höchster Not. Grund dafür ist die anhaltende
Konjunkturflaute, die wiederum mit den falschen Rah-
menbedingungen, wie zu hohen Steuern, Abgaben, zuneh-
mender Bürokratie und Regulierungen, zusammenhängt.
Die Eigenkapitalquote von vielen kleinen und mittel-
großen Unternehmen beträgt zum Beispiel in den krisen-
geschüttelten Branchen der Bauindustrie und der Holz-
verarbeitung derzeit gerade einmal 2 bis 5 Prozent. Es ist
kein Wunder, dass eine rasant steigende Insolvenzquote
zu verzeichnen ist.
Die ERP-Finanzierungshilfen für den Mittelstand sind
deshalb besonders wertvoll. Im Einzelnen sind im ERP-
Wirtschaftsplangesetz für 2003 vorgesehen: Vorhaben in
regionalen Fördergebieten in Höhe von 1 175 Millionen
Euro, ein Eigenkapitalhilfe-Programm in Höhe von
725 Millionen Euro, Existenzgründungsdarlehnens-Pro-
gramm in Höhe von 1 125 Millionen Euro, Innovationen
in Höhe von 650 Millionen Euro, mittelständige Bürg-
schaftsbanken, Beteiligungsfonds in Höhe von 150 Milli-
onen Euro. Diese wertvollen Hilfen für den Mittelstand
müssen erhalten, nicht geschmälert werden.
Klarheit über den bereits von der rot-grünen Bundes-
regierung beschlossenen – von der FDP in dieser Form ab-
gelehnten – Zusammenschluss der Deutschen Aus-
gleichsbank (DtA) mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW) gehört zur nötigen Gestaltung der Zukunft der Mit-
telstandsbank des Bundes. Die sinnvoll erscheinende Ge-
schäftsfeldabgrenzung zwischen DtA und KfW muss
vollzogen werden. Geplant ist, dass künftig die Mittel-
standsprogramme der KfW an die DtA übergehen und die
Umweltprogramme der DtA der KfW übertragen werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass der seit einem Jahr anste-
hende Vertragsabschluss mit der Festlegung des Wertes
der DtA-Anteile, den die KfW als Kaufpreis zu leisten
hat, weiter hinausgeschoben wird. Der Bundeswirt-
schaftsminister und der Finanzminister müssen ihre Un-
stimmigkeiten zugunsten der Mittelstandsbank beilegen.
Zur Verbesserung der Eigenkapitalquote von kleinen
und mittelgroßen Unternehmen (KMU) muss die Bun-
desregierung ihren Einfluss auf die EU geltend machen,
um eine Verbesserung der Basel-II-Kriterien zu erreichen:
Der Verteuerung von Langfristkrediten ist entgegenzu-
wirken. Im Verlauf der Basel-II-Verhandlungen muss ge-
prüft werden, ob Ratingverfahren insbesondere bei klei-
nen Banken für das gesamte Kreditgeschäft gelten
müssen. Alle in Deutschland marktüblichen Sicherheiten
wie Lebensversicherungen, Bausparguthaben etc. müssen
als risikomindernd anerkannt werden. Die Finanzierung
von Existenzgründungen darf nicht grundsätzlich deshalb
verschlechtert und so erschwert werden, weil Daten aus
der Vergangenheit für ein Rating nicht zur Verfügung ste-
hen.
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, parallel zu
den Verhandlungen zu Basel II Maßnahmen einzuleiten,
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mit denen die Eigenkapitalfinanzierung der Unternehmen
verbessert werden kann. Gerade die Steuerpolitik muss
dem Mittelstand größere Chancen zur Eigenkapitalbil-
dung belassen. Als alternative Finanzierungswege sind
auch Mittelstandsfonds zu prüfen.
Rolf Kutzmutz (PDS): „Die Mittelstandsfinanzierung
in Deutschland erlebt derzeit eine Phase des Wandels ...
Wir müssen bestehende Finanzierungsprodukte weiter
verbessern und neue entwickeln, um dem Unternehmer-
nachwuchs die Tür zur Mittelstandsfinanzierung weiter
offen zu halten.
Denn eines haben die Erfahrungen der letzten Jahre
auch gezeigt: In unserem Land gibt es genügend fähige
Existenzgründer, die sich auch von konjunkturellen Rück-
schlägen nicht aus der Bahn werfen lassen.“
So stand es im Begleitbrief der Deutschen Ausgleichs-
bank zu ihrer Jahreschronik 2001, die uns vor wenigen
Wochen übergeben wurde. Diese Einschätzung teile ich in
vollem Umfang.
Damit wird der Finger auf die offene Wunde gelegt, die
auch durch die zahlenmäßige Kontinuität des heute zu be-
schließenden ERP-Wirtschaftsplanes nicht verdeckt wer-
den kann.
Es werden zwar wie für 2002 über 4,8 Milliarden Euro
Fördermittel bereitgestellt, neu ist aber, dass die Haf-
tungszusagen des Sondervermögens weiter anschwellen
sollen – nun auf über 1,4 Milliarden Euro. Die wirt-
schaftspolitisch ja durchaus gerechtfertigte Übernahme
von Haftungsfreistellungen für die westdeutschen ERP-
Programme ist in ihrem Volumen zwar überhaupt nicht
mit dem im Vorjahr hereingenommenen Risiko der Betei-
ligungsförderung technologieorientierter Unternehmen
(BTU) vergleichbar. Den damit fortgesetzten Trend halten
wir aber für indiskutabel. Der Bundeshaushalt darf sich
nicht immer mehr aus den Kosten der Wirtschaftsförde-
rung verabschieden.
Ich sage hier für die PDS klipp und klar: Man kann mit
dem ERP-Sondervermögen gewiss viel kreativ machen –
aber nur, solange nicht dessen Substanz gefährdet wird.
Und diese Risiken dürfen dann auch nicht ohne zusätzli-
che Haushaltvorsorge einfach auf den schon arg gerupften
Wirtschaftsetat des Bundes abgewälzt werden, wie es im
vergangenen Jahr beim Airbus-Darlehen geschah.
Ich kann ja verstehen, dass das ERP-Sondervermögen
momentan geradezu einlädt, es als Schattenhaushalt für
Dinge zu nutzen, die nichts mit seinem gesetzlichen
Zweck zu tun haben. Schließlich sackte die jährliche För-
derung innerhalb des vergangenen Jahrzehnts von bis zu
7 Milliarden auf 4 Milliarden Euro.
Und der bisherige Mittelabfluss lässt erwarten, dass
auch in diesem Jahr bereitgestellte Mittel in der Größen-
ordnung von mindestens 0,8 Milliarden Euro überhaupt
nicht abgerufen werden.
Das sollte uns aber viel mehr zu Überlegungen beflü-
geln, wie die Förderangebote wieder an den tatsächlichen
Bedarf der Existenzgründungen und kleineren Unterneh-
men angepasst werden können. Jetzt – so scheint es – wird
der Ansatz der Mittel an deren Abfluss angepasst, der we-
gen offenkundig nicht mehr tauglicher Programme stockt.
Die PDS hat dazu in dem hier ebenfalls zur Abstim-
mung stehenden Entschließungsantrag konkrete Vor-
schläge gemacht. Ich weiß natürlich, dass dies der Ge-
setzgeber nicht im Rahmen eines Wirtschaftsplanes tun
kann. – Deshalb werden wir uns bei ihm auch enthalten. –
Er muss es aber schnell tun – sonst ist die Tür zur Mittel-
standsfinanzierung plötzlich zu.
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie: Ein zentrales
Element der Mittelstandspolitik des Bundes ist die Mit-
telstandsfinanzierung durch das ERP-Sondervermögen.
Die finanzielle Förderung ist für Existenzgründungen und
die wirtschaftliche Entwicklung von kleinen und mittle-
ren Unternehmen eine wichtige Grundlage. Insbesondere
bei der Anschubfinanzierung von Existenzgründern stellt
das ERP-Sondervermögen mit der Eigenkapitalhilfe und
den Existenzgründungsdarlehen zwei der wichtigsten
Bausteine zur Verfügung. Existenzgründer erhalten dabei
mit der Eigenkapitalhilfe einen Beitrag zur Eigenkapital-
ausstattung. Die Gründungsdarlehen stellen die Gesamt-
finanzierung der Vorhaben sicher.
Diese Förderung ist uns wichtig. Denn gerade kleine
innovative und dynamische Unternehmen leisten einen
wichtigen Beitrag zur Schaffung und Sicherung von Ar-
beitsplätzen. Mit ihren innovativen Ideen und Konzepten
treiben sie den Strukturwandel voran. Sie stärken damit
auch die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft insgesamt.
Mit dem ERP-Wirtschaftsplangesetz 2003 legen wir
heute erneut für ein weiteres Jahr die rechtlichen und
haushaltsmäßigen Grundlagen der ERP-Wirtschaftsför-
derung fest. Die einzelnen ERP-Programme betreffen ne-
ben Gründungsförderung durch Eigenkapitalhilfe und
Existenzgründungskrediten den Aufbau und die Moderni-
sierung bestehender Unternehmen im Osten und in regio-
nalen Fördergebieten im Westen, die Innovationsförde-
rung, die Förderung von Umweltschutzinvestitionen, die
Mobilisierung von Beteiligungskapital.
Die beiden Förderinstitute des Bundes, die Deutsche
Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau,
flankieren in einer beträchtlichen Größenordnung die
Förderaktivitäten des ERP-Sondervermögens durch ihre
eigenen Mittel und Programme. Dies geschieht abge-
stimmt mit dem ERP-Sondervermögen. Im Wirtschafts-
plan 2003 des ERP-Sondervermögens stehen 5 Milliarden
Euro für zinsgünstige ERP-Kredite zur Verfügung. Hinzu
kommt eine weitere Summe von rund 1 Milliarde Euro für
mobilisiertes Eigenkapital im Rahmen des Programms
„Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen
(BTU)“. Damit ermöglicht der ERP-Wirtschaftsplan 2003
ein Fördervolumen wie im laufenden Jahr.
Der Plan dokumentiert den Willen der Bundesregierung,
in 2003 die bewährten ERP-Programme für bestehende und
wachsende Unternehmen auf einem bedarfsgerechten und
hohen Niveau fortzusetzen. Der vorliegende ERP-Wirt-
schaftsplan 2003 zeigt auch erneut, dass wir auf die spezi-
ellen Finanzierungsprobleme von Existenzgründern und
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mittelständischen Unternehmen in den neuen Ländern in
besonderem Maße eingehen. Rund 2,5 Milliarden Euro,
also knapp die Hälfte der finanziellen Fördermittel, können
von dortigen Unternehmen in Anspruch genommen wer-
den. Ein wichtiges Element im Wirtschaftsplan 2003 ist
abermals die Haftungsübernahme für Beteiligungen im
Rahmen des BTU, des Beteiligungsprogramms für kleine
Technologieunternehmen.
Für Zusagen, die seit 2001 gegeben werden, trägt das
ERP-Sondervermögen die entsprechenden Belastungen,
wenn einzelne Beteiligungen notleidend werden. Eine
Belastung des ERP-Sondervermögens aus Schäden von
Altzusagen vor 2001 ist ausgeschlossen, diese Ausfälle
werden weiterhin aus dem Bundeshaushalt getragen. Ur-
sächlich für die hohen Ausfälle für Beteiligungszusagen
früherer Jahre, die im Kalenderjahr 2001 abgerechnet
worden sind, ist die Krise der Unternehmen im Bereich
des Neuen Marktes, die zu den Hauptadressaten des BTU-
Programms gehören. Diese besondere Situation wird sich
nicht auf die vom ERP-Sondervermögen zu tragende Aus-
fallquote im Kalenderjahr 2001 auswirken.
Außerdem sind die mit der Betreuung des Programms
beauftragten Förderinstitute aufgrund ihrer Erfahrungen
wesentlich kritischer bei der Auswahl der zu fördernden
Technologieunternehmen, als dies zuvor der Fall war. Ein
derartiger Lerneffekt ist auch bei den antragstellenden pri-
vaten Beteiligungsgebern zu beobachten. Die aktuellen
Zusagezahlen bestätigen diese Tendenz.
Wir haben außerdem im ERP-Sondervermögen ent-
sprechend Risikovorsorge betrieben. Das Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Technologie als Verwalter des
ERP-Sondervermögens hat in der ERP-Bilanz, die unab-
hängig vom Wirtschaftsplangesetz jedes Jahr aufgestellt
wird, erstmals per 31. Dezember 2001 eine Reserveposi-
tion zur Absicherung bestehender Risiken aus BTU-Zu-
sagen des Jahres 2001 gebildet. Ein Blick auf die aktuali-
sierten Zahlen der Ausfallentwicklung zeigt, dass den
Risiken ausreichend Rechnung getragen worden ist.
Das ERP-Sondervermögen ist in der Lage, die finanzi-
ellen Belastungen aus der Übernahme des BTU-Pro-
gramms ab 2001 zu tragen.
Insgesamt belegt das vorliegende Wirtschaftsplange-
setz 2003, dass die finanzielle Förderung des Mittelstan-
des auch im kommenden Jahr ohne Einschränkungen auf
hohem Niveau fortgesetzt werden kann.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Geset-
zes zurÄnderung derGewerbeordnung und sons-
tiger gewerblicherVorschriften (Tagesordnungs-
punkt 27)
Christian Lange (Backnang) (SPD): Mit der Ände-
rung der Gewerbeordnung und der weiteren durch die No-
vellierung erfassten Gesetze und Verordnungen werden
wir einen weiteren Erfolg im Kampf gegen Bürokratie
und Regulierungswut erzielen. Nicht nur kleine und mitt-
lere Unternehmen, die durch bürokratische Überregle-
mentierung und veralterte oder sprachlich nur schwer ver-
ständliche Gesetzestexte ganz besonders belastet sind,
werden sich über die Novellierung freuen können.
Die bisherigen arbeitsrechtlichen Vorschriften des
Titels VII der Gewerbeordnung sind zum Teil sowohl in
ihrer inhaltlichen als auch in ihrer sprachlichen Fassung
nicht mehr zeitgemäß. Sie sind unübersichtlich und des-
halb im Arbeitsleben schwer anwendbar, sodass diese
grundsätzlich neu gestaltet werden sollen. Elementare
und bewährte arbeitsrechtliche Bestimmungen werden
natürlich beibehalten. Im gewerberechtlichen Teil der Ge-
werbeordnung sind außerdem einige Verbots- und Anzei-
getatbestände nicht mehr zeitgemäß.
Es war angezeigt, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen
der Gewerbeordnung auf verständliche und unverzichtbare
Grundnormen zu beschränken. Wichtig war dabei, auf eine
moderne und verständliche Formulierung zu achten.
Außerdem haben wir die Gewerbeordnung als Standort für
arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen komplett aufgege-
ben. Damit haben wir auch die Zielsetzung durch Art. 4
des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie
Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutzrichtlinien vom
7. August 1996 konsequent fortgeführt. Darüber hinaus
konnten etliche Vorschriften ersatzlos gestrichen werden.
Im Einzelnen: Die arbeitsvertragsrechtlichen Bestim-
mungen in Titel VII werden auf die Grundzüge des Ar-
beitsvertragsrechts in insgesamt nur sechs Paragraphen
zurückgeführt. Weitere Bestimmungen in der Gewerbe-
ordnung, zum Beispiel Lohnauszahlungen an Jugend-
liche, in Gaststätten, betreffen heute nicht mehr relevante
Fälle und werden ersatzlos gestrichen. Weiterhin wird
klargestellt, dass die in der Gewerbeordnung neu gestal-
teten arbeitsvertragsrechtlichen Bestimmungen auf alle
Arbeitnehmer Anwendung finden; das heißt: auch Ar-
beitsverträge mit Privatleuten – Haushaltshilfen, Kinder-
mädchen usw. – sind erfasst. Die arbeitsschutzrechtlichen
Bestimmungen werden entweder komplett aufgehoben,
oder in die Arbeitsstättenverordnung überführt. Damit
können wir die Gewerbeordnung gänzlich vom Arbeits-
schutzrecht befreien. Künftig wird sich dies nur noch nach
dem speziellen Arbeitsschutzgesetz und den darauf ge-
stützten Verordnungen richten. Mit dieser Rechtsbereini-
gung können die derzeit 31 Paragraphen des Titels VII auf
letztlich acht reduziert werden. Das ist ein großer Erfolg
für mehr Übersichtlichkeit, Klarheit und Verständlichkeit
des Gesetzestextes.
Darüber hinaus werden die gewerberechtlichen Be-
stimmungen der Gewerbeordnung, also die Zulassungs-,
Anzeige- und Verbotstatbestände, auf ein adäquates Maß
reduziert. Damit soll dem Ziel der Bereinigung und der
Anpassung an eine moderne und kundenfreundliche Da-
tenverarbeitung Rechnung getragen werden.
Die von den Gewerbetreibenden auszufüllenden For-
mulare für die Gewerbeanzeige werden übersichtlicher und
aussagekräftiger gestaltet. Damit sind sie übrigens auch für
statistische Zwecke besser verwertbar. Schließlich soll die
elektronische Gewerbeanmeldung erleichtert werden.
Im Einzelnen: Die aufgrund des Datenschutzrechts ge-
setzlich vorgegebenen Formblätter für die Gewerbean-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224114
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zeige als ersten Schritt bei Gründung eines Unternehmens
werden überarbeitet, damit man über die Statistik ein ge-
naueres Bild über das Gründungsgeschehen erhalten
kann. Beim Gründungsgeschehen von Frauen ist man bis-
lang noch auf grobe Schätzungen oder Untersuchungen
mit ungenügender Datenbasis angewiesen. Auch hier
wird es damit Verbesserungen geben.
Die Novelle sieht außerdem eine engere Verzahnung
mit den Daten der Finanzämter vor, da viele Gewerbetrei-
bende sich nur beim Finanzamt abmelden und daher beim
Gewerbeamt als Karteileichen verbleiben. Das Gewerbe-
amt leitet die Gewerbeanzeigen an die Statistik weiter, so-
dass diese Änderungen möglicherweise zu neuen Zahlen
in der Unternehmensstatistik führen werden.
Weitere Beispiele: In den Vorschriften zum stehenden
Gewerbe wird das veraltete und deshalb überflüssige Ver-
bot der industriellen Fertigung von orthopädischen Maß-
schuhen gestrichen. – In den Vorschriften zum Reisege-
werbe werden die ebenfalls überflüssigen Verbote zum
Verkauf von Fertiglesebrillen sowie zum Handel mit Bäu-
men, Sträuchern und Rebenpflanzgut aufgehoben. Außer-
dem wird das Verbot zum Verkauf alkoholischer Getränke
zugunsten selbstgewonnener regionaler Spezialitäten
– Obstgeister etc. – gelockert. Die Anzeigepflicht für
Volksfeste wird aufgehoben. – Einige Änderungen in den
Vorschriften zur reisegewerblichen Ausübung von im ste-
henden Gewerbe erlaubnispflichtigen Tätigkeiten dienen
der Klarstellung und Beseitigung bislang bestehender Wi-
dersprüche. So soll zum Beispiel die Ausübung des Ver-
steigerergewerbes als Reisegewerbe zulässig sein, soweit
ein stehendes Gewerbe vorhanden ist. Gleiche Änderun-
gen werden für das Messe-, Ausstellungs- und Marktge-
werbe vorgenommen. – Im Abschnitt über Straf- und
Bußgeldvorschriften werden Lücken geschlossen und
notwendige Folgeänderungen eingearbeitet. Außerdem
wird zur Eindämmung des „grauen Kapitalmarktes“ die
mögliche Bußgeldsanktion von 5 000 auf 50 000 Euro er-
höht, für den Fall, dass der Anlagevermittler ohne die er-
forderliche Erlaubnis tätig wird. – Die gewerberechtliche
Erlaubnispflicht in § 140 der Gewerbeordnung für die
Neugründung von Kranken-, Hilfs- und Sterbekassen
wird als nicht mehr erforderlich gestrichen.
Die Neuregelungen haben keine finanziellen Auswir-
kungen auf die öffentlichen Haushalte. Zwar werden we-
gen der neu gestalteten Gewerbeanzeigenformulare die
alten Formulare nicht mehr verwendbar sein. Es wird aber
gewährleistet, dass alte Formulare rechtzeitig aufge-
braucht werden, da die Bundesländer früh an der Neuge-
staltung der Vordrucke beteiligt wurden.
Die Gesetzesvereinfachungen werden für die Gewer-
betreibenden entlastende Effekte erzielen. Das Preisni-
veau in einzelnen Branchen kann sich ebenfalls tenden-
ziell entspannen. Letztlich sichert die Novellierung
Wachstumseffekte gerade bei den von Überregulierung
besonders belasteten kleinen und mittleren Unternehmen.
Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Die Gewerbeord-
nung stellt das allgemeine Gesetz zur Regelung der öf-
fentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse der Gewerbetrei-
benden dar. Sie regelt den Zugang zu einer gewerblichen
Tätigkeit, die Ausgestaltung dieser Betätigung sowie die
Beendigung der Gewerbeausübung. Kurzum, wir haben
es bei der vorliegenden Rechtsmaterie mit einem der zen-
tralen rechtlichen Pfeiler unserer Wirtschaftsverfassung
zu tun.
Erlauben Sie mir die Randbemerkung, dass es für ei-
nen Wirtschafts- und Wettbewerbspolitiker wie mich , der
sich der Tradition der erhardtschen Grundüberzeugungen
der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, ein selte-
ner Anlass zur Freude ist, wenn ein Gesetz sich auch ein-
mal namentlich der fairen Ordnung unserer Wirtschafts-
beziehungen verschreibt. Ordnungspolitik im Sinne fairer
Spielregeln und zum Wohle der Verbraucher hat es in den
letzten dreieinhalb Jahren leider kaum gegeben. Interven-
tionistische Eingriffe in die Spielzüge der Wirtschafts-
akteure kamen unter dieser Bundesregierung hingegen
zuhauf vor. Einseitigkeit liegt in der Natur solcher staat-
lichen Reglementierungen unserer Wirtschaft; gemein-
wohloptimierendeWirkungen haben sie im Vergleich zum
fair geordneten Marktprozess indes in der Vergangenheit
kaum je erreicht. Das ordnungspolitische Sündenregister,
das diese rot-grüne Bundesregierung seit 1998 angehäuft
hat, schmerzt und es schadet vor allem unserer Wirtschaft.
Auch deshalb wird es höchste Zeit für einen Wechsel im
September, hin zu einer Wirtschaftspolitik, die sich wie-
der ordnungspolitischen Grundsätzen und Prinzipien ver-
pflichtet fühlt und nach diesen auch handelt.
Bei der vorliegenden kleinen Novellierung der Ge-
werbeordnung und weiterer durch sie erfasster Gesetze
und Verordnungen geht es um die Rechtsbereinigung und
Deregulierung einzelner Vorschriften, die sich in der heu-
tigen Wirtschaftsrealität überholt hatten. Insbesondere
waren die bisherigen arbeitsrechtlichen Vorschriften des
Kapitels VII der Gewerbeordnung zum Teil in ihrer in-
haltlichen als auch in ihrer sprachlichen Fassung nicht
mehr zeitgemäß. Gleiches gilt für einige Verbots- und An-
zeigetatbestände. Hier soll nun in einigen Bereichen Ab-
hilfe geschaffen werden.
Bei einigen Regelungstatbeständen dieser Gesetzes-
novelle hätten wir uns an der einen oder anderen Stelle
durchaus noch bessere oder präzisere Lösungen vorstel-
len können. Da die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die
Grundrichtung des Vorhabens aber unterstützt, haben wir
uns in allen Fachausschüssen der Empfehlung angeschlos-
sen, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.
Begrüßen möchte ich hier ausdrücklich, dass auf unser
Drängen hin, auf die ursprünglich geplante Regelung des
§ 11 a GewO, der die Finanzbehörden ermächtigen sollte,
steuerrechtliche Pflichtverletzungen an die Gewerbe-
behörden mitzuteilen, verzichtet wurde. Diese Regelung
wäre unverhältnismäßig und zu weit gehend gewesen. Ge-
werbetreibende hätten sich dann möglicherweise einem
Untersagungsverfahren ausgesetzt sehen können, obwohl
im Einzelfall eine mehr als geringe Pflichtverletzung vor-
gelegen hätte. Denn bekanntlich sind steuerrechtliche Vor-
schriften schon dann verletzt, wenn ein Zahlungstermin
überschritten wird, was in der alltäglichen Geschäftspraxis
auch ohne kriminelle Energie durchaus einmal passieren
kann.
Voraussetzung für die Mitteilung an die Gewerbe-
behörden und eine so weit reichende Sanktion wie ein
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eventuelles Untersagungsverfahren kann unseres Erach-
tens jedenfalls erst die Erfüllung des Straftatbestands der
Steuerhinterziehung sein. Schwarze Schafe fängt man
nicht, indem man die ganze Herde schlachtet.
Dass es nur bei einer kleinen Lösung geblieben ist, die
nur einige wenige Bereiche des Gewerberechts moderni-
siert, bedauern wir sehr. Die Betroffenen sind zu Recht
enttäuscht über diese magere Leistung. Aus der großen
Novelle ist ein kleines „Novellchen“ geworden. Zu mehr
war diese Bundesregierung wohl nicht in der Lage. Wir
wissen aus anderen Politikbereichen, dass der derzeitigen
Exekutive zu großen Würfen die politische Gestaltungs-
kraft, der Mut und leider oft auch der Sachverstand fehlt
oder abhanden gekommen ist.
Wünschenswert wäre eine grundsätzliche Überarbei-
tung der Gewerbeordnung gewesen. Der Arbeitskreis Ge-
werberecht des DIHK hat bereits vor einigen Jahren einen
beachtenswerten Entwurf vorgelegt, der als Grundlage ei-
ner umfassenden Novellierung von Nutzen gewesen wäre.
Wie die Begründung des Gesetzesentwurfs betont, sind
die Deregulierung und der Abbau unnötiger bürokrati-
scher Hindernisse dringender notwendig denn je. Die ra-
santen Veränderungen der wirtschaftlichen Praxis machen
dies nötig. Ich nenne nur die Stichworte Globalisierung,
verändertes Verbraucherverhalten oder die rasante Ent-
wicklung der Informations- und Kommunikationstechno-
logien.
Die Anforderungen, die das Bundeswirtschaftsministe-
rium in seinem Bericht „Abbau bürokratischer Hemm-
nisse“ an sich selbst stellt, erfüllt diese Überarbeitung ge-
werbeordnungsrechtlicher Vorschriften nach Einschätzung
vieler Experten jedenfalls bei weitem noch nicht.
Wir nehmen daher der Auftrag eines vollständigen kri-
tischen Durchforstens der gewerberechtlichen Vorschrif-
ten auch in Bezug auf Internetsachverhalte, den diese
Bundesregierung bislang nicht erfüllt hat und mit dieser
kleinen Novelle nicht erfüllen wird, an und werden eine
umfassende Modernisierung des Gewerberechts unter ei-
ner unionsgeführten Bundesregierung in der 15. Legisla-
turperiode des Deutschen Bundestags zügig angehen.
Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen sollen insge-
samt für die Wirtschaft und im Besonderen für unsere mit-
telständischen Gewerbebetriebe Erleichterungen und eine
Entbürokratisierung bewirken, die sich hoffentlich auch
auf die Vollzugspraxis positiv auswirken werden. Dies al-
les ist allerdings ein wahrlich kleiner Tropfen auf den
heißen Stein, wenn man sich die Lage des Mittelstands in
unserem Land vergegenwärtigt und die systematische Be-
nachteiligung kleiner und mittlere Unternehmen unter
dieser rotgrünen Bundesregierung bedenkt. Unser Mittel-
stand braucht zuvorderst keine kleinen Reförmchen wie
diese, sondern endlich wieder eine mutige Politik, die Zu-
kunftschancen schafft, statt sie zu verhindern.
Gudrun Kopp (FDP):Der Abbau von Bürokratie und
Regulierungen gehört zu den wichtigsten Anliegen des
Mittelstandes. Allein die vielen Statistik- und Anzeige-
und Anmeldungsverfahren, die die Wirtschaft kostenlos
für den Staat erbringen muss, entsprechen inzwischen im
Wert einem Arbeitsvolumen von 30 Milliarden Euro pro
Jahr. Die FDP unterstützt deshalb alle Initiativen, die zu
einer Minderung von bürokratischen Abläufen beitragen.
Weniger Aufwand in diesem Bereich bedeutet auch weni-
ger Kosten. Das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewer-
beordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften
stellt eine Modernisierung der umfassenden Gewerbeord-
nung dar. Insbesondere die Ablösung der Gewerbeord-
nung als rechtlicher Standort für arbeitsschutzrechtliche
Bestimmungen ist zu begrüßen.
Die FDP stimmt dieser Gesetzesänderung zu.
Rolf Kutzmutz (PDS):Die PDS begrüßt dieses Gesetz,
weil mit ihm nicht nur die bis ins 19. Jahrhundert zurückrei-
chende Gewerbeordnung sprachlich modernisiert und ge-
strafft wird, sondern auch eine Vielzahl positiver Verände-
rungen erfolgen. Ich möchte nur zwei herausgreifen.
Lebenspartner werden auch im Gewerberecht Ehepartnern
gleich gestellt. Und die elementaren Grundlagen des Ar-
beitsrechts – Regelungen zu Vertragsfreiheit, Weisungs-
recht, Entgeltzahlung, Zeugnis und Wettbewerbsverbot
nach Arbeitsvertragsende – werden gesetzlich auf alle For-
men abhängiger Beschäftigung ausgedehnt. Das ist zwar
bereits ständige Rechtsprechung, aber bisher fehlte dafür
die ausdrückliche gesetzliche Grundlage.
Jedoch zeigt sich auch bei diesem lobenswerten Vor-
haben: Die Schaffung eines in sich geschlossenen
Arbeitsgesetzbuches ist längst überfällig. Denn mit dem
jetzigen Gesetzesschritt werden nur Überschneidungen
zwischen Gewerbeordnung, Arbeitsschutzgesetz und
Arbeitsstättenverordnung gemildert bzw. abgeschafft –
ein allgemein verständliches und damit akzeptables
Arbeitsrecht aus einem Guss fehlt nach wie vor.
Aber auch inhaltlich muss ich noch etwas Wasser in den
Wein des nun zur Abstimmung stehenden Entwurfes
gießen. Völlig unverständlich bleibt uns, warum die Koali-
tion ausgerechnet auf Druck des DIHK kurzfristig den vor-
geschlagenen neuen § 11 a Gewerbeordnung wieder ge-
kippt hat. Damit sollten die Finanzämter künftig die
Gewerbeämter über steuerrechtliche Erkenntnisse, die auf
gewerberechtliche Unzuverlässigkeit von Unternehmern,
Geschäftsführern oder wesentlich beteiligten Gesellschaf-
tern schließen lassen, informieren müssen.
Natürlich wissen wir, dass dies übliche, von den Ge-
richten bisher stets gebilligte Verwaltungspraxis ist. Zum
einen stützt sie sich aber nur auf eine höchst schwammige
Rechtsgrundlage, die vom konkreten Finanzbeamten selber
zu interpretieren ist – „zwingendes öffentliches Interesse“
nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 der Abgabenordnung. Und wenn
beim Arbeitsrecht Rechtsprechung und deren Buchstaben
in Übereinstimmung gebracht werden, so wäre es bei dem
ebenso bedeutsamen Thema der wirkungsvollen, weil für
den Täter schmerzhaft spürbaren Bekämpfung der Steuer-
und Abgaben-Kriminalität doch auch nur logisch gewesen.
Der Verweis auf Datenschutz, Interessen der Wirtschaft
und Gebot der gleichmäßigen Besteuerung in der Be-
gründung der Streichung riecht dann doch allzu sehr da-
nach, dass man es bei der Bekämpfung dieser Ursache von
fehlenden öffentlichen Finanzen lieber bei Deklarationen
belässt, als zu Taten zu schreiten.
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Zum anderen hat man sich durch diesen Verzicht der
Chance beraubt, das Reisegewerberecht weiter zu dere-
gulieren, als es nun geschieht. So begrüßen wir, dass Fer-
tiglesebrillen jetzt nicht mehr einem Vertriebsverbot nach
§ 56 unterliegen. Wenn die erwähnte Konkretisierung der
Zusammenarbeit von Behörden erfolgt wäre, dann hätte
man beispielsweise ohne Not auch das Verbot des Haar-
schneidens aus diesem Paragraphen entfernen können.
Denn dann wäre das Argument jener Friseure hinfällig, sie
müssten „schwarz“ frisieren, weil sie es legal sowieso
nicht dürften. Laut der Innungen werden derzeit die Hälfte
der Haarschnitte in Schwarzarbeit erledigt. Friseuren
ohne Meisterbrief steht aber heute auch keine Möglich-
keit offen, ihren erlernten Beruf legal selbstständig aus-
zuüben. Diese Möglichkeit zu eröffnen wäre ein wichti-
ger Beitrag zur Zurückdrängung von Schwarzarbeit. Und
das ist ja wohl ein wichtiges Anliegen aller Fraktionen in
diesem Hause.
Trotz dieser Kritiken: Wegen der Vielzahl positiver
Änderungen, insbesondere auch beim Verbraucherschutz,
auf den ich nicht näher eingehen konnte, stimmt die PDS
dem Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung zu.
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie: Ein zentrales
Element der Mittelstandspolitik des Bundes ist die Mit-
telstandsfinanzierung durch das ERP-Sondervermögen.
Die finanzielle Förderung ist für Existenzgründungen und
die wirtschaftliche Entwicklung von kleinen und mittle-
ren Unternehmen eine wichtige Grundlage. Insbesondere
bei der Anschubfinanzierung von Existenzgründern stellt
das ERP-Sondervermögen mit der Eigenkapitalhilfe und
den Existenzgründungsdarlehen zwei der wichtigsten
Bausteine zur Verfügung. Existenzgründer erhalten dabei
mit der Eigenkapitalhilfe einen Beitrag zur Eigenkapital-
ausstattung. Die Gründungsdarlehen stellen die Gesamt-
finanzierung der Vorhaben sicher.
Diese Förderung ist uns wichtig. Denn gerade kleine
innovative und dynamische Unternehmen leisten einen
wichtigen Beitrag zur Schaffung und Sicherung von Ar-
beitsplätzen. Mit ihren innovativen Ideen und Konzepten
treiben sie den Strukturwandel voran. Sie stärken damit
auch die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft insgesamt.
Mit dem ERP-Wirtschaftsplangesetz 2003 legen wir
heute erneut für ein weiteres Jahr die rechtlichen und
haushaltsmäßigen Grundlagen der ERP-Wirtschaftsför-
derung fest. Die einzelnen ERP-Programme betreffen ne-
ben Gründungsförderung durch Eigenkapitalhilfe und
Existenzgründungskrediten den Aufbau und die Moderni-
sierung bestehender Unternehmen im Osten und in regio-
nalen Fördergebieten im Westen, die Innovationsförde-
rung, die Förderung von Umweltschutzinvestitionen, die
Mobilisierung von Beteiligungskapital.
Die beiden Förderinstitute des Bundes, die Deutsche
Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau,
flankieren in einer beträchtlichen Größenordnung die
Förderaktivitäten des ERP-Sondervermögens durch ihre
eigenen Mittel und Programme. Dies geschieht abge-
stimmt mit dem ERP-Sondervermögen. Im Wirtschafts-
plan 2003 des ERP-Sondervermögens stehen 5 Milliarden
Euro für zinsgünstige ERP-Kredite zur Verfügung. Hinzu
kommt eine weitere Summe von rund 1 Milliarde Euro für
mobilisiertes Eigenkapital im Rahmen des Programms
„Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen
(BTU)“. Damit ermöglicht der ERP-Wirtschaftsplan 2003
ein Fördervolumen wie im laufenden Jahr.
Der Plan dokumentiert den Willen der Bundesregierung,
in 2003 die bewährten ERP-Programme für bestehende und
wachsende Unternehmen auf einem bedarfsgerechten und
hohen Niveau fortzusetzen. Der vorliegende ERP-Wirt-
schaftsplan 2003 zeigt auch erneut, dass wir auf die spezi-
ellen Finanzierungsprobleme von Existenzgründern und
mittelständischen Unternehmen in den neuen Ländern in
besonderem Maße eingehen. Rund 2,5 Milliarden Euro,
also knapp die Hälfte der finanziellen Fördermittel, können
von dortigen Unternehmen in Anspruch genommen wer-
den. Ein wichtiges Element im Wirtschaftsplan 2003 ist
abermals die Haftungsübernahme für Beteiligungen im
Rahmen des BTU, des Beteiligungsprogramms für kleine
Technologieunternehmen.
Für Zusagen, die seit 2001 gegeben werden, trägt das
ERP-Sondervermögen die entsprechenden Belastungen,
wenn einzelne Beteiligungen notleidend werden. Eine
Belastung des ERP-Sondervermögens aus Schäden von
Altzusagen vor 2001 ist ausgeschlossen, diese Ausfälle
werden weiterhin aus dem Bundeshaushalt getragen. Ur-
sächlich für die hohen Ausfälle für Beteiligungszusagen
früherer Jahre, die im Kalenderjahr 2001 abgerechnet
worden sind, ist die Krise der Unternehmen im Bereich
des Neuen Marktes, die zu den Hauptadressaten des BTU-
Programms gehören. Diese besondere Situation wird sich
nicht auf die vom ERP-Sondervermögen zu tragende Aus-
fallquote im Kalenderjahr 2001 auswirken.
Außerdem sind die mit der Betreuung des Programms
beauftragten Förderinstitute aufgrund ihrer Erfahrungen
wesentlich kritischer bei der Auswahl der zu fördernden
Technologieunternehmen, als dies zuvor der Fall war. Ein
derartiger Lerneffekt ist auch bei den antragstellenden pri-
vaten Beteiligungsgebern zu beobachten. Die aktuellen
Zusagezahlen bestätigen diese Tendenz.
Wir haben außerdem im ERP-Sondervermögen ent-
sprechend Risikovorsorge betrieben. Das Bundesminis-
terium für Wirtschaft und Technologie als Verwalter des
ERP-Sondervermögens hat in der ERP-Bilanz, die un-
abhängig vom Wirtschaftsplangesetz jedes Jahr aufge-
stellt wird, erstmals per 31. Dezember 2001 eine Reser-
veposition zur Absicherung bestehender Risiken aus
BTU-Zusagen des Jahres 2001 gebildet. Ein Blick auf
die aktualisierten Zahlen der Ausfallentwicklung zeigt,
dass den Risiken ausreichend Rechnung getragen wor-
den ist.
Das ERP-Sondervermögen ist in der Lage, die finanzi-
ellen Belastungen aus der Übernahme des BTU-Pro-
gramms ab 2001 zu tragen.
Insgesamt belegt das vorliegende Wirtschaftsplange-
setz 2003, dass die finanzielle Förderung des Mittelstan-
des auch im kommenden Jahr ohne Einschränkungen auf
hohem Niveau fortgesetzt werden kann.
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Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung tierarzneimittelrechtlicher Vorschrif-
ten (Tagesordnungspunkt 28)
Jella Teuchner (SPD):Am 8. November letzten Jah-
res haben Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schles-
wig-Holstein und Sachsen im Bundesrat einen Antrag zur
Änderung tierarzneimittelrechtlicher Vorschriften einge-
bracht. Dieser Antrag wurde im Bundesrat einstimmig an-
genommen.
Seitdem die ersten Gerüchte um geplante – oder auch
nicht geplante – Änderungen unter Tierärzten, Landwir-
ten und Brieftaubenzüchtern kursierten, gibt es eine in-
tensive Diskussion um die Regelungen zum Einsatz von
Tierarzneimitteln. Zahlreiche Gespräche und Anhörun-
gen, zahlreiche Briefe und Telefonate haben dazu geführt,
dass wir heute über ein Tierarzneimittel-Neuordnungs-
gesetz abstimmen, das zum einen eine Minimierung des
Tierarzneimitteleinsatzes und eine bessere Kontrolle
möglich macht, zum anderen aber auch in der Praxis um-
gesetzt werden kann.
Wir sind uns alle einig darüber, dass Tierarzneimittel
sorgfältig eingesetzt werden müssen, insbesondere bei
Tieren, die der Lebensmittelproduktion dienen. Arznei-
mittelrückstände in Lebensmitteln und Antibiotikaresis-
tenzen sind nur zwei Stichworte, die hier aufgeführt wer-
den müssen. Es gibt bereits Vorschriften wie zum Beispiel
Wartezeitregelungen, die für einen Schutz der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher sorgen. Dennoch werden noch
Lücken festgestellt. So vertreten Wissenschaftler die Auf-
fassung, dass zum Beispiel Unterdosierungen von anti-
biotischen Wirkstoffen – wie sie zum Beispiel durch die
so genannten Hofmischungen auftreten können – zu An-
tibiotikaresistenzen führen können.
Die Regelungen, die wir heute beschließen werden,
sind für den Verbraucherschutz notwendig. Und sie sind,
wie zum Beispiel bei den Hofmischungen, europarecht-
lich auch geboten. Ich glaube, wir haben in den Ge-
sprächen zu diesem Gesetz einen vernünftigen Weg ge-
funden, hier die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Ich
will einige der stark diskutierten Punkte herausgreifen,
um dies deutlich zu machen.
Es wird sich bei den Brieftauben nichts am Status quo
ändern. Allein der Bundesrat wollte die Tauben wie Le-
bensmittel liefernde Tiere behandeln, was den Bezug von
Arzneimitteln stark erschwert hätte. Die SPD-Fraktion
hat sich hier für die Taubenzüchter eingesetzt, da das Pro-
blem in erster Linie bei der Überwachung durch Landes-
behörden liegt. Auch eine Arzneimittelpositivliste wird es
nicht geben.
Antibiotika, die nicht nur lokal wirken, dürfen vom
Tierarzt nur für 7 Tage an den Tierhalter abgegeben wer-
den, es sei denn, die Zulassungsbedingungen sehen be-
reits eine längere Abgabemöglichkeit vor. Antibiotika, die
nur lokal wirken, sowie andere Arzneimittel, für die die
EU-Verordnung Wartezeiten festgelegt hat, dürfen für
höchstens 31 Tage an den Tierhalter abgegeben werden,
wenn eine Bestandsbetreuung vorliegt. Diese muss min-
destens einen Tierarztbesuch monatlich beinhalten.
Mit dieser Regel wird sowohl dem Grundsatz des vor-
sorgenden Verbraucherschutzes als auch den Erfordernis-
sen eines modernen Betriebsmanagements Rechnung ge-
tragen. Mit dieser Regelung wird zugleich verhindert,
dass Arzneimittel durch eine längerfristige Lagerung
beim Tierhalter an Qualität verlieren und dass sie ohne
tierärztlich festgestellte Indikation eingesetzt werden.
Hormone zur Brunstharmonisierung und nur lokal wir-
kende Trockensteller können für 31 Tage im Voraus im
Rahmen einer ordnungsgemäßen Behandlung an den
Tierhalter abgeben werden, sodass diese Regelung auch
in der Praxis anwendbar ist.
Bei den so genannten Hofmischungen wird eine un-
bedingt erforderlich Einschränkung für Tierhalter und
Tierärzte beim Umgang mit Fütterungsarzneimitteln ein-
geführt, die auch weitgehend unumstritten ist.
Zukünftig dürfen Fütterungsarzneimittel nur noch auf
Verschreibung durch den Tierarzt unter Verantwortung
des Herstellers hergestellt werden. Wer Fütterungsarznei-
mittel herstellen will, bedarf einer Herstellungserlaubnis,
die an strenge – technische und personelle Voraussetzun-
gen geknüpft ist. Um einerseits den betroffenen Herstel-
lern von Fütterungsarzneimitteln hinreichend Zeit zur
Umstellung auf die geänderten Voraussetzungen für das
Herstellen und das Inverkehrbringen von Fütterungsarz-
neimitteln einzuräumen und andererseits weiterhin eine
ausreichende Versorgung mit Fütterungsarzneimitteln zu
gewährleisten, wird eine Übergangsfrist von zwei Jahren
eingeräumt.
Der Bundesrat hat mit seiner Initiative Erkenntnisse
aufgegriffen, die die Länder im Rahmen ihrer Kontroll-
tätigkeiten gewonnen haben. Er hat damit auch auf die
illegalen Vorkommnisse im Tierarzneimittelbereich rea-
giert. Mit den Änderungen zu dieser Bundesratsinitiative
räumen wir Probleme des Verfassungsrechts und der prak-
tischen Umsetzung aus.
Der Ansatz, den der Bundesrat gewählt hat, ist zu be-
grüßen: Die Minimierung des Arzneimittelbestandes
beim Tierhalter kann aus Gründen des Verbraucher-
schutzes nur begrüßt werden. Eine Reduzierung des Arz-
neimitteleinsatzes auf das therapeutisch unerlässliche
Mindestmaß bei Tieren kann zu einer geringeren Rück-
standsbelastung und zu einem geringeren Risiko von Aus-
bildungen von Antibiotikaresistenzen führen. Die Zielset-
zung, bei der Behandlung von Tieren in erster Linie
Fertigarzneimittel zu verwenden, sorgt für eine kontrol-
lierte Qualität der Lebensmittel und dient sowohl dem
Verbraucher- als auch dem Tierschutz. Die Tierärzte be-
kommen insbesondere im Rahmen eines Betreuungsver-
trages eine stärkere Position. Dies wird zu einem kontrol-
lierteren Umgang mit Tierarzneimitteln führen.
Wir verringern die Gefahren des Tierarzneimittel-
einsatzes und schaffen bessere Kontrollmöglichkeiten.
Dies dient dem Verbraucherschutz, ohne Landwirte und
Tierärzte über Gebühr zu belasten. Durch die intensiven
Diskussionen und die konstruktive Zusammenarbeit aller
Beteiligter konnten viele Bedenken an der Bundesrats-
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initiative zerstreut werden. Dadurch ist auch der in der
Gegenäußerung angekündigte Gesetzentwurf der Bun-
desregierung unnötig geworden. Ich bitte Sie daher um
die Zustimmung zum Tierarzneimittel-Neuordnungsgesetz
mit den vom Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft beschlossenen Änderungen.
Helmut Lamp (CDU/CSU): In den Medien wird häu-
fig die Resistenzbildung gegen antimikrobielle Wirk-
stoffe herausgestellt. Doch Tierarzneimittel sind – in aller
Regel – schon längst keine Bedrohung für Verbraucher
mehr. So bestätigen beispielsweise Berliner Untersu-
chungsinstitutionen, dass schon seit langem keine Anti-
biotikareste im Fleisch nachzuweisen sind. Eine im ver-
gangenen Jahr im Auftrag der Zeitschrift „Computerbild“
durchgeführte Untersuchung von aus dem Internet be-
stellten 79 Wurstsorten auf Antibiotikarückstände er-
brachte keine Beanstandungen. Die Zeitschrift „Öko-
Test“ konnte bei 419 untersuchten Putenfleischproben
keine Medikamentenrückstände feststellen und auch die
Untersuchungen des Nationalen Rückstandskontrollrats
belegen, dass Antibiotikarückstände im Fleisch praktisch
kein Thema sind. Es ist daher festzustellen, dass Tierärzte
und Landwirte ganz offensichtlich verantwortungsbe-
wusst mit Tierarzneimitteln umgehen. Dass es trotzdem zu
unsachgemäßem oder gar illegalem Arzneimitteleinsatz
kommen kann, ist in Einzelfällen belegt. Die Intention des
Gesetzentwurfs, Missbrauch noch besser als bisher zu un-
terbinden, ist daher grundsätzlich zu begrüßen.
Aber mit dieser Gesetzesvorlage werden Tierschutz
und Verbraucherschutz nicht in Einklang gebracht. Über-
bordende, teilweise unsinnige Bürokratie behindert die
Behandlung kranker Tiere und praxisuntaugliche Vorga-
ben verhindern teilweise eine sachgerechte Behandlung.
Hierzu einige Beispiele:
Erstens. Tierärzte müssen künftig die Genehmigung
zur Führung einer Hausapotheke haben. Die Regelung be-
gegnet nicht nur erheblichen rechtlichen Bedenken wegen
des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit. Zu fragen ist auch, wie der Landwirt kontrollieren
können soll, ob sein Tierarzt diese Berechtigung hat.
Zweitens. Tierärzten soll es nicht mehr erlaubt sein, aus
apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen
Substanzen Arzneimittel herzustellen. Wie sollen Ziegen,
Kaninchen und andere Tiere behandelt werden, für die es
auf dem Markt gar keine Arzneimittel gibt?
Drittens. Was ist zu tun, wenn benötigte Mittel im
Handel nicht oder nur in Kombination mit anderen Wirk-
stoffen erhältlich sind?
Viertens. Arzneimittel dürfen nur für eine siebentägige
Behandlungsdauer abgegeben werden, im Ausnahmefall
28 Tage. Was ist zu tun, wenn eine Kuhherde mit einem
antibakteriellen Trockensteller nach der jeweiligen Lakta-
tionszeit behandelt werden muss? Wie reagiert man auf
eine drohende Einzelfallbehandlung, deren akut werden-
der Zeitpunkt aber nicht einschätzbar ist?
Fünftens. Bezug und Anwendung geeigneter Futterarz-
neimittel werden für den Tierarzt und den Landwirt er-
heblich eingeschränkt. Also lieber Spritze statt im Futter?
Sechstens. Arzneimittel dürfen nur noch in handelsüb-
lichen, therapieentsprechenden Fertigpackungen abgege-
ben werden. Ist es dem Tierarzt möglich, von jedem Arz-
neimittel Packungen mit sich zu führen, die von der
Einzelfall- bis Großherdenbehandlung reichen?
Ich möchte Ihnen die Situation vor Ort einmal plastisch
am Beispiel des Kreises Plön in Schleswig-Holstein schil-
dern: Der Kreis hat einen Durchmesser von circa 70 Kilo-
metern mit etwa 200 Ortschaften, Dörfern und vielen Ein-
zelhofstellen. Acht Tierarztpraxen für Großtiere stehen
zur Verfügung. Die Einzelbehandlung eines Tieres kostet
normalerweise 20 bis 40 Euro. Dafür muss ein Landwirt
drei bis vier Schweine mästen. Ihr Gesetzentwurf führt
dazu, dass der Tierarzt zukünftig erheblich häufiger an-
reisen müsste. Das kann der Arzt aus Zeitgründen nicht
und das kann sich der Landwirt aus finanziellen Gründen
gar nicht leisten. Ihr Gesetzentwurf führt also zu völlig
unzumutbaren Folgen.
Aber was uns in letzter Zeit an Gesetzesvorlagen ge-
boten wird, hat schon länger nichts mehr mit der Praxis im
Lande und den Realitäten zu tun: Mit der Hennenhal-
tungsverordnung wurde praktisch die Eierproduktion in
Deutschland aufgegeben. Das Absatzfondsgesetz ist eine
Zumutung. Das Geld der Bauern soll in ideologische
Kanäle der grünen Agrarwende gelenkt werden. Das Ver-
braucherinformationsgesetz, ein Placebogesetz, soll den
Verbrauchern suggerieren, sie würden besser informiert.
Und nun das Tierarzneimittelgesetz, ein Schnellschuss,
der voll daneben trifft.
Wir brauchen nicht zusätzliche Kompliziertheiten,
sondern effektive Information und Kontrolle. Doch daran
hapert es im Künast-Ministerium an allen Ecken und
Enden. Klasse statt Masse? Fangen wir doch mal in der
Gesetzgebung an!
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hor-
mone in Kälberfleisch, Antibiotika, Autobahntierärzte,
die säckeweise Arzneimittel aus dem Kofferraum verkau-
fen – Skandale mit Tierarzneimitteln haben das Image der
Landwirtschaft bei den Verbrauchern beschädigt. Und sie
haben die gesamte Berufsgruppe der Veterinäre immer
wieder in Verruf gebracht.
Aber es waren nicht nur einzelne schwarze Schafe, die
diese Skandale bewirkt haben. Die Verantwortung trägt
die alte Agrarpolitik, die die Landwirte in immer schnel-
lere und billigere Fleischproduktion getrieben und gleich-
zeitig Lücken in Gesetzen und bei der Kontrolle offenge-
lassen hat.
Mit dem jetzt vorliegenden Tierarzneimittelneuord-
nungsgesetz verbessern wir in ersten Schritten die recht-
lichen Rahmenbedingungen für eine wirksame Kontrolle,
die für eine Eindämmung des Missbrauchs entscheidend
ist. Grundlage dieses Gesetzes ist ein Entwurf des Bun-
desrates. An dieser Stelle möchte ich den Expertinnen und
Experten der Bundesländer für die Anregungen aus der
Kontrollpraxis und die gute Zusammenarbeit ausdrück-
lich danken.
Ich will die Verbesserungen am Beispiel „Antibiotika-
einsatz in der Tiermast“ verdeutlichen. Der übermäßige
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24119
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Einsatz von Antibiotika ist durch die Entstehung von re-
sistenten und multiresistenten Bakterien zwar auch ein
großes Problem für die Tiergesundheit, die eigentliche
Gefahr aber droht in der Humanmedizin: Seit Jahren war-
nen Mediziner vor direkten oder indirekten Resistenzen,
den so genannten Kreuzresistenzen beim Menschen. Das
größte Problem liegt dabei noch vor uns: Es besteht die
Gefahr, dass wir uns den Einsatz ganzer Antibiotikastoff-
klassen in der Humanmedizin für die Zukunft verbauen,
weil wir durch den überzogenen Einsatz in der Tiermast
bereits heute resistente Krankheitserreger heranzüchten.
Wir setzen uns deshalb seit Jahren für die deutliche Re-
duzierung des Antibiotikaverbrauchs in der Landwirt-
schaft ein. Antibiotika werden leider immer noch als Leis-
tungsförderer im Tierfutter, zur Prophylaxe und zur
Therapie eingesetzt. Wir verfolgen das Ziel, dass Antibio-
tika möglichst nur noch zur Therapie eingesetzt werden.
Kurzfristig könnte man ganz und gar auf die Verwendung
als Leistungsförderer verzichten.
Die EU hat die letzten vier antibiotischen Leistungs-
förderer jetzt ab 2006 verboten. Das dauert uns zu lange.
Die deutsche Futtermittelwirtschaft hat sich bereits ver-
pflichtet, auf antibiotische Leistungsförderer im Stan-
dardfutter zu verzichten. Wir wünschen uns eine solche
Selbstverpflichtung auch von den Fleischproduzenten.
Es besteht die Gefahr, dass jetzt Antibiotikagaben ver-
mehrt als Prophylaxe deklariert werden. Die Praktiker, die
Kontrolleure vor Ort haben uns gesagt, dass durch die
zeitlich nicht begrenzte Abgabe von Tierarzneimitteln
nicht kontrollierbar war, ob vor Ort vorgefundene, zum
Teil umfangreiche Lagerbestände in die aktuelle Behand-
lung, in eine künftige Behandlung, in die Behandlung
noch nicht einmal eingestallter Tiere, in die Prophylaxe
oder in die Tiermast gingen.
Damit ist nun Schluss. Künftig darf nur noch die für
sieben Tage Behandlung notwendige Menge vom Tierarzt
abgegeben werden. Mast und überflüssige Prophylaxe
sind mit diesen Mengen nicht mehr zu machen. Durch
verbesserte Dokumentations- und Meldepflichten und
eine größere Transparenz bei der Tierarzneimittelherstel-
lung werden die Stoffflüsse – gerade auch für Antibiotika –
endlich nachvollziehbar.
Im Bereich der Fütterungsarzneimittel wird durch die
Abschaffung der so genannten Hofmischung und des Her-
stellungsauftrages ein höheres Qualitätsniveau gesichert.
Auch dies schützt die Verbraucher vor den Risiken eines
unsachgemässen Antibiotika-Einsatzes. Das heute vorlie-
gende Gesetz ist ein wesentlicher Fortschritt für den
Schutz der Verbraucher vor Tierarzneimittelmissbrauch.
Dieses Gesetz ist ein weiterer Baustein in unserer Politik,
um das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit und
Qualität der Lebensmittel, insbesondere des Fleisches,
wiederzugewinnen. Und es wird von den Bundesländern,
die für die Kontrolle zuständig sind, für absolut notwen-
dig erachtet. 16:0 im Bundesrat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, CSU und
FDP: Sie sollten dem Gesetz zustimmen, anstatt hier die
Gegenargumente der Lobbyisten vorzutragen, die alles
beim Alten belassen wollen. Tatsächlich geht der Vor-
schlag des Bundesrates erheblich weiter, da er den Be-
reich der tierärztlichen Hausapotheken gleichzeitig neu
regelt. Diese Reformen werden wir in weiteren Schritten
angehen, weil hier noch an vielen Seiten Diskussionsbe-
darf gesehen wird.
Wir haben in den parlamentarischen Beratungen eine
Reihe von Anregungen aus der landwirtschaftlichen und
tierärztlichen Praxis aufgenommen, sodass wir jetzt ein
Gesetz vorlegen, das gleichermaßen praxisgerecht für die
Tierhaltung als auch effizient für den Verbraucherschutz
ist. Wir erhoffen uns im Bundestag und im Bundesrat eine
genauso breite Zustimmung dafür, wie wir sie in der Ge-
sellschaft von Humanmedizinern, Landwirten, Lebens-
mittelwirtschaft und Verbraucherschützern, von der Bun-
destierärztekammer und vom Handel erhalten haben.
Marita Sehn (FDP): Was ist eigentlich Basisdemo-
kratie? Ich habe immer gedacht, wenn etwas demokra-
tisch ist, dann ist die Basis automatisch mit eingebunden.
Die Grünen haben aber bei der Neuordnung des Tierarz-
neimittelrechtes eine ganz andere Form der Basisdemo-
kratie vorgeführt. Dieses Gesetzgebungsverfahren findet
vielleicht auf der Basis demokratischer Institutionen statt,
ist aber zugleich zutiefst undemokratisch.
Zuerst verspricht Frau Künast einen eigenen Entwurf.
Den gibt es nicht. Stattdessen übernimmt die Bundesre-
gierung den des Bundesrates. Dieser wird dann kurzfristig
über eine Flut von Änderungsanträgen so entstellt, das
selbst für Experten keine sachgerechte Beurteilung des
Gesetzes mehr möglich ist.
Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass Frau Künast
längst eine Ministerin ohne Ministerium geworden ist. Sie
hat ihr Haus nicht im Griff. Wie erklärt es sich sonst, dass
sie vollmundig einen eigenen Entwurf ankündigt und
dann der Bundesrat für die Regierung die Arbeit machen
muss? Diese Ministerin ist hoffnungslos überfordert. Ob
Chloramphenicol, ob Nitrofen, Frau Künast kann nur rea-
gieren, aber nicht agieren.
Vor gar nicht allzu langer Zeit haben alle hier versam-
melten Parteien die Einführung des Tierschutzes in das
Grundgesetz beschlossen. Damit steht der Tierschutz
zwar im Grundgesetz, in den Köpfen der Regierungsko-
alition ist er noch nicht angekommen. Denn die Vorstel-
lungen von Rot-Grün gehen nur in eine Richtung. Der
Einsatz von Tierarzneimitteln soll reduziert werden, koste
es, was es wolle, selbst wenn es auf Kosten der Tierge-
sundheit geht. Die Tiere sollen nach den Vorstellungen
von Rot-Grün ruhig leiden, Hauptsache, es werden keine
Medikamente eingesetzt. Diese Politik ist nicht nur kurz-
sichtig und tierfeindlich, sie ist obendrein zynisch.
Sagen Sie doch bitte den Verbrauchern, dass die Kos-
ten eines Tierarztbesuches den mit einem Mastschwein
erzielbaren Gewinn übersteigen. Welcher Bauer kann es
sich denn leisten, den Tierarzt mehrfach kommen zu las-
sen, weil ein Huhn oder ein Mastschwein erkrankt ist? Ich
kann es Ihnen sagen, welcher Bauer das ist. Das sind hoch
technisierte, hoch spezialisierte Veredlungsbetriebe, die
es sich leisten können, einen Tierarzt für die eigenen Tiere
einzustellen. Es sind die Betriebe, die Bundeskanzler
Schröder so wortreich bekämpft.
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Mit ihrem Erfindungsreichtum in Sachen Auflagen
– sei es unter dem Deckmantel des Verbraucher-, des Tier-
oder des Umweltschutzes – ruinieren sie die kleinbäuerli-
chen Betriebe. Sie treiben die Betriebe in den Ruin, die
Ihnen angeblich so am Herzen liegen. Das ist die Schizo-
phrenie der Agrarwende künastscher Prägung.
Rot-Grün betreibt ein perfides Spiel mit den Verbrau-
chern. Den Verbrauchern wird bei jedem „Lebensmittel-
skandal“ signalisiert: Wir machen ein neues Gesetz und
dann wird so etwas nicht mehr passieren. Dass Rot-Grün
ein neues Gesetz macht, stimmt, nur mehr Sicherheit für
die Verbraucher gibt es nicht. Die berühmten schwarzen
Schafe bleiben weiter schwarz. Die guten Bauern – und
die, das möchte ich ausdrücklich betonen, sind in der
überwältigenden Mehrheit – bekommen mehr Auflagen
und wieder ein paar neue Dokumentationspflichten aufs
Auge gedrückt, während die kriminellen weitermachen
wie bisher. Mittlerweile sind doch viele unserer Bauern
damit beschäftigt, die eine Hälfte des Tages das aufzu-
schreiben, was sie in der anderen getan haben.
Dieses Gesetz im Eilverfahren durchzuziehen zeigt
einmal mehr: Rot-Grün fehlt es an Konzepten. Erst gibt es
den Lebensmittelskandal und dann wird überstürzt ein
Gesetz beschlossen. Anstatt vorausschauend zu planen,
wird hastig und überstürzt nachgebessert. Das ist die trau-
rige Realität des rot-grünen „vorsorgenden“ Verbraucher-
schutzes.
Bei Rot-Grün ist es zu einer neuen Bauernregel ge-
worden: Findet man in Lebensmitteln irgendwelchen
Mist, machen die Grünen ein Gesetz und alles bleibt,
wie’s ist.
Kersten Naumann (PDS): Bei der vorliegenden Än-
derung tierarzneimittelrechtlicher Vorschriften musste
auch erst ein Skandal, der Anfang 2001 für Schlagzeilen
sorgte, die Chance für ein politisches Überdenken an-
stoßen. Wegen des illegalen Handels mit Tierarzneimit-
teln sowie des Verkaufs von nicht zugelassenen Medika-
menten in mehreren Hundert Fällen wurde ein Tierarzt
verurteilt. Damals war die bayerische Gesundheitsminis-
terin Barbara Stamm, CSU, zurückgetreten, weil in ihrem
Haus Berichte über den Einsatz illegaler Medikamente ig-
noriert worden waren.
Im Zusammenhang mit dem Skandal gerieten ver-
schiedene bayerische Tierärzte in den Verdacht, Hunder-
ten von Schweinemästern in Deutschland und Österreich
illegal Arzneimittel verkauft zu haben, darunter Hor-
mone, Impfstoffe und Antibiotika. Besonders der Einsatz
von Antibiotika in der Schweinemast gilt als gefährlich,
da der Verzehr von mit Antibiotika versetztem Fleisch
dazu führen kann, dass das Medikament beim Menschen
nicht mehr wirkt.
Nun darf aber nicht jeder Tierarzt verdächtigt und um
sein Dispensierrecht gebracht werden. Eine Vertrauensba-
sis zwischen Landwirt und Tierarzt ist genauso wichtig
wie das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.
Wir sind uns alle einig: Es gab massiven Handlungs-
bedarf. Verbraucherschutz und Tierschutz erfordern es,
rückstandsfreie Lebensmittel zu erhalten. Fakt ist, dass
trotz sinkender Tierbestände der Tierarzneimittelmarkt
– in Geldwertangaben –, insbesondere auch auf dem An-
tibiotikasektor, gestiegen ist. Ein Mangel seitens der
Pharmaindustrie und der Bundesregierung ist, dass die
tatsächlichen mengenmäßigen Verbräuche statistisch
nicht erfasst werden. Hier ist unbedingt Abhilfe zu leisten.
Ein Gesetz sollte dem Medikamentenmissbrauch
Rechnung tragen, denn eine Überwachung mit dem gülti-
gen Gesetz war nicht mehr gegeben. Auch eine Reduzie-
rung des Tierarzneimittelverbrauchs insgesamt, dort wo
es nicht erforderlich ist, ist mit diesem Gesetz bezweckt.
Einer höheren Transparenz und Kontrolltätigkeit soll es
ebenso dienen.
Dieser Handlungsbedarf wurde mit einem seltenen
Einstimmigkeitsergebnis im Bundesrat von 16:0 für einen
Gesetzentwurf der Länderkammer erzielt. Inzwischen
kam der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Bundes- und
Landesebene zur Anhörung.
Seitens der Tierärztekammern und Wirtschaft
– Pharma- und Futtermittelindustrie – gab es erhebliche
Vorbehalte hinsichtlich der praktikablen Anwendung
solcher strittigen Punkte wie der Einführung einer Sie-
bentagesfrist, das heißt frei praktizierende Tierärzte
sollten Medikamente nur noch für eine Behandlung von
höchstens sieben Tagen an die Landwirte abgeben dür-
fen und nicht gleich für mehrere Wochen. Das Verdün-
nen von Medikamenten soll verboten werden. Auch die
Landwirte – insbesondere Kleinbetriebe, die Arznei,
Fütterungsarznei, auf Vorrat halten – sahen große Pro-
bleme, wenn ein Schweinchen einen Schnupfen be-
kommt, da die Praxis der „Hofmischung“ verboten wer-
den sollte.
Inzwischen sind diese Punkte durch die Koalitionspar-
teien präzisiert worden und entsprechend den Interessen-
vertretern der Landwirtschaft, Wirtschaft und Tierärzte-
kammern größtenteils angepasst worden. Mit einer
31-Tage-Frist zur Anwendung von Arzneimitteln, die
keine Antibiotika sind und nicht lokal angewendet wer-
den, können unter der Bedingung der Bestandsbetreuung
sowohl die Landwirte als auch die praktizierenden
Tierärzte sehr gut leben. Bei den Brieftauben wurde ein
Problem der Taubenzüchter aufgegriffen und Brieftauben
werden nicht als Lebensmittel liefernde Tiere betrachtet.
Wir werden dem Gesetz des Bundesrates mit den Än-
derungen der Koalition zustimmen.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Geset-
zes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
(Tagesordnungspunkt 29)
Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Auf Initia-
tive der Koalitionsfraktionen ist der Entwurf eines Zwei-
ten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes,
der ursprünglich überwiegend technischen Charakter hat-
te, zu einem bedeutenden Beitrag für eine Politik „Weg
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24121
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(B)
vom Öl“ entwickelt worden. Ich bedanke mich bei allen,
sowohl bei den Koalitions- als auch bei den Oppositions-
parteien, die daran mitgewirkt haben und – mit Ausnahme
der FDP – das Gesetz im Wesentlichen mittragen.
Durch die Freistellung von Kraftstoffen pflanzlichen
Ursprungs über den so genannten Biodiesel hinaus von der
Mineralölsteuer werden günstige Rahmenbedingungen ge-
schaffen, um der Landwirtschaft ein zusätzliches ökonomi-
sches Standbein zu schaffen, die steigende Mengennach-
frage nach biologischen Kraftstoffen zu befriedigen, den
Herstellern von Motoren die Voraussetzungen für moderne
technische Entwicklungen zu geben und CO2-Emissionenauch in dem Sektor Verkehr zu mindern. Gemeint sind sol-
che biologische Rohstoffe, wie sie in der Biomasse-Ver-
ordnung definiert sind. Neben Biogas in überwiegend sta-
tionären Anlagen wird Agraralkohol eine große Rolle
spielen, der entweder eigenständig oder vermischt mit her-
kömmlichen Mineralölen dann – wie seit langem in Süd-
amerika und auch bereits in einigen anderen europäischen
Ländern – an jeder Tankstelle zu beziehen sein wird. Mit
der Mineralölwirtschaft wird darüber zu reden sein, wie
insbesondere bei der Vermischung von herkömmlichen und
biologischen Kraftstoffen eine vernünftige Abgrenzung im
Hinblick auf die Steuerbefreiung verwirklicht werden
kann. Wahrscheinlich wird die Lösung eine unabhängige
Zertifizierung der unterschiedlichen Kraftstoffkomponen-
ten sein. Aber auch eine Abgrenzung zum Trinkalkohol, so
wie er im Branntweinmonopol geschützt ist, wird erforder-
lich, zum Beispiel durch Vergällung der dem Kraftstoff zu-
zusetzenden Agraralkoholen.
Wenn wir künftig Biogasanlagen, insbesondere auch
Gemeinschaftsanlagen, im Außenbereich ähnlich privile-
gieren wie Windkraftanlagen, wird es für die Landwirt-
schaft außerordentlich attraktiv, einen wichtigen Beitrag
zur Energieversorgung zu leisten.
Wir mussten die Steuerbefreiung begrenzen, weil sie
einen beihilferechtlichen Tatbestand im Sinne des EU-
Umwelt-Beihilferegimes darstellt. Und wir haben ange-
sichts unsicherer Prognosen über die Mengenentwicklung
und die damit verbundenen Steuerausfälle eine regel-
mäßige Berichtspflicht für die Bundesregierung einge-
baut, sodass wir die Entwicklung gegebenenfalls im
Laufe der kommenden Jahre, erstmals im Jahre 2004, kor-
rigieren können.
Einen weiteren wichtigen Beitrag dieses Gesetzes stellt
die Befreiung von besonders effizienten GuD-Kraftwer-
ken von der Erdgassteuer dar. Bereits im Rahmen der
Ökosteuergesetzgebung sollten diese Kraftwerke für
einen definierten Zeitraum von der Erdgassteuer befreit
werden. Dies hat die EU-Kommission nicht genehmigt.
Wir unternehmen nunmehr einen neuen Anlauf und wol-
len Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent
für einen Zeitraum von fünf Jahren von der Erdgassteuer
befreien, wenn sie innerhalb von 39 Monaten nach Ver-
kündung des Gesetzes in den Dauerbetrieb gegangen sind.
Die Messvorschrift für den Wirkungsgrad ist in Eck-
punkten unter Federführung des Bundesfinanzministers
gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und dem Um-
weltminister sowie den Ländern Mecklenburg-Vorpom-
mern und Nordrhein-Westfalen bereits erarbeitet. Es geht
uns darum, einen neuen Effizienzsprung in der Kraft-
werkstechnik zu initiieren. Wenn diese Innovation gelingt
und eine Referenzanlage steht, ist ein neuer Stand der
Technik geschaffen, der dann ohne die spezifischen Vor-
laufkosten der Referenzanlage auch ohne steuerliche För-
derung wettbewerbsfähig ist. Wir gehen davon aus, dass
die Referenzanlage in Lubmin in Mecklenburg-Vorpom-
mern verwirklicht werden kann. Wir können jedoch leider
nicht ausschließen, dass die EU-Kommission ein Haupt-
prüfverfahren hinsichtlich dieses Beihilfetatbestandes
eröffnet, was zu einer Verzögerung des Inkrafttretens um
18 Monate führen kann.
Wir haben überdies für den deutschen Schiffsmotoren-
bau auch vor dem Hintergrund von Wettbewerbsver-
zerrungen im europäischen Ausland einen bedeutenden
Beitrag dadurch geleistet, dass wir den Einsatz von
Schwerölen zum Betrieb dieser Motoren auf Prüfständen
von der Mineralölsteuer befreit haben. Hiervon wird zum
Beispiel das Schiffsmotorenwerk von MAN in Augsburg
profitieren.
Wir haben ebenfalls dafür gesorgt, dass die mineral-
ölsteuerbegünstigte Kraft-Wärme-Kopplung künftig so
definiert wird, dass nicht nur die Stromerzeugung, son-
dern auch die Krafterzeugung, die zum Beispiel für Stoff-
umwandlungsprozesse erforderlich ist, anerkannt wird.
Hiervon werden vor allen Dingen Unternehmen der che-
mischen Industrie profitieren, so zum Beispiel auch die
Stickstoffwerke SKW Piesteritz in der Lutherstadt Wit-
tenberg, einer der Leuchttürme des Aufbaus Ost.
Netzgebundene Stromerzeugungsaggregate im Außen-
bereich auf Mineralölbasis werden für weitere drei Jahre
von der Mineralölsteuer befreit, allerdings mit der Auf-
lage, innerhalb dieser Frist Alternativen zu verwirklichen.
Es geht zum Beispiel um Holzläger oder touristische Ein-
richtungen wie Tropfsteinhöhlen, die der Öffentlichkeit
zugänglich sind. Hier empfehlen wir dringend, den Strom
künftig durch Biogasanlagen zu erzeugen oder aber in den
Motoren biologische Kraftstofe einzusetzen.
Im Übrigen werden künftig auch Notstromaggregate
von der Mineralölsteuer befreit.
Einen ganz bedeutenden Beitrag zur Klimaschutzpoli-
tik, aber auch zur Entwicklung alternativer industrieller
Strukturen auf dem Gebiet der Photovoltaik liefert die
Anhebung des Deckels für Photovoltaikanlagen, die
Strom ins allgemeine Netz einspeisen und dafür eine be-
sondere Vergütung beziehen. Dieser Deckel lag bislang
bei 350 Megawatt, der aber in den nächsten Monaten
ausgeschöpft sein dürfte. Wir haben diesen Deckel auf
1 000 Megawatt angehoben und tragen damit der Tatsa-
che Rechnung, dass die Erzeugung von Strom aus Son-
nenlicht von vielen Bürgern angenommen wird.
Ich bedaure es außerordentlich, dass die CDU/CSU
sich dieser Maßnahme verweigert und einen Änderungs-
antrag für die zweite Lesung eingebracht hat, der diese
Regelung wieder streichen will. In den letzten Jahren der
Regierung Kohl haben CDU und CSU durch Nichtstun
und Verweigerung dafür gesorgt, dass die Photovoltaik-
industrie aus Deutschland fast verschwunden war. Erst
durch das Energieeinspeisegesetz, das 100 000-Dächer-
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Programm und eine gezielte Industriepolitik ist es gelun-
gen, Produktionsanlagen für Solarzellen, zum Beispiel in
Gelsenkirchen, anzusiedeln und damit auch dem Hand-
werk einen wichtigen zusätzlichen wirtschaftlichen Im-
puls zu geben. Diese Strategie ist aufgegangen, weil wir
es nicht hinnehmen, für alle Beteiligten, ob den Investor,
ob den Handwerker oder die herstellende Industrie, ei-
ne strukturpolitische Abbruchkante vorzuprogrammieren,
was unweigerlich dazu führen würde, dass die gesamte
Solarindustrie wieder vor die Wand gefahren würde. Wir
wollen, dass durch die Produktion großer Zahlen auch die
Photovoltaik schrittweise in den Bereich der Wirtschaft-
lichkeit und Wettbewerbsfähigkeit geführt wird.
Leider konnten wir in diesem Gesetzgebungsverfahren
noch nicht alle anderen Gesichtspunkte des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes mitregeln, die möglicherweise ände-
rungsbedürftig sind. Wir sagen aber zu, dass dies zu Be-
ginn der nächsten Wahlperiode geschieht. Dies bezieht
sich auch auf die Veränderung des Wälzungsmecha-
nismus für die Einspeisevergütung, die immer noch pri-
vate Haushalte und Industrie unterschiedlich belastet. Wir
wollen einen ähnlichen Wälzungsmechanismus einfüh-
ren, wie wir ihn für die Kraft-Wärme-Kopplung ent-
wickelt haben.
Alles in allem ist dieses Gesetz ein weiterer Beitrag für
eine zukunftsorientierte Energiepolitik mit Augenmaß,
die zum einen auf Klimaschutz ausgerichtet ist und zum
anderen die Interessen der Industrie wahrt.
Norbert Schindler (CDU/CSU): In den letzten drei-
einhalb Jahren gab es zwischen der Landwirtschaft und
ihren Vertretern auf der einen und dem Finanzminister
und den zuständigen Ausschüssen auf der anderen Seite
noch nie einen solchen Konsens, wie er mit dem nun vor-
liegenden und in Details geänderten Gesetzesentwurf zur
Änderung des Mineralölsteuergesetzes hergestellt worden
ist.
Ich gebe zu: Die Freude ist hierbei sicherlich etwas ein-
seitig bei den Produzenten und Verbrauchern von biogenen
Kraftstoffen und weniger beim Fiskus. Die Rechtsänderung
wird in den kommenden Jahren schätzungsweise zu Min-
dereinnahmen bei der Mineralölsteuer in folgender Höhe
führen: 2003: 100 Millionen Euro, 2004: 120 Millionen
Euro, 2005: 130 Millionen Euro, 2006: 150 Millionen Euro.
Diese Mindereinnahmen werden jedoch über die Jahre deut-
lich von den prognostizierten Beschäftigungszuwächsen,
vor allem im von der jetzigen Bundesregierung stark ver-
nachlässigten ländlichen Raum, kompensiert werden, so-
dass dem Herrn Finanzminister an anderer Stelle Steuern zu-
fließen werden, die diese Mindereinnahmen deutlich
übersteigen werden.
Zur Frage, ob die Erhöhung der Produktion von Bio-
kraftstoffen, die bisher ja noch keinen relevanten Markt-
anteil erreicht haben, neben den Nutzeffekten einer wei-
teren Vermeidung von CO2-Emmissionen und einemersten Schritt bei der Erdölsubstitution zur Erhöhung der
Versorgungssicherheit, auch Nutzen für die Landwirt-
schaft in Deutschland bringt, haben sich die Antragsteller
des Gesetzentwurfes deutlich ausgedrückt: „Eine ver-
stärkte Produktion von Ausgangsstoffen für Biokraft-
stoffe wird einen Beitrag zur Multifunktionalität der
Landwirtschaft leisten und der ländlichen Wirtschaft
durch die Erschließung neuer Einkommensquellen und
durch die Schaffung von Arbeitsplätzen neue Impulse ver-
leihen. Die Herstellung von Biokraftstoffen ist relativ ar-
beitsintensiv, vor allem in ländlichen Gebieten während
der Ernte und des Betriebs der Biokraftstoffanlagen. Ver-
schiedene Studien prognostizieren einen Arbeitsplatzef-
fekt von 16 bis 26 Beschäftigten pro 1 000 Tonnen
Rohöleinheiten pro Jahr. Rechnet man diese Ergebnisse
hoch, so würde ein Biokraftstoffanteil von etwa einem
Prozent des Gesamtverbrauchs an fossilen Kraftstoffen in
der EU 45 000 bis 75 000 neue Stellen schaffen, der Groß-
teil davon in ländlichen Gebieten. Der Beschäftigungs-
effekt liegt zum Beispiel bei der Erzeugung von Biodiesel
beim 50-fachen der Produktion der gleichen Menge her-
kömmlichen Dieselkraftstoffs in einer Raffinerie!“
Dem ist aus Sicht der Landwirtschaft nichts hinzuzu-
fügen, wenn man davon absieht, dass die zweijährige
Überprüfung der Besteuerung respektive Nichtbesteue-
rung der biogenen Kraftstoffe zu Unsicherheiten bei Pro-
duzenten und Verbrauchern führen kann; somit ist die
Preisstabilität des Produktes – hier: Biodiesel – nicht
langfristig gewährleistet! Hier sollte nicht so sehr auf die
Entwicklungen am Rohölmarkt und die Preise für Bio-
masse und Kraftstoffe abgestellt werden, sondern den
land- und forstwirtschaftlichen Produzenten eine langfris-
tige Absatzmöglichkeit für ihre Produkte zu einem ver-
nünftigen Preis ermöglicht werden.
Diese Gesetzesänderung möchte ich zum Anlass neh-
men, Ihnen die ökologischen Errungenschaften in der
Mineralölsteuergesetzgebung der unionsgeführten Bun-
desregierungen vor Augen zu führen. Ich weiß, dass Sie,
liebe Damen und Herren der Noch-Bundesregierung,
nicht gerne hören, dass wir uns schon vor sehr langer Zeit
für den Einsatz von biogenen Treibstoffen stark gemacht
haben und dass die Steuerbefreiung von Biodiesel und
Biogas auf Initiative der Regierung Kohl zustande ge-
kommen ist. Wir haben uns schon 1992 dafür stark
gemacht, dass die Steuerbefreiung für Biodiesel bei der
europäischen Harmonisierung einen garantierten Be-
standsschutz erhält, der bis heute gilt. Mittlerweile ist die
Ausrichtung der EU-Kommission ja eine andere: Sie ist
auch für eine Verlängerung der Nichtbesteuerung.
Somit steht die von uns zu beschließende Steuerbefrei-
ung im Einklang mit den gegenwärtig von Europäischem
Parlament und EU-Ministerrat beratenen Vorschlägen für
Richtlinien bezüglich der Förderung der Verwendung von
Biokraftstoffen sowie zur Möglichkeit, Biokraftstoffe und
Biokraftstoffe enthaltende Mineralöle von der Steuer aus-
zunehmen. Auch in den EU-Staaten Frankreich, Großbri-
tannien, Schweden, Italien und Spanien werden Biokraft-
stoffe gefördert.
Lassen Sie mich, des vielen Lobes genug, einige kri-
tische Anmerkungen zum Ablauf, wie dieser Gesetzent-
wurf zustande gekommen ist, und zu einigen Details im
Text machen:
Erstens. Die Hektik, in der der Entwurf vorgelegt und
durch die Ausschüsse gepeitscht worden ist, ist sympto-
matisch für die Regierungskoalition. Wenn sich SPD und
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Grüne nicht grün sind, ob sie das eine wollen, ohne das
andere zu lassen, so sollten sie dies doch gefälligst vor
Einbringung eines Gesetzentwurfes tun. Das ständige
Nachbessern während der Beratungen und kurzfristig
über Nacht nervt!
Zweitens. Mit der Verknüpfung der Änderung des
Mineralölsteuergesetzes mit der Änderung des Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes sollte die Dauer einer Subven-
tionierung von Solarstrom mit der Einspeisevergütung
verlängert werden. Dies ruft bei mir große Bedenken per-
sönlicher Art hervor: Was hat das EEG, dessen Leistung
in der Begründung mit Lob überhäuft wird, im Mine-
ralölsteuergesetz zu suchen? Da stellt sich doch die Frage,
ob der Wirtschaftsausschuss bei der Beratung hier nicht
hätte eingebunden werden müssen. Abgesehen davon ist
aus technischer Sicht die Erhöhung der Deckelung der
Einspeiseleistung auf 1 000 MW sinnvoll und notwendig;
da ich jedoch das EEG als solches schon nicht mitgetra-
gen habe, kann ich persönlich auch dieser Änderung nicht
zustimmen.
Drittens. Sehr positiv ist die nun eingeführte Formulie-
rung, dass Steuerregelsätze auf jede beliebige Mischung
von Treibstoff entsprechend dem enthaltenen Anteil aus
Biokraftstoff angewendet werden und somit sowohl reine
als auch Biokraftstoffe in Mischungen steuerbefreit sind.
Für den Praktiker stellt sich hierbei jedoch wieder das
Problem der Umsetzung der von uns beschlossenen Re-
gelungen. Fragen, wie die der Anteilsermittlung von bio-
genen Teilen einer Mischung oder die einer Steuerrück-
erstattung, bleiben erst mal unbeantwortet, was man unter
dem Credo, man wolle alle Biokraftstoffe steuerfrei stel-
len, fürs Erste tolerieren kann.
Nun aber genug der Detailkritik! Kleine Scharten müs-
sen noch ausgewetzt werden; diese sind eben das Resultat
der oben angegebenen Gesetzgebungshektik von Rot-
Grün. Aber dafür habe ich ein gewisses Maß an Verständ-
nis; gleichzeitig teile ich jedoch die Kritik derjenigen, die
die Erwartung mitbrachten, dass mit diesem Ge-
setzentwurf auch viele ungelöste Probleme bei der prakti-
schen Ausgestaltung des Mineralölsteuergesetzes geregelt
werden könnten und nun enttäuscht worden sind.
Alles in allem bin ich froh, dass wir in dieser Sache
eine gemeinsame und vernünftige Lösung insbesondere
für unsere Bauern gefunden haben und dass wir – anders
als beim Nitrofen-Skandal – hier sachlich und fachlich
vortrefflich gestritten haben. Die Zielrichtung war hierbei
für alle klar: Schonung unserer Ressourcen und Schaffung
neuer Arbeitsplätze im ländlichen Raum.
Ich wünschen Ihnen allen ein schönes Wochenende
und freue mich auf ein Wiedersehen in der nächsten Sit-
zungswoche hier in Berlin. Ich hoffe, dass wir dann hier
wieder gemeinsam gute Gesetze für unsere Menschen und
unser Land beschließen werden. Der Streit und die poli-
tische Auseinandersetzung sollte bei so wichtigen The-
men nicht parteipolitisch überzogen werden, denn die
Wahlkampftaktik und die -hektik haben noch selten ein
Gesetz hervorgebracht, das langfristigen Bestand gehabt
und Nutzen gebracht hätte.
Ideologisches Vorführen, gerade in der Landwirt-
schaftspolitik, dient niemandem, schon gar nicht unseren
Bauern!
Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die heutige Novellierung des Mineralölsteuergesetzes ist
ein wichtiger Beitrag zur von uns eingeleiteten Energie-
wende! Drei wichtige Weichenstellungen sorgen für einen
weiteren Schritt in Richtung klimaschonender und zu-
kunftsfähiger Energiepolitik:
Erstens. Mit der befristeten Steuerbefreiung für hoch
effiziente Gaskraftwerke wird Gas in der Stromerzeugung
endlich – zumindest teilweise – gleich behandelt mit
Kohle und Kernkraft. Damit geben wir ein klares Investi-
tionssignal: Wer in Deutschland moderne Gaskraftwerke
baut, ist willkommen. Aus ökonomischen und aus ökolo-
gischen Gründen müssen wir unsere knappen Energieres-
sourcen effizient nutzen. Moderne GuD-Kraftwerke sind
dabei ein wichtiges Element. Bei Bau und Entwicklung
dieser hochmodernen Technologie muss Deutschland
weltweit eine führende Rolle spielen. Nur dann eröffnen
sich auch auf den internationalen Märkten neue Chancen.
Dafür stellen wir mit dieser Regelung die richtigen Wei-
chen.
Durch die Begrenzung der Steuerbefreiung auf sehr
hohe Wirkungsgrade schaffen wir den nötigen Anreiz für
besonders anspruchsvolle und innovative Kraftwerke.
Die Befristung stellt klar, dass es um eine Anschubhilfe,
nicht um Dauersubventionen geht. Einige Investoren aus
dem In- und Ausland stehen bereits in den Startlöchern.
Wir hoffen sehr, dass nun der Weg frei ist für die geplan-
ten Pionierprojekte. Sie stehen auch für die Attraktivität
des Standortes Deutschland. Die Schaffung neuer Arbeits-
plätze durch Spitzentechnologie für den Klimaschutz sind
ein Markenzeichen für diese Koalition. Wir begrüßen da-
her dieses positive Signal für die Modernisierung in
Deutschland und für den Klimaschutz.
Zweitens. Wir befreien außerdem mit diesem Gesetz
alle biogenen Treibstoffe von der Mineralölsteuer. Die be-
stehende Steuerfreiheit für Pflanzenöle und Biodiesel wird
auf alle anderen Biokraftstoffe ausgedehnt. Auch dies ist
ein Signal für moderne Technologien und Kraftstoffe ei-
nerseits, für Klima- und Umweltschutz andererseits. Treib-
stoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erhalten dadurch
eine echte Marktchance. Der Ausstoß klimaschädlicher
Gase kann gesenkt werden. Die Abhängigkeit vom Erdöl
wird verringert, die Entwicklung neuer Antriebstechnolo-
gie erleichtert. Biologische Reststoffe aus Land- und
Forstwirtschaft können sinnvoll erwartet werden.
Die Landwirte erhalten eine neue Einkommensquelle
und können einen Teil ihres Geldes mit erneuerbaren
Energien verdienen – wie schon durch das EEG. So kann
der Landwirt auch zum Energiewirt werden. Rot-Grün
schafft damit neue Perspektiven für eine zukunftsorien-
tierte Landwirtschaft. Energie- und Agrarwende gehen
gemeinsam auf dem Weg der Nachhaltigkeit.
Drittens. Ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen der
Energiewende ist die Anhebung des Deckels bei der Pho-
tovoltaikförderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz von
350 auf 1 000 Megawatt. Damit wird die Zurückhaltung
der Investoren, die sich zuletzt gezeigt hatte, beseitigt. Mit
der Erweiterung des Deckels schaffen wir die Vorausset-
zungen für den weiteren Ausbau der Photovoltaikproduk-
tion in Deutschland. Es existiert nun eine klare Zukunfts-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224124
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perspektive über 2004 hinaus: Weitere Produktionsstätten
in Deutschland können errichtet, Kostensenkungen reali-
siert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die För-
derung der Photovoltaik kann ungebremst weitergehen.
Die beispiellose Erfolgsstory des EEG wird fortgeschrie-
ben.
Dies ist gut für den Standort Deutschland, gut für die In-
novationsfähigkeit in unserem Land und gut für den Kli-
maschutz, übrigens gegen den Willen von Union und
FDP – ein deutlicher Fingerzeig für Ihren Umgang mit
Zukunftstechnologien. Die Modernisierung des Standor-
tes und der Klimaschutz verkommt bei Ihnen zur bloßen
Phrase! Der heutige Tag ist ein guter Tag für den Klima-
schutz. Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag zur
Energiewende von Rot-Grün! Sie hat heute ihren
Feinschliff bekommen und muss in den nächsten Jahren
energisch verteidigt und weitergeführt werden. Wir sind
dazu bereit.
Gerhard Schüßler (FDP): Mit dem vorliegenden Ge-
setz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes setzt sich
eine lange Reihe handwerklich schlecht gemachter und in
keiner Weise zu Ende gedachter Gesetzentwürfe der rot-
grünen Koalition fort. Wieder einmal wird ein Gesetzent-
wurf kurzfristig mit Änderungsanträgen überschwemmt,
die wenig durchdacht und mit der betroffenen Wirtschaft
nicht zufriedenstellend abgestimmt worden sind.
Die Folgen der vorgesehenen Steuerbefreiung für Bio-
kraftstoffe sind in keiner Weise absehbar. Unter umwelt-
politischen Aspekten ist die Förderung von Biokraftstof-
fen überhaupt stark umstritten. Das hat insbesondere dies
Anhörung des Finanzausschusses ergeben. Unter fiskali-
schen Gesichtspunkten droht ein Desaster. Ernst zu neh-
mende Sachverständige sprechen von einem neuen Dau-
ersubventionstatbestand, da eine Wettbewerbsfähigkeit
von Biokraftstoffen nicht absehbar ist.
All diese Aspekte sind der Koalition bekannt. Selbst
Bundesfinanzminister Hans Eichel hat vor neuen Sub-
ventionen und den nicht absehbaren Folgen gewarnt. Es
steht zu vermuten, dass hier so eine Art grüner Akzent vor
der Bundestagswahl gesetzt werden soll. Anders ausge-
drückt: Die Grünen, von denen ohnehin niemand mehr
spricht, wollen im Wahlkampf auf sich aufmerksam ma-
chen. Die SPD ist zu diesem Zweck bereit, Subventionen
in Milliardenhöhe zu verteilen.
Die FDP wird hier nicht mitmachen. Es ist unverant-
wortlich, einen Wirtschaftszweig zu fördern, ohne die fi-
nanziellen Auswirkungen auch nur annähernd zu kennen.
Dr. Barbara Höll (PDS): Die PDS begrüßt grundsätz-
lich die im Gesetzentwurf beabsichtigten Änderungen des
Mineralölsteuergesetzes. Doch stellt sich uns schon die
Frage, warum die Bundesregierung mehrere Jahre ge-
braucht hat, um die Notwendigkeit dieser Änderungen
einzusehen und dies umzusetzen. Ich kann mich des Ein-
drucks nicht erwehren, dass es mehr oder weniger darum
geht, den Steuererhöhungen der vergangenen Jahre noch
ein ökologisches Mäntelchen umzuhängen; denn mehr als
ein „Mäntelchen“ ist es ja wohl nicht.
Inzwischen ist es eine Binsenweisheit, dass die ökolo-
gischen Lenkungswirkungen der Mineralöl- und Strom-
steuererhöhungen gegen null tendieren, allein schon des-
halb, weil diese Bundesregierung die Alternativen zum
Individualverkehr – Busse und Bahn, hier insbesondere
den Verkehr in die Fläche – systematisch abbaut bzw. für
dessen Verteuerung maßgeblich verantwortlich ist. Nicht
zuletzt die massiven Steuerausfälle aufgrund der Unter-
nehmensteuerreform zwingen zahlreiche Kommunen zu
enormen Einsparungen auch in diesem Bereich und somit
zur Verteuerung oder Einstellung des Personennahver-
kehrs. Nach wie vor wird der Personenverkehr auf der
Schiene mit 16 Prozent Umsatzsteuer belastet. Die Netto-
belastung des öffentlichen Personennahverkehrs mit der so
genannten Ökosteuer beträgt in 2002 rund 57 Millionen
Euro. In 2003 wird sie auf 77 Millionen Euro steigen.
Die ökologischen Lenkungswirkungen tendieren aber
vor allem deshalb gegen null, weil die so genannte Öko-
steuer eben nicht an der Wurzel, am Primärenergieträger,
angreift, sondern an einem Endprodukt der Energieum-
wandlung dem Strom. Dadurch bleiben die entscheiden-
den Einsparpotenziale, die nicht bei den privaten Haus-
halten, sondern im Prozess der Energieumwandlung
liegen, unausgeschöpft. Solange diese wesentlichen
Strukturfehler der so genannten Ökosteuer nicht beseitigt
werden, verdient sie ihren Namen nicht bzw. handelt es
sich hierbei lediglich um eine Steuererhöhung, deren aus-
schließlicher Zweck die Finanzierung des Bundeshaus-
halts ist.
Und so stellt auch dieser Gesetzentwurf lediglich ein
Herumdoktern an den Symptomen einer schon in den An-
sätzen verfehlten Finanz- und Umweltpolitik dar. Doch
selbst dieses Herumdoktern offenbart nur, wie wenig ernst
es der Regierung und der Koalition mit dem Umwelt-
schutz ist. So sollte ursprünglich die Mineralölsteuerbe-
freiung für Gas- und Dieselkraftwerke mit einem elektri-
schen Wirkungsgrad von 57,5 Prozent nur unter der
Bedingung gewährt werden, dass die dauerhafte Stromer-
zeugung binnen einer Frist von nur zwei Jahren und drei
Monaten aufgenommen wird. Diese Frist hätte im Ergeb-
nis bedeutet, dass die Steuerbefreiung lediglich für ein
einziges, in Mecklenburg-Vorpommern zu bauendes
Kraftwerk zur Anwendung gekommen wäre, da hier ein
hinreichend großer Planungsvorlauf vorhanden war. Zu-
dem bestand die hohe Wahrscheinlichkeit – da es sich
eben nur um eine Ausnahme handelt –, dass auch diese
dem EU- Wettbewerbsrecht zum Opfer gefallen wäre. In-
zwischen wurde die Frist zwar auf drei Jahre und drei Mo-
nate erhöht, doch zugleich wurde die bisherige Verord-
nungsermächtigung erweitert. Statt einer gesetzlichen
Regelung wird das Bundesministerium für Finanzen im
Einvernehmen mit dem Wirtschafts- und Umweltministe-
rium ermächtigt, das Verfahren zu bestimmen, mit dem
der elektrische Wirkungsgrad ermittelt werden soll, und
festzulegen, für welchen Zeitraum dieser Wirkungsgrad
nachzuweisen ist. Abgesehen davon, dass dem Finanz-
ministerium kein Termin gesetzt wird, bis zu welchem
dieser Abstimmungsprozess zu Ende zu bringen ist, stelle
ich mir die Frage, welcher Investor aufgrund einer solch
unsicheren Rechtslage – einer Rechtslage, die nicht durch
das Gesetz, sondern durch die widerstreitenden Interessen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24125
(C)
(D)
(A)
(B)
von drei Ministerien bestimmt wird – zu milliarden-
schweren Investitionen veranlasst werden soll.
Auch die anderen Änderungsanträge zum vorliegen-
den Gesetzentwurf sind wohl mehr vom ökologischen
Schein denn vom Sein durchdrungen. Zweifellos sind
Steuerleichterungen für Biokraftstoffe ökologisch und
volkswirtschaftlich sinnvoll. Aber warum muss es gleich
eine vollständige und undifferenzierte Steuerbefreiung
sein? Mit dieser Steuerbefreiung werden Biokraftstoffe
gefördert, völlig unabhängig davon, ob sie aus der kon-
ventionellen Intensiv-Landwirtschaft stammen oder aus
extensiv angebauter Biomasse hergestellt werden. Ist es
denn wirklich ein Akt des Umweltschutzes, wenn der
Schutz der Atmosphäre durch Schädigung von Böden und
Wasser ersetzt wird? Dies wird nämlich mit Sicherheit
eine Folge dieser undifferenzierten Steuerbefreiung sein.
Abgesehen davon wird auch diese Steuerbefreiung
Biotreibstoffen nicht zum Durchbruch verhelfen. Die Au-
toindustrie müsste für deren massenhaften Einsatz die
Motoren völlig überarbeiten, da es Probleme mit Dich-
tungen und Einspritzpumpen gibt, da bei Biodiesel-Ein-
satz die Emissions- und Verbrauchswerte der Motoren
steigen. Sie scheut aber diese Kosten, weil sie sich auf
völlig neue Antriebstechnologien – Wasserstoff – konzen-
triert. Bestenfalls die geringfügige Beimischung zu kon-
ventionellem Diesel erscheint als sinnvoller Zwischen-
schritt. Das ist auch ökologisch sinnvoll, da im Biodiesel
enthaltenes Lachgas nachweislich die Ozonschicht schä-
digt und der Ausdehnung beispielsweise des Rapsanbaus
wegen Einhaltung von Fruchtfolgen und des mit ihm ver-
bundenen Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatzes
Grenzen gezogen werden müssen.
Die PDS hat zwar Zweifel, ob der Gesetzentwurf
tatsächlich Wirkungen zeigen wird. Wir denken aber, dass
es einen Versuch wert sein sollte. Deshalb stimmen wir
dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.
Anlage 9
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 776. Sitzung am 31. Mai
2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
Grundgesetz nicht zu stellen:
– Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die
Landwirtschaftliche Rentenbank
– Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes
Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz)
– Gesetz zur Modernisierung der Besoldungsstruktur (Be-
soldungsstrukturgesetz – BesStruktG)
– Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europä-
ischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen
Landbaus (Öko-Landbaugesetz – ÖLG)
– Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Euro-
päischen Gemeinschaft über gemeinschaftliche Informa-
tions-undAbsatzförderungsmaßnahmenfürAgrarerzeug-
nisse (Agrarabsatzförderungsdurchführungsgesetz –
AgrarAbsFDG)
– Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den
Auswärtigen Dienst (GAD)
– Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Be-
schäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
– Zweites Gesetz zur Änderung des Mutterschutz-
rechts
– Gesetz zurÄnderung des Grundstoffüberwachungs-
gesetzes
– Gesetz zur Änderung des Grundheitsstrukturge-
setzes
– Achtes Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes
– Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im
Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung men-
schenlicher embryonaler Stammzellen (Stammzell-
gesetz – StZG)
– Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Deutsche Geis-
teswissenschaftliche Institute im Ausland, Bonn
– Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrecht-
licher Vorschriften
– Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts
– Gesetz zur Ausführung des Römischen Statuts des
internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998
– Gesetz über die Entsorgung von Altfahrzeugen (Alt-
fahrzeug-Gesetz – AltfahrzeugG)
– Gesetz zur Änderung des Umweltauditgesetzes
– Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immis-
sionsschutzgesetzes
– Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungs-
gesetzes (PBefG)
– Erstes Gesetz zur Änderung des Regionalisierungs-
gesetzes
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 2. Februar
1998 über die Vorrechte und Befreiungen der Kom-
mission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee
– Gesetz zu dem Abkommen vom 10. März 2000 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und derRe-
publik Korea zur Vermeidung der Doppel-
besteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen
– Gesetz zu dem Vertrag vom 19. September 2000
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Tschechischen Republik über die gegenseitige Hil-
feleistung bei Katastrophen und schweren Un-
glücksfällen
– Gesetz zu der Änderung des Abkommens vom
4. Dezember 1991 zur Erhaltung der Fledermäuse
in Europa
– Gesetz zu dem Abkommen vom 21. November 2000
zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und derRegierung derRepublik Polen
über den Bau und die Erhaltung von Grenzbrücken
im nachgeordneten Straßennetz
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(C)
(D)
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(B)
– Gesetz zu dem Vertrag vom 12. September 2000
zwischen der Bundesrepbulik Deutschland und der
Tschechischen Republik über den Zusammen-
schluss der deutschen Autobahn A17 und der tsche-
chischen Autobahn D 8 an der gemeinsamen Staats-
grenze durch Errichtung einer Grenzbrücke
– Gesetz zu dem Abkommen vom 10. November 2000
zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Französischen
Republik über die Zusammenarbeit bei der Wahr-
nehmung schifffahrtspolizeilicher Aufgaben auf
dem deutsch-französischen Rheinabschnitt
– Gesetz zu dem Abkommen vom 12. Juni 2001 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Französischen Repu-
blik über den Bau und die Erhaltung von
Grenzbrücken über den Rhein, die nicht in der
Baulast der Vertragsparteien liegen
– Gesetz zu dem Zusatzprotokoll Nr. 6 vom 21. Okto-
ber 1999 zu der Revidierten Rheinschifffahrtsakte
vom 17. Oktober 1868
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm der Bundes-
regierung
Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesell-
schaft des 21. Jahrhunderts
– Drucksache 14/8456 –
Ausschuss für Gesundheit
– Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56 a der Ge-
schäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: Monitoring „Xenotransplantation“
– Drucksache 14/3144 –
– Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56 a der Ge-
schäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: Monitoring „Stand und Perspektiven der geneti-
schen Diagnostik“
– Drucksache 14/4656 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Zweiter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen
mit dem Gentechnikgesetz
– Drucksache 14/6763 –
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Dritter Bericht über die Armutsbekämpfung in der Drit-
ten Welt durch Hilfe zur Selbsthilfe
– Drucksache 14/6269 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Elfter Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregie-
rung
– Drucksache 14/6496 –
Ausschuss für die Angelegenheiten derEuropäischen Union
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur
Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europä-
ischen Parlaments 2001
– Drucksachen 14/8210, 14/8321 Nr. 1.2 –
Ausschuss für Kultur und Medien
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur-
politik 2000
– Drucksache 14/6825 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Rechtsausschuss
Drucksache 14/4170 Nr. 1.8
Drucksache 14/5363 Nr. 2.1
Drucksache 14/5610 Nr. 1.13
Drucksache 14/5836 Nr. 2.12
Drucksache 14/6508 Nr. 2.21
Drucksache 14/7129 Nr. 1.1
Drucksache 14/7129 Nr. 2.1
Drucksache 14/7129 Nr. 2.27
Drucksache 14/7883 Nr. 2.2
Drucksache 14/7883 Nr. 2.8
Drucksache 14/8339 Nr. 2.46
Drucksache 14/8562 Nr. 2.13
Haushaltsausschuss
Drucksache 14/8562 Nr. 2.17
Ausschuss fürWirtschaft und
Technologie
Drucksache 14/7000 Nr. 2.56
Drucksache 14/7883 Nr. 2.12
Drucksache 14/8339 Nr. 2.46
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 14/8832 Nr. 1.3
Drucksache 14/8832 Nr. 2.22
Drucksache 14/8940 Nr. 2.19
Drucksache 14/8940 Nr. 2.20
Drucksache 14/8940 Nr. 2.21
Drucksache 14/8940 Nr. 2.22
Drucksache 14/8940 Nr. 2.23
Drucksache 14/8940 Nr. 2.35
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 14/7129 Nr. 2.2
Drucksache 14/7409 Nr. 2.5
Drucksache 14/7883 Nr. 2.9
Ausschuss für Verkehr, Bau und
Wohnungswesen
Drucksache 14/7000 Nr. 2.30
Drucksache 14/7409 Nr. 2.3
Drucksache 14/7708 Nr. 2.4
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 2002 24127
(C)
(D)
(A)
(B)
Drucksache 14/7708 Nr. 2.11
Drucksache 14/7708 Nr. 2.15
Drucksache 14/7883 Nr. 2.11
Drucksache 14/8339 Nr. 2.9
Drucksache 14/8428 Nr. 2.27
Drucksache 14/8428 Nr. 2.28
Drucksache 14/8428 Nr. 2.46
Drucksache 14/8562 Nr. 2.38
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/8832 Nr. 2.14
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 14/8691 Nr. 2.2
Drucksache 14/8832 Nr. 1.5
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/7522 Nr. 1.1
Drucksache 14/7883 Nr. 1.2
Drucksache 14/8081 Nr. 2.13
Drucksache 14/8179 Nr. 1.11
Drucksache 14/8179 Nr. 2.23
Drucksache 14/8339 Nr. 1.1
Drucksache 14/8339 Nr. 1.2
Drucksache 14/8339 Nr. 1.4
Drucksache 14/8339 Nr. 1.5
Drucksache 14/8339 Nr. 2.12
Drucksache 14/8339 Nr. 2.29
Drucksache 14/8339 Nr. 2.52
Drucksache 14/8562 Nr. 2.2
Drucksache 14/8562 Nr. 2.12
Drucksache 14/8562 Nr. 2.18
Drucksache 14/8562 Nr. 2.19
Drucksache 14/8562 Nr. 2.26
Drucksache 14/8562 Nr. 2.29
Drucksache 14/8562 Nr. 2.31
Drucksache 14/8562 Nr. 2.33
Drucksache 14/8691 Nr. 1.2
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juni 200224128
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Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin