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  • tocInhaltsverzeichnis
    Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 20033 A Begrüßung des Vizepräsidenten des spani- schen Abgeordnetenhauses, Herrn Lopez, und seiner Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20038 C Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksachen 14/6800, 14/7537) . . . . 20033 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Drucksachen 14/6801, 14/7324, 14/7538) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20033 B 16. Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 14/7304, 14/7321) . . . . . . . 20033 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20033 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 20038 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 20048 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20053 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . . . . . . 20055 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 20057 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20057 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20060 A Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20064 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20073 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 20076 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20078 C Klaus Hagemann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20080 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20081 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20083 D Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20085 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20087 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20088 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20089 C 17. Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 14/7305, 14/7321) . . . . . . . 20092 A Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 20092 A Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20094 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 20098 B Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20099 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20099 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20102 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 20104 D Volkmar Schultz (Köln) SPD . . . . . . . . . . . . . 20106 D Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . . 20108 A Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 20110 A Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20113 C Plenarprotokoll 14/204 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 204. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 I n h a l t : Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20116 D Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20117 B Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 20118 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 20119 A Dr. Elke Leonhard SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20120 C Steffen Kampeter CDU/CSU (zur GO) . . . . . 20121 C 18. Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 14/7313, 14/7321) . . . . . . . 20121 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 20122 A Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20124 D Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . . 20127 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20128 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20131 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20131 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20132 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20133 B Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20134 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 20137 A Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20142 B Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . . . . 20142 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20143 D Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20144 D Manfred Opel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20145 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20147 B Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . 20149 A, B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20149 D, 20152 C 19. Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 14/7317, 14/7321) . . . . . . . 20154 B Michael von Schmude CDU/CSU . . . . . . . . . 20154 D Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20156 C Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . . 20159 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20160 C Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20162 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20163 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . 20166 C 28. Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 14/7315, 14/7321) . . . . . . . 20168 B Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20168 C Waltraud Lehn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20170 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20173 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20175 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . 20176 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . 20177 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20178 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 20180 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20182 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20185 A Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20187 B Christoph Matschie SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 20189 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20192 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20193 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 Vizepräsidentin Anke Fuchs 20192 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 20193 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Gila DIE GRÜNEN Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 28.11.2001 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 DIE GRÜNEN Follak, Iris SPD 28.11.2001 Frick, Gisela FDP 28.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 28.11.2001 Peter Girisch, Georg CDU/CSU 28.11.2001 Hauer, Nina SPD 28.11.2001 Heiderich, Helmut CDU/CSU 28.11.2001 Hornung, Siegfried CDU/CSU 28.11.2001 Jünger, Sabine PDS 28.11.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 28.11.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 28.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 28.11.2001 Müller (Berlin), PDS 28.11.2001* Manfred Nahles, Andrea SPD 28.11.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 28.11.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 28.11.2001 Schenk, Christina PDS 28.11.2001 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 28.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 28.11.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 28.11.2001 Reinhard Dr. Freiherr von CDU/CSU 28.11.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 28.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 28.11.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 28.11.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Margareta DIE GRÜNEN Dr. Zöpel, Christoph SPD 28.11.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Guido Westerwelle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundes-
    kanzler, Sie haben eine Stunde gesprochen. Es war eine
    Stunde Defensive.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben eine Stunde lang erzählt, warum alles nicht
    so schlimm ist. Sie haben berichtet, welche Schwierig-
    keiten es gibt. Sie haben die Opposition kritisiert. Aber
    Sie haben keinen Ton dazu gesagt, was Sie im nächsten

    Jahr mit dem Haushalt machen wollen, den wir hier
    beschließen, um die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu
    senken.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben auf die Zwischenrufe reagiert, mit zum Teil,
    wie ich finde, bemerkenswerten Formulierungen für ei-
    nen deutschen Bundeskanzler. Einem Zwischenrufer wer-
    fen Sie vor, er habe ein Brett vor dem Kopf. Das alles zeigt
    in Wahrheit nur: Bei Ihnen liegen die Nerven blank.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


    Jetzt nämlich passiert Folgendes: Sie werden an dem ge-
    messen, was Sie 1998 gesagt haben. Sie haben am
    21. September 1998, eine Woche vor der Bundestagswahl,
    in einem „Spiegel“-Interview wörtlich erklärt:

    Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosenquote
    signifikant zu senken, dann haben wir es weder ver-
    dient, wieder gewählt zu werden, noch werden wir
    wieder gewählt.

    Sie könnten Recht behalten, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben am 10. November 1998 in Ihrer Regierungs-

    erklärung gesagt:
    Die Bundesregierung ist sich völlig im Klaren darü-
    ber, dass sie ihre Wahl wesentlich der Erwartung ver-
    dankt, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrängen
    zu können.

    Wieder wörtlich Bundeskanzler Gerhard Schröder in sei-
    ner ersten Regierungserklärung hier im Hause:

    Wir wollen uns jederzeit – nicht erst in vier Jahren –
    daran messen lassen, in welchem Maße wir zur
    Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen.

    Herr Bundeskanzler, werfen Sie der Opposition nicht vor,
    dass wir Sie an Ihren Worten hier und heute tatsächlich
    messen werden.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Zahlen sprechen nun einmal eine eindeutige Spra-
    che. Die Bundesregierung hat gestern – Herr Finanz-
    minister Eichel hat es zum ersten Mal getan – davon ge-
    sprochen, dass demnächst möglicherweise 4,3 Millionen
    Menschen in Deutschland arbeitslos sind. Die Wirt-
    schaftsentwicklung in Europa ist ein einziges Desaster,
    vor allen Dingen weil die Wirtschaftsentwicklung in
    Deutschland so schlecht ist und Deutschland nicht mehr
    die Lokomotive der europäischen Volkswirtschaft ist.


    (Joachim Poß [SPD]: Wir waren es nie!)

    Wir haben eben eine Delegation von Parlamentariern aus
    Spanien begrüßt. Dort liegt das Wirtschaftswachstum bei
    2,4 Prozent. In Irland liegt das Wirtschaftswachstum so-
    gar bei 7 Prozent, in Griechenland bei 3,6 Prozent, in
    Großbritannien bei 2,3 Prozent, in Frankreich bei 2,0 Pro-




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    20048


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    zent, in Österreich bei 1,3 Prozent und in Deutschland bei
    0,8 Prozent.


    (Joachim Poß [SPD]: In welcher Welt leben Sie denn eigentlich? Was ist mit Liechtenstein und Andorra? Sagen Sie dazu etwas!)


    Es gab zwar auch früher Zeiten schlechten nationalen
    Wirtschaftswachstums. Aber Sie haben es geschafft, dass
    Deutschland, das früher wenigstens an der Spitze lag,
    wenn es international schlecht lief, mittlerweile beim
    Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz in Europa ab-
    gerutscht ist.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ein Bundeskanzler, der sich in dieser Debatte mit der Re-
    zession auseinander setzen muss, muss uns sagen, was er
    machen will, und nicht, was er machen könnte, wollte und
    gerne hätte. Herr Bundeskanzler, Sie sind zum Handeln
    gewählt, nicht zum Analysieren. Das ist Ihre Aufgabe.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Gelegentlich verweisen Sie auf die wirtschaftliche

    Lage in anderen Ländern. Das haben Sie auch heute wie-
    der getan. Wir haben uns gemerkt, was Sie dazu gesagt ha-
    ben. Sie haben gesagt, dass in Deutschland nicht das ge-
    lingen könne, was andere Länder geschafft haben, weil
    die Wachstumsperspektiven wegen des Niveaus der dor-
    tigen Volkswirtschaften anders seien. An anderer Stelle
    haben Sie das Wort von der „gesättigten Volkswirtschaft“
    gewählt. Das sagt ausgerechnet der Mann, der im Sommer
    dieses Jahres eine Reise durch Ostdeutschland gemacht
    hat und dabei Regionen durchquert hat, in denen die
    Arbeitslosenquoten bei 20, 30 oder sogar 40 Prozent lie-
    gen. Wir sind keine gesättigte Volkswirtschaft, wie Ihnen
    ein einziger Blick auf das Desaster bei der wirtschaft-
    lichen Entwicklung in Ostdeutschland zeigen müsste,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch nur Polemik!)


    Des Weiteren haben Sie genauso wie Ihr Wirtschafts-
    minister wieder einmal wortreich erklärt, das mit dem
    Wirtschaftswachstum sei gar nicht so schlimm, wenn es
    nicht diese böse Bauwirtschaft gebe. Das ist auch eine
    interessante Analyse. Den Arbeitslosen ist es eigentlich
    relativ egal, welcher Grund in einem volkswirtschaftli-
    chen Seminar dafür angeführt wird, dass sie arbeitslos
    sind. Sie suchen einfach Arbeit. Ihre Erklärung, das mit
    dem Wirtschaftswachstum in Deutschland sei gar nicht so
    schlimm, wenn es nicht diese böse Bauwirtschaft gebe,
    erinnert mich an den Satz: Wenn wir keine Arbeitslosen-
    zahlen hätten, dann gäbe es eigentlich Vollbeschäftigung.


    (Heiterkeit bei der FDP)

    Sie drücken die Realität weg. Das, was Sie heute als „ru-
    hige Hand“ bezeichnen, nannte man früher – bei allem
    Respekt, Herr Altbundeskanzler – aussitzen. Dass das bei
    Ihnen schon nach drei Jahren losgeht, ist bemerkenswert,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP)

    Sie haben uns erklärt, dass es für die wirtschaftliche

    Lage in Deutschland internationale Gründe gebe. Das

    kann ja augenscheinlich nicht stimmen; denn im Zuge
    der Globalisierung in der Weltwirtschaft sind alle Länder
    in Europa gleichermaßen betroffen. Die Globalisierung
    und die schrecklichen Terroranschläge vom 11. Septem-
    ber können nicht als Begründung für eine verfehlte na-
    tionale Wirtschaftspolitik herhalten. Herr Bundeskanzler,
    wenn alle Länder in Europa beim Wirtschaftswachstum
    besser dastehen als Deutschland, dann ist das nicht das
    Ergebnis irgendeiner internationalen Entwicklung. Das
    zeigt vielmehr, dass Sie, Ihre Bundesregierung und Ihre
    Koalition mit den Herausforderungen der Weltwirtschaft
    schlechter zurechtkommen, als wir damit zurecht-
    kommen müssten. Wir reden also über Ihre verfehlte na-
    tionale Politik.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Herr Bundeskanzler, Sie tun so, als ob es nicht wichtig,
    nicht erheblich sei, wenn Frankreich ein Wachstum von
    2,0 Prozent und Österreich ein Wachstum von 1,3 Prozent
    – um nur zwei Nachbarländer zu nennen – vorzuweisen
    haben, als ob es sich dabei um Entwicklungs- oder
    Schwellenländer handele, die im Gegensatz zu Deutsch-
    land natürlich noch Wachstumsdynamik hätten. Nein, Sie
    haben einfach einen völlig falschen Ansatz in Ihrer Wirt-
    schaftspolitik gewählt. Das hängt übrigens damit zusam-
    men, dass es in Ihrer Koalition eine interessante Bünde-
    lung von Kräften gibt. In Ihrer Koalition kommt nämlich
    Folgendes zusammen: Die SPD-Linke, die auf Staats-
    wirtschaft setzt, wird gewissermaßen noch durch die Grü-
    nen verstärkt, die ebenfalls auf Staatswirtschaft setzen.
    Das ist der entscheidende Punkt Ihrer Politik.


    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    – Ach, ihr Grünen, entschuldigt bitte, aber ich muss euch
    sagen: Eure Grundsätze passen wirklich in einen Finger-
    hut. Ihr solltet heute brav sein und schweigen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Auch Sie, Herr Bundeskanzler, der Sie sich in dieser

    Koalition so wohl fühlen, sollten – bei allem Respekt –
    besser schweigen. Ich habe in der letzten Woche ja auch
    genau gehört, dass Herr Kollege Struck lieber mit Frau
    Müller und Herrn Schlauch frühstücken möchte. Hat mich
    eigentlich jemand gefragt, ob ich schon morgens mit Ih-
    nen frühstücken möchte? Da kann ich mir Schöneres vor-
    stellen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch ständig auf der Schleimspur unterwegs!)


    Nachdem der Bundeskanzler die Grünen eine Woche
    lang hier im Deutschen Bundestag gepiesackt hatte, hat er
    sie eine Woche lang auf dem Parteitag der SPD gestrei-
    chelt. Herr Bundeskanzler, Sie können diesen grünen
    Frosch küssen oder ihn weiter gegen die Wand werfen, es
    wird nie ein Prinz daraus. Haken Sie diese Vorstellung ab,
    das wird nie passieren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Sie sind die Kröte! Lieber Frosch als Kröte!)





    Dr. Guido Westerwelle

    20049


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Nein, es ist der falsche Ansatz in der Wirtschaftspoli-
    tik, der übrigens in Ihren Ausführungen in bemerkens-
    werter Weise zum Ausdruck kommt. Sie haben die Oppo-
    sition aufgefordert – allein diese Frage zeugt von
    beträchtlicher Hilflosigkeit –, sie solle einmal sagen, was
    sie anders machen würde. Wir sagen es Ihnen gern: Wir
    möchten, dass die Steuerpolitik bereits zum 1. Januar
    nächsten Jahres korrigiert wird, damit es endlich einen
    Konjunkturimpuls gibt. Die Steuern müssen gesenkt
    und dürfen nicht wie bei der Ökosteuer, der Tabaksteuer
    und der Versicherungsteuer durchweg weiter erhöht
    werden. Die Behauptung, Steuersenkungspolitik reiße
    Haushaltslöcher, wird in allen unseren Nachbarländern
    widerlegt. Wer Steuern gesenkt hat, hat heute Haushalts-
    überschüsse.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unsere Nachbarn streiten sich darüber, wie die Über-
    schüsse verteilt werden sollen, während Sie den Mangel
    verwalten.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wie finanzieren sie es denn?)


    Dazu gibt es übrigens auch bemerkenswerte Vorgänge
    in der deutschen Geschichte.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Keine Ahnung und davon viel!)


    – Dass Sie, Herr Minister Eichel, von der Regierungsbank
    aus dem Redner zwischenrufen – das ist übrigens auch ein
    bemerkenswerter Vorgang –, zeigt, wie blank Ihre Nerven
    sind.


    (Peter Dreßen [SPD]: Ihre Nerven liegen blank!)


    Wir erleben hier einen „Blanke-Nerven-Hans“. Wenn ein
    Finanzminister sogar noch von der Regierungsbank Zwi-
    schenrufe an die Adresse des Redners richten muss, dann
    ist das ein interessanter Vorgang.

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-
    legen, an diesem Wochenende ist leider der frühere Bun-
    desfinanzminister Gerhard Stoltenberg verstorben. Er
    wird nach meiner Einschätzung zusammen mit Graf
    Lambsdorff in die Finanzgeschichte unseres Landes ein-
    gehen,


    (Werner Schulz [Leipzig] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Zweite wegen Steuerhinterziehung, nicht?)


    weil er wirklich einmal eine Steuersenkungsreform
    durchgesetzt hat. Ich lese Ihnen einmal vor, was tatsäch-
    lich gemacht wurde, um die Behauptung zu widerlegen,
    so etwas rechne sich nicht. Von Otto Graf Lambsdorff und
    Gerhard Stoltenberg sind in den Jahren 1986, 1988 und
    1990 die Steuern in einem Volumen gesenkt worden, in
    dessen Nähe Sie heute gar nicht kommen: um 10,9 Milli-
    arden DM, 13,7 Milliarden DM und 39 Milliarden DM.
    Gehen wir nun ganz kurz die Haushaltsentwicklung
    durch, die widerlegt, dass Steuersenkungen den Staat
    Geld kosteten: Die Gesamteinnahmen aus Steuern betru-
    gen 1986 452 Milliarden DM, 1987 468 Milliarden DM,
    1988 488 Milliarden DM, 1989 535 Milliarden DM, 1990
    567 Milliarden DM.

    In jedem Jahr sind die Steuereinnahmen des Staates
    durch die Steuersenkungspolitik gesteigert worden. Dies
    hat einen einfachen Grund: Sie müssen den Menschen
    wieder Lust auf Leistung machen, indem sie von dem,
    was sie sich hart erarbeitet haben, mehr übrig behalten.
    Dann hat der Staat auch wieder gesunde Finanzen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Den Zusammenhang verstehen die nie!)


    Das aber wollen Sie nicht wahrhaben.
    Sie haben hier regelmäßig auf die Sachverständigen

    Bezug genommen. Die Sachverständigen haben Ihnen
    nun weiß Gott andere Noten gegeben, als Sie uns hier
    glauben machen wollen. Sie haben Ihnen nämlich vorge-
    tragen, dass Sie gerade auf dem Arbeitsmarkt die Struk-
    turreformen nicht vorgenommen haben


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Wo ist Ihr Zettel, Herr Westerwelle?)


    und dass sie von Ihnen erwarten, dass Sie auf dem Ar-
    beitsmarkt strukturelle Maßnahmen ergreifen.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Jetzt ist der Zettel weg! Das ist aber schlecht!)


    Das haben Sie nicht getan. Deshalb möchte ich noch ein-
    mal wörtlich zitieren, was Ihnen der Sachverständigenrat
    aufgeschrieben hat:

    Ohne weitergehende Reformen der Arbeitsmarkts-
    ordnung wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt
    nicht nachhaltig bessern, gemessen am Flexibilisie-
    rungsbedarf des Arbeitsmarktes ist vonseiten der Po-
    litik auch in diesem Jahr zu wenig geschehen.

    Das sagt Ihnen der Sachverständigenrat, den Sie die ganze
    Zeit über in diese Debatte eingeführt haben. Wenn man
    diesen Bericht gelesen hat, so sind die Noten für Sie de-
    saströs und nicht gut, wie Sie uns hier glauben machen
    wollen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie haben sich bei der Arbeitslosigkeit verschätzt, Sie

    haben sich bei der Konjunktur verschätzt, Sie haben sich
    bei der Steuerschätzung vertan. Herr Bundeskanzler, die
    Prognosen Ihrer Regierung sind unzutreffend. Deshalb ist
    es notwendig, dass man sich kurz vor Augen führt, wie die
    anderen Volkswirtschaften und Gesellschaften auf die
    Herausforderungen nach dem 11. September reagiert ha-
    ben. Damit meine ich nicht den Bereich der inneren Si-
    cherheit und im Übrigen auch nicht die Reaktionen in der
    Außenpolitik – dazu werde ich noch etwas sagen –, son-
    dern die ökonomischen Maßnahmen, die aus meiner Sicht
    in diesem Zusammenhang angeführt werden müssen. Die
    Amerikaner haben unmittelbar nach dem 11. September
    genau registriert, dass die weltwirtschaftliche Situation
    sehr fragil ist. Obwohl sie ohnehin bei der Steuer- und Ab-
    gabenquote deutlich niedriger liegen, als wir es in
    Deutschland kennen, haben die Amerikaner die Steuern
    weiter gesenkt, und zwar gleich in der ersten Woche, in-
    dem der amerikanische Präsident zum Kongress ging und
    sich sofort zunächst einmal 40 Milliarden Dollar geneh-
    migen ließ. Das war die Antwort der Amerikaner. Sie ha-




    Dr. Guido Westerwelle
    20050


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    ben also nach dem 11. September zur Stabilisierung ihrer
    Konjunktur und des Mittelstandes zuallererst die Steuern
    gesenkt.

    Was war die erste Antwort der deutschen Bundesregie-
    rung? – Sie erhöhte die Tabaksteuer und die Versiche-
    rungsteuer. Sie wollten uns erzählen, dass mit der Öko-
    steuer die Rente gesichert werden solle. Ich halte diese
    Erkenntnis für bemerkenswert, zumal Sie gerade daran-
    gehen, sogar noch in die Schwankungsreserve bei den
    Renten einzugreifen. Ich stelle mir einmal vor, die alte Re-
    gierung wäre an die Schwankungsreserve so herangegan-
    gen, wie Sie das jetzt tun. Das hätte zu einem Aufstand auf
    der linken Seite dieses Hauses geführt, aber davon wollen
    Sie auch nichts mehr wissen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die von Ihnen eingeführte Ökosteuer sollte die Rente

    sichern. „Rasen für die Rente“ – das haben wir oft genug
    gesagt. Dann kam als zweite Antwort „Rauchen für die Si-
    cherheit“. Herr Bundesfinanzminister, in Anbetracht der
    Unterfinanzierung der Bundeswehr warte ich stündlich
    auf Ihren Vorschlag „Trinken für die Truppe“.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr gut! Rotweinsteuer!)


    Das kommt nämlich auch noch. Sie werden uns auch noch
    erzählen, warum wir diese Steuern erhöhen sollten. Sie
    werden damit in die Lage versetzt werden wollen, die
    Bundeswehr anständig auszustatten. Um es Ihnen klar
    zu sagen: Wenn man in einem Haushalt von 500 Milliar-
    den DM nicht einmal mehr in der Lage ist, 3 Milliarden
    DM für innere Sicherheit durch Umschichtung zu erwirt-
    schaften, dann gibt man seine Bankrotterklärung im Hin-
    blick auf die Finanzpolitik zu Protokoll.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Konkreten Vorschlag!)


    Nein, Sie haben in der Wirtschaftspolitik eine falsche
    Richtung eingeschlagen.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Dann sagen Sie einmal die richtige!)


    Das ist im Übrigen auch der Punkt, warum Sie meiner
    Einschätzung nach am Anfang kommenden Jahres Ihr
    Programm beschließen werden. Alles das, was die Oppo-
    sition von Ihnen verlangt – das werden Sie ja sehen –,
    werden Sie am Anfang des Jahres realisieren. Schon im
    Hinblick auf die Wahl und Ihren Wunsch, wiedergewählt
    zu werden, werden Sie den innenpolitischen Druck gar
    nicht aushalten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist das!)

    Sie werden bei den Steuern das tun, was Ihnen die Oppo-
    sition vorschlägt, wenn auch vielleicht nicht ganz so weit-
    gehend.


    (Susanne Kastner [SPD]: Bestimmt warten wir noch darauf!)


    Sie werden Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie vor-
    schlagen, die die FDP und die bürgerliche Opposition


    (Widerspruch bei der SPD)


    in diesem Hause immer wieder vorgeschlagen haben.
    Sie werden dem Bundestag auch im Hinblick auf den
    Arbeitsmarkt flexiblere Instrumente vorschlagen. Selbst
    wenn Sie all das umsetzen werden, wird das Problem
    sein, dass Sie es dann zu spät in Angriff nehmen wer-
    den. Sie werden es machen, weil Sie von dem Verlan-
    gen, wiedergewählt zu werden, getrieben werden, nicht
    aber aus innerer Überzeugung und mit dem Ziel, dass es
    diesem Land wieder besser geht. Deutschland hat eine
    bessere Regierung als die von Rot-Grün gestellte ver-
    dient. Das zeigt die Arbeitsmarktstatistik mehr als deut-
    lich.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Stichworte sind oft genug genannt worden. Es geht

    um die Abschaffung der 630-Mark-Arbeitsverhältnisse
    und die Ausweitung der betrieblichen funktionärischen
    Mitbestimmung auch noch auf die kleinen und kleinsten
    Betriebe. Das von Ihnen beschlossene Gesetz gegen die
    Scheinselbstständigkeit war doch nur ein Gesetz gegen
    Existenzgründung. Sie haben alle diese Maßnahmen be-
    schlossen.


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Dass Ihnen das nicht gefällt, wundert mich nicht.


    (Zuruf von der SPD: Sie gefallen uns nicht! – Heiterkeit bei der SPD)


    13 Prozent der Deutschen sind Mitglied einer Gewerk-
    schaft. 85 Prozent der SPD-Bundestagsfraktion sind Mit-
    glied einer Gewerkschaft. Daraus folgt meines Erachtens
    eine zu sehr ferngesteuerte Funktionärspolitik und keine
    Politik zum Wohle unseres ganzen Landes.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    Übrigens haben Sie immer noch nicht verstanden, dass
    die Interessen von Arbeitnehmern und die Interessen von
    bestimmten Gewerkschaftsfunktionären nicht überein-
    stimmen, wie, nebenbei bemerkt, auch die Interessen von
    vielen mittelständischen Betrieben beileibe nicht immer
    mit den Interessen von Arbeitgeberfunktionären überein-
    stimmen. Sie müssen sich weniger an den Verbänden ori-
    entieren, Sie müssen sich mehr an den Menschen orien-
    tieren. Lassen Sie den Menschen von dem, was sie sich
    hart erarbeitet haben, mehr und dann haben Sie auch bes-
    sere Staatsfinanzen. Es kann nämlich nur der Steuern zah-
    len, der Arbeit hat. Nichts kommt den Staat so teuer wie
    die Verwaltung von Arbeitslosigkeit und Sie machen im
    Augenblick nichts anderes als die Verwaltung von Ar-
    beitslosigkeit.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: So ein Quatsch!)


    Was die Bildungspolitik angeht, so stellt sich der Re-
    gierungschef hier hin und sagt – das ist schon ein atem-
    beraubender Kunstgriff gewesen; denn er hat früher ge-
    sagt, man wolle die Bildungsausgaben verdoppeln –: Das
    läuft alles gar nicht so schlecht.


    (Zuruf von der SPD: Das hat er nicht gesagt!)





    Dr. Guido Westerwelle

    20051


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Das ist übrigens nicht nur eine Frage der Finanzen, das ist
    vor allem, Herr Bundeskanzler, eine Frage der Strukturen.
    Wir haben zu viel Staatswirtschaft gerade im Bildungs-
    sektor. Heute lesen wir in den Zeitungen, dass die
    Landesregierung aus CDU und FDP in Baden-Württem-
    berg beschlossen hat, Initiativen zu ergreifen, damit die
    zentrale Vergabestelle für Studienplätze abgeschafft wird.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es ist die Aufgabe des Staates – das sollten Sie als SPD-
    Vorsitzender auch einmal den Landesregierungen, die von
    Ihnen geführt werden, vortragen –, dafür zu sorgen, dass
    ein junger Mensch einen Studienplatz bekommen kann.
    Für Chancengleichheit am Start zu sorgen ist die Aufgabe
    des Staates. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, für Er-
    gebnisgleichheit am Ziel zu sorgen. Wo jemand studiert,
    sollte nicht durch Studentenlandverschickung via ZVS
    entschieden werden.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ländersache!)

    Die Studenten sollten sich die Hochschule aussuchen dür-
    fen und die Hochschulen sollten sich ihre Studenten aus-
    suchen dürfen. Das brächte in der verkrusteten Bildungs-
    landschaft den Wettbewerb, den wir brauchen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie sagen immer, das sei Ländersache.

    (Hans Georg Wagner [SPD]: Natürlich ist es Ländersache!)

    So einfach darf man es sich nicht machen. Hier sitzen
    keine politischen Eunuchen, sondern hier sitzen Par-
    teivorsitzende, die in ihrer eigenen Partei auch einmal ei-
    nen Diskussionsprozess voranbringen müssen.

    Eine Bildungsministerin,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie heißt die denn?)

    die es in Wahrheit bis heute nicht geschafft hat, in der Bil-
    dungspolitik geistige Meinungsführerschaft zu überneh-
    men, eine Bildungsministerin, die zulässt, dass die Kul-
    tusminister zehn Jahre lang über die Rechtschreibreform
    diskutieren und sich auch jetzt noch erhebend damit be-
    schäftigen,


    (Lachen bei der SPD)

    eine solche Bildungsministerin hat die Zeichen der Zeit
    nicht verstanden. Wir brauchen weniger Kultusminister-
    konferenz. Das hätte Ihre Initialzündung sein müssen. Wir
    brauchen mehr Wettbewerb zwischen den Ländern. Wir
    brauchen eine neue Autonomie der Schulen, der Hoch-
    schulen und der berufsbildenden Einrichtungen. Das ist
    die Strukturantwort auf die wichtigsten Zukunftsfragen
    der Deutschen, nämlich Bildung, Wissenschaft, Ausbil-
    dung der jungen Generation. Wer daran spart, spart an der
    Zukunft, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Bei der Gesundheitsreform gab es wirklich die abso-

    lute Krönung. Da gab es eine Strukturreform im Gesund-

    heitswesen, zu der man diese oder jene Meinung haben
    kann. Aber dass Sie sich als Bundesregierung dann in Ge-
    sprächen mit den Verbänden Ihre Strukturreform mit ei-
    nem Scheck von 400 Millionen DM abkaufen lassen, ist
    wirklich ein Armutszeugnis für jemanden, der als Demo-
    krat eigentlich sagen sollte: Das Primat der Politik gilt in
    diesem Hause und auch draußen bei den Verbänden. Das
    überzeugt nicht.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: BakschischRepublik!)


    Die Bilanz, die Sie vorgetragen haben, war aus meiner
    Sicht wirklich von großer Nervosität geprägt.


    (Lachen bei der SPD – Dr. Peter Struck [SPD]: Wo waren Sie denn?)


    Außen hui und innen pfui war das, was Sie als Bilanz
    rechtfertigen konnten. Gerade im Hinblick auf die Afgha-
    nistan-Konferenz – à la bonne heure! – gibt es nichts zu
    kritisieren. Wir Freie Demokraten sagen ausdrücklich:
    Dass Sie diese Afghanistan-Konferenz nach Deutschland
    geholt haben, verdient unseren Respekt und unsere Aner-
    kennung.


    (Zuruf von der SPD: Der erste richtige Satz, den Sie sagen!)


    Außenpolitisch haben Sie doch in Wahrheit gar kein Pro-
    blem mit der Opposition. Außenpolitisch haben Sie ein
    Problem mit Ihrer eigenen Koalition. Das ist das eigentli-
    che Thema in diesem Hause, Herr Bundeskanzler und
    Herr Bundesaußenminister.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir werden in den Bereichen zusammenarbeiten, in

    denen es geht. Wir werden uns selbstverständlich der kon-
    struktiven Zusammenarbeit nicht verschließen, aber wir
    werden nicht vergessen, das anzumahnen, was Sie bei Re-
    gierungsantritt versprochen haben. Sie haben verspro-
    chen, dass Sie die Arbeitslosigkeit senken wollen. Dieses
    Ziel haben Sie nun wirklich absolut nicht erreicht. Ar-
    beitslose hoch, Pleiten hoch,


    (Hans Georg Wagner [SPD]: FDP runter!)

    Wachstumsprognosen nach unten korrigiert, mehr Sozial-
    hilfeempfänger, mehr Bürokratie – das ist die innenpoli-
    tische Bilanz dieser rot-grünen Regierungskoalition.

    Sie mögen sich jetzt noch auf Parteitagen Bussi, Bussi
    geben und sich wieder die Ehe versprechen,


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das machen wir nicht! Das machen Sie! Damit haben wir nichts zu tun! Bussi, Bussi machen Sie! Das ist ja nun peinlich!)


    ich sage Ihnen: Diese Koalition wird im nächsten Jahr ab-
    gewählt. Da können Sie ganz sicher sein, meine sehr ge-
    ehrten Damen und Herren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen.




Dr. Guido Westerwelle
20052


(C)



(D)



(A)



(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rezzo Schlauch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
    Westerwelle, Sie haben jetzt 20 Minuten lang


    (Gernot Erler [SPD]: Unsinn gesagt!)

    geredet, nicht defensiv, aber desaströs.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Desaströs, indem Ihnen nichts anderes einfällt, als den
    Standort Deutschland – bei allen Problemen, die wir ha-
    ben – in einem Zerrbild zu zeichnen, das mit der Wirk-
    lichkeit nichts zu tun hat.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wenn Sie daher kommen und sagen, die Amerikaner
    hätten die Steuern gesenkt, frage ich: Was denken Sie,
    wie gerne wir die Steuern noch weiter gesenkt hätten,
    wenn Sie nicht so einen finanzpolitischen Sauladen
    hinterlassen hätten, als wir die Regierung übernommen
    haben?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Das nehmen Sie aber sofort zurück! Das ist ja unglaublich!)


    An diesem Punkt möchte ich auch noch einmal an Ihre
    eigene Adresse fragen: Warum haben Sie es denn nicht ge-
    schafft, innerhalb von 29 oder 28 Jahren FDP-Regie-
    rungsbeteiligung – bei allen Lobpreisungen, die Sie Ihrem
    Finanzminister oder Wirtschaftsminister haben angedei-
    hen lassen – den Spitzensteuersatz unter 50 Prozent zu
    senken, was wir innerhalb von zwei Jahren gemacht
    haben?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Was haben wir denn im Bundesrat gemacht? Sie sind ja ein Schwätzer! Sie Witzbold!)


    Es ist sehr wohl richtig, dass wir uns mit problema-
    tischen Rahmenbedingungen, mit problematischen wirt-
    schaftlichen Daten auseinander zu setzen haben. Wir
    haben eine problematische Situation durch den weltwei-
    ten Konjunktureinbruch, durch eine Rezession in den
    USA, was dazu führt, dass die Investitionstätigkeit ab-
    nimmt, der Konsum lahmt und die Arbeitslosenzahlen
    steigen. Das ist der Preis einer globalisierten Weltwirt-
    schaft. Darum sollten wir überhaupt nicht herumreden,
    das ist so.

    Die gute Nachricht ist jedoch, dass diese rot-grüne Re-
    gierung trotz der problematischen Wirtschafts- und Fi-
    nanzlage einen Haushalt für das Jahr 2002 verabschiedet,
    der kein Jota von dem eingeschlagenen Konsolidie-
    rungskurs abweicht. Dieser Konsolidierungskurs ist die
    grundlegende Voraussetzung dafür, dass wir aus der kon-
    junkturellen Krise wieder herauskommen. Nur wenn wir
    keine weiteren Schulden machen, werden wir auch das
    wichtigste Ziel erreichen – deshalb ist Konsolidierung die
    Voraussetzung –, nämlich neue und mehr Arbeitsplätze in
    Deutschland.

    Würden wir auf die sehr widersprüchlichen Vorschläge
    der Opposition eingehen, so würde Deutschland – –


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    – Ich kann aufzählen, warum sie widersprüchlich sind. Ich
    weiß nicht, wer die Sendung „Sabine Christiansen“ am
    Sonntag gesehen hat. Dort hat mein Freund Fritz Kuhn
    begründet, warum ein Vorziehen der Steuerreform Unsinn
    ist. Was passierte dann? Herr Stoiber hat ihm plötzlich
    Recht gegeben und Frau Merkel ist der Kinnladen herun-
    tergefallen. Sie wissen in Ihrem eigenen Laden nicht, was
    Sie vorschlagen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Würden wir nämlich auf diesen verhängnisvollen Kurs
    einer erhöhten Verschuldung wieder eingehen, dann
    würden wir von dem von uns eingeschlagenen Kurs ab-
    kommen und so wie Sie an den Klippen des Schulden-
    berges auflaufen. Das haben wir bei Ihnen zur Genüge
    erlebt und wir haben heute noch an diesen Folgen zu
    leiden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Verantwortungsvolle Politik heißt: Wir senken die
    Nettokreditneuaufnahme gegenüber dem Vorjahr wie-
    der um 1,2 Milliarden Euro und verfolgen damit weiter-
    hin das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes bis zum
    Jahre 2006. Die Nettoneuverschuldung darf aus vielen
    Gründen nicht erhöht werden. Für uns Grüne ist der wich-
    tigste Grund dabei immer gewesen, dass – mit der rot-grü-
    nen Regierung hat das Gott sei Dank aufgehört – in
    Deutschland Politik nicht mehr auf Kosten der zukünfti-
    gen Generationen gemacht wird.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Konjunkturprogramme oder ein Vorziehen der Steu-
    erreform bringen uns aber auch in Konflikt mit den
    Maastricht-Kriterien. Sie wollen doch nicht ernsthaft
    von uns verlangen, dass wir wenige Wochen vor Ein-
    führung des Euros einer Politik das Wort reden, die auch
    nur den Anschein zulässt, dass Deutschland die Kriterien
    nicht einhält.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Der Anschein ist doch da!)


    Wenn ein hochmögendes Mitglied dieses Hauses, der
    Möchtegernwirtschaftsminister Brüderle, sagt, das sei al-
    les nicht so wichtig, dann hat er sich damit selbst diskre-
    ditiert und soll als Weinminister nach Rheinland-Pfalz
    zurückkehren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Tätä, tätä, tätä!)


    Herr Stoiber hat in den letzten Wochen mehrfach die
    Forderung verlauten lassen, den Spitzensteuersatz weiter
    zu senken. Dem entgegnenwir: Dasmachenwir, und zwar
    erfolgreich. Eine Senkung über die in der Steuerreform
    vorgesehenen 42 Prozent hinaus bringt zwar einigen






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    wenigen etwas mehr Geld in die Tasche; aber es bringt in
    der gegenwärtigen Lage überhaupt nichts für die Wirt-
    schaft. Eine solche Maßnahme erhöht nicht den Konsum
    in der Breite und kostet den Haushalt überverhältnis-
    mäßig viel Geld. Als isolierte Maßnahme ist das Popu-
    lismus, der letztendlich nur den Wohlhabenden dient.
    Das ist mit den Grünen und der rot-grünen Koalition
    nicht zu haben.

    Der Titel des Jahresgutachtens – darauf hat der
    Kanzler schon verwiesen – heißt: „Für Stetigkeit – gegen
    Aktionismus“. Dort kann man lesen – das ist sehr
    eindeutig; ich würde Ihnen das gerne ins Stammbuch
    schreiben –:

    Eine auf kurzfristigen Erfolg ausgerichtete aktivis-
    tische Konjunkturpolitik, wie sie beispielsweise zu-
    sätzliche staatliche Ausgabenprogramme, jedoch
    auch das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuer-
    reform darstellen, birgt Gefahren in der Zukunft, die
    die unmittelbar positiven, aber unsicheren Wirkun-
    gen überkompensieren können. Bei dadurch wieder
    anschwellenden Haushaltsdefiziten würde die müh-
    sam gewonnene Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeit
    in der Finanzpolitik beschädigt.

    Dieser Rat ist eindeutig und wir beherzigen ihn. Die Op-
    position sollte noch einmal überlegen, ob sie an diesem
    gewichtigen Rat vorbeigehen kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Politik muss Verantwortung tragen. Verantwortung
    muss aber auch die Wirtschaft tragen. Ein Beispiel aus den
    USA zeigt, wie es gehen kann. Das Management von Sun
    Microsystems hat gerade einen Brief an die Aktionäre ge-
    schrieben. Darin wirbt die Geschäftsleitung bei den Ak-
    tionären um Verständnis dafür, dass sie keine Entlassun-
    gen vornimmt, auch wenn dies die Gewinnerwartung und
    den Kurs der Aktie drückt; denn sie rechnet mit einer Bes-
    serung der konjunkturellen Lage und will die bewährte
    Belegschaft, das Know-how der Mitarbeiter und das so-
    ziale Gefüge nicht auseinander brechen.

    Dieses Beispiel sollte auch bei uns in Deutschland
    Schule machen;


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    denn es liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse der
    Wirtschaft, ihrer Verantwortung, die sie auch gegenüber
    der Gesellschaft hat, gerecht zu werden. Die Regierung
    hat mit der Rentenreform, mit der Steuerreform und mit
    der Unternehmensteuerreform Vorleistungen erbracht.
    Die Gewerkschaften haben jahrelang moderate Ab-
    schlüsse ausgehandelt, nicht zuletzt dank dem Bündnis
    für Arbeit. Deshalb fordere ich die Unternehmen auf – das
    richtet sich insbesondere an die großen Konzerne –: Neh-
    men Sie die zahllosen Ankündigungen, Zigtausende von
    Mitarbeitern zu entlassen, im eigenen Interesse und im
    Interesse des Ganzen zurück.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der Sachverständigenrat rechnet ebenfalls für das
    nächste Jahr damit,

    dass sich die außenwirtschaftliche Lage aufhellt und
    vorhandene positive binnenwirtschaftliche Rahmen-
    bedingungen wieder Wirkung entfalten.

    Wir haben dabei für meine Begriffe und aus grüner Sicht
    noch eine Aufgabe vor uns, nämlich die Reform des Ar-
    beitsmarktes. Das Job-Aqtiv-Gesetz ist ein guter und rich-
    tiger Einstieg, um durch gezieltere Betreuung Zeiten von
    Arbeitslosigkeit zu vermindern. Ich kann überhaupt nicht
    nachvollziehen, was Sie dagegen haben können, meine
    Damen und Herren von der Opposition.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Bundeskanzler, ich glaube, dass wir auf der
    Grundlage des von Ihnen zum Kündigungsschutz Gesag-
    ten doch noch einige weitere Gedanken ins Auge fassen
    sollten. Wir sind darüber in der Koalition im Gespräch.

    Erstens. Wir müssen die Teilzeitmauer einreißen. Das
    buchstäblich schwarze Beschäftigungsloch oberhalb der
    630-DM-Grenze muss verschwinden, sodass sich in die-
    sem Sektor beides lohnt: jemandem Arbeit zu geben, aber
    auch diese Arbeit anzunehmen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es ist zum Beispiel vorstellbar, dass die Sozialabgaben
    bei Einkommen von 630 bis 1 800 DM linear ansteigen,
    sodass nicht ab der 631.Mark der volle Sozialabgabensatz
    zuschlägt.

    Zweitens. Es ist an der Zeit, ein flächendeckendes Ein-
    stiegsgeld einzuführen, sodass ein Arbeitslosenhilfe- oder
    Sozialhilfeempfänger befristet einen möglichen Zu-
    verdienst behalten kann, ohne dass dies mit Transferleis-
    tungen verrechnet wird, beispielsweise in Höhe von
    50 Prozent.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Wir sind gespannt, was Herr Struck dazu sagt!)


    Drittens. Auch die Entbürokratisierung der 630-DM-
    Jobs mit einer einmaligen jährlichen Meldung ist eine
    Maßnahme, die für Bewegung auf dem Arbeitsmarkt sor-
    gen kann und die insbesondere bürokratische Hürden für
    Klein- und Mittelbetriebe wegräumt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Solche Strukturreformen sind der richtige Weg. Wir

    können uns auch hier auf die Wirtschaftsweisen stützen,

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Aber nicht auf den Koalitionsvertrag! Mal gucken, was Struck sagt!)


    die sagen:
    ... gerade in der derzeitigen labilen wirtschaft-
    lichen Lage stellt das Angehen von notwendigen
    Strukturreformen eine Chance dar, die wirtschaft-
    lichen Perspektiven zu stabilisieren.

    Ich komme zu einem wichtigen gesellschaftspoli-
    tischen und strukturpolitischen Punkt, nämlich der Ein-




    Rezzo Schlauch
    20054


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    wanderung. Frau Merkel, angesichts der desolaten Lage,
    in der sich die Opposition befindet, kann ich gut nach-
    vollziehen, warum Teile der CDU/CSU, allen voran der
    Stoßtrupp aus den bayerischen Bergen,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Was? Das nehmen Sie sofort zurück!)


    wenigstens die Einwanderung als Rettungsanker für den
    Wahlkampf behalten wollen. Aber ich sage Ihnen: Hören
    Sie auf, Ihr parteitaktisches Kalkül über die Zukunft un-
    seres Landes zu stellen!


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Ausgerechnet Sie!)


    Die Wirtschaft braucht qualifizierte Arbeitskräfte. Mil-
    lionen Menschen, die in unserer Gemeinschaft leben,
    brauchen Hilfe und Ansporn zur Integration. Verfolgte
    Menschen brauchen die Sicherheit eines demokratischen
    Staates, der sie schützt. Sie aber handeln nach dem Motto:
    Wer schon keine Antworten auf die drängenden Zu-
    kunftsfragen unseres Landes anzubieten hat, der schielt
    nach Österreich und nach Dänemark. – Aber bei uns wis-
    sen die Leute inzwischen, dass wir immer eine offene Ge-
    sellschaft mit Zuwanderung gewesen sind, dass wir das
    auch bleiben werden und dass wir dafür allerdings jetzt
    die richtigen gesetzlichen Regelungen brauchen. Dies
    sieht übrigens auch die Wirtschaft fast unisono so. Bei-
    spielsweise sagt BDA-Präsident Hundt:

    Wer angesichts dieser Lage eine neue Zuwande-
    rungsregelung blockiert, schadet unserem Land.

    Frau Merkel und Herr Merz, passen Sie auf, dass das nicht
    auf Sie gemünzt ist!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Gott sei Dank gibt es auch vernünftige Stimmen in der
    CDU. Ich kann nur hoffen, dass sie sich in der Diskussion
    durchsetzen. Bisher jedenfalls ist leider nur deutlich
    geworden, dass die Forderungen der Union – wie die
    Rücknahme der Anerkennung geschlechtsspezifischer
    Verfolgung oder nicht staatlicher Verfolgung oder die
    Rücknahme einer vernünftigen Familiennachzugsre-
    gelung – keine Angebote sind, sondern nur davon ablen-
    ken sollen, dass die CDU ihr Verhältnis zur Einwanderung
    nicht geklärt hat.


    (V o r s i t z: Vizepräsidentin Anke Fuchs)

    Möglicherweise gelingt dies ja auf Ihrem kommenden
    Parteitag. Dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Eine gere-
    gelte Einwanderung, die die humanitäre Behandlung von
    Flüchtlingen umfasst – unser Modernisierungsprojekt –,
    ist unverzichtbar für eine zukunftsfähige Gesellschaft im
    21. Jahrhundert. Sie haben immer noch die Wahl, sich in
    Ihren ideologischen Spinnweben des letzten Jahrhunderts
    zu verfangen oder die Gestaltung der offenen Gesellschaft
    mitzutragen.

    Meine Damen und Herren, zur Ökologie: Die Ver-
    braucherschutzministerin Renate Künast hat das Ökosie-
    gel vorgestellt; die Agrarwende macht Fortschritte.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Ökosiegel markiert gesetzliche Standards für Pro-
    dukte, die weit höher liegen als die, die bei konventionel-
    ler Herstellung zugrunde gelegt werden. Die Menschen
    können sich in Zukunft darauf verlassen, dass das, was
    draufsteht, tatsächlich auch drin ist, das Produkt also nach
    allen Regeln der Kunst hergestellt wurde. Das ist gut für
    die Landwirtschaft, weil sie so wieder Vertrauen für ihre
    Produkte erwerben kann.

    Herr Glos, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, haben
    wir in Baden-Württemberg in den letzten Wochen erle-
    ben müssen. Ich glaube, dass unserer Verbraucherschutz-
    ministerin in Zukunft eine sehr wichtige Rolle zukommt,
    um solche Dinge, wie im Bodenseegebiet, im wichtigsten
    Anbaugebiet für Obst in Süddeutschland, geschehen, zu
    verhindern,


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Sie wissen, dass der Landwirtschaftsminister sofort reagiert hat!)


    wo gnadenlos verbotene Pflanzenschutzmittel gespritzt
    worden sind und aufgrund eines Schweigekartells zwi-
    schen Bauernverband und CDU-Landesregierung die
    Verbraucher darüber nicht informiert worden sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Das ist ein unglaublicher Vorgang!)