Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich den Ablauf
der Debatte bisher angehört hat, kann nur sagen: Im Wes-
ten oder im Osten oder hier in der Mitte nichts Neues. Was
die Opposition vorgetragen hat, kann man im Protokoll
der Beratung des vergangenen Jahres genau nachlesen.
Herr Austermann hat nur eines nicht wiederholt. Er hat
nicht gleich heute die Vorlage eines Nachtrages zum
Haushalt 2002 gefordert.
Das kommt wahrscheinlich noch im Laufe der Debatte.
Spätestens im Januar nächsten Jahres wird es dann so weit
sein.
Herr Austermann, einen Punkt möchte ich ansprechen.
Sie haben die Familienpolitik der früheren Regierung ge-
lobt. Ich würde den Mund nicht so voll nehmen; denn es
gab ein vernichtendes Urteil des Bundesverfassungsge-
richts über Ihre Familienpolitik.
Mit den Schulden, die Sie aufgebaut haben, mit den Zins-
verpflichtungen, die Sie aufgebaut haben das ist eine
Größenordnung von 80 Milliarden DM pro Jahr , haben
Sie, CDU/CSU und FDP, um die Zukunft unserer Kinder
eine Mauer gebaut. Diese Mauer bauen wir jetzt langsam
ab; denn wir wollen den Kindern wirklich wieder die
Chance geben, ihre Lebensumwelt selbst zu gestalten.
Wir wollen nicht heute Schulden machen, damit es uns
gut geht, und den Kindern nachher die Schulden und de-
ren Abzahlung überlassen.
Das ist eine Umkehrung der Politik, die wir betreiben.
Als Sie, Herr Kollege Austermann, gesprochen haben,
ist mir übrigens unwillkürlich ein alter Spruch eingefal-
len. Er lautet: Wenn morgens früh die Sonne lacht, dann
hats die CDU gemacht; gibts aber morgens Eis und
Schnee, dann wars bestimmt die SPD.
Das war so die Überschrift über die Rede, die Sie gehal-
ten haben. Es war nichts Neues. Es kommt immer wieder
dasselbe.
Herr von Larcher, ich habe gesehen, dass Mister Wirt-
schaft eben geklatscht hat. Mir ist die Misswirtschaft
ich habe das auf dem Plakat gesehen oftmals lieber als
Mister Wirtschaft.
Wenn einer der erfolglosesten Wirtschaftsminister der
Bundesrepublik Deutschland sagt: Ich bin Mister Wirt-
schaft, dann ist das schon ein starkes Stück.
Herr Rexrodt, Sie haben damals den prägenden Satz ge-
sagt das ist mir in Erinnerung geblieben : Wirtschaft
wird in der Wirtschaft gemacht.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Dr. Christa Luft
18264
Eine ganz tolle Erkenntnis! Deshalb haben Sie immer ei-
nen Bogen um den Subventionsabbau gemacht und die
Auffassung vertreten, Wirtschaft werde in der Wirtschaft
gemacht und die Subventionen würden vom Staat gezahlt.
Frau Kollegin Luft sie ist im Moment abgelenkt ,
was die Entwicklung der Kosten für den Bau von öf-
fentlichen Gebäuden angeht: Für uns ist das genauso wie
für Sie ein Ärgernis. Es ist wirklich nicht mehr nachzu-
vollziehen, wie sich ich denke nicht nur an die Bundes-
bauten die Baukosten entwickeln. Für die Bauten des
Deutschen Bundestages ist auch die Baukommission
verantwortlich, die man inklusive der Geschäftsführer der
Bundesbaugesellschaft verhaften müsste.
Ilse Janz ist dagegen; sie ist Mitglied dieser Kommis-
sion. Wenn man diese Verhaftung vornehmen würde,
dann müsste man wahrscheinlich halb Berlin einsperren.
Die Entwicklung ist wirklich fatal. Auch ich habe mich
gestern geärgert, als ich in der Vorlage gelesen habe, dass
die Asbestbeseitigung im Palast der Republik 47 Milli-
onen DM mehr kosten wird, weil man zufälligerweise ir-
gendwo noch Asbest gefunden hat. Sorgsam vorbereitet,
hätte man das vorher merken müssen. Dasselbe gilt für die
Bauten des Bundestags. Es ist ja schön, dass wir in eine
halbe Baustelle eingezogen sind. Von meinem Zimmer
aus habe ich einen klaren, unverbauten Blick auf die Kin-
dertagesstätte. Von Berlin ist da überhaupt nichts mehr zu
sehen. Das ist eben der Nachteil, wenn man in der zwei-
ten Etage sitzt. Der Vorteil ist, dass man da keine Klima-
anlage braucht, weil die Sonne nie dorthin kommt. Ir-
gendwie ist alles schon bestens organisiert.
Die ganze Geschichte ist schlimm.
Frau Kollegin Luft, Sie haben gesagt, dass die Investi-
tionen wieder ansteigen müssten. Ich frage Sie ganz ein-
fach: Woher soll das Geld kommen? Die alte Regierung
aus CDU/CSU und FDP hat die Gewährleistungen erhöht
wie Herr Eichel dargestellt hat, handelt es sich bei deren
Inanspruchnahme auch um Investitionen und dadurch
war die Quote von Investitionen und Nettoneuverschul-
dung eingehalten. Allerdings das muss man so darstel-
len handelte es sich nicht um Investitionen, die wirklich
etwas gebracht haben.
Stichwort Jugendarbeitslosigkeit: Hätten wir einfach
nur zuschauen sollen, wie die Entwicklung verläuft? Es
gibt in der Tat das muss man sagen; das ist einfach so
ein Problem mit den Ausbildungsplätzen im Osten. Ich
plädiere für mehr Zielgenauigkeit des Programms der
Bundesanstalt für Arbeit. Man sollte kein Geld an Regio-
nen im Westen geben, wo überhaupt keine Jugendarbeits-
losigkeit mehr herrscht; vielmehr sollte man versuchen,
Geld in diejenigen Gebiete fließen zu lassen, wo es wirk-
lich brenzlig ist. Um dieses Problem zu lösen, braucht es
ich wiederhole es mehr Zielgenauigkeit.
Im Übrigen werden Sie es nie schaffen ich erinnere
daran, dass ich aus dem Saarland komme , dafür zu sor-
gen, dass alle jungen Menschen dorthin gehen, wo sie ei-
nen Ausbildungs- und Arbeitsplatz finden. Wir haben es
im Saarland jahrzehntelang erlebt: Menschen, die ihre
Stelle durch den Abbau von Arbeitsplätzen in der Kohle-
und Stahlindustrie verloren haben, haben das Bundesland
verlassen und sind teilweise am Wochenende zum Bei-
spiel aus dem Ruhrgebiet oder aus dem Mannheimer
Raum ins Saarland zurückgekehrt. Man kann dieses
Problem also nicht nur auf die östlichen Länder kaprizie-
ren, sondern es trifft auch auf bestimmte Regionen im
Westen der Bundesrepublik Deutschland zu.
Der Haushaltsentwurf des Jahres 2002 ist eine solide
Grundlage für die weitere Arbeit im nächsten Jahr. Er ist
solide finanziert.
Wenn Sie das nicht gerne hören, dann muss ich Ihnen sa-
gen: Solides Finanzieren ist Ihnen in Ihrer Regierungszeit
sowieso abhanden gekommen. Sie haben nur unsolide fi-
nanziert. Wir müssen mit der Erblast allerdings fertig
werden. Die Schulden in Höhe von 1,5 Billionen DM und
die damit verbundenen 80 Milliarden DM Zinsen, die ge-
zahlt werden müssen, sind nun einmal da.
Wir müssen wir sind auf dem Weg, das zu tun die Zin-
sen möglichst schnell reduzieren; denn die Zinsen sind
das ist doch eine makabere Situation der zweitgrößte
Ausgabenposten im Bundeshaushalt. Die Nettokredit-
aufnahme im Jahre 2006 auf null zu senken ist ein Ziel,
dem eigentlich auch Sie sich verpflichtet fühlen müssten.
Dort, wo Sie Verantwortung tragen, müssen Sie mithel-
fen, dieses Ziel zu erreichen. Erst dann beginnen wir mit
dem vollständigen Abbau der Schulden, die die Zukunft
unserer Kinder zugemauert haben. Bei der Lösung dieses
Problems müssten Sie eigentlich auf unserer Seite sein.
Wenn ich es richtig gesehen habe, dann machen Sie in
Ihren Anträgen überhaupt keine Vorschläge für die Finan-
zierung von Mehrkosten in Höhe von 36,5 Mil-
liarden DM. Was da steht, ist lächerlich. Für bestimmte
Bereiche fordern Sie zusätzliches Geld. Sie sprechen zum
Beispiel davon, dass die Steuerreform vorgezogen werden
soll. Zu kleineren Gebieten, die Sie auch noch anspre-
chen, will ich gleich etwas sagen.
Stichwort Bundeswehr: Der ganze Dampf der letzten
Tage, der um Scharping gemacht wurde, diente nur dazu,
von dem Finanzdesaster abzulenken, das Sie bei der Bun-
deswehr angerichtet und hinterlassen haben.
Das war der Grund für Ihr Theater der letzten Tage, meine
Damen und Herren. Schauen Sie sich einmal an, was für
Bestellungen getätigt wurden. Jetzt ist der Oberexperte
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Hans Georg Wagner
18265
Breuer nicht da. Ich stelle da nämlich fest, dass Sie den
Eurofighter als Rohling bestellt haben, der gerade einmal
fliegen konnte, aber keine Bewaffnung die musste für
7 Milliarden DM nachbestellt werden und keine Ein-
richtungen zum Unterfliegen von Radar hatte; die musste
für 4 oder 5 Milliarden DM nachbestellt werden. Sie ha-
ben uns Vorbelastungen übertragen, die ins Grenzenlose
gingen.
Sie sollten auch Weiteres wissen, was die Bundeswehr
angeht. Ich frage Sie noch einmal ganz ehrlich, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Warum haben
Sie die Erhöhung des Wehrsoldes für die Soldaten ab-
gelehnt? Die Koalition hat den Wehrsold, der über Jahre
nicht erhöht worden war, erhöht. Warum wollten Sie den
Soldaten die Erhöhung des Wehrsoldes verweigern? Auf
diese Frage müssen Sie mir eine Antwort geben, wenn Sie
mit einem scheinheiligen Lächeln behaupten, Sie sorgten
sich wirklich um die Bundeswehr.
Der nächste Punkt, hierzu hat die Bundesregierung ei-
nen Gesetzentwurf vorgelegt: Als ich in den Haushalts-
ausschuss kam, habe ich eine Erfahrung gemacht, die Sie,
Herr Kollege Koppelin, wahrscheinlich auch gemacht ha-
ben. Sie sind ja für den Haushalt des Verteidigungsminis-
teriums vonseiten der FDP zuständig. Auch Sie haben be-
stimmt gemerkt, dass im Bereich der Beamten Hunderte
bzw. Tausende nach A 1 oder A 2 bezahlt wurden. Das gibt
es in keiner Gemeinde in Deutschland mehr, dass irgend-
ein Beamter nach A 1 oder A 2 bezahlt wird. Das gibt es
nur bei der Bundeswehr. Das haben wir geändert. Der Ge-
setzentwurf sieht vor, dass im Rahmen des Personalpla-
fonds hier jetzt endlich Verbesserungen für diese Leute
vorgenommen werden. Diese Leute sind zum Teil für 200
andere verantwortlich. Sie werden jetzt noch in einer Art
und Weise bezahlt ich will das nicht näher benennen, um
niemanden zu beleidigen , die jedenfalls unmöglich ist.
Sie haben die Soldaten über Jahrzehnte hängen lassen,
was ihre Bezahlung anging. Sie haben sich dadurch kei-
nen guten Dienst erwiesen.
Sie haben die Motivation der Soldaten gedrückt.
Jetzt bitte keine Fragen.
Schauen wir uns andere Zustände an. Ich habe eben als
Beispiel den Eurofighter genannt. Sie wissen genau, wie
es mit der Beschaffung des Transporters aussieht, der vor
der Bundestagswahl nur bestellt worden ist, damit die Be-
triebe schnell noch sichere Aufträge bekommen und keine
reelle Ausschreibung stattfinden musste.
Schauen wir uns einmal an, wie es um die Einsatz-
fähigkeit von Material im Kosovo oder jetzt in Mazedo-
nien bestellt ist. Ich nehme an, dass Sie schon einmal dort
waren. Die Einrichtungen dort sind nicht einsetzbar. Ich
denke an den Leo 2; 3 000 wurden dorthin transportiert,
damit 1 500 einsatzfähig gemacht werden konnten. Das
geht doch auf Ihre Bundeswehrpolitik zurück. Damit ha-
ben wir doch nichts zu tun. Wir haben weder ihn noch den
Marder bestellt. Das sind alles Unzulänglichkeiten, die
uns von Ihnen hinterlassen wurden. Das wird sich jetzt än-
dern. So, wie wir den Soldaten ganz konkret geholfen ha-
ben, werden wir jetzt auch für diese Einsätze die modern-
ste Ausrüstung beschaffen.
Der nächste Punkt, der auch in den Anträgen der
CDU/CSU auftaucht, betrifft die Bahn. Ich halte es für fa-
tal, dass die CDU/CSU beantragt, 500 Millionen DM
mehr an die Bahn zu geben. Ist Ihnen nicht klar oder nicht
bewusst geworden, dass Ihre Vorstandsvorsitzenden Dürr
und Ludewig in den Jahren ihres Tuns bei der Deutschen
Bahn die ganzen Planungsabteilungen liquidiert haben?
Jetzt kommen wir und stellen fest, dass Bedarf besteht,
das Netz zu erneuern. Hierzu kommen uns die Zinser-
sparnisse infolge der UMTS-Gelder zugute. Wir geben
2 Milliarden DM, damit das Netz besser und schneller ge-
macht werden kann, es stellt sich aber dann heraus, dass
das gar nicht möglich ist, weil die planerischen Voraus-
setzungen dafür gar nicht vorhanden sind.
Es war doch Ihr Fehler, dass Sie zugelassen haben, dass
Personal im Bereich der Planungsabteilungen der Bahn
abgebaut wurde. Diese sind heute ausgelaugt und nicht in
der Lage, sehr schnell zu reagieren. Das Ergebnis wird
sein, meine Damen und Herren, dass von den 2 Milliarden
DM, die wir in diesem Jahr der Bahn zur Verfügung ge-
stellt haben, drei Viertel übrig bleiben. Sie werden das
hoffe ich sehr durch Aufträge festgelegt sein, aber nicht
verausgabt worden sein. Ich finde es ganz gut, dass Ver-
kehrsminister Bodewig mit der Bahn ein Abkommen ge-
schlossen hat, dass stattdessen andere Großmaßnahmen
finanziert werden können, damit das Geld dann, aller-
dings von der Bahn, im Jahre 2004 nachträglich bereitge-
stellt werden kann. Ich halte das für vernünftig.
Sie müssen doch sehen, dass Sie das verursacht haben.
Nach dem Verursacherprinzip sind Sie alleine an dieser
Misere schuld, sonst niemand. Sie haben ja über lange
Jahre den Verkehrsminister gestellt.
Es verhielt sich nun einmal bei diesen Geldern wie in der
ganzen Bauwirtschaft so, dass es üblicherweise eine Pla-
nungs- und eine Ausschreibungs- bzw. Vergabephase gibt
und erst dann ausgeführt und abgerechnet werden kann.
Das ist in der Bauwirtschaft immer so gewesen. Man kann
nicht Herrn Mehdorn am 1. Januar 2 Milliarden DM über-
weisen und ihm sagen, er solle das Geld schnell unter die
Leute bringen. So etwas wäre in höchstem Maße unred-
lich. Wir müssen hier einen längeren Atem haben.
Nun sind endlich erste Anzeichen dafür erkennbar,
dass Aufträge vergeben werden. Das gilt übrigens nicht
nur für die Bahn. Von den 125 im Programm der Bundes-
regierung zum Bau von Ortsumgehungen aufgeführten
Maßnahmen sind bereits 66 vergeben und im Bau. Auch
insoweit wird sich in der Bauwirtschaft etwas bewegen;
Kollege Metzger hat bereits darauf hingewiesen, dass sich
die Daten positiv verändern. Wir können also daran fest-
halten, dass es im zweiten Halbjahr oder spätestens im
ersten Halbjahr des Jahres 2002 eine wirtschaftliche Be-
lebung in Deutschland geben wird.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Hans Georg Wagner
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Frau Kollegin Dr. Luft und andere haben erneut ein
Programm gefordert, mit dem die Arbeitslosigkeit stär-
ker bekämpft wird. Arbeitslosigkeit ist für jeden ein Är-
gernis. Es gibt gar keinen Zweifel, dass jede Idee zur
wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aufgenom-
men wird. Wir können allerdings die Unternehmen nicht
dazu prügeln, Personal einzustellen statt zu entlassen, wie
es leider massenhaft geschieht.
Bei Ihnen war das Routine, bei uns ist es jedenfalls ein
öffentliches Ärgernis wenn das immer so läuft. Ihnen war
es letztlich wahrscheinlich egal.
Wir haben im vergangenen Jahr das Zukunftsinvesti-
tionsprogramm aufgelegt, das mit 15 Milliarden DM do-
tiert und aus den Zinsersparnissen solide finanziert ist, die
von den UMTS-Erlösen herrühren. Dies ist etwas anderes
als das, was in Japan geschieht; dort wurden kreditfinan-
zierte Konjunkturprogramme aufgelegt, was aber zu dem
Ergebnis führte, dass dort die Arbeitslosigkeit noch nie so
hoch war, wie sie heute ist, und der Staat pleite ist. Wir ha-
ben es auch anders als die Amerikaner gemacht, die alle
Steuern und Ausgaben herunterfahren wollten. Herr Bush
ist mit seinem Steuersenkungsprogramm bekanntlich
nicht weit gekommen; es ist schon am ersten Tag schief
gegangen.
Wenn jetzt leichte Besserungstendenzen in den USA er-
kennbar sind, dann ist das ja gut. Dies wird sich auch bei
uns auswirken, da der Export die tragenden, Säule unse-
res Arbeitsmarktes ist und bleibt. Wenn die Amerikaner
weniger konsumieren, können wir nicht so viel exportie-
ren; das ist eine ganz einfache Rechnung. Wenn sich das
Konsumverhalten in Amerika bessert, wird das zu positi-
ven Folgen bei uns führen, übrigens nicht nur in Deutsch-
land, sondern in allen Ländern der Europäischen Union
und auch in anderen Ländern. Ich war neulich in Brasilien.
Reisen bildet, Herr Kollege Repnik; Sie sollten viel-
leicht auch einmal verreisen. Dort ist mir gesagt worden,
dass man ebenfalls auf eine Erholung des amerikanischen
Marktes warte.
Ich habe gesagt, dass Reisen bildet. Sie sollten auch ein-
mal nach Brasilien fahren. Dort können Sie etwas lernen,
Herr Repnik,
und dann können Sie vielleicht auch intelligentere Zwi-
schenrufe machen.
Es hängen also auch andere Länder von der amerikani-
schen Konjunktur ab. Wenn der IWF Argentinien neue
Kredite gibt, bedeutet das für uns ebenfalls zusätzliche
Exportchancen, weil dort dann die Wirtschaft wieder zu
funktionieren beginnt.
Bei der FDP fällt das Stichwort Subventionsabbau
immer zuerst;
sie ist nur nicht dabei, wenn es konkret wird. Ich
schlage vor, Herr Kollege Koppelin, dass wir uns darauf
verständigen.
Ich polemisiere hier nicht, gegen Sie sowieso nicht; das
wissen Sie doch.
Subventionsabbau hört sich immer gut an. Bis jetzt
wird nur eine einzige Subvention vertraglich abgebaut,
nämlich die der deutschen Steinkohle. Das lässt sich aber
auch bei anderen Subventionen machen, Herr Kollege
Rexrodt. Sie waren ja damals als Wirtschaftsminister
maßgeblich an dem Vertrag beteiligt, der die Einschrän-
kung der Steinkohlesubventionen bis zum Jahre 2005 vor-
sieht. Das ist mit Ihr Werk, gegen das zunächst einmal
nichts zu sagen ist. Aber warum sind Sie nicht bereit, auch
bei der Landwirtschaft Subventionsabbau zu betreiben?
Das gilt übrigens auch für die europäische Ebene; Herr
Minister Eichel hat es gesagt.
Für die Steinkohle werden 5 Prozent aller Subventionen
gezahlt. Dann seien Sie doch bereit, Herr Kollege
Gerhardt, mir zuzugestehen, dass ich Sie dazu einlade,
beim Subventionsabbau in anderen Bereichen mitzuma-
chen. Hier denke ich etwa auch an den großen Bereich des
Wohnungsbaus, wo eine Anpassung an den tatsächlichen
Bedarf stattfinden muss. Es gibt gar keinen Zweifel, dass
Herr Eichel hinsichtlich dieses Punktes Recht hat. In die-
sem Zusammenhang halte ich es nicht gerade für fair,
Frau Kollegin Luft, dass Sie es gering achten, wenn wir in
den nächsten drei Jahren für den Stadtumbau Ost
1,2 Milliarden DM aufwenden. Würden Sie den Städten
und Gemeinden im Westen, denen es überhaupt nicht gut
geht, sagen, dass 1,2 Milliarden DM nichts seien, erhiel-
ten Sie sicherlich eine ganz andere Antwort.
Die Union hat bereits jetzt Anträge auf Mehrausgaben
gestellt, die sich nicht nur auf die 36,5 Milliarden DM be-
ziehen; denn man muss alles zusammenfassen. Herr Kol-
lege Rauen, Sie werden nach mir sprechen; vielleicht be-
antworten Sie die Frage, wie Sie die 400 Milliarden DM,
die sich als Summe Ihrer Anträge ergeben, in unserem
Haushalt finanzieren wollen. Sie können natürlich sagen,
wir sollen die Mehrwertsteuer um 20 Prozentpunkte er-
höhen. Damit wäre das alles abgedeckt.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Hans Georg Wagner
18267
Aber das wollen Sie ja auch nicht. Sie wollen die Steuer-
reform vorziehen und Entlastungen vornehmen. Man
muss mir einmal erklären, wie das zusammenpasst. Ir-
gendeiner muss doch etwas zur Finanzierung sagen, wenn
Anträge auf 400 Milliarden DM Mehrausgaben gestellt
werden und gleichzeitig die Steuern gesenkt werden sol-
len, denn Sie wollen doch wohl seriös sein.
Wenn ich Herrn Austermann richtig verstanden habe, lebt
er in dem Irrglauben, Sie kämen im nächsten Jahr wieder
an die Regierung. Solche Hoffnungsschimmer hat er
manchmal. Solche Vorhaben müssen dann aber auch se-
riös finanziert werden.
Wir haben die Absicht erklärt, die Möglichkeiten zur Be-
lebung am Arbeitsmarkt auszubauen. Die Beratung über
das Job-Aqtiv-Gesetz wird in der nächsten Sitzungswoche
beginnen. Darin werden wir auch Verfeinerungen und Ver-
besserungen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vorneh-
men.
Jetzt möchte ich etwas zum Ablauf der letzten Jahre sa-
gen. Ich frage Sie, warum die Union die Kindergeld-
erhöhungen abgelehnt hat. Vor Weihnachten 1999 haben
Sie die erste Kindergelderhöhung abgelehnt, dann haben
Sie die zweite Kindergelderhöhung abgelehnt und jetzt
lehnen Sie die dritte Kindergelderhöhung auch noch ab.
Sie haben die Neufestlegung des Existenzminimums ab-
gelehnt. Sie haben alle von uns erreichten sozialen Errun-
genschaften abgelehnt. Sie müssen mir erklären, wie Sie
das mit Ihrer Politik in Übereinstimmung bringen wollen.
Ich denke an das Kündigungsschutzgesetz, das wir zu-
gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder
verändert haben.
Das hat überhaupt keine Arbeitsplätze vernichtet, Herr
Kollege Gerhardt. Das ist nicht wahr.
Wir haben in anderen Bereichen einige Maßnahmen er-
griffen, die Sie einfach abgelehnt haben. Sie müssen gegen-
über der Bevölkerung bitte auch begründen, warum Sie das
tun, statt immer neue Anträge zu stellen und darüber hin-
ausgehende Forderungen zu erheben. Sie sollten ganz kon-
kret sagen: Wir haben die Kindergelderhöhung abgelehnt,
weil wir es den Leuten nicht gönnen. Sagen Sie das; das ist
ja in Ordnung. Dann weiß jeder, woran er bei Ihnen ist.
Wir werden den Haushalt selbstverständlich intensiv
beraten. Wir werden auch den Umsatzsteuerbetrug, den
Sie, Herr Rexrodt, beklagten, bekämpfen.
Dann war es eben Herr Austermann. Er hätte in 16 Jah-
ren, in denen Sie an der Regierung waren, diesen Betrug
bekämpfen können. Herr Repnik, warum waren Sie denn
nicht bereit, dies zu bekämpfen? Warum müssen wir das
machen? Das ist wieder eine Erblast. Sie laden Schutt bei
uns ab, den wir dann beseitigen müssen. Die Betrüger sind
aber nicht nur in diesem Jahr gefunden worden; es gibt sie
schon wesentlich länger, man hätte sie früher bekämpfen
können.
Frau Merkel hat in der vorigen Woche einen bemer-
kenswerten wahren Satz gesprochen.
Ja. Sie hat nämlich gesagt, die chronische Unterfinan-
zierung der Bundeswehr begann 1989. Damit hat sie voll-
kommen Recht gehabt. Insofern ist es zu begrüßen, wenn
hier der Wahrheit entsprechende Sätze geäußert werden.
Ansonsten waren sich die Redner aller Fraktionen einig,
dass man etwas zur Bekämpfung der internationalen
Kriminalität wie Drogenhandel und Menschenhandel
tun muss.
Die Koalition wird sich bemühen, im Zuge der Beratun-
gen die eine oder andere zusätzliche Verbesserung auf die-
sem Gebiet zu erreichen, ebenso bei den Hilfsorganisa-
tionen wie dem THW, die wir ins Ausland schicken.
Wir werden die Ausstattung der Programme für den
Städtebau und für die soziale Stadt an die des Jahres 2001
anpassen, weil diese Maßnahmen in den westlichen Städ-
ten begründet sind. Für die Städte in den östlichen Bun-
desländern bleibt die Höhe der Förderung ohnehin in glei-
chem Umfang erhalten. Ich halte das für eine gute
Ausgangsposition. Zu diesen Punkten werden wir im
Rahmen der Beratung des Haushaltes entsprechende An-
träge formulieren.
Sie entsinnen sich an die Berlin-Debatte, die wir in die-
sem Hohen Haus geführt haben. Ich glaube, die FDP hatte
beantragt, man solle über die Situation Berlins reden.
Damals sagten wir, im Unterschied zum Saarland und zu
Bremen, wo die Haushaltsnotlage unverschuldet entstan-
den ist, ist sie hier in Berlin durch eigenes Verschulden
entstanden.
Das muss man abrechnen. Dabei muss man beachten,
welche konkreten Maßnahmen wir finanzieren. Sie be-
kommen das vielleicht gar nicht mit. Sehen Sie sich ein-
mal im Bundeshaushalt an, wie viele Millionen wir an
Berlin geben. Die Museumsinsel und das Jüdische Mu-
seum sind genannt worden; das ist ja alles in Ordnung.
Darüber sind wir uns völlig einig.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Hans Georg Wagner
18268
Es gab bisher keinen Streit. Sie haben nicht besonders
dafür gekämpft oder kämpfen müssen.
Sie haben nichts dafür getan; da haben Sie auch wieder
Recht.
Wir tun also einiges für Berlin. Wir sind aber an Ent-
scheidungen der Stadt Berlin gebunden. Sie wissen, dass
wir die Finanzierung der Sanierung des Olympiastadions
übernommen haben.
Der alte Berliner Senat das gilt bis jetzt auch für den
neuen konnte sich aber noch nicht entscheiden, was mit
der U 5 passiert, die ebenfalls vom Bund finanziert wird.
Das ist richtig. Zumindest der größere Koalitionspartner
war absolut schlecht. Das gebe ich gerne zu.
Der andere Koalitionspartner konnte nicht so regieren,
wie er wollte. Er war aber auf jeden Fall besser. Wir hel-
fen also Berlin da, wo es möglich ist.
Wir werden auch die Sportförderung in den neuen
Ländern Stichwort: Goldener Plan im Rahmen der
Haushaltsberatungen diskutieren. Es wird dann deutlich
werden, wo die einzelnen Fraktionen ihre Schwerpunkte
setzen. Ich lade alle drei Oppositionsfraktionen herzlich
ein, sinnvolle Anträge einzubringen, um sie mit uns ge-
meinsam zu beraten. Wir werden sicherlich dem einen
oder anderen Vorschlag entgegenkommen warum denn
nicht? , wenn er vernünftig ist. Bis jetzt kam aber mei-
nes Wissens noch bei keiner Haushaltsberatung etwas
Vernünftiges vonseiten der CDU/CSU auf den Tisch.
Natürlich, mit einigen sogar sehr.
Herr Kollege Repnik, die Fraktionen können doch noch
eigene Vorschläge machen.
Sie waren anscheinend so abhängig von der Regierung,
dass Sie gar nichts mehr gemacht haben.
Die Koalitionsfraktionen sind doch selbstbewusst genug,
unserer Regierung zu sagen, an dem und dem Punkt
könnte man es besser machen.
Das ist doch normal. Ich weiß, dass Sie über 16 Jahre blin-
den Gehorsam gezeigt haben: abnicken und fertig. Diese
Zeiten sind vorbei.
Wir werden den Konsolidierungskurs weiter mittra-
gen und werden dem Ziel von Hans Eichel folgen, im Jahr
2006 eine Nettokreditaufnahme von Null zu erreichen.
Wir werden dem Haushalt nach einer gründlichen Bera-
tung, zu der ich Sie herzlich einlade, zustimmen.
Vielen Dank.