Rede von
Lydia
Westrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Kol-
leginnen und Kollegen! Ich bin froh, Frau Höll, dass Sie
wenigstens versucht haben, die Debatte auf eine sachliche
Grundlage zu stellen, auch wenn ich Ihre Meinung in vie-
len Punkten nicht teile. Einige Debattenbeiträge kommen
mir eine bisschen vor wie Theaterdonner nach der klaren
Rede, die wir vorhin von Herrn Putin gehört haben.
Im Finanzausschuss sind wir eigentlich eine sehr sachli-
che Arbeit gewohnt.
Wir bringen heute drei Steuergesetze ein. Herr Thiele,
um es richtig zu stellen: Ihre Steuererhöhungen, die Ihnen
Frau Scheel gerade vorgerechnet hat, gelten bis heute und
sind den Bürgern durch Vorspiegelung falscher Tatsachen
nämlich Golfkrieg abgeknöpft worden. Die deutsche
Einheit sollte damals das wissen Sie selber aus der
Portokasse finanziert werden.
Deswegen können Sie die ehrliche und moderate Steuer-
erhöhung für die Terrorbekämpfung und für mehr Sicher-
heit für die Bürger kaum kritisieren.
Ich komme zurück auf die Steuergesetze, die jedes
auf seine Art mehr Rechtssicherheit, mehr Klarheit und
Gerechtigkeit sowie mehr Erleichterungen für die Steuer-
zahlerinnen und Steuerzahler schaffen. Das zeigt, dass wir
sehr flexibel sind und dass wir die Entwicklungen schnel-
ler aufnehmen, als Sie es damals gemacht haben.
Sie müssen sich einmal anschauen, was damals zu Ihrer
Zeit geschrieben worden ist, Herr Hauser. Das war auch
nicht immer sensationell.
Das ist erst einmal wie jedes Jahr das übliche
Steueränderungsgesetz. Sofern Anpassungen an höchst-
richterliche Rechtsprechung und an das Recht der Euro-
päischen Union nötig wurden, haben wir diese im
Steueränderungsgesetz berücksichtigt. Steuerrechtliche
Vorschriften, die sich in der Vergangenheit nicht bewährt
oder sich nicht als praktikabel erwiesen haben so war es
auch in der Vergangenheit immer üblich, Herr Thiele ,
haben wir beseitigt. Der Verwaltungsaufwand wurde da-
durch reduziert. Zum Beispiel wird die Abzugsfähigkeit
von Unterhaltsleistungen auf einen einheitlichen Höchst-
betrag festgesetzt. Kürzungsbescheide werden so unnötig.
Auch die Pflicht zur Meldung Sie haben sich vielleicht
den Gesetzentwurf noch nicht durchgelesen der vom
Steuerabzug freigestellten Kapitalerträge wird aus dem
gleichen Grund gestrichen.
Wir sind für Verwaltungsvereinfachung. Wir haben im
internationalen Amtshilfeverkehr durch die Verkürzung
der bisher umständlichen Dienstwege eine verbesserte
Zusammenarbeit erreichen können.
Die erforderlichen Umstellungen auf den Euro werden im
Gesetz vorgenommen. Es handelt sich um ein übliches,
sehr unspektakuläres Gesetz, über dessen Details wir uns
sicherlich schnell einigen können.
Herr Fromme, es handelt sich um ein Gesetz, wie es
auch schon früher üblich war. Ihre Kollegen können Ihnen
das sicher bestätigen.
Ich bin auch relativ zuversichtlich, dass wir uns über
die Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts ei-
nigen können. Sie können jetzt mit Ihrer Zustimmung und
Mitarbeit gutmachen, dass Sie, meine Damen und Herren
von der Opposition, letztes Jahr fatalerweise dem Steuer-
senkungsgesetz Ihre Zustimmung verweigert haben.
Sie haben Ihre Zustimmung verweigert und haben sich im
ganzen Land blamiert.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Dr. Barbara Höll
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Diesen Meilenstein in der Steuergeschichte ich meine
damit das Steuersenkungsgesetz entwickeln wir weiter
und schaffen damit noch weiter gehende Erleichterungen
für die Umstrukturierungen von Unternehmen insbeson-
dere im mittelständischen Bereich.
Dies ist auch eine alte Forderung. Ich habe sehr viele Ge-
spräche geführt. Diese gehen immer in dieselbe Richtung:
Gut, dass ihr das gemacht habt. Es war im Gegensatz zu
dem vorher herrschenden Stillstand endlich einmal ein
Schritt nach vorn.
Wir führen die Reinvestitionsrücklage für mittelständi-
sche Personenunternehmen ein. Wir werden diese nicht
nur wieder einführen,
sondern die Regelungen des Mitunternehmererlasses zu-
gunsten der mittelständischen Wirtschaft weiterent-
wickeln. Auch dies ist, Herr Michelbach, eine alte Forde-
rung. Dadurch wird mittelständischen Unternehmen nicht
nur die Umstrukturierung ihrer Beteiligungen an anderen
Unternehmen erleichtert. Die Unternehmen erhalten da-
durch auch eine weitere Steuerentlastung in Höhe von
300 Millionen DM, die für die Finanzierung neuer Im-
pulse verwendet werden können.
Die Grunderwerbsteuer wird die Umstrukturierung
künftig nicht mehr behindern. Auch Umstrukturierungen
von Kapitalgesellschaften, die ihre Betriebsstätten in ver-
schiedenen Ländern haben, können künftig leichter von-
statten gehen.
Die momentane Handhabung der Mehrmütterorgan-
schaft im Rahmen der Gewerbesteuer, nach der keine
Verrechnung der Verluste der Organschaften mit den Ge-
winnen ihrer Mütterorganschaften erfolgt, gilt noch bis
zum Ende des Jahres 2002. Ab dem Jahre 2003 werden
wir eine Mindestbeteiligung von 25 Prozent an der Or-
gangesellschaft vorsehen. Diese rückwirkende Maß-
nahme ist für die Sicherung der kommunalen Haushalte
notwendig, die ihre Berechnungen auf der Basis des vor-
her geltenden Rechts ermittelt haben. In diesem Punkt hat
Frau Höll sicher Recht.
Eines der Ziele der kommenden Legislaturperiode ist
eine umfassende Regelung im Bereich der steuerlichen
Behandlung von Verschmelzungen im Ausland mit inlän-
dischen Vermögensübertragungen. Zunächst einmal ha-
ben wir durch eine Lockerung des § 12 des Körper-
schaftsteuergesetzes eine wesentliche Erleichterung
erwirkt. Ich hoffe, dass Sie an diesen Weiterentwicklun-
gen für die Unternehmen mitarbeiten. Wenn Sie das nicht
wollen, würde das noch einmal Ihre fehlende wirtschaft-
liche Kompetenz verdeutlichen.
Sie wissen genau, dass gerade Wirtschafts- und Steu-
erpolitik einen soliden, verlässlichen Rahmen bilden
muss. Die Unternehmen brauchen ein stabiles Konzept
für die Zukunft, ein Steuerrecht, das sich stärker an den in-
ternationalen Verflechtungen in der Wirtschaft orientiert,
das aber auch durch den Ausschluss von Gestaltungen und
durch notwendige Klarstellungen eine gleichmäßige Be-
steuerung gewährleisten muss. Mit diesem Gesetz könn-
ten wir das gemeinsam tun. Dies würde sicherlich zu
einer besseren Beurteilung Ihrer wirtschaftlichen Kompe-
tenz in der Öffentlichkeit beitragen.
Damit bin ich beim dritten Gesetz mit dem zugegebe-
nermaßen nicht gerade eingängigen Namen Steuerver-
kürzungsbekämpfungsgesetz. Ich weiß auch nicht, wer
diese Namen immer erfindet.
Der Bundesrechnungshof und die Ländervertreter das
wissen Sie genau haben uns im Ausschuss mit ihren Be-
richten über die immer stärker steigende Umsatzsteuer-
kriminalität alle aufgeschreckt. Niemand kann einfach zu-
schauen, wenn kriminelle Elemente den Staat, also die
Steuerzahler, um viele Milliarden betrügen. Mit Blick auf
das in einer Stadt gegebene Versprechen, die Krimina-
litätsrate in 100 Tagen zu halbieren, muss ich sagen, dass
ich persönlich, Herr Hauser, wirklich nicht einsehe, dass
Verbrechen wirtschaftlicher Art anders als Verbrechen an-
derer Art bewertet werden sollen. Man muss immer mit
gleichen Maßstäben messen. Wenn Sie schon bereit sind,
in Hamburg solch strenge Maßstäbe anzulegen,
erwarte ich von Ihnen, dass Sie bei der Bekämpfung der
Wirtschaftskriminalität zumindest das bisschen an Ver-
schärfung, das wir vorschlagen, mittragen.
Schon seit Jahren steht die Umsatzsteuermiss-
brauchsbekämpfung immer wieder auf der Tagesord-
nung.
Wir alle wissen Sie selber doch auch , wie sensibel und
missbrauchsanfällig unser Mehrwertsteuersystem ist.
Wenn kriminelle Elemente die Finanzämter anzapfen, um
über Scheingeschäfte Steuererstattungen zu erschwin-
deln, dann handelt es sich dabei nicht um Kavaliersde-
likte.
Hier liegt ein massives Betrugsverhalten mit erheblicher
krimineller Energie vor.
Die damit verbundenen Probleme gehen zweifellos
zulasten der ehrlichen Steuerzahler. Denn für jede D-
Mark, die dem Fiskus durch Steuerbetrug und -hinterzie-
hung verloren geht, müssen die ehrlichen Steuerzahler
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Lydia Westrich
18358
geradestehen. Das schreibt selbst der Bund der Steuer-
zahler.
Selbst Sie müssen zugeben, dass die zunehmende Auf-
deckung von Betrug im Bereich der Zahlung der Umsatz-
steuer, die eine unserer bedeutendsten Einnahmequellen
ist, eine Änderung des Umsatzsteuerrechts dringend not-
wendig macht.
Bestens ausgerüstete, informierte und organisierte Kri-
minelle stehlen dem Staat und somit dem Steuerzahler
durch fingierte so genannte Karussellgeschäfte momentan
jährlich mehr als 20 Milliarden DM. Sie wissen genau,
dass das zum Beispiel auch im baden-württembergischen
Finanzministerium hochgerechnet worden ist. Dabei han-
delt es sich wirklich nur um geschätzte Zahlen; vermut-
lich liegen sie höher. Ehrliche Unternehmer, die ihre Um-
satzsteuer gewissenhaft zahlen, können im Wettbewerb
mit diesen Betrügern nicht bestehen. Arbeitsplätze wer-
den gefährdet. Viele Unternehmer sagen: Macht endlich
einmal etwas in diesem Bereich! Wir können es nicht
mehr aushalten!
Das hat unter anderem damit zu tun, dass die geltenden
Bestimmungen zu lasch sind. Effektive Kontrollen der
Behörden sind nicht möglich. Wir werden dies mit dem
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz ändern; Finanz-
minister Eichel und Frau Scheel haben die damit verbun-
denen Maßnahmen deutlich dargestellt.
Wir haben es doch schon mit anderen Maßnahmen ver-
sucht, Herr Hauser.
Die Menschen mit krimineller Energie drehen uns trotz-
dem eine Nase. Hätten wir schon früher effektive Geset-
zesvorschriften gehabt, wäre der von Ihnen verursachte
Schuldenberg vielleicht nicht so groß, wie er jetzt ist, und
wir müssten nicht so mühsam wie derzeit daran arbeiten,
ihn für die nächste Generation abzubauen.
Die Länder haben konstruktiv an diesem Gesetzent-
wurf mitgearbeitet und der Eilbedürftigkeit zugestimmt.
Sie und vor allem auch die Finanzverwaltungen warten
händeringend darauf, in ihrem Kampf um die Steuermil-
liarden und um Steuergerechtigkeit unterstützt zu werden.
Ich erwarte von Ihnen als Opposition, die Sie so viele
Sonntagsreden in diese Richtung halten damit meine ich
auch Sie, Herr Hauser , dass Sie nach der Feinarbeit im
Ausschuss den vorliegenden Gesetzentwurf mit verab-
schieden. Wer als finanzpolitisch kompetent gelten will,
muss an erster Stelle für Steuergerechtigkeit und Steuer-
legalität eintreten.
Vielen Dank.