Sehr geehrte Frau Prä-
sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das
mit dem Betrug hat mein Kollege Hansgeorg Hauser be-
reits eingehend dargelegt.
Wenn wir uns heute über drei Gesetzesvorlagen der
Regierungskoalition unterhalten, kann ich Ihnen einen
Vorwurf nicht ersparen: Sie denken nicht bis zum Ende,
und zwar weder bei Ihren Entwürfen noch in Ihren Bera-
tungen und das ist das Schlimme noch nicht einmal bei
Ihren Nachbesserungen. Anders sind nämlich diese vielen
Fehler und Inkonsequenzen auch in diesen Gesetzentwür-
fen nicht zu erklären.
Dabei bestreite ich gar nicht, dass tatsächlich Hand-
lungsbedarf besteht. Ich bin froh, dass die Rufe der Op-
position und auch die der Unternehmer bis zu Ihnen vor-
gedrungen sind. Denn es ist in unserem Lande in der Tat
nicht alles positiv. Es geht nicht allen Unternehmen wirk-
lich gut. Nicht nur die Folgen des brutalen Terroran-
schlags in den USA werden zu konjunkturellen Verschär-
fungen führen. Da hilft übrigens weder Verharmlosen
noch Schönreden, Frau Kollegin.
Wir brauchen realistische Analysen und eine voraus-
schauende Politik.
Denn schon vor diesem Anschlag war das Wirtschafts-
wachstum nahezu zum Stillstand gekommen. Die Ar-
beitslosigkeit steigt bereits wieder. Die angestrebte Be-
grenzung des öffentlichen Defizits auf 1,5 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts ist bereits heute Makulatur.
Es ist eine Tatsache leider eine beschämende; aber Sie
werden sich das noch öfter anhören müssen : Deutschland
ist das Schlusslicht in der europäischen Wirtschaft. Das
wird, so lange Rot-Grün regiert, vermutlich leider auch so
bleiben. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben das aller-
dings nicht verdient. Ich bin froh, dass im kommenden Jahr
Gelegenheit dazu besteht, dies zu korrigieren.
So lange kann Deutschland aber nicht warten. Was wir
jetzt brauchen, ist insbesondere bei den Steuern ein
früheres und entschlosseneres Handeln.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Lydia Westrich
18359
Unsere Wirtschaft braucht Impulse, um die drohende
Rezession abzuwenden und um die Arbeitslosigkeit nach-
haltig und erfolgreich bekämpfen zu können.
Da wir nicht die Mehrheit haben,
müssen Sie handeln. Ergreifen Sie endlich wieder Verant-
wortung für dieses Land, gehen Sie weg von der ruhigen
Hand! Machen Sie etwas und handeln Sie richtig!
Wir haben nicht die Mehrheit in diesem Hause.
Die CDU/CSU-Fraktion hat sich aber Gedanken darüber
gemacht, wie Deutschland wieder auf die Beine geholfen
werden kann.
Wir haben den Antrag Mehr Wirtschaftswachstum durch
mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteuerrecht vorge-
legt. Lassen Sie sich durch diesen Antrag inspirieren;
denn dann werden wenigstens Ihre Nachbesserungen
mehr Hand und Fuß und mehr Nachhaltigkeit haben.
Unser Antrag kann Ihnen auch helfen, die immer noch
bestehenden Gerechtigkeitslücken Ihrer bisherigen Steu-
erreform weitestgehend zu schließen. Eine vollständige
Heilung kann man auch damit nicht hinkriegen. Das
verspreche ich Ihnen.
Dazu haben Sie viel zu tief und zu chaotisch in das Steu-
ersystem eingegriffen. Ich denke da nur an den nicht zu
Ende gedachten Wechsel vom Anrechnungs- zum Halb-
einkünfteverfahren.
Aber nun konkret: Was stört uns insbesondere an Ihrem
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz? Da ist zu-
nächst einmal die versuchte Wiederherstellung der Rege-
lungen des früheren Mitunternehmererlasses.
Nach bisheriger Rechtslage konnte bei der Übertragung
von Wirtschaftsgütern zwischen Personenunternehmen
die Buchwertfortführung ohne jegliche Beschränkung
durch Fristen geschehen. Was kommt jetzt? Sie wollen die
steuerneutrale Übertragung an eine generelle Behaltefrist
von sieben Jahren koppeln. Das ist eine deutliche Ein-
schränkung. Diese Verschlechterung gegenüber dem gel-
tenden Recht haben unsere Unternehmer nicht verdient.
Sie erschwert Umstrukturierungen in Personenunterneh-
men. Letztendlich treiben Sie damit einen Keil zwischen
die Handels- und die Steuerbilanz. Das bereitet unseren
Unternehmern zunehmend Schwierigkeiten. Woher
kommt dies? Es kommt aus Ihrem pathologischen Miss-
trauen gegenüber allen Unternehmern.
Da Sie zudem die Behaltefrist unwiderlegbar ausge-
stalten wollen, kann in Härtefällen die volle Besteuerung
zuschlagen. Für viele Unternehmer kann es existenzbe-
drohend werden, wenn Steuernachforderungen, die
womöglich noch mit 6 Prozent verzinst werden müssen,
nach Jahren erhoben werden. Wenn Sie schon glauben,
Behaltefristen vorsehen zu müssen, dann sollten Sie sich
auch darüber klar sein, dass eine kürzere Frist notwendig
ist. Verzichten Sie auf diese babylonische Frist von sieben
Jahren!
Wir fordern Sie außerdem auf, die Besteuerung bei
der Aufgabe von Gewerbebetrieben nicht noch weiter
zu verschärfen. Sie haben richtigerweise wir haben es
bereits gehört die vom Weltökonomen Lafontaine
durchgesetzte Abschaffung des halben Steuersatzes bei
der Betriebsveräußerung zurückgenommen. Ungerech-
terweise haben Sie aber diejenigen vergessen, die 1999
und 2000 verkauft und den vollen Steuersatz zu leisten ha-
ben. Das nenne ich auf dem halben Weg stehen geblieben.
Sie wollen entgegen der geltenden Rechtslage jetzt
auch die entgeltliche Übertragung eines Mitunternehmer-
anteils voll besteuern. Das ist ein weiterer Versuch, die
Besteuerung des Mittelstandes zu verschärfen. Wir mei-
nen: Das ist nicht gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die von Ihnen
geplante Einführung einer Reinvestitionsrücklage für
Personenunternehmen ist nicht dazu angetan, unseren
Beifall zu finden. Auch das ist ein Beispiel für die einsei-
tige, unsystematische und ungerechte Bevorzugung von
Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften.
So ist es.
Warum, so frage ich mich, zwängen Sie diese Reinves-
titionsrücklage in ein so enges Korsett, dass nur größere
Unternehmen davon Gebrauch machen können und die
Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen außen
vor bleibt? Warum muss ein Handwerksbetrieb, der ex-
terne Beteiligungen veräußert, diese auch wieder in ex-
terne Beteiligungen investieren, anstatt die flüssigen
Mittel in seinen Betrieb wachstums- und beschäftigungs-
fördernd investieren zu können? Das macht keinen Sinn.
Warum befristen Sie auch diese Möglichkeit zusätzlich
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Norbert Barthle
18360
auf zwei Jahre? All diese Restriktionen gelten nicht für die
großen Kapitalgesellschaften. Sie können sogar die bei
Veräußerungsgeschäften anfallenden Kreditzinsen zu-
sätzlich steuerlich geltend machen. Also schaffen Sie end-
lich Gerechtigkeit!
Wie sagte uns kürzlich ein Steuerberater im Ge-
spräch? Die von Ihnen verteilten Bonbons sind schon
sauer, bevor man sie überhaupt in den Mund nimmt. Es
heißt zwar, dass sauer lustig macht, aber über diese Pla-
cebos werden unsere Mittelständler wirklich nicht la-
chen können.
Im Gegenteil: Sie erfahren ein weiteres Mal, dass die Mit-
telständler die großen Verlierer rot-grüner Finanzpolitik
sind.
Wir fordern Sie deshalb auf, die Regelungen für Betei-
ligungsveräußerungen von Personengesellschaften an die
Vorschriften für Kapitalgesellschaften anzupassen, und
zwar nicht nur in den Überschriften, sondern auch in den
Inhalten.
Ein weiterer Punkt, der nicht nur uns, sondern vor al-
lem den kleinen und mittleren Unternehmen schwer im
Magen liegt, sind die seit dem 1. Januar 2001 überarbei-
teten AfA-Tabellen.
Inzwischen hat sich mehr als deutlich herausgestellt, dass
die Bundesregierung hinsichtlich der Mehrbelastungen
für die deutsche Wirtschaft weit übers Ziel hinausge-
schossen ist.
Das gibt sogar das Finanzministerium zu. Nachdem jetzt
wohl die Neufassung der Branchentabellen auf die Zeit
nach der Bundestagswahl verschoben werden soll, kön-
nen auf diesem Weg die Mehrbelastungen für die Wirt-
schaft nicht mehr kompensiert werden, wie es noch im
Frühjahr im Finanzausschuss hieß. Das kennen wir bereits
von Ihnen: Belastungen heute, Entlastungen irgendwann
in ferner Zukunft.
Letztendlich geht es nur darum, Geld in die Kassen des
Finanzministers zu schaufeln, und zwar auf Kosten des
Mittelstandes.
Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie diese Regelungen kom-
plett zurück! Fangen Sie einfach von vorne an und bezie-
hen Sie uns in die Beratungen ein!
Noch eine kleine Gemeinheit haben Sie in Art. 11 des
Steueränderungsgesetzes 2001 versteckt. Sie wollen im
Bewertungsgesetz die Bewertung noch nicht fälliger
Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversi-
cherungen nur noch nach dem Rückkaufswert vorneh-
men. Diese Abkehr von der bisherigen Wahlfreiheit mit
der Zweidrittelregelung stellt für viele Bürgerinnen und
Bürger eine versteckte Steuererhöhung dar. Das ist sach-
lich nicht gerechtfertigt. Sie nennen dies redaktionelle
und inhaltliche Bereinigung. Ich sage: Das ist eine ver-
steckte Steuererhöhung.
Last, but not least eines unserer Hauptanliegen: Wenn
es richtig ist, dass Wirtschaftspolitik zu 50 Prozent aus
Psychologie besteht wie der Bundeskanzler immer wie-
der betont , dann handeln Sie entsprechend: Machen Sie
Gesetzentwürfe, die in die richtige Richtung weisen; denn
unsere Wirtschaft braucht jetzt entschlossene Signale. Sie
braucht jetzt eine Politik, die mit Steuersenkungen und
Entlastungen in die richtige Richtung führt. Was will ich
sagen? Ziehen Sie die nächsten Stufen der Steuer-
reform auf 2002 vor! Damit wäre uns geholfen.
Damit reduzieren Sie nicht allein die ungerechte Tarif-
spreizung zulasten der Personenunternehmen, sondern
damit würden Sie auch dringend benötigte Impulse an die
Wirtschaft senden.
Wenn Sie mir jetzt wieder mit den Horrorzahlen kom-
men, was das an Steuerausfällen mit sich bringt, dann
kann ich nur sagen: Sie haben diese Steuerausfälle mittel-
fristig in Ihre Finanzplanung bereits aufgenommen.
Es geht letztendlich nur um die zusätzlichen Zinskosten
für das reale Entlastungsvolumen. Weshalb vertrauen Sie
nicht auf die positiven Effekte von Steuersenkungen, wie
das andere Länder mit gutem Erfolg vorgemacht haben?
Ich wiederhole: Stoppen Sie diese Benachteiligungen des
Mittelstandes! Ziehen Sie die Stufen der Steuerreform vor!