Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Nein, Frau Hasselfeldt, dieses Thema steht morgen auf
der Tagesordnung. Dann werde ich mit großem Vergnü-
gen berichten.
Bereiten Sie sich schon einmal darauf vor! Die Gelegen-
heit will ich heute Abend, fast unter Ausschluss der Öf-
fentlichkeit, nicht verschenken.
Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich nicht als
Missachtung des Parlaments unmittelbar nach meiner
Rede gehen muss, damit ich pünktlich beim Bundespräsi-
denten aus Anlass des Essens mit dem russischen Präsi-
denten erscheinen kann. Ich muss mir noch einen
schwarzen Anzug anziehen.
Vorsicht, in diesem Spiel gibt es auch noch sehr ver-
schiedene Varianten.
Meine Damen und Herren, unsere steuerpolitische Bi-
lanz kann sich sehen lassen. Mit der Steuerreform 2000
ist das größte Steuersenkungsprogramm im Bereich der
direkten Besteuerung seit 40 Jahren erfolgreich umgesetzt
worden.
Sind Sie unruhig? Die Steuerzahler werden im
Zeitraum von 1998 bis 2005 insgesamt um 100 Milliar-
den DM jährlich nachhaltig entlastet. Familien, Arbeit-
nehmer und die mittelständische Wirtschaft sind die
Hauptgewinner der Reform.
Denn für uns ist Gerechtigkeit keine Leerformel. Wir ha-
ben sie konkret in der Steuerpolitik umgesetzt.
Daran ändern auch die maßvollen Steuererhöhungen
über die wir morgen diskutieren nichts, die wir für die
Finanzierung der Maßnahmen zur Erhöhung der inneren
und äußeren Sicherheit im Kampf gegen den Terrorismus
benötigen.
Durch die deutliche Senkung der Steuersätze für Kapi-
talgesellschaften und das Halbeinkünfteverfahren bei der
Körperschaftsteuer ist unser Steuersystem endlich wieder
international wettbewerbsfähig und europatauglich.
Durch die Beseitigung der Gewerbesteuer als Kosten-
faktor für die Personengesellschaften und Einzelunter-
nehmer wird eine nachhaltige Entlastung des Mittelstan-
des, wie er ihn seit fünfzig Jahren gefordert hat, erreicht.
Mit der Senkung der Steuersätze bei der Einkommen-
steuer erhält er ebenfalls eine Entlastung.
Das Steuerrecht ist einfacher, transparenter und ge-
rechter geworden.
Sie werden sich noch wundern, was Vereinfachung
heißt. Es bedeutet immer den Abbau von Steuersubven-
tionen. Das müssten Sie eigentlich wissen. Es wird in
Zukunft den Wachstumsmotor unterstützen. Aber es
bleibt selbstverständlich viel zu tun. Die vorliegenden
Gesetzentwürfe zum Steuerrecht sind kleine, aber wich-
tige Schritte auf diesem Weg. Für weitere hohe Steuerent-
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Vizepräsidentin Petra Bläss
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lastungen ist augenblicklich kein finanzieller Spielraum
vorhanden; denn mit mir wird es kein Zurück in die Ver-
schuldungspolitik früherer Regierungen geben.
Aber wir können noch eine Menge tun: Modernisie-
rung und Vereinfachung müssen nun die Schwerpunkte
der Steuerpolitik sein. Deshalb werden wir noch in dieser
Legislaturperiode auf verschiedenen Feldern aktiv; denn
es gibt keine Reformpause. Wir gehen die Aufgaben wei-
ter energisch an. Das schafft bei Bürgern und Unterneh-
men Vertrauen.
Zunächst zur Unternehmensbesteuerung und ihrer
Fortentwicklung: Auch für die Zukunft wird die Steuer-
politik der Wirtschaft einen attraktiven Rahmen im sich
verschärfenden globalen Wettbewerb bieten. Deshalb
dürfen wir nicht rasten. Das Ziel der Bundesregierung ist
es, die mit der Unternehmensteuerreform erreichte gute
Position des Standortes Deutschland weiter zu festigen
und auszubauen. Dabei gilt es, sowohl für den Mittelstand
als auch für die Großunternehmen die wichtigen steuerli-
chen Rahmenbedingungen so zu justieren, dass ein Be-
stehen im internationalen Wettbewerb nachhaltig gesi-
chert ist.
Mit der Fortentwicklung des Unternehmensteuer-
rechts verfolgen wir folgende Ziele: Wir schaffen weiter-
gehende Erleichterungen für Umstrukturierungen ins-
besondere von mittelständischen Unternehmen. Das
Steuerrecht machen wir für die internationalen Verflech-
tungen der Wirtschaft fit. Wir sichern eine gleichmäßige
Besteuerung durch den Ausschluss von Gestaltungen. Wir
gewährleisten Rechtssicherheit durch Klarstellung bei der
Anwendung der Steuergesetze.
Grundlage des Gesetzentwurfs ist der Bericht des
Bundesfinanzministeriums an den Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages vom 18. April dieses Jahres zu
Fragen der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts.
Der Bericht basiert auf Überlegungen einer Experten-
gruppe aus Wirtschaft, Wissenschaft, Finanzverwaltung
der Länder, von Steuerberatern und den kommunalen Spit-
zenverbänden. So haben wir ein vernünftiges Fundament
für die Diskussion gelegt. Die Vorschläge des Berichts be-
treffen kurzfristig zu realisierende Maßnahmen, aber auch
mittelfristig umzusetzende Entwicklungsperspektiven aus
den Bereichen Umstrukturierung von Unternehmen, Er-
gebnisverrechnung zwischen verbundenen Unternehmen
und Besteuerung von Auslandsbeziehungen.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung
des Unternehmensteuerrechts greift die kurzfristig zu ver-
wirklichenden Maßnahmen auf. Wir erleichtern die
Umstrukturierung von Personenunternehmen im mittel-
ständischen Bereich. Die Einführung einer Reinvestiti-
onsrücklage für Personenunternehmen bei der Veräuße-
rung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist eine
weitere Mittelstandskomponente. Damit entlasten wir den
Mittelstand um weitere 150 Millionen Euro. Auch er-
leichtern wir die Umstrukturierung von Kapitalgesell-
schaften im grenzüberschreitenden Bereich. Dies nützt
dem Zusammenwachsen der Volkswirtschaften in Europa
und dem offensiven Hineingehen der deutschen Wirt-
schaft in den europäischen Binnenmarkt.
Weitere Maßnahmen betreffen vor allem gesetzliche
Klarstellungen zum Systemwechsel nach dem Steuersen-
kungsgesetz.
Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, zum
Unternehmensteuerrecht ist ausgewogen. Er berück-
sichtigt die Interessen der Wirtschaft nach stärkerer
Flexibilisierung des Unternehmensteuerrechts sowie der
Länder und Kommunen nach Sicherung des Steuerauf-
kommens. Hier bin ich auf Ihre Position gespannt. Das ist
kein einfaches, aber ein notwendiges Thema.
Eines zeigt er deutlich: Für den Mittelstand haben wir,
wie sich das schon bei der Steuerreform grundlegend ge-
zeigt hat, immer ein offenes Ohr;
denn vor allem in der mittelständischen Wirtschaft wer-
den die Weichen für Ausbildung und Beschäftigung ge-
stellt.
Auch auf anderen Feldern müssen wir reagieren. So ist
eine Verhinderung von Steuerbetrug unabdingbar, um
die steuerehrlichen Bürger und die steuerehrlichen Unter-
nehmen im Wettbewerb nicht gegenüber denjenigen zu
benachteiligen, die steuerbetrügerisch sind.
An dieser Stelle hoffe ich sehr, dass wir uns nicht wie-
der mit einigen Ausflüchten um die notwendigen Dinge,
die die Steuerverwaltung braucht, drücken; denn es darf
nicht sein, dass man jemandem die Möglichkeit gibt, noch
schnell seine Unterlagen in Ordnung zu bringen oder sich
davonzumachen.
Im Fall des Umsatzsteuerbetrugs geht es um solche
Summen, dass nicht mit tagelangen Voranmeldungen ge-
arbeitet werden kann. Ein Telefonanruf vor dem Erschei-
nen der Prüfer muss genügen. Andernfalls werden wir
ich sage es mit allem Nachdruck unser Ziel nicht er-
reichen.
Der rasche technische Wandel, die internationale Ar-
beitsteilung und die zunehmende Digitalisierung von
Daten führen dazu, dass sich Bürger und Unternehmen
zum Teil drastisch gewandelten Lebens- und Erwerbsbe-
dingungen gegenübersehen. Wir müssen dabei dafür
Sorge tragen, dass internationale Arbeitsteilung und mo-
derne Techniken nicht dazu genutzt werden, um unsere
Steuerbasis schleichend zu unterhöhlen. Der Umsatzsteu-
erbetrug hat ganz erhebliche Ausmaße angenommen.
Für Deutschland muss mit Umsatzsteuerausfällen im
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Bundesminister Hans Eichel
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zweistelligen Milliardenbereich gerechnet werden. Steuer-
ehrliche Unternehmen sind in ihrer Wettbewerbsfähigkeit
beeinträchtigt und Arbeitsplätze sind bedroht. Die Betrü-
ger nutzen das bestehende Umsatzsteuersystem bewusst
aus, sind bestens organisiert und kennen die Abläufe in
der Finanzverwaltung sehr genau.
Wir haben auf diesem Gebiet ein äußerst liberales
Recht. Auch will ich nicht in die Liquidität der Unterneh-
men eingreifen. Insofern bleiben wir sehr viel maßvoller
als alle anderen Länder in Europa. Man muss aber auch
zugreifen können und darf Steuerunehrlichen nicht die
Chance eröffnen, vor einer Verfolgung zu fliehen.
Ich bin mit meinen Finanzministerkollegen aus den
Ländern darin einig, dass für eine wirkungsvolle Bekämp-
fung des Umsatzsteuerbetruges neben der Verbesserung
des Verwaltungsvollzugs gesetzgeberische Maßnahmen
unverzichtbar sind. Die Maßnahmen zur Verbesserung
des Verwaltungsvollzugs haben wir in Abstimmung mit
den Ländern zum Teil bereits umgesetzt. Die not-
wendigen gesetzlichen Änderungen enthält der vorlie-
gende Gesetzentwurf.
Folgende Regelungen sind besonders wichtig:
Erstens: Abgabe monatlicher Voranmeldungen bei
Neugründungen. Kurzlebige betrügerische Unternehmen
können nur dann rechtzeitig aufgedeckt werden, wenn die
Finanzverwaltung die notwendigen Informationen über
solche Firmen frühzeitig erhält. Neu gegründete Unterneh-
men sollen deshalb künftig im Jahr der Gründung und dem
darauf folgenden Jahr ihre Umsätze monatlich melden.
Zweitens: Vorsteuererstattung gegen freiwillige Si-
cherheitsleistung. Die nahezu nur in Deutschland prakti-
zierte schnelle Auszahlung von Vorsteuerbeträgen zieht
Steuerhinterzieher an. Sie kommen sehr schnell an das
Geld. Um das Haushaltsrisiko zu reduzieren, ohne die Li-
quidität der Unternehmen allzu sehr zu belasten, soll bei
Zweifeln an der Berechtigung des Vorsteuerabzugs die
Auszahlung der Vorsteuer künftig mit Zustimmung des
Steuerpflichtigen gegen Sicherheitsleistung möglich sein.
Andere Länder ich weise darauf hin zahlen erst sehr,
sehr viel später oder nur einmal im Jahr aus. Das wollten
wir unseren Unternehmen nicht zumuten.
Drittens: Haftung für schuldhaft nicht abgeführte
Steuer. Künftig sollen Unternehmer, die wissen oder den
Umständen nach wissen müssen, dass sie in einen Karus-
sellbetrug involviert sind, für den Umsatzsteuerausfall in
Haftung genommen werden können, der durch das Ka-
russellgeschäft entstanden ist. Nur steuerunehrliche Un-
ternehmer werden davon betroffen sein.
Viertens: Allgemeine Nachschau ich habe es eben
schon angedeutet für die Umsatzsteuer; das betone ich.
Für Umsatzsteuerzwecke ist die Möglichkeit, unangekün-
digt Unternehmen in Augenschein zu nehmen, zwingend
erforderlich.
Was decken Sie da eigentlich, Frau Kollegin
Hasselfeldt? Mit einem Umsatzsteuerausfall von über
20 Milliarden DM dies hat der Rechnungshof festge-
stellt ist eine Größenordnung erreicht, die es notwendig
macht gegenzusteuern. Überlegen Sie sich, was Sie da
decken!
Wir könnten uns noch manche Steuersenkung leisten,
wenn wir das Steuerrecht voll durchsetzten. Das ist meine
Zielsetzung.
Es kann doch nicht wahr sein, dass der Ehrliche der
Dumme ist. Das kann doch nicht unser gemeinsames Ziel
sein.
Nach geltendem Recht müssen Prüfungen außerhalb
des Strafverfahrens angemeldet werden. Die Anmeldung
gibt zwangsläufig Gelegenheit übrigens ist auch das ge-
meinsame Überzeugung der Länderfinanzminister , ei-
nen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb vorzutäuschen.
Eine effektive Kontrolle ist damit derzeit nicht gewähr-
leistet. Im Bereich des Zolls und der Verbrauchsteuern hat
sich die Nachschau dort haben wir sie nämlich seit lan-
gem bewährt.
Fünftens: Wegfall der Anhörung vor Weitergabe von
Informationen ins Ausland. Ein schneller und zeitnaher
Auskunftsaustausch über die Grenze ist im europäischen
Binnenmarkt dringend erforderlich. Die Anhörungs-
pflicht im Bereich der Umsatzsteuer soll künftig entfallen.
Sechstens: Meldung von Neugründungen beim Fi-
nanzamt. Speziell zur effektiveren Aufdeckung von kurz-
lebigen betrügerischen Unternehmen, den so genannten
Phönixfirmen, benötigen die Finanzämter schneller als
bisher Informationen über die Aufnahme von unterneh-
merischer Tätigkeit. Die Unternehmen sollen daher künf-
tig ihre Tätigkeit unmittelbar beim Finanzamt anmelden.
Siebtens: Hinzuziehung von Bediensteten anderer
Mitgliedstaaten. Wir müssen enger mit unseren europä-
ischen Partnern zusammenarbeiten. Deswegen erleich-
tern wir die Kontakte mit den Finanzbehörden der ande-
ren europäischen Länder.
Achtens: bessere Koordinierung zwischen Bund und
Ländern. Die umsatzsteuerlichen Ermittlungen der Bun-
desländer werden wir besser koordinieren. Dazu wird
das Bundesamt für Finanzen beauftragt, zur Identifizie-
rung prüfungswürdiger Sachverhalte Informationen zu-
sammenzuführen und auszuwerten.
Diese Modernisierungsoffensive im Bereich der Um-
satzsteuer
sichert das Steueraufkommen und schützt den steuer-
ehrlichen Unternehmer vor betrügerischen Mitbewerbern,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 2001
Bundesminister Hans Eichel
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die nur aufgrund von Vorsteuermanipulationen preiswerter
anbieten können.
Ich habe übrigens gestern ein Gespräch mit dem Präsi-
denten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks ge-
führt, der in diesem Punkt vollständig meine Position teilt.
Es muss Schluss damit sein, dass der steuerunehrliche Un-
ternehmer einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem steu-
erehrlichen Unternehmer hat.
Die vorgeschlagenen Regelungen sollen im Übrigen in
den nächsten vier Jahren zu Mehreinnahmen ich
wünschte, es wären noch mehr; wir müssen erst einmal
schauen, was wir wirklich hinbekommen von 10 Milli-
arden Euro führen. Für mich ist noch wichtiger: Dies ist
ein konkreter Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit.
Nun zum Steueränderungsgesetz 2001. Mit dem
Steueränderungsgesetz wird die Klarheit der Steuerge-
setze erhöht.
Viele Änderungen sind hier eher technischer Natur, aber
sie tragen zu einer besseren Transparenz bei. Ihre Umset-
zung ist deshalb wichtig.
Neben der redaktionellen und inhaltlichen Bereinigung
steuerrechtlicher Vorschriften wird das Steuerrecht auch an
die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie an das Recht
der Europäischen Union angepasst. Zudem tragen die Än-
derungen zu einer Vereinfachung des Steuerrechts und der
Beseitigung überflüssiger Verwaltungsvorschriften bei.
Nun zu der Fortsetzung der Euroumstellung. Es wer-
den, soweit noch nicht geschehen, steuerrechtliche Vor-
schriften auf den Euro umgestellt oder bereits umgerech-
nete und geglättete Eurobeträge an zwischenzeitliche
Gesetzesänderungen angepasst. Auch hier wollen wir, wie
beim Steuer-Euro-Glättungsgesetz, das Vertrauen der
Bürger in den Euro dadurch stärken, dass nahe am Um-
rechnungswert zugunsten der Steuerpflichtigen geglättet
wird. Die Umsetzung europäischen Rechts und die Um-
stellung auf das Eurobargeld müssen zum 1. Januar 2002
im Gesetz vollzogen sein. Daher ist es notwendig, das Ge-
setzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen.
Meine Damen und Herren, das sind die drei Entwürfe,
die ich Ihnen vorzustellen hatte. Ich denke, sie alle dienen
dem Ziel, zu einem einfacheren, gerechteren, moderneren
Steuerrecht zu kommen. Ich bitte Sie herzlich um Ihre
Zustimmung.