Rede von
Hansgeorg
Hauser
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Bei allem Respekt davor, dass Sie, Herr Minis-
ter, die Sitzung gleich verlassen müssen: Den Text hätte
auch Ihre Staatssekretärin vorlesen können. Sie hat uns
schon heute Vormittag eine Kostprobe Ihrer Vorlesung
gegeben. Ich denke, das ist kein guter Stil.
Wir wollen alles anders und besser machen, versprach
diese rot-grüne Regierung. Jetzt, nach drei Jahren, stellt
die Fachwelt auf dem Gebiet des Steuerrechts fest: Das
Chaos wächst. In 35 Monaten hat diese Bundesregierung
37 neue Steuergesetze vorgelegt,
dazu über 60 Rechtsverordnungen und Richtlinien.
Viele davon waren Nachbesserungsgesetze
und Klarstellungsschreiben, ohne die manche Vorschrift
nicht umsetzbar bzw. verständlich gewesen wäre. Wenn
man sich mit Leuten aus der Praxis unterhält, dann kommt
permanent die Klage, dass sie bei vielen geänderten
Vorschriften ich darf nur das Stichwort § 2 b EStG und
ähnliche Dinge nennen bis heute nicht in der Lage
sind auch die Finanzverwaltung ist dazu nicht in der
Lage , diese Änderungen umzusetzen.
Jetzt sind die Gesetze Nr. 38, 39 und 40 dran, wie üblich
mit fantasievollen Namen. Die nächsten sind auch schon in
Arbeit. Es geht darum, Geld für mehr Sicherheitsmaß-
nahmen zu beschaffen, die man in den Vorjahren unter
dem Vorwand des Sparzwanges gestrichen hatte.
Hören Sie zu, Herr Kollege! Dann würden Sie nicht sol-
che dummen Bemerkungen machen. Es geht darum,
Sicherheitsmaßnahmen zu finanzieren. Diese Sicherheits-
maßnahmen sind vorher unter dem Vorwand des Spar-
zwanges deutlich eingeschränkt worden.
Über die Fragwürdigkeit dieser Nacht-und-Nebel-Ak-
tion wird noch zu sprechen sein.
Jedenfalls wird diese für den Finanzminister sehr be-
queme Art, die ihm die Mühe des Einsparens und Um-
schichtens im Haushalt erspart, für die Entwicklung der
Verbraucherpreise problematisch sein.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Bundesminister Hans Eichel
18349
Die Inflationsrate wird nach Aussage des Statistischen
Bundesamtes um 0,4 Prozent steigen.
Frau Staatssekretärin sie ist leider nicht mehr da ,
auch noch so schöne Erklärungen, dass das Statistische
Bundesamt den Warenkorb anders beschreibe usw., wer-
den nicht davon ablenken können, dass die Inflationsrate
deutlich ansteigen wird.
Das Vertrauen in die Finanzpolitik geht verloren, urteilt
der Finanzwissenschaftler Professor Peffekoven.
Heute geht es um die Änderung steuerlicher Vorschrif-
ten durch das Steueränderungsgesetz 2001, um die Fort-
entwicklung der Unternehmensteuerreform und um das
Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der
Umsatzsteuer und anderen Steuern, von dem im Folgen-
den die Rede ist.
Um es klar zu sagen: Wir unterstützen sinnvolle Maß-
nahmen zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen. Dabei
geht es nicht nur um die Sicherung der Steuereinnahmen
des Staates, sondern auch da stimme ich dem Minister
voll zu um die gerechte, gleichmäßige Besteuerung und
um die Wettbewerbsgleichheit.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf allerdings wird
deutlich über das Ziel hinaus geschossen und die Verant-
wortlichkeit völlig aus der Balance gebracht. Nachdem
der Minister den Eindruck erwecken will, dass Verbände
hier zustimmen, beispielsweise der ZDH, darf ich Ihnen
aus den Kernaussagen des ZDH nur einen Punkt vorlesen:
Die vorgeschlagenen verfahrensrechtlichen Einschrän-
kungen des Vorsteuerabzugs schießen unseres Erachtens
aber deutlich über das Ziel hinaus, indem sie auch dem
steuerehrlichen Unternehmer unverhältnismäßige Lasten
aufbürden.
Das könnte ich auch, aber die Zeit ist mir dafür jetzt zu
schade. Der Tenor ist genau der gleiche.
Drei Vorschriften sind nach unserer Auffassung gründ-
lich missraten: erstens die Einführung einer Sicherheits-
leistung bei der Vorsteuererstattung, zweitens die Haftung
des Leistungsempfängers für die schuldhaft nicht abge-
führte Steuer, drittens die allgemeine Nachschau.
Bei der Begründung des Gesetzes führt das Ministe-
rium schweres Geschütz auf. Wir haben es gerade wieder
gehört: Die Steuerausfälle durch Betrug betrügen über
20 Milliarden DM.
Diese Summe muss uns gründlich erläutert werden, ein-
schließlich der Berechnungs- und Datengrundlagen.
Vermutlich handelt es sich nämlich um übernommene
Schätzungen aus anderen Ländern, die bei uns so nicht
zutreffen.
Mit der lapidaren Begründung, dass das Vorsteuer-
abzugsrecht ... in hohem Maße betrugsanfällig sei, kann
künftig die Vorsteuererstattung im Einvernehmen mit
dem Unternehmer von einer Sicherheitsleistung abhängig
gemacht werden. Das Einvernehmen mit dem Unter-
nehmer geht wohl nach dem Motto: Vogel, friss oder
stirb!
Eine Fülle ungeklärter Fragen drängt sich auf. Der Er-
stattungsfall muss zweifelhaft sein. In welchen Punkten
denn? Die Überprüfung muss notwendig sein. Welche
Überprüfung? In welchem Umfang? Wie hoch muss die
Sicherheitsleistung sein? Davon steht im Gesetz kein
Wort.
Völlig übersehen wird, dass nicht nur Kosten für eine
Bankbürgschaft entstehen, sondern auch der Kreditrah-
men eines Unternehmens betroffen ist und damit Liqui-
ditätsengpässe entstehen können. Gerade für Existenz-
gründer und mittelständische Unternehmer mit geringer
Eigenkapitalausstattung und hoher Fremdkapitalquote
wird die Bereitstellung von Sicherheitsleistungen kaum
möglich sein. Wo bleibt da Ihr neu entdecktes Herz für die
mittelständischen Unternehmer? Sie haben sich doch zum
Anwalt dieser Klientel gemacht. Das ist mit Sicherheit
schiefgegangen.
Auch eine Prüfung der Werthaltigkeit wäre nötig; trotz-
dem wird dazu nichts gesagt. Bei den neuen Anforderun-
gen des § 18 KWG wird dies sehr zeitaufwendig sein.
Neu ist auch die Haftung des Leistungsempfängers
für die schuldhafte Nichtabführung der Umsatzsteuer aus
der ausgestellten Rechnung. Dabei muss der Vorsteuerab-
zugsberechtigte Kenntnis von der schuldhaften Nichtab-
führung haben. Es reicht aber auch schon aus, wenn der
Unternehmer den Umständen nach hätte wissen müssen,
dass diese Steuer nicht abgeführt wurde.
Diese Vorschrift bringt jeden rechtstreuen und ehrlichen
Unternehmer mit einem Bein ins Gefängnis, denn die
Haftung erstreckt sich auf alle Stufen der Umsatzsteuer.
Hier gilt das Motto: Den Letzten beißen die Hunde, weil
die Verwaltung den Betrüger nicht fassen kann. Diese
Regelung hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun.
Ich frage Sie: Was ist beispielsweise mit dem Finanz-
beamten, der nach den Umständen eines Falles hätte wis-
sen müssen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht,
und trotzdem erstattet? Diese Überreglementierung miss-
achtet den Grundsatz der zurückhaltenden Eingriffsver-
waltung und den rechtsstaatlichen Schutz des Bürgers und
wird von uns strikt abgelehnt.
Auch die Einführung einer allgemeinen Nachschau
atmet den Geist des Obrigkeitsstaates, der eigenes Unver-
mögen kaschiert
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Hansgeorg Hauser
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und mit unangemeldeten Prüfungen massiv in die persön-
liche Sphäre des Unternehmers eingreift und so der Kri-
minalisierung rechtschaffener Bürger Vorschub leistet.
Natürlich ist das eine persönliche Sphäre.
Die Finanzverwaltung besitzt mit den Instrumenten der
allgemeinen Betriebsprüfung und der Umsatzsteuerson-
derprüfung bereits weit gehende Möglichkeiten zur Über-
prüfung umsatzsteuerrechtlicher Tatbestände. Außerdem
hat die Steuerfahndung eine umfangreiche Machtfülle,
um Steuerkriminalität zu bekämpfen.
Wenn Sie wie ich in meiner Kundschaft einmal einen
solchen Fall miterlebt hätten, sähen Sie, wie die Steuer-
fahndung zuschlägt und welche Möglichkeiten sie hat.
Deswegen braucht man hier keine neuen Instrumente. Der
überfallartige Charakter der Nachschau wird allein damit
begründet, dass eine Ankündigung steuerunehrlichen
Unternehmen die Zeit gäbe, Vorkehrungen zu treffen, ge-
genüber den Steuerbehörden einen normalen Geschäftsbe-
trieb vorzutäuschen und den Geschäftsbetrieb einzustellen.
Diese allgemeine Nachschau stellt eine Art Steuerfahndung
ohne konkreten Anfangsverdacht dar, da die Voraussetzun-
gen, unter denen die Sicherstellung einer gleichmäßigen
Festsetzung und Erhebung der Steuer gefährdet ist, weder
näher definiert noch überhaupt genau zu definieren sind.
Auch der Übergang von der Nachschau zur Außenprü-
fung ist zweifelhaft geregelt. Die Ausdehnung der Rechte
der Finanzverwaltung ist eine Fortsetzung der Eingriffe des
Staates in Unternehmen. Durch das so genannte Steuersen-
kungsgesetz werden ab dem 1. Januar 2002 mit dem Da-
tenzugriff durch den Betriebsprüfer bereits neue Mitwir-
kungspflichten im Rahmen der Außenprüfung geschaffen.
Vor allem der weitgehend selbstständige Zugriff der Prüfer
auf Unternehmensdatenbestände kann zur Belastung des
Prüfungsnehmers führen. Das in der Zwischenzeit ergan-
gene Anwendungsschreiben auch das ist wieder ein Ka-
pitel für sich lässt mehr Fragen offen, als es beantwortet.