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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig 18231 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 18231 A Begrüßung des Vizepräsidenten des Bundes- rechnungshofes, Dr. Dieter Engels . . . . . . . 18256 D Informationen über Anschläge auf Ziele in den USA . . . . . . . . . 18282 D, 18286 B,C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksache 14/6800) . . . . . . . . . . . . . 18231 D b) Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Drucksache 14/6801) . . . . . . . . . . . . . 18232 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundes- regierung fürdas Haushaltsjahr1999 – Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1999) – zu der Unterrichtung durch den Bun- desrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1999) (Drucksachen 14/3141, 14/4226, 14/4571 Nr. 1.2, 14/6521) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18232 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 18232 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 18245 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18249 C Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 18253 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18256 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . 18261 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18262 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . 18264 B Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 18269 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18272 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 18275 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18276 A Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . . . . . 18277 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 18280 C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . 18282 D Hans Jochen Henke CDU/CSU . . . . . . . . . . . 18284 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18286 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18287 A Plenarprotokoll 14/185 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 185. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2001 I n h a l t : Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes über die Fest- stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) – der Unterrichtung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Tagesordnungspunkt 1 a und b) Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18287 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001 Hans Jochen Henke 18286 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 2 2) Die Rede lag bei Redaktionsschluss nicht vor. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001 18287 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 11.09.2001** Bohl, Friedrich CDU/CSU 11.09.2001 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 11.09.2001** Klaus Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ 11.09.2001 DIE GRÜNEN Doss, Hansjürgen CDU/CSU 11.09.2001 Ernstberger, Petra SPD 11.09.2001*** Forster, Hans SPD 11.09.2001 Götz, Peter CDU/CSU 11.09.2001 Hauer, Nina SPD 11.09.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 11.09.2001 Dr. Hornhues, CDU/CSU 11.09.2001** Karl-Heinz Klemmer, Siegrun SPD 11.09.2001 Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 11.09.2001 DIE GRÜNEN Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 11.09.2001 Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 11.09.2001* DIE GRÜNEN Nolte, Claudia CDU/CSU 11.09.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 11.09.2001*** Rehbock-Zureich, SPD 11.09.2001 Karin Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11.09.2001 Schloten, Dieter SPD 11.09.2001*** Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.09.2001** Hans Peter Schütz (Oldenburg), SPD 11.09.2001 Dietmar Stöckel, Rolf SPD 11.09.2001*** Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 11.09.2001 Thiele, Carl-Ludwig FDP 11.09.2001 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 11.09.2001 Wistuba, Engelbert SPD 11.09.2001 Wolff (Wolmirstedt), SPD 11.09.2001 Waltraud Zierer, Benno CDU/CSU 11.09.2001* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der ... Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) – der Unterrichtung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Tagesordnungspunkt 1a und b) Uta Titze-Stecher (SPD):In der laufenden Sitzungs- woche diskutieren wir in erster Lesung das Bundeshaus- haltsgesetz 2002, das heißt den Bundeshaushalt für das nächste Jahr sowie den Finanzplan des Bundes für die Jahre 2001 bis 2005. Natürlich geht es dabei zur Sache – und das ist auch richtig so. Denn Zahlen sind Fakten. Und Haushaltszah- len spiegeln klar und eindeutig die politische Handschrift der jeweiligen Regierung wider. Insofern wird die Haus- haltsdebatte traditionell – und zu Recht – zur Generalaus- einandersetzung zwischen Opposition und Regierung bzw. Regierungsfraktionen über die zukünftige Politik, konkretisiert im Bundeshaushalt. In den Kontext dieser politischen Generalabrechnung passt natürlich nahtlos die Debatte um die Entlastung der Bundesregierung für das Jahr 1999. Denn eine Bundesre- gierung, deren Haushalts- und Wirtschaftsführung in der Vergangenheit nicht nur Anlass zu Beanstandungen gege- ben hat – das ist normaler Alltag, wie insbesondere die Mit- glieder des Rechnungsprüfungsausschusses und des Bun- desrechnungshofes wissen –, eine Bundesregierung, der weder vom Bundesrat noch vom Bundestag Entlastung er- teilt wurde, wäre am Ende. – Davon kann keine Rede sein. Für die amtierende Bundesregierung kann ich grünes Licht geben: Der Bundesrat hat der Bundesregierung in seiner 758. Sitzung am 21. Dezember 2000 die Entlastung für das Haushaltsjahr 1999 erteilt. entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Rechnungsprüfungsausschuss hat die Anträge des BMF und die Bemerkungen des BRH in sieben Sitzungen ausführlich beraten und dem Haushaltsausschuss einstim- mig die Entlastung der Bundesregierung für das Haus- haltsjahr 1999 vorgeschlagen. In seiner 77. Sitzung vom 27. Juni 2001 hat schließlich der Haushaltsausschuss mehrheitlich bei Stimmenthal- tung der CDU/CSU beschlossen, dem Deutschen Bun- destag die Entlastung zu empfehlen. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes sind die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung durch den Bundestag im Haushaltskreislauf. Die jährliche Vorlage der Bemerkungen des Bundes- rechnungshofes an den Adressatenkreis Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag markiert daher nicht nur den Zeitpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit, sondern den Be- ginn des parlamentarischen Verfahrens. Der Rechnungsprüfungsausschuss, ein Unterausschuss des Haushaltsausschusses, befasst sich intensiv mit der Kritik, die der Bundesrechnungshof am Einnahme- und Ausgabeverhalten des Bundes in seinen Bemerkungen aufgelistet hat. Als Ergebnis der Beratungen fasst der Rechnungsprü- fungsausschuss zu jeder einzelnen Bemerkung einen Be- schluss, in 93 Prozent der Fälle verbunden mit zustim- mender Kenntnisnahme, der auch festlegt, mit welchen Maßnahmen innerhalb welchen Zeitrahmens die geprüfte Verwaltung oder Behörde zu reagieren hat. Insofern haben die Bemerkungen des Bundesrech- nungshofes eine große Wirkung, oder, um ein Bild zu ge- brauchen: Wir, das Parlament, sind die Zähne, die der Ti- ger Bundesrechnungshof braucht, um Ministerien und Verwaltungen zu verpflichten, Mängel durch ganz be- stimmte Maßnahmen abzustellen. Ich möchte mich daher, auch im Nahmen meiner Kolle- ginnen und Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss und im Haushaltsausschuss, bei der Präsidentin des Bundes- rechnungshofes und ihren Mitarbeitern sehr bedanken für die außerordentlich gute und effektive Zusammenarbeit. Mein Dank gilt ebenso den Kollegen und Kolleginnen des Rechnungsprüfungsausschusses – sie haben mir seine Leitung leicht gemacht – und den Mitarbeitern des Rech- nungsprüfungsausschusssekretariats. Im Jahresbericht sind rund 100 Einzelbeiträge aufge- listet, die finanzwirtschaftlich bedeutsam sind, exempla- rische Mängel verdeutlichen oder/und für die Gesetzge- bung und andere Entscheidungen wichtig sind. Immer ist die Kritik mit konkreten Verbesserungsvorschlägen ver- bunden, also konstruktiv. Prüfung und Beratung durch den Bundesrechnungshof beschränken sich allerdings nicht nur auf den Jahresbe- richt. Jährlich verfassen der Bundesrechnungshof und seine Prüfungsämter Hunderte von Prüfungsmitteilungen, deren Vorschläge und Anregungen die Verwaltungen un- mittelbar umsetzen, ohne dass darüber groß öffentlich be- richtet wird. Immer häufiger finden sich daher auf der Tagesordnung des Rechnungsprüfungsausschusses Tagesordnungpunkte, die auf Vorschlag des Bundesrechnungshofes und zustän- digen Berichterstatters als „erledigt“ angesehen, also nicht mehr beraten werden. Das ist eine gute Entwicklung, da sie verdeutlicht, dass diese Bundesregierung bestrebt ist, die Vorschläge des Hofes und die Beschlüsse des Parlaments umzusetzen – zum eigenen Vorteil! Denn dadurch konnten Entlastungen des Bundeshaushalts in Höhe von mehreren 100 Milli- onen DM erzielt werden; in den kommenden Jahren kön- nen sogar Jahr für Jahr mehr als 10 Milliarden DM an Ent- lastungen erreicht werden. Wie wir alle wissen, ist Vertrauen gut, Kontrolle aber unabdingbar notwendig, damit einmal Erreichtes stabili- siert wird und Mängel minimiert bzw. abgestellt werden. Bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Jahres- rechnung 1999 hat der Bundesrechnungshof hinsichtlich des kassenmäßigen Ergebnisses keine für die Entlastung relevanten Abweichungen zwischen den Beträgen in den Rechnungen und in den Büchern festgestellt; dies gilt gleichermaßen für die Rechnungen der 16 Sonderver- mögen. So weit, so gut. Verbesserungswürdig sind allersdings folgende Punkte in der Jahresrechnung: So enthält die Haushalts- und Ver- mögensrechnung unzutreffende, widersprüchliche oder unklare Angaben. So zum Beispiel die unvollständige Ausweisung von in Anspruch genommenen Verpflich- tungsermächtigungen. Stichprobenweise Prüfungen der Einnahmen und Aus- gaben ergaben ordnungsgemäße Belege; aber auch hier bemängelt der Hof formale Fehler. So zum Beispiel bei den Feststellungsvermerken auf den begründenden Un- terlagen, bei der Vollständigkeit von Unterlagen, ja sogar beim Ausfüllen der Vordrucke der Kassenanordnungen. Da kann ich nur sagen: Alles lässt sich lernen, auch das korrekte Ausfüllen von Formularen. Daher erwarten wir vom BMF, die für den Haushalt Verantwortlichen in den einzelnen Ministerien und nachgeordneten Dienststellen jährlich im Haushaltsaufstellungsschreiben auf die Not- wendigkeit hinzuweisen, die Vorschriften und Grundsätze für die ordnungsgemäße Veranschlagung und Bewirt- schaftung der Haushaltsmittel hinreichend zu beachten. Zur Haushaltsführung selbst ein paar Bemerkungen: Die Ausgaben lagen mit 482,8 Milliarden DM im Haus- haltsjahr 1999 um rund 2,9 Milliarden DM unter dem veranschlagten Soll von 485,7 Milliarden DM. Die Ein- nahmen – ohne Einnahmen aus Krediten und ohne Münz- einnahmen – unterschritten mit rund 431,5 Milliarden DM ebenfalls das veranschlagte Soll von 432,1 Milliarden DM. Demnach betrug das Finanzierungsdefizit 51,3 Milliar- den DM, also rund 2,3 Milliarden DM weniger als geplant. Zum Haushaltsausgleich trugen in erheblichem Umfang 9,2 Milliarden DM aus Veräußerungen von Beteiligungen und sonstigen Kapitalvermögen bei. 4,1 Milliarden DM da- von sind allein zur Deckung des Zuschussbedarfs bei den Postunterstützungskassen verwendet worden. Ab 2002 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 200118288 (C) (D) (A) (B) werden Privatisierungserlöse, wie vom Bundesrechnungs- hof empfohlen, ausschließlich zur Deckung der Defizite des Postunterstützungskassen verwandt. Im Bereich der über- und außerplanmäßigen Ausga- ben hat sich auf den ersten Blick nichts geändert, was ne- gativ wäre. Bei genauerem Hinsehen stellen wir aber fest, dass sich zwar der Gesamtumfang der überplanmäßigen (5 463 Millionen DM) und außerplanmäßigen Ausgaben (24,2 Millionen DM) in Höhe von 5,5 Milliarden DM nicht nennenswert verringert hat – immerhin 1,1 Prozent des Haushalts-Solls. Die Fallzahl dagegen ist stark gesunken. Als Ausreißer möchte ich hier die überplanmäßigen Ausgaben in Höhe von 226 Millionen DM für die knappschaftliche Renten- versicherung nennen, zurückzuführen auf unerwartete Zunahme der Zahl der Renten in den neuen Ländern bei gleichzeitig stärkerem Rückgang der Versicherten – diese Entwicklung war schwer vorhersehbar. Auch die Baumaßnahmen in Berlin und Bonn, die wechselkurzsabhängigen Pflichtbeiträge an internatio- nale Organisationen sowie umzugsbedingte Maßnahmen führten zu überplanmäßigen Ausgaben. Positiv möchte ich unterstreichen, dass die im Haus- haltsgesetz 1999 enthaltenen globalen Minderausgaben in Höhe von rund 1,6 Milliarden DM einschließlich der Ef- fizienzrendite aus dem Bereich der flexibilisierten Ausga- ben der Verwaltung erwirtschaftet wurden. Beim Kapitel „Verpflichtungsermächtigungen“ erin- nere ich daran, dass aufgrund des Regierungswechsels 1998 bis Mitte 1999, das heißt bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes am 21. Juni 1999, die vorläufige Haus- haltsführung galt. Dies ist der Grund dafür, dass im Haus- haltsjahr 1999 nur 38 Prozent oder rund 29,2 Milliarden DM der veranschlagten 76 Milliarden DM Verpflich- tungsermächtigungen in Anspruch genommen werden. Die von der Vorgängerregierung vorgelegte Haushalts- rechnung 1998 wies eingegangene Verpflichtungen nicht vollständig aus – so fehlten zum Beispiel Angaben bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Höhe von 2,8 Milliarden DM. Die unzutreffenden bzw. unterlassenen Buchungen sind in- zwischen in der Jahresrechnung 2000 korrigiert und er- gänzt worden. Der Bundesrechnungshof weist aber nachdrücklich da- rauf hin, dass seitens des BMF Vorkehrungen im Rahmen der Haushaltsführung und Rechnungslegung unerlässlich seien, damit künftig auch alle eingegangenen Verpflich- tungsermächtigungen gebucht werden und die Haushalts- rechnung das eingegangene Verpflichtungsermächtigun- gen-Volumen zutreffend ausweist. Im Übrigen gilt, dass Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben nur dann veranschlagt werden sollen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind. Alles andere würde gegen den Grundsatz „Haushaltsklarheit/Haus- haltswahrheit“ verstoßen. Die im Rahmen des Haushaltsvollzugs in Anspruch genommene Nettokreditaufnahme (NKA) lag mit 51,1 Mil- liarden DM um 2,4 Milliarden DM unter der Kredit- ermächtigung im Haushaltsgesetz 1999 – da waren noch 53,5 Milliarden DM etatisiert. Die Neuverschuldung war um rund 4,9 Milliarden DM niedriger als die Summe der Investitionsausgaben mit 56 Milliarden DM. Damit wurde die verfassungsrechtliche Kreditobergrenze des Artikel 115 GG eingehalten, auch im Haushaltsvollzug. Die Verschuldung des Bundes aus seinen Finanzkre- diten (einschließlich der in den Bundeshaushalt über- nommenen Sondervermögen) betrug Ende 1999 rund 1 385 Milliarden DM. Dazu kommen die nicht in den Bundeshaushalt eingegliederten Sondervermögen von 110 Milliarden DM (Fonds Deutsche Einheit und ERP- Sondervermögen), für die der Bund geradezustehen hat, sodass sich die Gesamtverschuldung zum Jahresende 1999 auf 1 495 Milliarden DM belief. Mit dem Gesetz zur Eingliederung der Schulden von Sondervermögen in die Bundesschuld hat die rot-grüne Regierung rückwirkend vom 1. Januar 1999 im Wege der Schuldmitübernahme die Verbindlichkeiten der Sonder- vermögen (u. a. Erblastentilgungsfonds) geregelt. Dies war überfällig und wurde seit Jahren vom Bundesrech- nungshof und der damaligen Opposition gefordert – Stich- wort „Schattenhaushalte“. Wir gehen davon aus, dass die dadurch im Hinblick auf die Verschuldungsgrenze des Ar- tikel 115 GG entstandenen Haushaltsspielräume nicht zur Erhöhung der Nettokreditaufnahme führen. Im Zusammenhang mit der finanzwirtschaftlichen Ent- wicklung des Bundes stellt der Bundesrechnungshof eine „leichte Verbesserung der Haushaltslage“ fest, weist aber gleichzeitig auf die weiterhin erheblichen Belastungsfak- toren wie Zins- und Sozialausgaben hin. Auch die Tatsa- che, dass sich die Ausgabenstruktur im Bundeshaushalt in den letzten zehn Jahren zugunsten dieser und anderer kon- sumtiven Ausgaben und zulasten der Ausgaben für Inves- titionen sowie Bildung und Forschung verändert habe, wird betont. Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Schieflage durch neue haushaltsmäßige Prioritäten in den erwähnten Bereichen Bildung und Forschung inzwischen deutlich korrigiert. Postitiv vermerkt der Bundesrech- nungshof den Anstieg des Anteils der durch Steuerein- nahmen – und eben nicht Kredite – gedeckten Ausgaben. Der Rückgang der Nettokreditaufnahme ist, so der Bundesrechnungshof, im Verhältnis zum Anstieg der Steuereinnahmen, zu gering. Trotz der bisher praktizier- ten und für die nächsten Jahre vorgesehenen Rückführung der jährlichen Nettoneuverschuldung hat der Bundes- haushalt schlechtere Werte bei wichtigen Finanzkennzif- fern (Kreditinvestitionsquote, Kreditfinanzierungsquote, Deckungsquote) als die Haushalte von Ländern und Kom- munen. Der Anteil des Bundes an der öffentlichen Ge- samtverschuldung hat sich auf hohem Niveau stabilisiert (65 Prozent). Da die mit der Verschuldung verbundenen Zinslasten die politischen Gestaltungsspielräume einengen, ist die Entscheidung, einmalige Einnahmen wie die Erlöse aus der Versteigerung von Mobilfunklizenzen oder Privatisie- rungserlösen schwerpunktmäßig zur Schuldentilgung ein- zusetzen, finanzwirtschaftlich sinnvoll – so der Hof und die rot-grünen Haushälter. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001 18289 (C) (D) (A) (B) Mit der Fortführung des eingeschlagenen Konsolidie- rungskurses (Stichwort: Zukunftsprogramm 2000) trägt die Bundesregierung den Erwartungen des Rechungsprü- fungsausschusses und den Empfehlungen des Bundes- rechnungshofes weitgehend Rechnung, so die Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Frau von Wedel, in ihrem Er- gebnisbericht 2001. Einen interessanten, überlegenswerten Vorschlag macht der Bundesrechnungshof im Zusammenhang mit der Neuverschuldungsgrenze gemäß Artikel 115 GG: Er hält dessen Kreditbegrenzungswirkung für unzureichend, da von der zur Ermittlung der Kreditobergrenze herange- zogenen Summe der Investitionsausgaben vor allem Ver- mögensverwertungen abgezogen werden können, die un- ter ökonomischen Gesichtspunkten die Wirkung von Desinvestitionen haben. Mittelfristig empfiehlt der Bun- desrechnungshof, den haushaltsrechtlichen Investitions- begriff zu überprüfen mit dem Ziel einer stärkeren Be- grenzung des Kreditfinanzierungsspielraumes. Der Europäische Stabilitätspakt vom 1. Januar 1999 verpflichtet die elf Teilnehmerstaaten zur Vermeidung übermäßiger Defizite in den öffentlichen Haushalten und droht bei mangelnder Haushaltsdisziplin erhebliche fi- nanzielle Sanktionen an. Immerhin sind sich Bundestag und Bundesrat darüber einig, ihren strikten Konsolidierungskurs fortzusetzen – jedenfalls wurde dies aus Anlass der Beschlussfassung zur Fortführung des Solidarpaktes und zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzierungsausgleichs vom 5. Juli bzw. 13. Juli dieses Jahres in gleich lautenden Ent- schließungen zum Ausdruck gebracht. Zur dauerhaften Einhaltung der Defizitkriterien aus dem Maastricht-Vertrag und dem europäischen Stabi- litäts- und Wachstumspakt streben die Länder eine Rück- führung der Nettoneuverschuldung an, während der Bund im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt, also ohne Nettokreditaufnahme, vorlegen wird. Im Maßstäbegesetz wird in § 3 Abs. 3 geregelt: Bei der Abstimmung der Deckungsbedürfnisse von Bund und Ländern sowie der Gestaltung der öffent- lichen Haushalte ist über die Bestimmungen des Ar- tikel 106 Abs. 3 Satz 3 und 5 des Grundgesetzes hi- naus sicherzustellen, dass durch eine gemeinsame Ausgabenlinie die Bestimmungen des Maastricht- Vertrages und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Begrenzung des gesamtstaat- lichen Defizits umgesetzt werden. Die Frage wird durch den Bundesrechnungshof zu prü- fen sein, ob mit dieser innerstaatlichen Regelung den besonderen Anforderungen an die innerstaatliche Koordi- nierung der öffentlichen Haushalte ausreichend Rech- nung getragen wird. Die noch erforderlichen Abstim- mungsgespräche zwischen Bund und Ländern zu den Verfahrensregelungen im Haushaltsgrundsätzegesetz soll- ten nun zügig in Angriff genommen werden. Schließlich liegt es im originären Interesse des Bundes, die Gespräche erfolgreich zum Abschluss zu bringen: Für den Fall möglicher Sanktionen durch die Europäische Ge- meinschaft wegen Überschreitung der insgesamt zulässi- gen gesamtstaatlichen jährlichen Verschuldung haftet nämlich bisher allein der Bund – ein unhaltbarer Zustand. Im Übrigen konterkarieren milliardenteure Wunschlis- ten aus bestimmten Bundesländern natürlich die selbst- gesteckten Stabilitätsziele ... Ich stelle positiv fest, dass im zwischenzeitlich verab- schiedeten Maßstäbegesetz langjährige Forderungen des Bundesrechnungshofes und Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichts endlich erfüllt werden: Bundesergänzungs- zuweisungen werden darum als nachrangig definiert, auch ihr Volumen wird begrenzt. Am Schluss seiner Feststellungen zur finanzwirtschaft- lichen Entwicklung des Bunds empfiehlt der Bundesrech- nungshof eine vorsichtige Einschätzung der künftigen Haushaltsentwicklung bei der Fortschreibung der Finanz- pläne, um die zum Teil erheblichen Planabweichungen zu minimieren, zum Beispiel zu günstige Steureinnahmen und zu niedrige Ausgaben für Sozialleistungen. Um für ungünstige Entwicklungen auf der Einnahme- und Ausgabeseite gerüstet zu sein, empfiehlt der bundes- rechnungshof die Aufnahme von Planungsreserven. Die bisherigen Finanzpläne enthalten bereits solche Reserven in Form so genannter globaler Mehrausgaben, leider nur auf der Ausgabenseite. Durch eine verstärkte und verstetigte Risikovorsorge könnten dann nämlich finanzwirtschaftliche Mehrbelas- tungen für den Bundeshaushalt, zum Beispiel aufgrund abweichender konjunktureller Entwicklungen oder verän- derter politischer Prioritätensetzungen, bei der Fort- schreibung der Finanzpläne leichter aufgefangen werden. Der Bundesrechnungshof konzediert, dass sich im Fi- nanzplan bis 2004 eine Verstetigung der finanzwirtschaft- lichen Eckwerte abzeichnet – also der richtige Weg be- schritten wird. Ein abschließendes Wort zur Umsetzung der flexiblen Haushaltsinstrumente nach dem Haushaltsrechts-Fort- entwicklungsgesetz in der Bundesverwaltung. Der Bund hat 1997 sein Haushaltsrecht flexibilisiert. Weitere neue Instrumente des Haushaltswesens werden derzeit erprobt und implementiert. Zwar sind hier Länder und Kommunen weiter, aber auf Bundesebene bewegt sich doch manches: Das erwähnte Gesetz hat nicht unwesentliche Neuerungen gebracht, vor allem eine erweiterte Deckungsfähigkeit der Ausgaben, das heißt Haushaltsmittel können stärker als bisher für andere als im Haushaltsplan vorgesehene Zwecke verwendet werden. Innerhalb der Hauptgruppe sind die Ausgaben in vollem Umfang deckungsfähig, zwischen den Haupt- gruppen zu 20 Prozent. Auch sind Ausgaben stärker als bisher in die folgenden Jahre übertragbar und stehen den Verwaltungen zusätzlich zu den Haushaltsmitteln des neuen Haushalts als Ausgabenreste zur Verfügung. Als Gegenleistung für die erhöhte Flexibilität beim Haus- haltsvollzug erbringen die Verwaltungen die so genannte Effizienzrendite, die zu einer globalen Kürzung der Ver- waltungsausgaben geführt hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 200118290 (C) (D) (A) (B) Der Hof stellt fest, dass im Haushalt 2000 mittlerweile 134 Kapitel mit rund 4 800 Titeln und einem Ausgaben- volumen von rund 27,7 Milliarden DM (entspricht rund 5,8 Prozent der Gesamtausgaben, beinahe doppelt so viel wie im Haushaltsjahr 1998, dem ersten Jahr der Flexibili- sierung). Schaut man genau hin, stellt sich heraus, dass zwar deutlich weniger Haushaltsmittel ausgegeben wurden als veranschlagt; dies lag aber einmal an der Effizienzrendite, zum anderen an der Übertragung von Ausgabenresten in die Folgejahre. Daher lässt sich sagen, dass die endgülti- gen Einsparwirkungen für den Bundeshaushalt noch nicht abschließend bezifferbar sind, da die entstandenen Min- derausgaben als Ausgabenreste in die Folgejahre über- tragbar sind und gegebenenfalls zusätzlich verausgabt werden können. Jedenfalls lässt die Ausgabenentwicklung der Verwal- tungskapitel zum Jahresende („Dezemberfieber“) noch keinen Trend zu einem gleichmäßigeren Ausgabenverhal- ten erkennen. Dies dürfte mit zunehmender Praxiserfah- rung im Umgang mit der erweiterten Übertragbarkeit er- reichbar sein. Das Kernstück der Haushaltsflexibilisierung ist die volle überjährige Verfügbarkeit nicht in Anspruch ge- nommener Haushaltsmittel. Zum Jahresende sind bei den flexibilisierten Verwaltungsausgaben Ausgabenreste in Höhe von 962 Millionen DM entstanden, die bis Ende 1999 auf rund 1,86 Milliarden DM angestiegen sind. Das BMF hat, um ein weiteres Anwachsen der Ausga- benreste zu begrenzen, Anteile dieser Ausgabenreste in Abgang gestellt – so zum Beispiel für das Haushaltsjahr 2000 im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2001 insge- samt 256 Millionen DM. Dies anerkennt der Bundesrech- nungshof ausdrücklich. Darüber hinaus hält der Hof die konsequente Beach- tung der gesetzlich vorgesehenen zeitlichen Verfüg- barkeitsbeschränkung – auf zwei Jahre nämlich – von Ausgaberesten für ein probates Mittel gegen das unkon- trollierte Anwachsen von Ausgaberesten, ebenso die Be- schränkung von Ausgaberesten bei den Personalausga- ben, die mit 82 Prozent den überwiegenden Anteil an den flexibilisierten Ausgaben bilden. Das BMF hat Hinweise des Bundesrechnungshofes umgesetzt und macht die Inanspruchnahme der so ge- nannten Personalverstärkungsmittel davon abhängig, dass die Deckungsmöglichkeiten innerhalb der flexibili- sierten Personalausgaben ausgeschöpft worden sind. Das BMF hat darüber hinaus bereits im Rahmen der Haus- haltsaufstellung 2001 eine Schlüssigkeitsprüfung des Be- darfs an Ausgaberesten durchgeführt und diesen Bereich um 259 Millionen DM vermindert. Grundsätzlich zeigt dieses Beispiel, dass die Bundes- regierung die Ratschläge und Empfehlungen des Bundes- rechnungshofes ernst nimmt und umsetzt – allerdings unter tatkräftiger Mithilfe des Rechnungsprüfungsaus- schusses. Immerhin hat die Bundesregierung am 1. Dezember 1999 ein Gesamtkonzept zur Verwaltungsreform be- schlossen mit dem Namen „Moderner Staat, moderne Verwaltung“. Auf dieser Grundlage laufen derzeit Pilot- projekte und Vorarbeiten, sodass sich mittelfristig fol- gende Elemente für eine neue Haushaltspraxis des Bun- des abzeichnen: Budgetierung und Flexibilisierung, Kosten-Leistungs-Rechnung und Controlling, Produkt- haushalte und dezentrale Ressourcen-Verantwortung, Kontraktmanagement und ergebnisorientierte Steuerung, Stärkung der Eigenverantwortung der Bewirtschafter durch Zusammenführung von Sach- und Finanzverant- wortung, Managementsysteme zur Erfassung des Vermö- gens des Bundes. Diese Perspektive macht deutlich, dass auch das Haus- halts- und Rechnungswesen ständiger Reformen bedarf. Diese Bundesregierung will die genannten Reformen; sie berichtet dem Haushaltsausschuss regelmäßig über den Fortgang der Haushaltsreform. Nun liegt es an der politischen Leitung, die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter von der Reform zu überzeugen durch Informationen über die Ziele der Haushaltsflexibi- lisierung, durch nähere Vereinbarungen mit den Bewirt- schaftern, durch die Verlagerung finanzieller Verantwor- tungen. Die Umsetzung der Reform wird die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes modifizieren, das heißt der Bera- tungsaspekt, die begleitende Prüfung, wird zunehmen, Programm- und Querschnittsprüfungen werden an Be- deutung gewinnen. Dabei wird der Bundesrechnungshof auch wie bisher seine traditionelle Rolle wahrnehmen, das Parlament in seiner Funktion zu unterstützen, die Exeku- tive zu kontrollieren. Und weil wir die Kontrolle der Exekutive dank des Bundesrechnungshofes durchgeführt haben, bitte ich Sie für das Haushaltsjahr 1999 um die Entlastung der Bundes- regierung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001 18291 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen
    und Herren! Finanzpolitik ist Vertrauenssache, Herr
    Austermann. Mit einem Sammelsurium von Halb- und
    Unwahrheiten sowie schiefen Vergleichen schafft man
    kein Vertrauen. Sie als Person stehen für eine halbseidene
    Finanz- und Haushaltspolitik. Sie sind einfach nicht se-
    riös. Deshalb schaffen Sie, Herr Austermann, auch kein
    Vertrauen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben das Vertrauen doch verspielt!)


    Das genaue Gegenteil verkörpert der Bundesfinanzmi-
    nister Hans Eichel. Ihm vertrauen die Menschen, weil er
    vertrauenswürdig ist. So ist es nun einmal. Das macht Ih-
    nen zu schaffen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deswegen halten wir an unserem Markenzeichen, der so-
    liden Finanzpolitik, fest.

    Ich möchte mich mit der Rede von Herrn Austermann
    eigentlich nicht näher beschäftigen. Ich möchte nur auf
    ein Beispiel eingehen: Herr Austermann, Sie haben mit
    Blick auf den Wahlkampf in Berlin tränenreich dargelegt,
    wie diese Regierung die Bundeshauptstadt im Stich
    ließe. Ich frage Sie: Wer hat denn die Verantwortung
    dafür, dass die Subventionen von 1990 bis 1998 abgebaut
    worden sind? Herr Austermann, im Übrigen war es doch
    klar, dass diese zurückgeführt werden mussten. Soweit
    ich mich erinnere, hatte sich die SPD-Fraktion bei den
    Haushaltsberatungen immerhin noch für einen Gleitflug
    eingesetzt, damit es nicht zu abrupt wird. Verzerren Sie
    doch nicht so die Wahrheit!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich könnte die Liste der Beispiele fortführen. Aber ich be-
    lasse es bei dem einen; denn sicherlich werden noch an-
    dere Kolleginnen und Kollegen Beispiele auflisten. Es
    sollte nur ein Beleg für Ihre Art von Argumentation sein.

    Meine Damen und Herren, wir halten mit dem Entwurf
    des Bundeshaushaltsplans 2002 und mit dem Finanzplan
    bis 2005 Kurs; denn eines haben die Menschen gespürt:

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Dietrich Austermann

    18249


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Bei allem, was uns bei der konjunkturellen Entwicklung
    und bei der Entwicklung am Arbeitsmarkt jetzt objektiv
    bedrängt – das ist ja nicht zu leugnen –, spüren sie, dass
    wir ein neues Denken in die Finanzpolitik eingeführt ha-
    ben, dass wir nicht nur darüber reden, sondern es auch
    praktizieren. Wir stehen für Nachhaltigkeit und Gene-
    rationengerechtigkeit. Diese Koalition steht für ein
    neues Denken in der Finanzpolitik.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das ist eine Qualität an sich. Jetzt gilt es – das ist schwie-
    rig genug; der Bundesfinanzminister hat davon gespro-
    chen –, Jahr für Jahr den Beweis dafür anzutreten und das
    praktisch einzulösen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das glaubt niemand mehr!)


    Es ist schon richtig: Das war im letzten Jahr einfacher, als
    es in diesem Jahr ist und voraussichtlich auch im nächs-
    ten Jahr sein wird. Aber es gibt keine Alternative dazu.
    Wir müssen dieses neue Denken durchsetzen. Deshalb
    wird – trotz manchen Spekulationen und trotz wenig ge-
    lungener Panikmache von Herrn Austermann – die Kon-
    solidierung des Bundeshaushalts planmäßig fortgesetzt.
    Aber wir konsolidieren nicht nur, sondern wir schaffen
    auch die finanzielle Grundlage hin zu mehr sozialem Aus-
    gleich und zu nachhaltiger Zukunftsgestaltung.

    Natürlich müssen wir dabei die ökonomischen
    Grunddaten der Bundesrepublik Deutschland und der
    internationalen Wirtschaftsentwicklung beachten. Wenn
    Sie die Arie von Deutschland als dem Schlusslicht in Eu-
    ropa singen, wissen Sie doch ganz genau, warum das so
    ist. Sie kennen den wesentlichen Grund: Das Ganze liegt
    nun einmal im Einigungsprozess mit den Sonderfaktoren
    Bauindustrie und anderen mehr begründet.


    (Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Das hat sich doch unter Ihnen verschlechtert!)


    Es gibt einschlägige Untersuchungen, die Sie sorgfältig
    durchlesen sollten.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Den Mittelstand habt ihr verschreckt!)


    Ein Zweites: Sie haben die Weichen für den Neuaufbau
    in Ostdeutschland falsch gestellt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Darunter leiden wir noch heute. Sie haben die Wachs-
    tumsverlangsamung von durchschnittlich 1,4 Prozent in
    den 90er-Jahren nun wirklich zu verantworten. Sie haben
    uns damit zum lahmen Gaul in Europa gemacht und soll-
    ten jetzt nicht die Backen aufblasen, wenn das nicht von
    heute auf morgen zu verändern ist.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: So ein Witz!)


    – Gerade Sie, Herr Rexrodt, sind nun wirklich die Perso-
    nifizierung der „lame duck“ in der Wirtschaftspolitik und
    sollten sich hier dementsprechend benehmen.

    Die Haushaltspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion
    und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben auf ihrer

    gemeinsamen Klausurtagung die wirtschaftliche Situa-
    tion und die konjunkturellen Risiken genau bewertet. Wir
    müssen und werden davon ausgehen, dass es gegenüber
    dem vorgelegten Entwurf in Haushaltsbereichen, die von
    der Konjunkturentwicklung abhängig sind, zu gewissen
    Mehrbelastungen kommen wird.

    Die Haushaltspolitiker der Koalition sind einvernehm-
    lich zu der Auffassung gelangt, dass die von der Bundes-
    regierung in ihrem Budgetentwurf für 2002 vorgesehene
    Nettokreditaufnahme von 21,1 Milliarden Euro oder
    42,1 Milliarden DM im Rahmen der jetzt anstehenden
    parlamentarischen Beratungen im Ergebnis gehalten wer-
    den kann. Das ist ein wichtiges Signal für die künftige fi-
    nanzielle Entwicklung, auch im Blick auf die Europäische
    Zentralbank.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Mehrbelastungen bei den Arbeitsmarktausgaben und
    Steuermindereinnahmen können nach unserer Einschät-
    zung an anderer Stelle des Etats aufgefangen werden – das
    gilt im Übrigen auch für das laufende Haushaltsjahr –, so-
    dass die für 2001 geplante Nettokreditaufnahme von
    43,7 Milliarden DM nach heutiger Einschätzung nicht
    überschritten werden wird. Was Herr Austermann dazu
    gesagt hat, war nichts anderes als das übliche oppositio-
    nelle Rollenspiel, das wir bis 1998 auch betrieben haben,
    das wir allerdings etwas besser beherrscht haben als Sie,
    Herr Austermann.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wie in jedem Jahr wird die Regierung zeitnah zur Ab-
    schlussberatung des Etatentwurfs 2002 im November
    dem Haushaltsausschuss ihre dann aktuelle Einschätzung
    der wirtschaftlichen Entwicklung und der Steuereinnah-
    men vorlegen. Auf dieser Grundlage wird die Koalition si-
    cherstellen, dass der Etat 2002 bei seiner Verabschiedung
    Ende November so aktuell und realistisch wie nur mög-
    lich ist, wenn man Aussagen über das kommende Haus-
    haltsjahr macht. Der Vorwurf, wir würden schönfärben
    oder die Risiken bagatellisieren, entbehrt deshalb jeder
    Grundlage. Im Unterschied zum Haushaltsgebaren in der
    Regierungszeit Kohl/Waigel sind Haushaltsklarheit und
    Haushaltswahrheit für uns wesentliche Bestandteile der
    Haushaltspolitik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Das ist auch neu in der Bundesrepublik Deutschland!)


    – Das ist neu in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist
    eine neue Qualität. Das sage ich, auch wenn es Ihnen nicht
    gefällt, so etwas hier hören zu müssen.

    Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, das
    heißt, die Rückführung der Neuverschuldung, und danach
    erst der Abbau des gigantischen Schuldenberges sind nach
    wie vor unabdingbar notwendig, um die Handlungs-
    fähigkeit der öffentlichen Gebietskörperschaften auf allen
    Ebenen auch für die Zukunft zu erhalten. Das kann nur ge-
    lingen, wenn wir unseren langfristigen Pfad überzeugend
    verfolgen. Also: Jährliche Absenkung der Nettokreditauf-
    nahme als stetige Politikaufgabe, und zwar, wie gesagt,

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Joachim Poß

    18250


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    nicht nur bei Sonnenschein, sondern auch dann, wenn es
    einmal regnet, wie das in diesem Jahr der Fall ist.

    Das Herauskommen aus der Schuldenfalle, aus der
    Verfassungswidrigkeit der Haushalte wird uns in den
    nächsten Jahren noch gemeinsam beschäftigen. Ohne un-
    ser Konsolidierungspaket hätten wir nach 1998 aus der
    Ära Kohl/Waigel ein Neuverschuldungsniveau von jähr-
    lich 60 Milliarden DM bis 70 Milliarden DM fortschrei-
    ben müssen. Daran ist nichts zu ändern.


    (Lothar Mark [SPD]: So war es geplant!)


    Auch wenn viele von uns und viele Bürgerinnen und
    Bürger ein kurzes Gedächtnis haben: Diesen Marsch in
    die Schuldenfalle haben wir gestoppt. Das können Sie uns
    nicht ausreden. Der Öffentlichkeit können Sie auch nichts
    anderes weismachen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lothar Mark [SPD]: Die CDU leidet unter kollektivem Vergessen!)


    Dabei vergessen wir Gestaltungselemente und durch-
    aus auch konjunkturfördernde Impulse nicht. Ich stimme
    zwar mit dem Bundesfinanzminister überein,


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das ist ja toll!)


    dass unsere Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, sehr be-
    schränkt sind, aber sie sind nicht gänzlich ausgeschlossen.
    Natürlich hat auch der Bundeshaushalt Auswirkungen auf
    das konjunkturelle Geschehen. Was mit dem Konsolidie-
    rungspfad vereinbar gemacht werden konnte, wird reali-
    siert. Unser Zukunftsinvestitionsprogramm, das wir in
    diesem Jahre begonnen haben und das wir im nächsten
    Jahr fortsetzen, ist ein Beispiel. Das sind solche Elemente,
    die in den nächsten Monaten noch stärker zum Tragen
    kommen, als das bisher der Fall war.

    Das gilt ebenfalls für die Steuerentlastungen dieses
    Jahres, die auch im nächsten Jahr wirken werden und die
    für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind. Infolge der
    geringer werdenden Inflation wird der Spielraum größer.
    Schon die September-Daten werden da interessant wer-
    den. Die August-Zahl – das wissen wir ja – ist noch mit
    einer gewissen Vorsicht zu genießen.

    Hier wurde vom Mittelstand gesprochen. Dazu hat
    Herr Eichel, überzeugend Stellung genommen. Die Pro-
    paganda von manchen mittelständischen Verbänden, die
    einer Partei oder auch zwei Parteien der ehemaligen Re-
    gierung besonders eng verbunden sind,


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Die wissen auch, warum!)


    lesen wir wohl, aber diese Propaganda


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit den Mittelständlern! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Beschimpfen Sie die nur weiter!)


    wird im nächsten Jahr an der Realität zu messen sein, Herr
    Repnik.

    Uns freut es nicht, wenn wir lesen, was der Verband der
    Volksbanken und Raiffeisenbanken so alles erklärt. Dann
    forschen wir nach: Wie kommen solche Stellungnahmen

    denn zustande? Wir hören: Der Herr Kiefer, der ehema-
    lige CDU-Sprecher, hat da eine Außenstelle errichtet.


    (Lothar Mark [SPD]: Aha! Die Unterwanderung!)


    In solchen Fragen werden wir Transparenz schaffen. Es
    kann nämlich nicht angehen, dass diese Verbände sozusa-
    gen jenseits der Faktenlage ständig Propaganda im Inte-
    resse der CDU/CSU oder partiell auch der FDP machen,
    meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Beschimpft ihr die nur! Prima!)


    Das werden wir auch im Bundestag zum Thema machen.
    Das kann man so nicht hinnehmen.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Was ist denn mit den Gewerkschaften?)


    Zur Familienpolitik. An Ihrer Stelle würde ich mich
    hier überhaupt nicht auf die Familienpolitik berufen. Wir
    kennen doch die Entwicklungsgeschichte. Als wir beim
    Kindergeld die Erhöhung von 70 DM auf 200 DM durch-
    gesetzt haben – das war der Druck einer relativen Mehr-
    heit der SPD im Bundesrat und der SPD-Bundestagsfrak-
    tion –, wollte Herr Waigel das Kindergeld für das zweite
    Kind nur um 20 DM erhöhen. Lesen Sie doch einmal die
    einschlägigen Reden von Herrn Merz oder von Herrn
    Schäuble nach!


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Herr Merz war da noch nicht da! Er war noch in Europa!)


    Als wir nach dem Regierungswechsel 1998 als eine der
    ersten Maßnahmen die Erhöhung des Kindergeldes vor-
    geschlagen haben, waren Sie dagegen, weil es angeblich
    keine Arbeitsplätze schafft.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Haben Sie so ein kurzes Gedächtnis? Ich hoffe nicht, dass
    die Bürgerinnen und Bürger ein solch kurzes Gedächtnis
    haben.

    Durch das, was wir in verschiedenen Schritten be-
    schlossen haben, zuletzt im zweiten Familienförderungs-
    gesetz, wird die private Nachfrage ebenfalls im nächsten
    Jahr um 5 Milliarden DM gestärkt. Wir tragen auch durch
    die öffentlichen Investitionen von über 50 Milliar-
    den DM, die im Entwurf des Bundeshaushalts 2002 vor-
    gesehen sind, zu einer Stärkung der konjunkturellen Ent-
    wicklung bei. Wir wissen andererseits – das ist nicht zu
    leugnen; das sagen auch alle Ökonomen –: Es gibt keine
    Instrumente und Maßnahmen, die uns aus der derzeitigen
    konjunkturellen Abschwächung mit Sicherheit und umge-
    hend herausbringen können.

    Die konjunkturelle Entwicklung ist trotzdem nach wie
    vor chancenreich. Konjunkturpolitischer Aktionismus ist
    überhaupt nicht angebracht. Auch das sagen alle Sachver-
    ständigen. Was von Ihnen vorgeschlagen wurde – Herr
    Austermann hat es zuletzt zusammengefasst – und was
    von einigen Verbandsfunktionären über zusätzliche um-
    fangreiche Steuersenkungen und Mehrausgaben in den
    verschiedenen Haushaltsbereichen zu hören ist, das alles

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Joachim Poß

    18251


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    ist für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden
    nicht verkraftbar.

    Sie können nicht auf der einen Seite, wie es in einigen
    strukturschwachen Städten in Nordrhein-Westfalen ge-
    schieht, die Haushaltslage beklagen – man kommt über-
    haupt nicht mehr klar und fordert eine Gemeindefinanz-
    reform – und auf der anderen Seite das Vorziehen der
    Steuerreform – es geht um Einnahmeausfälle von über
    40 Milliarden DM; die Gemeinden wären mit 6 Milliar-
    den DM dabei – fordern oder einen Tarif vorschlagen, der
    einen Ausfall von 175 Milliarden DM bedeuten würde,
    woran die Kommunen wiederum mit 15 Prozent beteiligt
    wären. Wir lassen Ihnen eine Politik, die mit gespaltener
    Zunge arbeitet – Kommunen auf der einen Seite, Bundes-
    politik auf der anderen Seite –, nicht durchgehen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Im Übrigen wäre das, was Sie fordern, nicht realisier-
    bar. Der Bundeshaushalt und eine Reihe von Landeshaus-
    halten würden verfassungswidrig werden. Allen einiger-
    maßen Sachkundigen müsste klar sein, was das für das
    deutsche Standing auf den internationalen Finanzmärk-
    ten, für die Politik der Europäischen Zentralbank und für
    den Euro bedeuten würde. Von daher passen die Forde-
    rungen, die die Haushaltspolitiker der CDU/CSU-Frak-
    tion anlässlich ihrer Klausurtagung letzte Woche aufge-
    stellt haben, ins Bild. Es handelt sich um ein Füllhorn von
    Wohltaten für fast alle gesellschaftlichen Gruppen ohne
    einen einzigen ernst zu nehmenden Finanzierungsvor-
    schlag. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat nicht
    mehr anzubieten, als die vorgesehene Neuverschuldung
    im Bundeshaushalt im Ergebnis nahezu zu verdoppeln.
    Das ist Ihr Beitrag zur deutschen Wirtschafts- und Fi-
    nanzpolitik. – Jämmerlich, kann ich da nur sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Oder haben Sie andere Finanzierungsvorschläge? Bei
    Ihnen war eigentlich auch die Erhöhung der Mehrwert-
    steuer immer sehr beliebt.

    Es sticht ins Auge, dass es bei Ihnen wirklich ein Chaos
    in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, ein Chaos von Kon-
    zepten und ein Schaulaufen von Personen, gibt. Seit dem
    Sommer haben sich maßgebliche Politiker der Union mit
    neuen Vorschlägen zur Finanz- und Wirtschaftspolitik
    geradezu überschlagen. Manchmal war auf dem Papier
    die Tinte noch nicht trocken, da kam schon eine neue Va-
    riante. Das war ein Theaterstück mit fünf Akten und an-
    schließend mit Zugabe.

    Erster Akt. Ende Juni legt die Parteivorsitzende der
    CDU, Frau Merkel, ein 10-Punkte-Konjunktur-Sofortpro-
    gramm vor.

    Zweiter Akt. Einen Tag später kontern der Fraktions-
    vorsitzende der Union, Herr Merz, und der Landesgrup-
    penchef der CSU, Herr Glos, mit einem – allerdings an-
    ders gestrickten – Zehnpunkteprogramm.

    Dritter Akt. Mitte August bekräftigt der bayerische Mi-
    nisterpräsident, Herr Stoiber, seine Ambitionen als Kanz-
    lerkandidat der gesamten Union mit einem eigenen Kon-

    zept. Zur Erinnerung: Absenkung des Spitzensteuersatzes
    bei der Einkommensteuer auf 40 Prozent – das ist eine
    reine Umverteilung von unten nach oben ohne erkennbare
    positive ökonomische Effekte –, Absenkung der Abga-
    benbelastung auf 40 Prozent – wie ist das eigentlich mit
    der Forderung nach Aussetzung der Ökosteuer, deren Auf-
    kommen zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge
    verwendet wird, vereinbar? –, Absenkung der Staatsquote
    ebenfalls auf unter 40 Prozent. Das alles, ohne zu sagen,
    welche staatlichen Leistungen zur Erreichung dieses Ziels
    gestrichen werden müssten.

    Vierter Akt. Ein paar Tage später melden sich darauf-
    hin die CDU-Wirtschaftspolitiker Wissmann und Uldall
    zu Wort und holen ihr altes Einkommensteuerstufenmo-
    dell aus der Ablage, das wiederum von der CSU, beson-
    ders von Herrn Faltlhauser, kräftig gewürdigt wurde. Ich
    weiß nicht, wie Sie das sehen, Frau Hasselfeldt, ob Sie die
    Meinung von Herrn Faltlhauser dazu teilen können.

    Fünfter Akt. Ende August bemüht sich die CDU-Par-
    teivorsitzende, Frau Merkel, die Regie zurückzu-
    gewinnen. Sie erfindet den Slogan der „neuen sozialen
    Marktwirtschaft“ und fordert in diesem Zusammenhang
    ein weiteres Steuerstufenmodell. In den beiden Zehn-
    punkteprogrammen von Merkel bzw. Merz und Glos von
    Ende Juni war noch die Forderung nach Vorziehen der be-
    reits beschlossenen Einkommensteuer-Entlastungsstufen
    2003 und 2005 auf 2002 aufgeführt, was zu Steuerausfäl-
    len von mehr als 40 Milliarden DM für die öffentlichen
    Haushalte allein im Jahre 2002 geführt hätte. In der
    „neuen sozialen Marktwirtschaft“ – das wäre auch ein tol-
    ler Name für eine Kneipe oder so etwas – der CDU-
    Vorsitzenden taucht diese Forderung nicht mehr auf.

    Jetzt die Zugabe. Das wiederum konnte Ministerpräsi-
    dent Stoiber nicht so im Raum stehen lassen und hat an
    diesem Wochenende dagegengehalten. In deutlicher Kon-
    frontation zur CDU-Parteivorsitzenden hat er erklärt, eine
    Einkommensbesteuerung nach dem Stufenmodell der
    CDU sei weniger leistungsfördernd und sei ungerechter
    als der geltende lineare Tarif.

    Dieser Ablauf, meine Damen und Herren, macht deut-
    lich, wie zerstritten die Unionsparteien in einer zentralen
    Frage der deutschen Politik sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deswegen stellen die Unionsparteien im politischen
    Wettbewerb keine ernst zu nehmende Alternative dar.
    Konzepte müssen auch realisierbar sein, wenn man denn
    eines hat. Soweit sind Sie aber noch nicht; Sie haben noch
    kein einheitliches Konzept.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lothar Mark [SPD]: Sie schaffen auch keines!)


    Wenn diese Konzepte nicht realisierbar sind, taugen sie
    nicht für den politischen Ideenwettbewerb. Sie können so-
    zusagen als Schaumschlägerei hier im Bundestag oder bei
    Talkshows eingesetzt werden. Für den politischen Ideen-
    wettbewerb sind Sie konzeptionell nicht gerüstet. Auch
    das ist in den letzten Tagen deutlich geworden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Joachim Poß

    18252


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Eigentlich sollte die Wirtschafts- und Finanzpolitik zu
    wichtig sein, als dass sie zum Spielball im Kampf um die
    Kanzlerkandidatur in CDU und CSU missbraucht wird.

    Nur eines haben die verwirrenden steuerpolitischen
    Vorschläge aus den Reihen der Opposition gemeinsam:
    Mit der Vorlage von jedem dieser Vorschläge verabschie-
    det sich die Opposition aus der Haushaltspolitik und da-
    mit von dem finanzpolitischen Ziel, das eigentlich für alle
    gelten sollte, nämlich in gemeinsamer Anstrengung die
    öffentlichen Finanzen auf allen Staatsebenen zu sanieren,
    um so sicherzustellen, dass der Staat auch in Zukunft
    seine Aufgaben erfüllen kann.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Bundesfinanzminister hat hier die Maßnahmen
    erwähnt, die dem sozialen Ausgleich dienen: BAföG,
    Wohngeld, Erziehungsgeld, Einkommensteuerreform. Ja,
    wir haben eine Trendwende geschafft, die Millionen von
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Familien zu-
    gute kommt. Das haben Sie, meine Damen und Herren,
    nie hinbekommen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir können nachweisen, dass unsere Steuerpolitik dem
    Mittelstand dient und nicht der Großindustrie. Wir werden
    darüber noch öfter diskutieren.

    Auch, dass wir für mehr Steuergerechtigkeit stehen,
    haben wir auf vielen Feldern bewiesen.


    (Zuruf des Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS])


    Mit unserem Gesetz zur Bekämpfung der Umsatzsteuer-
    kriminalität fügen wir diesen Schritten einen weiteren
    hinzu: Wir brauchen in diesem Lande mehr Steuergerech-
    tigkeit und mehr Steuerlegalität.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposi-
    tion, liegen Sie falsch, wenn Sie Ihr Heil in maßlosem und
    hektischem wirtschafts- und finanzpolitischen Aktionis-
    mus suchen. Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glau-
    ben, die Bürgerinnen und Bürger würden auf unfinan-
    zierte Wohltaten und Steuersenkungen auf Pump
    hereinfallen. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
    wissen ganz genau, dass so die Zukunft nicht zu gewin-
    nen ist. Sie wissen auch ganz genau, weshalb sie Hans
    Eichel, dieser Bundesregierung und dieser Koalition die
    Verantwortung für die Finanzpolitik im nächsten Jahr
    wieder überantworten werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Für die
FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Günter Rexrodt.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günter Rexrodt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine
    Damen und Herren! Herr Kollege Eichel, auch ich muss

    zunächst einmal meiner Verwunderung darüber Ausdruck
    geben, wie Sie Ihre Haushaltsrede angelegt haben. Sie ha-
    ben mehr als die Hälfte Ihrer Redezeit darauf verwandt,
    über angebliche Versäumnisse in den 90er-Jahren zu spre-
    chen.


    (Lothar Mark [SPD]: Was heißt „angeblich“?)


    Sie haben in diesem Zusammenhang nicht ein einziges
    Mal das Ereignis erwähnt, das in den 90er-Jahren die Fi-
    nanzpolitik und die Politik in Deutschland überhaupt
    überlagert hat.


    (Beifall bei der FDP)


    Wären Sie, Herr Eichel, ehrlich gewesen, hätten Sie
    auch ein paar Worte zum Haushalt des Landes Hessen sa-
    gen müssen, den Sie zu verantworten hatten. Ein Ruh-
    mesblatt stellte er bestimmt nicht dar.


    (Beifall bei der FDP)


    Ich möchte über den Haushalt 2002 sowie über das
    sprechen, was uns in Zukunft bevorsteht, wenn wir be-
    stimmte Strukturprobleme nicht lösen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Darüber muss auch einmal gesprochen werden, ja!)


    Es gibt in diesem Haushalt zwei große Fallen; die erste ist
    eine aktuelle und die zweite eine strukturelle. Zu dem ers-
    ten Dilemma kommen wir ganz schnell über die wach-
    senden Arbeitslosenzahlen; in der Vergangenheit war es
    von der Tatsache verdeckt, dass wir eine günstige Kon-
    junktur mit um insgesamt 14 Prozent steigenden Steuer-
    einnahmen hatten und dass dem Bundeshaushalt dreistel-
    lige Milliardensummen durch die Privatisierung
    zugeflossen waren, eine Privatisierung, die Sie vorher bis
    aufs Messer bekämpft hatten.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Ich gebe zu, Sie haben einen Gutteil der Privatisie-
    rungserlöse in die Rückführung der Verschuldung einge-
    führt. Mit dem Anerkenntnis, dass die Struktur der Schul-
    denpolitik richtig ist, haben wir Liberale nie ein Problem
    gehabt. Aber von diesem Segen auf der Einnahmeseite
    lässt sich im Jahre 2001 nichts mehr feststellen: Die Steu-
    erschätzungen müssen nach unten revidiert werden und
    die Einmaleinnahmen verblassen, während Zusatzaus-
    gaben in Milliardenhöhe, für deren Gegenfinanzierung
    noch keine Vorsorge getroffen worden ist, erforderlich
    sind. Ich denke hier beispielsweise an die Familienförde-
    rung, an die Entwicklungshilfe oder an die Rücklage für
    Reinvestitionen. All dies ist in Ihrem Haushalt überhaupt
    nicht berücksichtigt. Deshalb ist Ihr Haushaltsentwurf für
    2002 schon am heutigen Tage Makulatur, Herr Eichel.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Auf der Ausgabenseite hat der Bundesfinanzminister
    ohnehin nie seine Schularbeiten gemacht; das haben wir
    immer gebrandmarkt. So sind die Investitionsausgaben
    – ich werde darauf noch zurückkommen – auf eine histo-
    risch niedrige Quote zurückgeführt worden. Auch wurde
    der Bundeswehr vorenthalten, was sie für ihre Umstruk-
    turierung und zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht. Da
    hat sich der Sparkurs niedergeschlagen.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Joachim Poß

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    Meine Damen und Herren, diese unzulängliche Politik
    holt uns heute ein. Wir stehen aktuell vor dem Dilemma
    einer schlechten Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosig-
    keit und zumindest relativ fallenden Steuereinnahmen.
    Ferner stehen wir vor dem strukturellen Dilemma einer al-
    ternden Bevölkerung auf der einen Seite und einem enor-
    men Anstieg der Ausgaben aufgrund von Leistungsgeset-
    zen auf der anderen Seite.


    (Lothar Mark [SPD]: Ist das auch Hans Eichels Verantwortung?)


    Bevor ich aber darauf eingehe, möchte ich etwas zur Ar-
    beitslosigkeit und zur Arbeitsmarktpolitik sagen. Als
    Wahlkämpfer hat diese Koalition 1998 großartig verkün-
    det, sie verfüge über Rezepte zur Lösung der Arbeits-
    marktprobleme. Heute flüchtet man sich in die „Politik der
    ruhigen Hand“. Diese Politik wird überall im Lande als eine
    Politik der ruhigen Kugel erkannt und als Hilflosigkeit und
    Unfähigkeit, diese Probleme anzupacken, entlarvt.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Das Missverhältnis zwischen ansteigenden Sozialaus-
    gaben und sinkenden investiven Ausgaben – ich nehme
    hier keine Bewertung der Einzelausgaben vor – erstickt
    im Haushalt jede Kreativität. Es wird ein Desaster geben.
    Jeder, der von diesem Haushalt etwas versteht, weiß, wo-
    hin es führen wird, wenn wir das Ruder nicht herum-
    reißen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit wird von Ihnen,
    Herr Eichel, und von anderen gesagt, hier handele es sich
    um eine Schwächephase auf Zeit. Solche Beschwichti-
    gungsversuche hat es bei schlechter Konjunkturlage im-
    mer gegeben, auch bei uns; das sei Ihnen geschenkt. Völ-
    lig neben der Sache liegt die Koalition aber mit der
    Behauptung, dass diese Schwäche ihre Ursache überwie-
    gend in weltwirtschaftlichen Entwicklungen habe, dass
    die USA daran schuld seien. Das Gegenteil ist der Fall,
    und zwar aus folgendem Grund: Das strategische High-
    light Ihrer bisherigen Politik, die so genannte Steuer-
    reform, hat in Teilen der deutschen Wirtschaft und na-
    mentlich im Mittelstand zu einer ungeheuren Verärgerung
    und zu Verdruss geführt.


    (Zuruf von der FDP: Zu Enttäuschung!)


    Sie wird als viel zu spät eingeleitet wahrgenommen. Sie
    wirkt sich in den Jahren 2004 und 2005 aus; das ist viel zu
    spät.


    (Detlev von Larcher [SPD]: Warum haben Sie sie denn nicht gemacht?)


    Sie hat zu einer Verärgerung geführt, weil die Großunter-
    nehmen 25 Prozent Körperschaftsteuer plus 13 Prozent
    Gewerbesteuer zahlen, also in der Summe 38 Prozent,
    während der Mittelstand – zumindest der Teil des Mittel-
    standes, der das Rad dreht und den Höchstsatz der Ein-
    kommensteuer zahlt – 4 Prozentpunkte mehr zahlt. Das
    hat im Mittelstand zu einem Riesenärger über diese
    Steuerreform und zu Investitionsattentismus geführt, das
    hat zu Arbeitslosigkeit geführt.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Hinzu kommt das unselige Thema Ökosteuer, über das
    wir hier immer wieder gesprochen haben. Diese Steuer ist
    in der Wahrnehmung der mittelständischen Wirtschaft
    deshalb so verheerend, weil sie die Großverursacher von
    Umweltverschmutzung außen vor lässt, während sie beim
    Mittelstand, bei den Arbeitnehmern, den Selbstständigen
    und Handwerkern richtig zuschlägt.


    (V o r s i t z: Präsident Wolfgang Thierse)


    Das ist der zweite Punkt, der zu Verärgerung und Zurück-
    haltung im Mittelstand geführt hat und der für die kon-
    junkturelle Schwäche verantwortlich ist, Herr Eichel,
    nicht die USA oder die Weltwirtschaft. Das muss gesagt
    werden.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Sie haben im Hinblick auf die Veräußerungsgewinne
    bei mittelständischen Unternehmen ein bisschen korri-
    giert. Wir fordern Sie auf: Machen Sie die Steuerreform-
    schritte schnell, ziehen Sie sie auf das nächste Jahr vor.
    Lassen Sie jede weitere Erhöhung der unseligen Öko-
    steuer.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Entschließen Sie sich, Steuervereinfachung durchzu-
    führen, drei Stufen von Steuersätzen einzuführen, 15 Pro-
    zent, 25 Prozent und 35 Prozent, wie die FDP das seit lan-
    gem vorschlägt.


    (Lothar Mark [SPD]: Warum habt ihr es bis 1998 nicht gemacht?)


    Wir können über die eine oder andere Ziffer reden; das
    können auch einige Prozentpunkte mehr oder weniger
    sein. Darauf kommt es nicht an.

    Ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren von
    der Koalition,


    (Jörg-Otto Spiller [SPD]: Das ist gefährlich!)


    wenn Sie dies machten, hätten wir von Stund an in
    Deutschland ein anderes Investitionsklima und würden
    auch wieder Leute eingestellt. Die Konjunkturkrise ist zu
    großen Teilen hausgemacht. Das muss hier gesagt wer-
    den.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind gravierend. Die
    prognostizierten Arbeitslosenzahlen werden nicht zu hal-
    ten sein, weder die 3,7 Millionen im Jahresdurchschnitt
    und noch weniger die 3,5 Millionen im nächsten Jahr. Ich
    weiß sehr wohl, dass es einen Königsweg zur Lösung der
    Probleme nicht gibt. Aber es waren doch die rot-grünen
    Wahlkämpfer von 1998, die sagten, sie wüssten, wo es
    lang gehe und was man machen müsse. Es gibt da Stell-
    schrauben; an ihnen haben Sie auch gedreht, aber Sie ha-
    ben in die falsche Richtung gedreht.

    Die rot-grüne Koalition hat alle Ansätze aus der 13. Le-
    gislaturperiode – sie waren vorsichtig und, wenn ich
    ehrlich bin, unzulänglich genug – in Sachen Tarif-
    und Arbeitsrecht in ihr Gegenteil verkehrt. Das
    Scheinselbstständigengesetz, die Regelung der 630-

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Dr. Günter Rexrodt

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    Mark-Jobs, die Korrektur des Kündigungsschutzes, die
    Rücknahme der Karenzzeit bei der Lohnfortzahlung im
    Krankheitsfall, später dann das Recht auf Teilzeitarbeit
    und jetzt vor kurzem unter der Überschrift „Mehr Mitbe-
    stimmung“ eine zusätzliche Investitionsbremse für den
    Mittelstand – meine Damen und Herren, das ist eine
    falsche Politik; sie führt in dieses Haushaltsdilemma für
    2002.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn wir vorankommen wollen, muss es darum ge-
    hen, das verkrustete Arbeits- und Tarifrecht aufzubre-
    chen. Daran wird sich entscheiden, ob unser Land wieder
    Zuversicht schöpft oder ob wir hinterherhinken, ob wir im
    Geleitzug der europäischen Länder, was die wirtschaftli-
    che Entwicklung angeht, wieder vorn oder mittendrin
    oder hinten sind.

    Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sind neben den
    Zuschüssen zur Rentenversicherung das Ausgabenpro-
    blem Nummer eins in unserem Haushalt. Ganz aktuell
    sind sie ein Risiko für den Haushalt 2002, weil die An-
    sätze für die Bundesanstalt für Arbeit und die Ansätze für
    die Arbeitslosenhilfe von der Annahme ausgehen, dass es
    im Jahresdurchschnitt 3,48 Millionen Arbeitslose gibt.
    Das wird aber nicht der Fall sein. Diese Annahme hat Sie
    dazu gebracht, Herr Eichel, eine Zeit lang von einem Aus-
    gabenkorridor zu sprechen, wie das Herr Fabius schon
    lange tut. Sie haben sich dann Gott sei Dank korrigiert. Ich
    hoffe, es bleibt dabei und die Nettokreditaufnahme wird
    um 10 Milliarden DM pro Jahr zurückgeführt.

    Eine Politik, die darauf hinausläuft, hier ein bisschen
    zu sparen, dort ein bisschen zeitlich zu strecken, und
    Glück bei den Einnahmen zu haben, lässt sich nicht fort-
    setzen, wenn wir mit dem wichtigsten Problem des Haus-
    halts, dem Ungleichgewicht zwischen investiven Ausga-
    ben und Sozialausgaben, fertig werden wollen. Die
    Bundesrepublik Deutschland – das sage ich ohne jede Po-
    lemik – bewegt sich kontinuierlich auf einen Punkt zu, ab
    dem sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Infrastruktur
    einschließlich ihrer Sicherheitsstruktur zu finanzieren.


    (Joachim Poß [SPD]: Sie wollen doch noch weitere Steuersenkungen!)


    Diese Entwicklung findet im Übrigen schon seit längerem
    statt. Dass ich diese Tatsache erwähne, ist Ausdruck des-
    sen, dass es mir an dieser Stelle nicht um einen tagespoli-
    tischen Schlagabtausch geht. Es geht um sehr viel mehr.
    Ich möchte dazu einige wenige Zahlen in den Raum stel-
    len.

    Erstens. Die investiven Ausgaben des Bundes sind
    seit 1975 – mit einer kurzen Unterbrechung unmittelbar
    nach der Wiedervereinigung – kontinuierlich von
    16,3 Prozent des Gesamthaushaltes auf 11,4 Prozent im
    Jahre 2002 gesunken. Im Jahr 2005 sollen sie bei
    10,3 Prozent liegen.

    Zweitens. Die Ausgaben für die Bundeswehr wurden
    seit 1985 von 49 Milliarden DM oder 19 Prozent des Bun-
    deshaushaltes auf 46 Milliarden DM oder 9,5 Prozent des
    Haushaltes zurückgeführt. Dabei wurden insbesondere

    die investiven Ausgaben gesenkt, also diejenigen Ausga-
    ben, die nicht in den laufenden Betrieb, sondern in die An-
    schaffung gehen. Die Bundeswehr ist also unterfinanziert.


    (Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Einerseits: ja!)


    Drittens. Die Ausgaben des Bundes für den Bereich
    soziale Sicherung – also Leistungen an die Rentenversi-
    cherung, landwirtschaftliche Sozialpolitik und Mittel für
    die Arbeitsmarktpolitik – sind in der gleichen Zeit konti-
    nuierlich gestiegen. Sie belaufen sich heute auf 41,4 Pro-
    zent des Gesamthaushaltes. Augenfällig ist dabei die Ent-
    wicklung der Zuschüsse zur Rentenversicherung. Sie
    lagen 1982 bei 12,6 Prozent. Jetzt sind es 29,1 Prozent
    und im Jahr 2005 werden es 31 Prozent sein.

    Mit dieser Gegenüberstellung geht es mir nicht darum,
    eine Bewertung in dem Sinne „Was ist wichtiger, die Fi-
    nanzierung von Fernstraßen, sichere Fahrzeuge für die
    Bundeswehr oder Ausgaben für die soziale Sicherung?“
    vorzunehmen. Es geht mir darum, den Blick darauf zu
    richten, dass in absehbarer Zeit kaum noch Mittel für In-
    vestitionen bereitstehen, wenn der dramatische Anstieg
    der Sozialausgaben im Haushalt nicht begrenzt werden
    kann.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, gibt es im
    Wesentlichen drei Handlungsbereiche. Im ersten hat die
    rot-grüne Koalition die richtigen Weichen gestellt, im
    zweiten die falschen und im dritten hat sie gar nichts ge-
    tan. Das ist eine magere Bilanz.

    Richtige Weichen wurden beim Aufbau einer zusätzli-
    chen, kapitalgedeckten Altersvorsorge auf privater Ba-
    sis gestellt. Die umfassende staatliche Förderung in einem
    übrigens viel zu komplizierten System wird dabei
    zunächst zu erheblichen Einnahmeausfällen führen. Das
    will ich aber gar nicht kritisieren; das ist unumgänglich.
    Im Übrigen werden zu Recht Zweifel an dem Rechenwerk
    geäußert; ich komme darauf noch zu sprechen. Eine
    zweite Rentenreform, Herr Eichel und Herr Riester, ist
    unvermeidbar.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Im zweiten Handlungsbereich haben Sie zwecks Fi-
    nanzierung der Rentenversicherung schlicht die Steuern
    angehoben, nämlich die Mineralölsteuer erhöht und die
    Gas- und Stromsteuer eingeführt. Das wird kaschiert
    durch den Begriff Ökosteuer. Wir wissen jedoch, dass es
    zweckgebundene Steuern gar nicht gibt; Steuern fließen
    alle in einen Topf. Wenn schon eine Bezeichnung für die
    Begründung der Steuererhöhungen gesucht wird, dann
    müsste diese Steuer nicht Ökosteuer, sondern Renten-
    finanzierungsteuer heißen.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)


    Unser Land braucht aber niedrigere Steuersätze und nicht
    eine ideologische Überhöhung einer Rentenfinanzierung-
    steuer durch den Begriff Ökosteuer.

    Das dritte Handlungsfeld, in dem es um die Rück-
    führung der Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik gehen

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001

    Dr. Günter Rexrodt

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    muss, habe ich bereits angesprochen. Um wenigstens ei-
    nen Teil der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger wie-
    der in den Arbeitsprozess eingliedern zu können, müssen
    Tabus gebrochen werden. Andere Länder sind dort weiter;
    sie haben mehr Fantasie. Im Übrigen waren es wir, die Li-
    beralen, die sich immer für die Abschaffung des
    Flächentarifs


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Jetzt auch Helmut Schmidt!)


    und ein System von Anreiz und Sanktionen ausgespro-
    chen haben.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Detlev von Larcher [SPD])


    Dafür bedurfte es nicht – wie bei Herrn Koch – einer Reise
    nach Wisconsin. Herr Scharping, der ebenfalls solche Ge-
    dankensplitter äußerte, wurde ganz schnell wieder
    zurückgepfiffen.

    Zu einem weiteren Aspekt, der, wie ich meine, in die-
    sem Zusammenhang sogar der wichtigste ist, weil er die
    Ursache beschreibt: Der wesentliche Grund für dieses Di-
    lemma – Rückgang der Investitionen und Anwachsen der
    Ausgaben für Leistungsgesetze – ist, dass die Wohnbe-
    völkerung in Deutschland eine dramatische Veränderung
    der Altersstruktur durchmacht. Von den 82 Millionen
    Einwohnern in Deutschland gehören heute noch 47 Milli-
    onen Menschen der Altersgruppe der 20- bis 60-Jährigen
    an; im Jahre 2030 werden es nur noch 36 Millionen sein.
    Gleichzeitig wird die Zahl der über 60-Jährigen von heute
    18 Millionen auf 30 Millionen ansteigen. Dabei ist schon
    die günstige Prognose zugrunde gelegt, dass jährlich
    250 000 Leute zuwandern und die Geburtenziffer von
    heute 1,25 auf 1,50 je Frau steigt.

    Diese Zahlen, die die Altersstruktur unserer Wohnbe-
    völkerung beschreiben, bergen eine Dramatik. Das wird
    das Thema der nächsten 30 Jahre aller Politikbereiche
    sein. Hier muss umgesteuert werden.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir können das Problem nicht dadurch lösen, dass wir die
    Schulden erhöhen. Wir müssen vielmehr eine zweite Ren-
    tenreform ins Auge fassen – daran führt kein Weg vorbei –
    und schnell und durchgreifend eine Gesundheitsreform
    verabschieden, um die man sich bislang aus tagespoliti-
    schen Erwägungen heraus drückt.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Darüber hinaus brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz.
    Dieses Vorhaben kommt nicht voran. Die Grünen machen
    scharf. Im Übrigen – wenn ich das sagen darf – bekleckert
    sich in Sachen Zuwanderungsgesetz auch die Union nicht
    gerade mit Ruhm.


    (Beifall bei der FDP – Detlev von Larcher [SPD]: Der einzig richtige Satz!)


    Auch wenn dies in Deutschland immer ein bisschen
    Hautgout hat, möchte ich es doch auf den Punkt bringen:

    Wir brauchen in diesem Land mehr junge Bürger. Wir
    brauchen mehr Kinder. Das ist nicht nur eine Frage des
    Geldes, sondern eine Frage der Rahmenbedingungen,
    eine Frage von Kindergärten und eine Frage dessen, ob
    die gesellschaftliche Rolle der erziehenden Frau oder des
    erziehenden Mannes richtig gewürdigt wird.


    (Beifall bei der FDP)


    Darüber hinaus brauchen wir in diesem Land Zuwande-
    rung. Mit jedem Jahr, das wir verstreichen lassen, ohne
    dass das entsprechende Gesetz verabschiedet wird, ver-
    schenken wir wesentliche Ressourcen, die dringend ge-
    braucht werden. Daher muss ein solches Gesetz verab-
    schiedet werden.


    (Beifall bei der FDP)


    Ich komme zum Schluss. – Die Bundesregierung hat
    aus tagespolitischer Opportunität beschlossen, sich nach
    Steuer- und Rentenreform auf medienorientierte Auf-
    tritte und Veranstaltungen zurückzuziehen.


    (Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD])


    Das werden Sie das Jahr über nicht durchhalten und das
    dürfen Sie angesichts des aktuellen Dilemmas auf dem
    Arbeitsmarkt und des strukturellen Dilemmas aufgrund
    der Bevölkerungsentwicklung auch nicht durchhalten.
    Herr Eichel und insbesondere, in nachahmenswerter
    Weise, Herr Poß haben hier große Worte über Strukturen
    gefunden.


    (Lothar Mark [SPD]: Sehr gut hat er das gemacht!)


    Aber die Strukturprobleme haben Sie überhaupt nicht an-
    gepackt. Sie machen Tagespolitik, nicht mehr und nicht
    weniger.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das ist Ausdruck Ihrer Hilflosigkeit und Ihres mangeln-
    den Mutes bei der Bewältigung der anstehenden Pro-
    bleme.

    Wir brauchen mehr als Tagespolitik, aber das spiegelt
    dieser Haushalt nicht wider. Deshalb werden wir ihm auch
    nicht zustimmen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)