Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kol-
legen! Spätestens seitdem gestern von hier der russische
Präsident Putin gesprochen hat, muss jedem von uns be-
wusst sein, dass sich die Welt dramatisch verändert hat.
Das hat sich allerdings nicht bis zum Oberbuchhalter der
Bundesregierung Herrn Eichel herumgesprochen;
denn er legt einen Haushalt vor, der nicht nur von gestern,
sondern von vorgestern ist.
Es ist eine Zumutung Herr Wagner, Sie als Obmann
der SPD im Haushaltsausschuss sollten es sich überhaupt
nicht gefallen lassen , dass Ihnen die Regierung eine Be-
ratungsvorlage gibt, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie be-
raten wird, längst überholt ist. Sie ist nicht erst seit dem
11. September überholt. Der Haushaltsentwurf war be-
reits durch die wirtschaftliche Entwicklung, die wir im
Sommer deutlich gespürt haben, überholt.
Bei den Einnahmeansätzen geht man noch von einem
Wirtschaftswachstum von 2 Prozent in diesem Jahr und
von 2,25 Prozent im nächsten Jahr aus. Wir werden in die-
sem Jahr bestenfalls 1 Prozent Wachstum bekommen. Wir
müssen Angst haben, im nächsten Jahr in eine Rezession
abzugleiten. Die Arbeitslosenzahl war schon im August
um 9 000 höher als im August des Vorjahres. Der Arbeits-
markt muss nach den Attentaten auf die freie Welt nun
auch mit weltwirtschaftlichen Verwerfungen fertig wer-
den. Sie werden also bedeutend weniger Steuern einneh-
men das ist die Konsequenz und Sie werden bedeutend
mehr Geld für die Arbeitslosigkeit brauchen, als veran-
schlagt worden ist.
Rudi Dornbusch, der renommierte amerikanische
Wirtschaftswissenschaftler, steht nicht im Ruf eines
Schwarzsehers. Gerade deshalb nehme ich seine Warnung
von vorgestern ernst:
Es deutet alles darauf hin, dass sich Amerika und der
Rest der Welt gegenseitig in eine Rezession ziehen.
Ich gehöre zu denen, die ungeheuer viel Vertrauen in
die USA haben, sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Das stimmt mich eigentlich zuversichtlich: Die starke
US-Wirtschaft wird nicht dauerhaft unter diesem schreck-
lichen Terroranschlag zu leiden haben und außer Tritt ge-
bracht werden. Die US-Wirtschaft hat einen ungeheuer
großen Binnenmarkt. Das ist in Krisensituationen immer
ein Stück Überlebensversicherung.
Bei uns in Deutschland sieht es allerdings anders aus.
Die deutsche Industrie erwirtschaftet 34 Prozent ihrer
Umsätze im Auslandsgeschäft. Der Anteil der Exporte am
deutschen Bruttosozialprodukt beträgt 25 Prozent. Keine
andere große Industrienation verzeichnet höhere Werte.
Das heißt auch: Nirgendwo in der Welt sind die Arbeits-
plätze so sehr vom Export und vom freien Welthandel ab-
hängig wie bei uns in Deutschland.
Deswegen muss ich die Frage stellen: Herr Bundes-
kanzler, wo bleibt der deutsche Anstoß für eine gemein-
same europäische Politik gegen diese drohende Rezes-
sion?
Wo ist der deutsche Anstoß, um die Instrumente der G 7
rasch gegen die Krise in Einsatz zu bringen?
Die Europäische Zentralbank hat in enger Abstim-
mung mit der Federal Reserve, wie ich meine, richtig ge-
handelt. Die europäische Währung hat sich in dieser Krise
bewährt. Der Euro war nie die kränkelnde Frühgeburt, als
die Sie ihn bezeichnet haben. Aber seitdem Kohl und
Waigel nicht mehr in der Verantwortung stehen, hat es
keine entscheidenden Impulse in Europa mehr gegeben.
Der Terrorangriff in den USA galt der gesamten zivili-
sierten Welt. Die Terroristen wollten zugleich die welt-
weiten Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig schädigen.
Bisher ist dieses teuflische Kalkül nicht aufgegangen. Wir
Deutschen als die stärkste Wirtschaftskraft in Europa
müssen dafür sorgen, dass es nicht gelingt. Die Auseinan-
dersetzung mit dem Terrorismus können die freien Ge-
sellschaften nur dann mit Erfolg bestehen, wenn sie wirt-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Präsident Wolfgang Thierse
18366
schaftlich stark bleiben. Dessen müssen wir uns in
Deutschland immer bewusst bleiben.
Wie wollen Sie für mehr Vertrauen in die wichtigste
Volkswirtschaft Europas sorgen? Glauben Sie, dass Sie
politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einem
unrichtigen Haushalt, mit einem offensichtlich geschön-
ten Zahlenwerk, begegnen können?
Ihr Amtseid, Herr Bundeskanzler, hat gelautet, dass Sie
Schaden vom deutschen Volk wenden und seinen Nutzen
mehren. Das heißt in dieser Zeit: handeln, auch wirt-
schaftlich, damit die Schreckensszenarien, die manche
malen, nicht eintreffen.
Herr Bundeskanzler, jetzt rächt sich eine Politik, die in
allererster Linie ein Gefälligkeitserweis an die großen
Kartelle war. Die Gewerkschaften,
die großen Banken, die großen Versicherungsgesellschaf-
ten, die großen Industriebetriebe haben am Anfang Ihrer
Politik Beifall gezollt.
Aber wer die breiten Mittelschichten unseres Volkes ver-
nachlässigt, wer den Mittelstand benachteiligt, der kann
nicht dauerhaft Erfolg haben.
Weder das nachlassende weltweite Wachstum noch die
Attentate vom 11. September können erklären, warum
Deutschland unter Ihrer Verantwortung, Herr Bundes-
kanzler, bei Konjunktur und Arbeitsmarkt Schlusslicht
in Europa ist. Die neue Lage erklärt nicht, warum bei uns
der Abbau der Arbeitslosigkeit in guten Zeiten nicht vo-
rankommt und in schlechten Zeiten die Arbeitslosigkeit
schneller steigt als anderswo. Es wird Ihnen in den kom-
menden Monaten nicht gelingen ich bitte Sie jetzt
schon, entsprechende Versuche zu unterlassen , die Fehl-
leistungen Ihrer Regierung unter den Teppich des Terro-
rismus zu kehren.
Wenn die Regierung damit anfinge, gäbe es auch auf die-
sem Gebiet Nachahmer ich sage nicht Nachahmungstä-
ter : Viele große Firmen, die ebenfalls nicht richtig ge-
wirtschaftet haben, nähmen dann genau dieselbe
Begründung zum Anlass, Entlassungen vorzunehmen.
Dieser elende Anschlag gibt doch keinerlei Begründung
für wirtschaftliche Fehlhandlungen in der Vergangenheit
her.
Herr Kollege, verstehen kann man Ihre Zwischenrufe
nicht; aber im Protokoll stehen immer die unverschämtes-
ten Zurufe.
Sie haben wieder dazu angesetzt, nicht? Ich leite Ihnen
entsprechende Protokolle zu.
In unserem Land sind viele Probleme hausgemacht.
Die ungerechte Steuerpolitik hat die Steuerbelastung der
Bürger nicht gesenkt, der Mittelstand ist benachteiligt, die
Ökosteuer greift den Bürgern tief in die Tasche das Geld
fehlt jetzt natürlich beim Konsum , die Preisstabilität
wurde vernachlässigt, die überfällige Reform der gesetz-
lichen Krankenversicherung verschoben, richtige Ansätze
wurden rückgängig gemacht. Das alles führt dazu, dass
bei uns die Lohnzusatzkosten auf Rekordniveau steigen
werden und dass das lohnintensive deutsche Handwerk
so hat uns Präsident Philipp gestern gesagt allein in
diesem Jahr um 200 000 Arbeitsplätze fürchten muss.
Herr Bundeskanzler, in jeder Krise liegt auch eine
Chance. Aber die Chance wird nur dann offenkundig,
wenn man sofort und beherzt handelt. Eine ruhige Hand
ist sicherlich gut, aber wirtschaftspolitisch haben Sie eine
gelähmte Hand gehabt; das ist schlecht.
Es ist geradezu lächerlich, dass es bei einem Haus-
haltsvolumen von fast 500 Milliarden DM nicht möglich
ist, die dringenden Maßnahmen für mehr Sicherheit an-
ders als durch eine Art neue Kriegssteuer zu finanzieren.
Das ist keine Erinnerung an Bismarck, sondern eine Erin-
nerung an Kaiser Wilhelm, der seinerzeit seine Flotte mit
einer Banderolensteuer finanzierte. Seinerzeit betrafen
die Banderolen den Sekt, heute betreffen sie die Zigaret-
ten.
Man muss im Haushalt nachhaltig umschichten und
neue Prioritäten setzen. Wir sind auch bereit ich habe
das schon einmal gesagt , den unangenehmen Teil der
notwendigen Maßnahmen mitzutragen. Man weiß natür-
lich, dass Sparen nicht immer angenehm ist. Aber das ist
eine große Chance, vieles Liebgewordene über Bord zu
werfen und sich auf die neue Zeit einzustellen.
Herr Bundeskanzler, mit flotten Sprüchen lösen Sie
keine Probleme. Sie haben gesagt, es gebe kein Recht auf
Faulheit. An den deutschen Stammtischen haben Sie dafür
viel Beifall bekommen und es ist ja auch richtig, an die
Stammtische zu denken; das ist nichts Schlechtes.
Allerdings muss anschließend auch gehandelt werden.
Solange man durch Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
zum Teil mehr oder fast genauso viel Geld wie durch Ar-
beitsaufnahme haben kann, ist die Anreizwirkung nicht
allzu groß. Ich frage Sie: Was haben Sie nach diesem
Spruch, der gut ankam, gesetzgeberisch getan, um sol-
chen Dingen den Boden zu entziehen?
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Michael Glos
18367
Herr Bundeskanzler, wir sehen mit Sorge, dass die
neue Dimension des Terrors neue Prioritäten verlangt.
Der Schock der dramatischen Ereignisse in New York und
Washington lässt uns dringende Fragen stellen, die Sie
heute beantworten müssen; später haben Sie ja Gelegen-
heit dazu. Lautstarke, markige Sprüche allein, wie sie vor
allen Dingen Herr Schily gemacht hat, reichen nicht aus.
Dazu steht übrigens heute etwas Falsches in einer Zei-
tung. Dort heißt es, ich sei über den Inhalt seiner Äuße-
rungen erschrocken. Ich bin überhaupt nicht über den In-
halt erschrocken er bringt lediglich zu wenig , ich war
nur über den Tonfall Ihrer Äußerungen der letzten Woche
erschrocken, Herr Minister Schily. Wir wissen, Be-
schwörungen lösen überhaupt keine Probleme. Wenn ich
Probleme lösen will, dann muss ich die Gesetze ändern,
damit das alles rechtsstaatlich korrigiert werden kann. Sie
haben auf diesem Gebiet noch viel zu wenig getan.
Ich stelle Ihnen die Fragen Sie können sie beantwor-
ten : Wo bleiben die Mittel für modernste Polizeiaus-
rüstung? Wo bleiben die notwendigen Befugnisse, um
Terror und Gewalt effektiv entgegenzutreten? Haben Ihre
grünen Partner immer noch Angst vor dem Staat, den sie
inzwischen selbst regieren? Das wäre meiner Ansicht
nach der einzige Grund, vor dem Staat Angst zu haben.
Alle Polizeibehörden müssen auf die Daten des
Ausländerzentralregisters zurückgreifen können. Im
Visumverfahren muss die Sicherheit Deutschlands in den
Vordergrund gestellt werden. Daten über Personen, deren
Einreise nicht erwünscht ist, müssen in einer Warndatei
konsequent erfasst und von den Sicherheitsbehörden und
Botschaften genutzt werden können. Warum hat Rot-
Grün unseren Gesetzentwurf zum Ausländerzentralre-
gister das frage ich Sie direkt unter Ihrer Verantwor-
tung 1999 abgelehnt?
Das ist eine Tatsache; damals waren Sie Innenminister.
Der Terrorismus kann nur unschädlich gemacht wer-
den, wenn seine Strukturen aufgespürt werden. Aussage-
willigen Aussteigern muss angeboten werden können, als
Kronzeugen straffrei zu bleiben, wenn eine solche Terror-
gruppe zugeschlagen hat.
Diese so genannte Kronzeugenregelung haben Sie 1999
gegen unseren Widerstand abgeschafft. Das ist ein Fak-
tum.
Der Einsatz verdeckter Ermittler braucht eine ver-
lässliche Rechtsgrundlage, damit sie das Milieu erfolg-
reich auskundschaften können. Dazu haben wir vor der
Sommerpause einen Gesetzentwurf eingebracht. Wo
bleibt Ihre Zustimmung, Herr Bundeskanzler, die Zustim-
mung auch der Parlamentsmehrheit?
Diese Regierung hat bisher für das Sicherheitsbedürf-
nis der Menschen nur Ankündigungen und Sprüche übrig
gehabt. Ein tragisches Schicksal ließ den Kanzler tönen
das ist ein weiteres Beispiel , Kinderschänder müssten
für immer weggeschlossen werden. Genau zur gleichen
Zeit lag ein Antrag Bayerns zur Ausweitung der Siche-
rungsverwahrung im Bundesrat vor. Er wurde anschlie-
ßend von Ihnen abgeschmettert. Das ist die Diskrepanz
zwischen Worten und Handeln. Damit werden Sie auf die
Dauer nicht mehr durchkommen.
Täuschen Sie sich nicht: Sie haben bereits in hohem
Maße Glaubwürdigkeit verspielt. Das Wahlergebnis in
Hamburg ist ein Menetekel.
Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht so amüsieren. Ich
bin schon der Meinung, dass wir auch in diesem Haus da-
rüber reden müssen. 20 Prozent der Hamburger sind nicht
plötzlich rechtsradikal, wie das manche darstellen. Sie
wissen selbst, dass das absurd ist. Die Wähler in Hamburg
wollten einen Wechsel, vor allem einen Wechsel zu mehr
Sicherheit. Das war die Ursache des Wahlergebnisses in
Hamburg.
Herr Innenminister, selbst wenn Sie handeln wollten,
was ich bei Ihnen nicht anzweifle, müssen Sie sich doch
fragen, ob Sie dafür eine parlamentarische Mehrheit
haben.
Ist mit Rot-Grün alles das möglich, was für unser Land
erforderlich ist?
Wir haben Ihnen hinsichtlich der wichtigen Entschei-
dungen, die unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit
anbelangen, unsere Zustimmung gegeben und angeboten.
Das hat Ihnen einen umfänglichen Klärungsprozess in
den eigenen Reihen erspart. Aber auf die Dauer kann
natürlich eine Regierung in unserem System nur regieren
und glaubwürdig sein, wenn sie selbst die Mehrheit im-
mer wieder aufbringen kann.
Endlich will die Regierung den Vorschlag aufgreifen,
die Unterstützung internationaler Terrorgruppen in
Deutschland unter Strafe zu stellen. Was ist die Reaktion?
Sofort nennt der grüne Parteirat von NRW, des größten
grünen Landesverbandes, wenn ich es richtig sehe, dies
eine Ausweitung von Verdachtsstrafrecht, die verhindert
werden müsse. Jeder Änderung des Strafrechts wird pau-
schal eine Absage erteilt. Unbelehrbar lehnt die Vorsit-
zende der Grünen, Claudia Roth, die so genannte Regel-
anfrage nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bei
der Einbürgerung von Ausländern weiter ab. Was kann
dagegen sprechen, wenn andere Behörden die wichtigen
Informationen des Verfassungsschutzes auch regelmäßig
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Michael Glos
18368
für sich selbst und damit für unsere innere Sicherheit
nutzen?
Herr Schlauch, Sie werden anschließend sprechen. Sa-
gen Sie doch auch einmal etwas zu Ihrem Zitat in der
Leipziger Volkszeitung vom 24. September:
In der Frage der inneren Sicherheit lassen wir nichts
abräumen von dem Konzept der liberalen Gesell-
schaft.
Sie werden anschließend wieder versuchen, das Knistern
im eigenen Gebälk mit Lautstärke zu überdecken.
Aber das wird nicht reichen.
Ich meine, Herr Bundeskanzler, angesichts der ernsten
Lage ist ein solches Misstrauen, das gegen unseren de-
mokratischen Rechtsstaat spricht, eine ernste Gefahr für
die Sicherheit der Bürger.
Herr Bundeskanzler, Sie haben vor einer Woche er-
klärt, mit dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers
hätten wir ein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht auf den
Weg gebracht. Ich meine, dass diese Einschätzung falsch
ist. Deutschland muss Zuwanderung begrenzen und
steuern; Ihre Politik aber würde so ist dieser Gesetzent-
wurf angelegt die ungesteuerte Zuwanderung auswei-
ten.
Herr Bundeskanzler, das sind die Partner, die auch bei
wichtigen Sicherheitsinformationen mit am Tisch sitzen.
Ich finde das unerträglich. Die PDS-Kommunisten sollten
doch endlich einmal die gleiche Wende mitmachen, wie
wir sie gestern hier an diesem Pult erlebt haben.
Ich lasse mich jedenfalls auch nicht durch unflätige Zwi-
schenrufe aus dem Konzept bringen.
Richtig ist, dass in dem Schily-Entwurf Fragen der Si-
cherheit zu wenig berücksichtigt werden. Für uns gehört
aber zur Frage der Zuwanderungsbegrenzung und -steue-
rung vor allen Dingen auch dazu, Extremisten aus unse-
rem Land fernzuhalten.
Bei allem Verständnis für die Lage von Betrieben, die
in Mangelberufen händeringend qualifizierte Mitarbeiter
suchen für die im Schily-Entwurf vorgesehene Aufhe-
bung des Anwerbestopps gibt es keine Rechtfertigung.
Bei bald 4 Millionen Arbeitslosen und 2 Millionen So-
zialhilfeempfängern muss Zuwanderung in unsere Sozial-
systeme unterbunden werden können.
Das heißt, auch die Betriebe und Unternehmen in
Deutschland müssen den inländischen Arbeitsmarkt wie-
der stärker ausschöpfen. Dafür müssen die gesetzlichen
Voraussetzungen geschaffen werden. Ich nenne nur das
Stichwort Kombilohn.
Schnellschüsse taugen überhaupt nichts; das zeigt die
Greencard, Herr Bundeskanzler. Die Erwartungen sind
nicht erfüllt worden. Erstens sind die Leute nicht gekom-
men es waren keine 20 000 und zweitens werden von
den 9 000, die gekommen sind, die Ersten schon wieder
flott nach Hause geschickt.
Für die Wirtschaft in Deutschland ist eine flexibler Ar-
beitsmarkt nach meiner Meinung wichtiger als die Auswei-
tung der Zuwanderung. Wir müssen ein langfristiges deut-
sches Interesse in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen.
Vor einer Woche haben wir in diesem Haus einver-
nehmlich erklärt: Deutschland steht im Kampf gegen den
Terror fest an der Seite Amerikas. Für uns gilt dies auch
heute noch.
Deswegen meine ich, Herr Bundeskanzler, dass wir mehr
für die Sicherheit ausgeben müssen. 1,5 Milliarden DM
für die Bundeswehr sind viel zu wenig. Hier muss dau-
erhaft mehr getan werden. Wir müssen vor allen Dingen
einen Beitrag leisten, der der Bedeutung unseres Landes
adäquat ist.
Wir insgesamt und insbesondere Ihre Koalition müssen
auch zweifelsfrei zu dem stehen, was Sie erklärt haben.
Deswegen ist es erschreckend, dass die Grünen in Rhein-
land-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen die Beteiligung
der Bundeswehr an Anti-Terror-Einsätzen, die natürlich
militärisch sind, ablehnen.
Aus dem vielstimmigen Chor grüner Ratschläge zu
Amerika will ich nur Frau Kollegin Vollmer herausgrei-
fen, die in der Zeit sagt:
...die Amerikaner müssen sich Zeit nehmen, darüber
nachzudenken, was ihnen zugestoßen ist und warum.
Das ist schon eine wie ich meine sehr bedenkliche
Aussage. Vielleicht sind Sie deswegen nicht in die USA
gefahren, Herr Bundeskanzler; ich habe das bedauert.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Michael Glos
18369
Die Bilder, auf denen Sie dort zu sehen gewesen wären,
können durch die von dem Besuch Ihres Außenministers
nicht ersetzt werden.
Das ist so.
Vielleicht sind Sie deswegen nicht dorthin gefahren, weil
Sie damit zu tun haben, hier Ihre Reihen zusammenzu-
halten.
Sie können sich ja auch gar nicht so rasch entschuldi-
gen, wie Amerika aus Ihren eigenen Reihen beleidigt
wird.
Die Berliner Kultursenatorin Goehler äußert im Berliner
Haus der Kulturen der Welt sogar, ihr hätten die Türme
des Turbo-Kapitalismus nie so recht behagt; sie seien für
sie Phallus-Symbole gewesen. Da klingt doch klamm-
heimliche Freude an. Ich weiß, Sie finden das lustig, Frau
Müller; deswegen lachen Sie.
Wo bleiben hier die Konsequenzen? Das sind doch Ihre
Partner. Frau Goehler ist doch in Herrn Wowereits Senat.
Warum wird diese Dame nicht sofort entlassen? Ich finde
das beschämend und entsetzlich.
Wir sind in dieser schwierigen Lage sehr froh, dass wir
wissen, dass wir in Amerika einen besonnenen Präsiden-
ten haben, der sich als ein Führer der freien Welt darstellt
und der ein ungeheuer staatsmännisches Format beweist.
Herr Bundeskanzler, Sie können sich trotz Ihrer innenpo-
litischen Mängelliste darauf verlassen, dass wir das Wort
von der uneingeschränkten Solidarität ernst nehmen und
Ihre Politik in dieser Hinsicht stützen werden. Ich meine,
dass wir auch als Opposition Verantwortung tragen, die
wir auch in schwieriger Zeit wahrnehmen wollen. Es wäre
für Deutschland entwürdigend, wenn Sie jetzt wieder mit
dem Hut in der Hand Stimmen sammeln müssten, so wie
es beim ersten Mandat für Mazedonien war. Wir werden
ich will der Beratung der Fraktion nicht vorgreifen
auch in dieser NATO-Frage an Ihrer Seite stehen. Herr
Bundeskanzler, tun Sie alles, um Schaden von unserem
Land abzuwenden!
Herzlichen Dank.