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  • tocInhaltsverzeichnis
    Begrüßung des schweizerischen Bundespräsi- denten und Vorstehers des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölke- rungsschutz und Sport, Herrn Bundesrat Adolf Ogi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13193 D Tagesordnungspunkt III (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksachen 14/4000, 14/4302) . . . . 13187 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524) 13187 B Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 14/4504, 14/4521) . . . . . . . 13187 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 13187 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13194 A Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13197 D Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13199 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13204 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13210 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 13214 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13223 B Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13231 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13231 C Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13233 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13236 A Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13238 B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 13239 D Klaus Hagemann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13241 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 13242 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13242 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 14/4505, 14/4521) . . . . . . . 13245 A Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 13245 A Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 13247 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 13251 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13253 C Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 13255 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 13256 D Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13260 C Marion Caspers-Merk SPD . . . . . . . . . . . . . . 13262 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 13263 D Volkmar Schultz (Köln) SPD . . . . . . . . . . . . 13265 D Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 14/4513, 14/4521) . . . . . . . 13267 A Plenarprotokoll 14/136 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 136. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. November 2000 I n h a l t : Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 13267 C Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13269 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . 13273 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13276 B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13277 D Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13278 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . 13280 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13281 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . 13283 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13284 C Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13285 B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 13287 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 13287 B Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13290 B Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13290 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13291 B Namentliche Abstimmungen 13293 A, 13293 A, 13298 B Ergebnisse . . . . . . 13293 D, 13296 A, 13301 C Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Drucksachen 14/4509, 14/4521) . . . . . . . 13298 B Dankward Buwitt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13298 D Manfred Hampel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13303 B Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13306 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13308 D Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13310 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi . . 13312 B Dankward Buwitt CDU/CSU . . . . . . . . . 13314 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13316 A Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13316 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13319 B Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13320 C Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 14/4517, 14/4521) . . . . . . . 13322 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13322 D Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13324 D Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 13325 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 13327 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13329 B Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13331 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13332 C Detlev von Larcher SPD . . . . . . . . . . . . . 13333 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . 13335 B Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13337 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13338 C Berichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13338 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13339 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Haushaltsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- lung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001); hier: Einzelplan 14 – Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums der Verteidigung (Tagesordnungs- punkt III. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13339 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Beschlussem- pfehlung des Haushaltsausschusses zum Ent- wurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001); hier: Einzelplan 14 – Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Tagesordnungspunkt III. 16) 13340 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 136. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. November 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 136. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. November 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 136. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. November 2000 Klaus-Jürgen Hedrich 13338 (C) (D) (A) (B) Berichtigungen 133. Sitzung, Seite 12861 (D) zweiter Absatz, der zweite Satz ist wie folgt zu lesen: „Diese 3,5 Millionen DM sind insofern verstetigt, als sie einen Ver- trag zwischen zwei förderalen Institutionen – zwischen Bund und Land – betreffen und Personalkosten sind.“ 135. Sitzung, Seite 13152 (B) vierter Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Deshalb habe ich Herrn Austermann im Ohr, der vorhin behauptet hat, wir würden im Interesse der Haushaltskonsolidierung keine Ausgaben- beschränkung vornehmen, keine Ausgabendisziplin üben.“ 135. Sitzung, Seite 13155 (D) erster Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Also lassen Sie das doch mit der Leitgeschichte und bleiben Sie bes- ser bei Herrn Stoiber, der zu Recht auf Bayerisch gesagt hat: D’Leit brauch’n a Kultur.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 136. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. November 2000 13339 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 29.11.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 29.11.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 29.11.2000* Klaus Burchardt, Ursula SPD 29.11.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 29.11.2000 Frick, Gisela F.D.P. 29.11.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 29.11.2000 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 29.11.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 29.11.2000 DIE GRÜNEN Holetschek, Klaus CDU/CSU 29.11.2000 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 29.11.2000 Kramme, Anette SPD 29.11.2000 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 29.11.2000* Erich Müller (Berlin), PDS 29.11.2000 Manfred Pau, Petra PDS 29.11.2000 Reiche, Katherina CDU/CSU 29.11.2000 Schenk, Christina PDS 29.11.2000 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 90/ 29.11.2000 Irmingard DIE GRÜNEN von Schmude, Michael CDU/CSU 29.11.2000 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 29.11.2000 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 29.11.2000 DIE GRÜNEN Wiese (Hannover), SPD 29.11.2000 Heino Wohlleben, Verena SPD 29.11.2000 Wülfing, Elke CDU/CSU 29.11.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001); hier: Einzelplan 14 – Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Verteidigung (Tagesord- nungspunkt III. 16) Ich lehne den Verteidigungshaushalt ab. Das Parlament ist von der ihm zustehenden Beratung und Entscheidung über die Ausrichtung und Struktur einer reformierten Bundeswehr praktisch enteignet worden. Dieses vorde- mokratische Verfahren lässt mir als Abgeordnete im Deut- schen Bundestag lediglich die Möglichkeit, meine Kritik beim Etat zum Ausdruck zu bringen. Hierbei geht es zum einen darum, dass ich eher aus der Presse als aus den dafür zuständigen Gremien über Vor- haben der Privatisierung und Wirtschaftskooperation er- fahre, deren Implikationen im parlamentarischen Raum keiner oder jedenfalls keiner rechtzeitigen oder angemes- senen parlamentarischen Beurteilung unterworfen wer- den. Auch langfristige Verpflichtungen zum Beispiel ge- genüber den europäischen Partnern werden eingegangen, ohne dass über deren Inhalt und Umfang im Deutschen Bundestag befunden worden wäre. Hier zeichnen sich Ri- siken für einen erheblichen Aufwuchs des Verteidigungs- etats ab, was ich nachdrücklich ablehne. Ein solches Vor- gehen lässt sich weder mit meinem Selbstverständnis und meiner Verantwortung als Abgeordnete vereinbaren noch mit meinem Verständnis von der Würde des Parlaments. Zum anderen: Der in der Verfassung festgeschriebene Auftrag der Bundeswehr ist die Landesverteidigung. Wenn jetzt der Fokus auf „Bündnisverteidigung“ erwei- tert bzw. verlagert wird, bedeutet das statt einem Abbau der angriffsfähigen Verbände einen Ausbau der Krisenre- aktionskräfte. Die Armee wird auf Interventionsfähigkeit umgebaut – warum und für was? Auch der Kosovo-Krieg wäre nach offizieller Diktion unter „Bündnisverteidi- gung“ subsumiert worden, die aktuelle NATO-Strategie – übrigens genau wie die Bundeswehrstrukturreform zwar von tief greifender Bedeutung, aber ohne parlamen- tarische Befassung – geht von militärischen Präventiv- schlägen – zum Beispiel zur „Vermeidung von Flücht- lingströmen“ – aus. An ein UN-Mandat als Voraussetzung ist eine solche Intervention nicht gebunden. Auf der europäischen Ebene wird eine gemeinsame Truppe gebildet – ebenfalls wie die Bundeswehrstruk- turreform und die NATO-Strategie nicht einmal Gegen- stand von Beratungen, geschweige denn transparenter Entscheidung im Parlament! In wieweit dies zusätzliches Personal bedeutet, kann ich zurzeit nicht verifizieren, scheint mir aber gerade wegen der Notwendigkeit, bei Krisenreaktionskräften in regelmäßigen Abständen die Kräfte auszutauschen, sehr wahrscheinlich. Mit Sicher- heit bedeutet es zusätzliche Ausrüstung, damit ein Wei- terdrehen der Rüstungsspirale statt des überfälligen Ausstiegs. „Die Krisenreaktionstruppe soll durch um- fangreiche Lufttransport- und Logistik-Einheiten ergänzt werden. Die Truppe soll für Einsätze von über einem Jahr in bis zu 4 000 Kilometern Entfernung bereitstehen“ heißt es in einer Agenturmeldung vom 22. September 2000. Ei- nen so weit gestreckten Aktionsradius kann ich mit mei- nem Verständnis von Landesverteidigung nicht vereinba- ren und muss schon deshalb gegen ein solches Projekt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend ma- chen. An der europäischen Truppe hat der Verteidigungsmi- nister eine erhebliche Beteiligung zugesagt, Deutschland würde nach bisherigem veröffentlichten Stand gar den Löwenanteil übernehmen. In der Öffentlichkeit führt das zu besorgten Äußerungen – „Spiegel“, 48/2000 –: „Bei künftigen Krisen in Europa werden die Amerikaner ‚Ger- mans to the front’ rufen, anstatt eigene Spezialkräfte zu schicken. Und EU-Partner werden die starken Deutschen bei militärischen Abenteuern gern und womöglich oft um Hilfe bitten. Eine Berliner Regierung, die zudem offensiv einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat anstrebt, könnte kaum noch nein sagen.“ Das sind Parameter für eine deutsche Militärpolitik, die ich nicht mittragen kann und will. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Knoche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001); hier: Einzelplan 14 – Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Verteidigung (Tagesord- nungspunkt III. 16) Ich lehne den Verteidigungshaushalt ab. Das Parlament ist mit der Entscheidung über die Ausrichtung und Struk- tur einer reformierten Bundeswehr nicht befasst worden. Dieses Verfahren lässt mir als Abgeordnete im Deutschen Bundestag lediglich die Möglichkeit, meine Kritik beim Etat zum Ausdruck zu bringen. Hierbei geht es unter anderem darum, dass die Impli- kationen der Vorhaben der Privatisierung und Wirt- schaftskooperation im parlamentarischen Raum keiner oder jedenfalls keiner rechtzeitigen oder angemessenen parlamentarischen Beurteilung unterworfen werden. Auch langfristige Verpflichtungen zum Beispiel gegen- über den europäischen Partnern werden eingegangen, ohne dass über deren Inhalt und Umfang im Deutschen Bundestag befunden worden wäre. Hier zeichnen sich Ri- siken für einen erheblichen Aufwuchs des Verteidigungs- etats ab, was ich nachdrücklich ablehne. Ein solches Vor- gehen lässt sich weder mit meinem Selbstverständnis und meiner Verantwortung als Abgeordnete vereinbaren noch mit meinem Verständnis von der Aufgabe des Parlaments. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 136. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. November 200013340 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich erteile das Wort
    der Kollegin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen.

    Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
    NEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Die politischen Debatten in Deutschland und auch in die-
    sem Hause nehmen, wie ich finde, zeitweise schon recht
    merkwürdige Züge an.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Frau Merkwürden!)


    Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag in der vergange-
    nen Woche ein neues Motto gegeben: Ehrlichkeit schafft
    Gerechtigkeit.


    (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans Georg Wagner [SPD]: Was?)


    Ich habe über dieses Motto nachgedacht und komme zu
    dem Schluss: Sie haben es offensichtlich nötig. Ich bin ge-

    spannt, ob Sie dieses Motto demnächst auch auf den Pla-
    katen von Herrn Koch kleben. Ich versuche, mir das ganze
    Trio infernale vorzustellen: Kohl, Kanther, Koch – Ehr-
    lichkeit schafft Gerechtigkeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Liebe Frau Merkel, ich kann Ihnen nur raten, mit dem
    Begriff der Ehrlichkeit sehr vorsichtig zu sein; denn ich
    habe in den letzten Monaten bei der CDU von Ehrlichkeit
    nicht sehr viel sehen können. Beispiel Rentenpolitik:
    Monatelang haben wir uns bemüht, mit Ihnen, meine Da-
    men und Herren von der Opposition, einen Konsens zur
    Rentenreform zu finden, weil ein Konsens für die Men-
    schen wichtig ist und weil sich die Menschen darauf ver-
    lassen müssen, dass wir bei der Rente in ein paar Jahren
    nicht wieder von vorne anfangen. Aber das interessiert Sie
    offensichtlich überhaupt nicht.

    Herr Merz, ich komme auf die Rede zu sprechen, die
    Sie in der ersten Lesung des Haushaltes 2001 am 13. Sep-
    tember gehalten haben. Sie haben fünf Punkte vorgestellt,
    die für einen möglichen Rentenkonsens wichtig sind. Ich
    will diese Punkte in Erinnerung rufen.

    Erstens haben Sie gesagt, in die bestehenden Renten-
    anwartschaften und Rentenansprüche dürfe nicht einge-
    griffen werden. Ich stelle fest: Mittlerweile fordern auch
    Sie, dass die jetzige Rentnergeneration ihren Beitrag zur
    Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung leisten
    muss, und zwar von Anfang an.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ach, Frau Müller!)


    Zweitens haben Sie gesagt, kommende Generationen
    dürften mit Beiträgen aus dem Umlageverfahren nicht
    dauerhaft höher belastet werden. Meine Damen und Her-
    ren von CDU/CSU und F.D.P., Sie hatten uns 1998 einen
    Rentenbeitrag von 20,3 Prozent hinterlassen. Nach der
    blümschen Reform läge er im kommenden Jahr schon bei
    21 Prozent – Tendenz steigend. Ich stelle fest: Wir haben
    den Rentenbeitrag gesenkt. Im kommenden Jahr liegt er
    schon bei 19,1 Prozent. Er wird bis 2020 stabil unter
    20 Prozent liegen. Das ist eine wirklich sinnvolle Renten-
    politik.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ina Lenke [F.D.P.]: Aber wer bezahlt denn das?)


    Drittens forderten Sie – ich kann Ihnen dies nicht er-
    sparen – die zusätzliche private Altersvorsorge. Ich kann
    dazu nur sagen: Wir fordern nicht nur, sondern wir han-
    deln auch. Wir schaffen nämlich mit der massiven staat-
    lichen Förderung der privaten Altersvorsorge die Voraus-
    setzung dafür, dass sich auch Familien mit kleinem
    Einkommen endlich die private Vorsorge erlauben kön-
    nen. Menschen mit hohem Einkommen konnten sich dies
    schon bisher leisten.

    Viertens haben Sie die nachgelagerte Besteuerung für
    die Alterssicherung gefordert. Genau die kommt jetzt. Wir
    beginnen mit der steuerlichen Freistellung der Beiträge
    für die private Vorsorge. Wenn Sie nun fordern, auch die




    Rainer Brüderle
    13204


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sofort frei-
    zustellen, dann muss ich Sie an die Debatten im Rahmen
    der Steuerreform erinnern. Gerade die Länderhaushalte
    können dies nicht verkraften. Deshalb ist diese Regelung
    im Bundesrat nicht durchsetzbar. Im Übrigen, Herr Merz,
    sind auch die CDU-Ministerpräsidenten dagegen. Mit
    Ihrem Kamikazekurs sind Sie schon bei der Steuerreform
    gescheitert. Wollen Sie, dass sich dieses Desaster bei der
    Rentenreform wiederholt? Wir jedenfalls werden da nicht
    mitmachen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Fünftens haben Sie gefordert, die Alterssicherungssys-
    teme müssten so ausgestaltet sein, dass Altersarmut nicht
    entstehen könne. Herr Merz, genau das erreichen wir mit
    unserem Gesetzentwurf. Denn erst dann, wenn alte Men-
    schen einen eigenständigen Anspruch auf Sozialhilfe ha-
    ben, ohne dass auf die Kinder zurückgegriffen wird, wer-
    den wir die verschämte Altersarmut wirklich überwinden.

    Ich halte also fest: Wir machen längst das, was Sie vor
    zwei Monaten in diesem Hause vorgetragen haben.

    Das ist aber nicht alles. Schon lange haben wir eine
    Kinderkomponente sowohl in der gesetzlichen als auch in
    der privaten Rente vorgesehen. Was aber machen Sie? Sie
    finden immer wieder neue Ausflüchte, nicht in den Ren-
    tenkonsens einzusteigen. Der Grund liegt darin, dass Sie
    sich vor der Verantwortung drücken wollen. Sie treiben
    ein zynisches Spiel auf dem Rücken der jungen Genera-
    tion. Sie wollen in Wirklichkeit diesen Rentenkonsens
    überhaupt nicht, sondern Sie tragen einen Machtkampf in-
    nerhalb der Union aus.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Frau Merkel will ja eigentlich den Konsens, wie wir
    wissen. Herr Stoiber will Fundamentalopposition, wie er
    immer wieder deutlich macht. Und Sie, Herr Merz, kön-
    nen sich an diesem Punkt offensichtlich nicht entschei-
    den, vielleicht weil Sie Angst haben, dann erneut auf der
    Seite des Verlierers zu landen. Ich kann nur fragen: Wer
    hat bei der Union eigentlich das Zepter in der Hand?


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wie ist das denn bei den Grünen? Machen Sie das oder Herr Schlauch?)


    Wer bestimmt eigentlich die Richtlinien Ihrer Politik: der
    CSU-Vorsitzende oder wer? Ich finde, das sollten Sie erst
    einmal klären, damit Sie mit Ihrem Chaos nicht weiter
    eine Einigung in der Rentenpolitik verhindern; denn wir
    brauchen einen Rentenkonsens.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wer macht das denn bei Ihnen?)


    – Bei uns ist das völlig geklärt, keine Sorge.
    Es geht hier nicht um Sie, sondern um die langfristige

    Sicherung der Altersvorsorge. Sie machen das, was bei
    diesem Thema schon viel zu lange gemacht wird: Sie be-
    treiben eine schamlose Verunsicherung der Bürger, wider
    besseres Wissen und gerade auf dem Rücken junger Men-
    schen.

    Wir wollen den Generationenvertrag erneuern. Wir
    sorgen dafür, dass alle Generationen – das sagen wir ganz
    ehrlich – von Anfang an ihren Beitrag leisten. Dabei sind
    wir – das wiederhole ich hier – im Interesse der Menschen
    nach wie vor zum Konsens bereit. Herr Merz, suchen Sie
    nicht weiter nach neuen Ausflüchten. Halten Sie Ihr Ver-
    sprechen, das Sie in Ihrer Rede am 13. September hier ge-
    geben haben. Stimmen Sie diesem guten Rentenentwurf
    endlich zu und beteiligen Sie sich konstruktiv!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Im Gegensatz zur Opposition hat diese Regierung klare
    Konzepte. Wir haben die notwendige Modernisierung
    nach den Jahren des Stillstands unter der alten Regierung
    begonnen. Die Steuerreform entlastet nachhaltig beson-
    ders Familien, Menschen mit kleinen Einkommen und die
    mittelständische Wirtschaft. Und, Herr Glos: Weil ja ins-
    besondere die Grünen eine so mittelstandsfeindliche Po-
    litik machen, erhält heute Christine Scheel, die Vorsit-
    zende des Finanzausschusses, den Mittelstandspreis,
    wozu ich ihr im Namen meiner Fraktion und auch im Na-
    men der SPD ganz herzlich gratulieren möchte.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Mit der ökologischen Steuerreform haben wir die Ar-
    beitskosten Schritt für Schritt gesenkt. Wir sorgen dafür,
    dass die Rentenbeiträge weiter sinken, dass die Beiträge
    in der gesetzlichen Krankenkasse stabil bleiben. Wir sind
    zuversichtlich, dass wir spätestens 2002 auch die Beiträge
    zur Arbeitslosenversicherung senken können. Diese Ko-
    alition hält jedenfalls an dem Ziel fest, die Lohnnebenkos-
    ten bis 2002 unter 40 Prozent zu senken.

    Wir schaffen damit die Voraussetzung für eine dauer-
    haft bessere Wirtschaftsentwicklung und für den schnel-
    len Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Die aktu-
    ellen Daten zeigen ganz klar, dass dieser Kurs zum Erfolg
    führt. Wir haben im Schnitt rund 500 000 Arbeitslose we-
    niger als in Ihrem letzten Regierungsjahr, meine Damen
    und Herren von der Opposition. Zwei Jahre nach Regie-
    rungsantritt, im Oktober dieses Jahres, hatten wir mit
    8,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote seit Novem-
    ber 1994. Darauf kann man sich nicht ausruhen, aber das
    ist ein Erfolg!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Unser strikter Kurs der Haushaltskonsolidierung hat zu
    diesem Erfolg beigetragen. Wir machen Schluss mit dem
    Wirtschaften auf dem Rücken zukünftiger Generationen
    und wir sichern mit dieser Politik langfristig die Hand-
    lungsfähigkeit des Staates.

    Auch bei der Verwendung der Erlöse aus der Verstei-
    gerung der UMTS-Lizenzen haben wir an diesem Kurs
    festgehalten – was die F.D.P. am liebsten nicht getan hätte,
    wie Sie in jedem Interview wieder beteuern. Wir haben
    diese Gelegenheit genutzt, um die gigantische Verschul-
    dung in Höhe von 1,5 Billionen DM, die Sie uns hinter-
    lassen haben


    (Ina Lenke [F.D.P.]: Oh nein!)





    Kerstin Müller (Köln)


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    – ich glaube, das bestreitet niemand mehr –,

    (Ina Lenke [F.D.P.]: Wo bleibt denn jetzt Ihr Zuspruch zur deutschen Einheit?)

    um 100 Milliarden DM zu reduzieren. Mit den Zinser-
    sparnissen finanzieren wir in den nächsten drei Jahren
    ganz wichtige Zukunftsinvestitionen: Klimaschutz, Ener-
    gieforschung, Bildung und wichtige Investitionen in die
    Infrastruktur; zum Beispiel: Allein 6 Milliarden DM
    fließen in die Schiene.

    Herr Brüderle, dass Sie sich hier überhaupt trauen, von
    der Bahn und der Bahnreform zu reden, ist unfassbar.
    Sie, meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P.,
    haben die Bahn über Jahrzehnte verkommen lassen. Wir
    sorgen jetzt erstmals für einen Investitionsschub,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    der die Bahn vom Stand der 30er-Jahre ins neue Jahrtau-
    send bringen soll. Dieses Zukunftsprogramm ist – das
    kann man wirklich sagen – das größte ökologische Mo-
    dernisierungsprogramm, das in diesem Bundestag je be-
    schlossen wurde. Darauf sind wir zu Recht stolz.

    Diesen Kurs der Konsolidierung und Innovation setzen
    wir auch mit diesem Haushalt fort. Schon die im Regie-
    rungsentwurf vorgesehene Neuverschuldung lag mit
    46,1 Milliarden DM erneut unter der des Vorjahres. Den-
    noch konnten die Fraktionen sie nochmals absenken auf
    jetzt 43,7 Milliarden DM. Die Gesamtausgaben sinken
    um 0,4 Prozent, die Investitionsquote dagegen steigt auf
    12,2 Prozent.

    Das ist seriöse, nachhaltige Finanzpolitik. Ich füge
    hinzu: Wir sparen nicht nur, wir gestalten auch. Wir haben
    mit diesem Haushalt wichtige zusätzliche Akzente ge-
    setzt: Die Aufstockung des Markteinführungsprogramms
    für erneuerbare Energien um 100 Millionen DM war ein
    großer Schritt in Richtung ökologische Energieversor-
    gung. Die Deutsche Bahn AG erhält 800 Millionen DM
    als Betriebskostenzuschuss statt als Darlehen. Auch hier-
    mit schaffen wir zusätzliche Perspektiven für ein attrakti-
    ves Bahnangebot. Mit der Aufstockung der Mittel für das
    Altbausanierungsprogramm um weitere 800 Millionen
    DM ermöglichen wir pro Jahr die Sanierung von insge-
    samt rund 150 000Altbauwohnungen. Damit schaffen wir
    Arbeitsplätze im Handwerk und in der Bauwirtschaft.

    Mit diesem Haushalt geben wir auch ein klares Signal
    für eine internationale Politik der Konfliktvermeidung
    und für die Verstärkung der Entwicklungszusammen-
    arbeit. Der Entwicklungshilfeetat steigt im Vergleich
    zum Regierungsentwurf um 207 Millionen DM und liegt
    damit – trotz Sparhaushalt! – 4,6 Prozent über dem des
    Vorjahres. Zusätzlich stellen wir 100 Millionen DM für
    den Aufbau in Serbien und 40 Millionen DM für die Kri-
    senprävention bereit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, das zeigt: Dieser Haushalt
    stärkt die Beschäftigung in Ost- und Westdeutschland,
    schafft mehr soziale Gerechtigkeit, unterstützt die ökolo-

    gische Erneuerung und baut die Handlungsfähigkeit deut-
    scher Außenpolitik weiter aus.

    Ich will ganz klar feststellen: Der Haushaltsausschuss
    insgesamt, aber ganz besonders die Haushälter der beiden
    Regierungsfraktionen haben hier in den letzten Wochen
    eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dafür möchte ich Ih-
    nen an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion ganz aus-
    drücklich danken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die jetzige Regierung schafft die Voraussetzungen für
    eine notwendige Modernisierung unseres Landes. Wir ge-
    ben dieser Modernisierung eine klare soziale und ökolo-
    gische Richtung. Wir stärken das Solidarprinzip in dieser
    Gesellschaft, nachdem Sie jahrelang auf Entsolidarisie-
    rung gesetzt haben. Denn, verehrte Damen und Herren
    von der Opposition, es ist nicht gerade ein Zeichen be-
    sonderer Ehrlichkeit, wenn Frau Merkel hübsche Papiere
    zur so genannten Wir-Gesellschaft schreibt, Sie aber
    gleichzeitig eine Politik betrieben haben, die auf direktem
    Weg in die Ich-Gesellschaft geführt hat. Mittlerweile ist
    es doch so: Weder bescheinigen Ihnen die Gewerkschaf-
    ten irgendeine soziale Kompetenz noch die Arbeitgeber
    irgendeine Wirtschaftskompetenz. Sie haben das Erbe
    von Ludwig Erhard längst verspielt. Soziale Marktwirt-
    schaft, das ist für Sie mittlerweile ein Fremdwort.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir sind der Meinung, dass wir auch in Zukunft einen
    fairen Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Ar-
    beitnehmern brauchen. Auch wenn wir Grüne nicht im-
    mer in allen Punkten mit den Gewerkschaften überein-
    stimmen, sind wir ganz klar der Meinung: Wir brauchen
    für diesen Ausgleich starke Gewerkschaften und starke
    Betriebsräte. Deshalb müssen wir das Betriebsverfas-
    sungsgesetz reformieren. Wir werden die Wahl von Be-
    triebsräten in kleinen und mittleren Betrieben erleichtern
    und damit die demokratische Mitbestimmung stärken.
    Mehr Chancengleichheit für Frauen, mehr Mitbestim-
    mung in Umweltfragen und eine bessere Berücksichti-
    gung der Belange von Jugendlichen – all das, so meinen
    wir, ist überfällig, all das muss reformiert werden.

    Wenn wir von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
    mern mehr Flexibilität, mehr Verantwortung und mehr Ri-
    sikobereitschaft erwarten, gerade dann müssen wir ihnen
    auf der anderen Seite auch mehr Sicherheit und mehr
    Mitbestimmungsrechte in den Betrieben gewähren. Mehr
    Einsatz und mehr Flexibilität, aber weniger Mitbestim-
    mung und weniger Verantwortung, Herr Brüderle, liebe
    Kollegen von der F.D.P., das ist meines Erachtens nicht
    modern, das ist aus dem vorletzten Jahrhundert. Ich stelle
    hier für meine Fraktion klar – das unterscheidet uns fun-
    damental –: Die Modernisierung und Stärkung des Soli-
    darprinzips, das dürfen keine Gegensätze sein, das gehört
    für uns zusammen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir geben der Modernisierung auch eine klare ökolo-
    gische Richtung. Das Scheitern des Klimagipfels in Den




    Kerstin Müller (Köln)

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    Haag ist ein schwerer Rückschlag für alle Menschen, die
    sich für den Klimaschutz engagieren. Ich kann nur sagen:
    Die Blockade des weltweiten Abkommens zum Schutz
    des Klimas vor allem durch die USA, Japan, Kanada und
    Australien ist absolut unverantwortlich.

    Verehrte Frau Merkel, ich finde, es ist an Dreistigkeit
    kaum zu überbieten, ausgerechnet Umweltminister
    Jürgen Trittin für diese Blockade verantwortlich zu ma-
    chen. Sämtliche Umweltverbände, von Greenpeace bis
    zum BUND, haben die positive Rolle der deutschen Re-
    gierung hervorgehoben – und ich sage: zu Recht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wenn Sie als Sprachrohr der wirklichen Blockierer jetzt
    Jürgen Trittin den schwarzen Peter zuschieben wollen,
    dann zeigt das doch nur eines: Sie hätten an seiner Stelle
    wahrscheinlich jeden faulen Kompromiss auf Kosten des
    Klimas und auf Kosten künftiger Generationen mitge-
    macht.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Man schützt das Klima nicht mit dem Hinweis auf die
    Existenz von Wäldern, wie das die Amerikaner gerne ge-
    habt hätten, sondern nur durch eine echte Reduzierung der
    Schadstoffe. Es ist gegen jede Vernunft, den Schutz unse-
    rer Lebensgrundlagen kurzfristigen wirtschaftlichen Pro-
    fitinteressen ausschließlich einzelner Unternehmer zu op-
    fern.

    Das vorläufige Scheitern des Weltklimagipfels wird
    uns deshalb nicht dazu bringen, die eigenen Anstrengun-
    gen zurückzunehmen. Im Gegenteil: Wir werden den Kli-
    maschutz weiter in den Mittelpunkt unserer Politik stel-
    len. Die Regierung hat mit dem bereits beschlossenen
    nationalen Klimaschutzprogramm gezeigt: Wir tun al-
    les, um die CO2-Belastung bis 2005, wie in Rio verein-bart, gegenüber 1990 um 25 Prozent zu reduzieren


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    durch die Energieeinsparverordnung, durch den Ausbau
    der erneuerbaren Energien, indem wir Kraft-Wärme-
    Kopplung stärken, durch Investitionen in die Schiene,
    durch das Altbausanierungsprogramm und durch die
    Ökosteuer, denn die sorgt sowohl bei den Menschen als
    auch bei der Automobilindustrie für den Anreiz, Energie
    einzusparen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ge-
    rade wegen Ihrer wirklich gnadenlosen Verdummungs-
    kampagne zur Ökosteuer kann ich Ihre Krokodilstränen
    über den Ausgang der Klimaschutzkonferenz wirklich
    nicht ernst nehmen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Was haben Sie denn geleistet während Ihrer Regierungs-
    zeit? Ich will Ihnen sagen, was Sie gemacht haben: Ihr
    Klimaschutzprogramm bestand doch allein aus der
    Schließung von Unternehmen in Ostdeutschland nach der
    Wiedervereinigung. Ansonsten haben Sie in Sachen

    Klimaschutzprogramm nichts geleistet. Wir werden wei-
    ter konsequente Klimaschutzpolitik machen, weil wir das
    vor allem den nachfolgenden Generationen schuldig sind.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kurzsichtigkeit
    ökologiefeindlicher Politik, die sich nur an vordergründi-
    gen Verbandsinteressen orientiert, erweist sich in den letz-
    ten Wochen ein weiteres Mal, nämlich in der Diskussion
    über BSE. Ich glaube, Andrea Fischer, die Gesundheits-
    ministerin, hat zu Recht gesagt: Wir erleben hier den GAU
    der industrialisierten Landwirtschaft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Vertrauensverlust bei den Verbrauchern ist wirklich
    immens.

    Ich meine, dass nach den ersten bekannt gewordenen
    BSE-Fällen in Deutschland die Regierung konsequent
    und auch schnell gehandelt hat. Alle geschlachteten Rin-
    der über 30 Monate werden künftig auf BSE getestet.
    Noch in dieser Woche werden wir mit dem ganzen Hause
    hier ein umfassendes Tiermehlverbot beschließen – eine
    Forderung übrigens, die die Gesundheitsministerin schon
    vor Bekanntwerden der BSE-Fälle vertreten hat.

    Und dennoch – ich glaube, das ist der Punkt, über den
    wir nachdenken müssen –: Wir stehen heute mit diesem
    Skandal vor dem Scherbenhaufen einer grundsätzlich
    falschen Landwirtschaftspolitik, und zwar über Jahr-
    zehnte hinweg. Niemand von uns kann behaupten, wir
    hätten es nicht gewusst. Viele haben immer wieder davor
    gewarnt. Seit 14 Jahren ist BSE bekannt. Spätestens seit
    1988 gilt Tiermehl als Hauptüberträger von BSE. Trotz-
    dem wurde in der EU erst 1994, also sechs Jahre später,
    das Verfüttern von Tiermehl verboten, und bis heute kann
    eine Vermischung nicht ausgeschlossen werden. Auch die
    Entwicklung der Tests – das muss man hier leider offen
    sagen – steht immer noch am Anfang.

    Es gab nur sehr wenige verantwortliche Politikerinnen
    und Politiker, die konsequent gegen die unselige Allianz
    von Teilen der Politik und dem Bauernverband Maßnah-
    men gegen BSE gefordert und durchgekämpft haben.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Horst Seehofer zum Beispiel!)


    Das möchte ich hier sehr deutlich sagen. Dazu gehört
    wohl unbestritten die grüne Umwelt- und Landwirt-
    schaftsministerin aus Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Dazu gehört ganz sicher nicht Jochen Borchert. Der hat
    noch im März 1998 in Brüssel vehement dafür plädiert,
    das Verbot der Verwendung von Risikomaterialien wie
    Rückenmark und Nieren zu verschieben, übrigens auf
    Druck aus der bayerischen Staatskanzlei, Herr Glos.


    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Hört! Hört!)

    Wie viel Skrupellosigkeit gehört eigentlich dazu, wenn

    ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident der rot-
    grünen Bundesregierung Versäumnisse vorwirft?


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Recht hat er! – Michael Glos [CDU/CSU]: Wenn er Recht hat, hat er Recht!)





    Kerstin Müller (Köln)


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    Wenn einer auf der Bremse gestanden hat, dann war das
    an allererster Stelle Edmund Stoiber und mit ihm die
    Agrarlobby aus Bayern.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dass Sie die BSE-Gefahren immer noch verharmlosen,
    hat gerade erst der bayerische Landwirtschaftsminister
    Josef Miller bewiesen, den wir in der „Süddeutschen Zei-
    tung“ vor zwei Tagen mit den Worten vernehmen konn-
    ten: „Bayern ist BSE-frei!“ Wie viel ungeheuerliche Ar-
    roganz gehört dazu, jetzt noch solche Behauptungen
    aufzustellen? Das ist derselbe Minister, der Gesundheits-
    ministerin Andrea Fischer noch vor Monaten gedrängt
    hat, zusätzliche Maßnahmen zur BSE-Bekämpfung in
    Brüssel zu blockieren.

    Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Wer im
    Glashaus sitzt, sollte wirklich besser nicht mit Steinen
    schmeißen.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    – In dieser Frage lassen sich die Grünen überhaupt nichts
    zuschulden kommen. Wir haben jahre- und jahrzehnte-
    lang an dieser Stelle vor den Gefahren gewarnt und immer
    wieder die industrialisierte Landwirtschaft kritisiert. Wir
    alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen hier um-
    denken. Und ich bin froh, dass dieses Haus in dieser Wo-
    che sehr konsequent und schnell handeln wird mit dem
    Tiermehlverbot.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der PDS)


    Die Geschichte der BSE-Skandale hat uns eindringlich
    vor Augen geführt, wo die Ursachen liegen. Wir müssen
    uns von der industriellen Massentierhaltung verabschie-
    den, wir müssen umkehren zu einer artgerechten Tier-
    haltung, zum ökologischen Landbau, zur regionalen
    Vermarktung und zu einer EU-Politik, die diesen Struk-
    turwandel in der Landwirtschaft unterstützt.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Herr Funke ist noch nicht einmal da, um zuzuhören!)


    Ich hoffe, dass Essen und Trinken wieder Genuss und Le-
    bensqualität bedeuten werden und eben nicht ein massi-
    ves Gesundheitsrisiko.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Selbst die Frau Fischer interessiert sich nicht für das, was Sie sagen!)


    Modernisierung heißt für uns auch Stärkung der De-
    mokratie und der Bürgerrechte und das ist gerade im
    Kampf gegen den Rechtsextremismus wichtig. Die rot-
    grüne Regierung hat hier einen großen Schritt nach vorn
    gemacht, denn die fundamentale Grundlage unserer Zi-
    vilgesellschaft sind gleiche Rechte für alle Minderheiten.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das Gesetz zur Schaffung der eingetragenen Partner-
    schaft für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften

    ist ein zentraler Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie
    und zur Stärkung der „Wir-Gesellschaft“, liebe Frau
    Merkel. In Ihrer Regierungszeit wurden die Partner in sol-
    chen Lebensgemeinschaften vom Gesetz wie Fremde be-
    handelt, selbst wenn sie seit Jahrzehnten zusammenleb-
    ten, selbst wenn sie alles miteinander teilten, füreinander
    einstanden und einer für den anderen sorgte.

    Indem wir diese massive Diskriminierung, diese Miss-
    achtung der Persönlichkeitsrechte jetzt beenden, verhel-
    fen wir nicht nur Lesben und Schwulen zu ihrem Recht,
    sondern stärken wir auch den Gedanken der sozialen Ver-
    antwortung und der Toleranz gegenüber Minderheiten.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, eben dieses Signal
    brauchen wir in Deutschland angesichts der schrecklichen
    Gewalttaten gegenüber Minderheiten in unserem Land.
    Auch deshalb kam dieser Gesetzentwurf genau zur rech-
    ten Zeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich möchte Sie von der Union noch einmal auffordern:
    Sorgen Sie am 1. Dezember, wenn der Gesetzentwurf zur
    Abstimmung im Bundesrat ansteht, dafür, dass Ihre Län-
    der zustimmen. Verweigern Sie sich zumindest nicht den
    Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Zeigen Sie
    wenigstens hier, dass Sie „mitten im Leben“ stehen, wie
    Ihr Slogan heißt, und nicht am rechten Rand.

    Herr Brüderle und liebe Kollegen von der F.D.P., ich
    bin gespannt, wie viel Ihre Stimme in den Landesregie-
    rungen von Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-
    Pfalz wert ist, wenn es um diese fundamentalen Freiheits-
    rechte für Minderheiten in unserer Gesellschaft geht. Wir
    müssen den Entwurf im Bundesrat verabschieden und
    dafür sind die Stimmen der F.D.P. sehr wichtig.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Rainer Brüderle [F.D.P.]: Aber euer Zeug machen wir nicht mit!)


    Die feigen antisemitischen Anschläge auf die Synago-
    gen in Düsseldorf und Berlin, die Anschläge auf Gedenk-
    stätten und Asylbewerberheime bestätigen eindringlich,
    dass Paul Spiegel in seiner Rede am 9. November in Ber-
    lin Recht hatte, als er sagte:

    Über das Stadium „Wehret den Anfängen!“ sind wir
    längst hinaus ... Wir befinden uns bereits mittendrin
    im Kampf gegen rechts.

    Meine Damen und Herren, so zeigen die Erkenntnisse
    von Bund und Ländern: Auch die NPD ist nicht nur eine
    widerliche rechtsextreme und antisemitische Partei, sie
    nutzt das Parteienprivileg auch zur Anstiftung und Ver-
    schleierung rechtsextremer Gewalttaten gegen Einwande-
    rer und Flüchtlinge, gegen Menschen jüdischen Glaubens
    und Obdachlose.

    Deshalb möchte ich noch einmal eindringlich an die
    Abgeordneten des ganzen Hauses appellieren: Wir kön-
    nen dem nicht tatenlos zusehen! Ich meine, diese Partei
    muss verboten werden und der Bundestag sollte deshalb




    Kerstin Müller (Köln)

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    einen Verbotsantrag mit größtmöglicher Geschlossenheit
    unterstützen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich möchte für meine Fraktion klarmachen: Natürlich
    reicht ein NPD-Verbot allein nicht aus. Das allein hindert
    keinen rechten Gewalttäter und schützt kein Opfer rech-
    ter Gewalt. All das erreichen wir – das möchte ich eben-
    falls sehr deutlich sagen – auch nicht mit einer Einschrän-
    kung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.
    Natürlich ist es widerlich, wenn diese grölenden braunen
    Gruppen am Brandenburger Tor oder gar am Holocaust-
    Mahnmal aufmarschieren; aber sollten wir darauf wirk-
    lich mit der Einschränkung dieses wichtigen demo-
    kratischen Grundrechts reagieren? Ich meine, das wäre
    eher die Kapitulation des Rechtsstaats vor den rechten
    Gewalttätern und genau das sollten wir nicht tun.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])


    Wir müssen gegen die Vergiftung in den Köpfen und
    den Herzen der Menschen angehen, wenn wir Rassismus,
    Antisemitismus und Rechtsextremismus wirksam und
    dauerhaft bekämpfen wollen. Deshalb, meine Damen und
    Herren von der CDU, möchte ich noch einmal auf Ihren
    hessischen Ministerpräsidenten zurückkommen, der in-
    zwischen immer häufiger als einer Ihrer zahlreichen
    nächsten Kanzlerkandidaten gehandelt wird. Was der sich
    in der vergangenen Woche geleistet hat, spottet wirklich
    jeder Beschreibung. Zum Anstieg der Anzahl rechtsradi-
    kaler Straftaten sagte Herr Koch im „Stern“ der ver-
    gangenen Woche:

    Und das hat nichts mit zunehmendem Radikalismus
    zu tun, sondern mit Teilen der Medien.

    Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass dieser
    Mann so schnell wie möglich aus der Regierungsverant-
    wortung verschwinden muss, dann ist das dieser gefährli-
    che Unsinn.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Es sind doch nicht die Medien, die endlich nach Jahren
    des allgemeinen Schweigens das immense Problem rech-
    ter Gewalt thematisieren, sondern solche Politiker, die im-
    mer noch verharmlosen, die immer noch Wahlkampf auf
    dem Rücken von Minderheiten führen, die immer noch
    weiter zündeln: Sie schaffen den Nährboden, auf dem der
    Rechtsradikalismus in Deutschland wachsen und ge-
    deihen kann. Das ist gefährlich und nicht die Tatsache,
    dass man über den Anstieg der rechtsradikalen Straftaten
    spricht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Deshalb – ich meine das wirklich ernst – sollten Sie
    sich noch einmal genau anschauen, was der Vorsitzende
    des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, am 9. November
    gesagt hat.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr richtig!)


    Er sagte nämlich:
    Überlegen Sie, was Sie sagen, und hören Sie auf, ver-
    bal zu zündeln! Schützen Sie die Menschen in unse-
    rem Land und schaffen Sie Rahmenbedingungen, da-
    mit wir alle gemeinsam leben können.

    Ich kann nur sagen, wir haben an dieser Mahnung
    nichts zu kritisieren. Wir nehmen diese Mahnung ernst.
    Vielleicht sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob
    Sie diese Mahnung nicht auch ernst nehmen, statt gegen
    diese sehr nachdenkliche und wichtige Rede des Zentral-
    ratsvorsitzenden Sturm zu laufen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir sind hier aktiv geworden. Wir stellen in diesem
    Haushalt 75 Millionen DM zur Bekämpfung des Rechts-
    extremismus bereit. Was machen Sie? Loben Sie die
    Weitsicht oder die Konsequenz der Regierungsfraktio-
    nen? – Nein, Sie werfen mit völlig verantwortungslosen
    Vorwürfen um sich: Die Regierung habe ein gestörtes Ver-
    hältnis zum Vaterland. – Sie, Frau Merkel, lieben es da-
    gegen so inbrünstig wie sonst keine, wie man überall le-
    sen kann.


    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Laurenz Meyer, Ihre neue Zauberwaffe, verkündet, er sei
    stolz, ein Deutscher zu sein, und Herr Merz tritt bekann-
    termaßen die unsägliche Debatte um die deutsche Leit-
    kultur los.

    Ich kann nur sagen: Halten Sie inne! Machen Sie
    Schluss mit dieser miefigen Politik aus der nationalkon-
    servativen Mottenkiste! Wachen Sie doch auf! Wir sind
    am Beginn des 21. Jahrhunderts und die Zeit der
    Deutschtümelei ist vorbei. Wir können solche Debatten in
    Deutschland nicht gebrauchen. Wir brauchen endlich eine
    vernünftige Debatte über Einwanderung, nicht aber sol-
    che deutschtümelnden Diskussionen, die alle in diesem
    Land nur noch nerven.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dieser Begriff der deutschen Leitkultur taugt nicht als
    Leitlinie für die Integration von Einwanderern. Kultur ist
    Vielfalt und nicht Einfalt.

    Der Staat ist in erster Linie ein Rechtsinstitut und
    kein Erziehungsinstitut. Man muss Menschen als In-
    dividuen behandeln und beurteilen, nicht nach ihrer
    Religion oder Abstammung. An die Behauptung von
    Nationaleigenschaften kann man nicht die Erteilung
    oder Verweigerung von Rechten knüpfen. Wer die
    gleichen Pflichten zu erfüllen bereit ist, muss die
    gleichen Rechte besitzen.

    Diese Sätze stammen nicht aus dem grünen Wahlpro-
    gramm, das, werter Herr Merz – Sie werden es sicher so-
    fort erkannt haben, da Sie sich vermutlich ausführlich mit
    der deutschen Kulturgeschichte befasst haben –, schrieb




    Kerstin Müller (Köln)


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    Wilhelm von Humboldt, und zwar bereits 1809, über das
    Zusammenleben von Christen und Juden. Ich kann nur
    sagen: Das ist auch heute noch hochaktuell für das Zu-
    sammenleben in unserer multikulturellen Demokratie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bin davon überzeugt: Was wir brauchen, ist wirk-
    lich eine sensible und vernünftige Debatte über die Ge-
    staltung der Einwanderung; denn Deutschland braucht
    Einwanderung, weil wir in vielen Wirtschaftsbereichen
    den Fachkräftebedarf nicht ausschließlich mit eigenen
    Kräften decken können, weil wir ohne den internationa-
    len Austausch von Spitzenkräften in Forschung und Tech-
    nologie bald zurücklägen und wegen der demographi-
    schen Entwicklung, also der absehbaren Überalterung
    unserer Gesellschaft, und nicht zuletzt – das will ich hier
    auch sagen – deshalb, weil wir selbst ein massives Inte-
    resse daran haben, unseren humanitären Verpflichtungen
    aus der Verfassung und aus völkerrechtlichen Verträgen
    nachzukommen.

    Deshalb sage ich: Wir brauchen noch in dieser Legis-
    laturperiode ein Einwanderungsgesetz. Das ist jedenfalls
    die Debatte, die wir endlich führen müssen. Wie wollen
    wir künftig Einwanderung in dieser Gesellschaft gestal-
    ten?

    Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und
    der CSU, haben auf ihren Parteitagen leider erneut deut-
    lich gemacht, dass Sie immer noch an den alten Lebens-
    lügen kleben. Wie anders kann ich das verstehen, wenn
    Sie verkünden: „Deutschland ist kein Einwanderungs-
    land?“ Für Sie ist die Erde wohl immer noch eine
    Scheibe?

    Zum Asylrecht schweigen Sie, während Ihre Schwes-
    terpartei CSU von nicht zu überbietender Klarheit ist. Die
    CSU will kein Einwanderungsgesetz, sondern sie will ein
    Asylbeseitigungsgesetz. Ich will hier sehr deutlich sagen:
    Darum wird es nicht gehen. Weder mit den Grünen noch
    mit der SPD – das haben uns die Kollegen sehr deutlich
    gesagt – wird es eine Verschärfung des Asylrechts geben.
    Wir brauchen keine Einschränkung des Asylrechts. Wir
    müssen Schutzlücken schließen. Für die Regierungsfrak-
    tionen sage ich sehr deutlich: Mit uns wird es keinen Ab-
    bau und keine Verschärfung des Asylrechts geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich glaube, nicht nur an der Einwanderungsfrage zeigt
    sich heute in aller Klarheit: Die Opposition hat keine
    Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft. Sie
    sucht deshalb ihr Heil in unglaubwürdigen Kampagnen
    und völlig haltlosen Angriffen. Wir können aber ganz ge-
    lassen sein;


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das merkt man Ihrer Rede an, wie gelassen Sie sind!)


    denn Sie haben keine Chance: Diese Regierung schafft
    mehr Solidarität und sorgt für die ökologische Erneue-
    rung. Wir stärken den Verbraucherschutz und bauen De-
    mokratie und Bürgerrechte aus. Ich bin überzeugt: Das ist

    der richtige Weg in die Zukunft. Wir werden diesen Weg
    unbeirrt gemeinsam fortsetzen.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Kolle-
gen Roland Claus, Vorsitzender der PDS-Fraktion, das
Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Roland Claus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine sehr ver-
    ehrten Damen und Herren! Die linke Opposition im Deut-
    schen Bundestag hat es sich auch mit dem Haushalt für
    2001 nicht leicht gemacht. Wir haben sehr sorgfältig ab-
    gewogen, wo Ausgabenerhöhungen durch Einnahmeer-
    höhungen ausgeglichen werden können. Wir versuchen
    auf diesem Wege, die öffentliche Meinung ein Stück zu
    korrigieren, dass die Sozialisten – die Linken in dieser Re-
    publik – nur gute Verteilungskünstler sind. Wir wollen
    den Nachweis antreten, dass wir auch von Finanz- und
    Wirtschaftspolitik etwas verstehen.


    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb sind wir auch nicht mit der Formel angetreten:

    Wir sind die Opposition und deshalb dagegen. Wir haben
    uns inhaltlich mit dem Haushalt auseinander gesetzt.
    Auch haben wir nicht versucht, die gesamte Ge-
    sellschaftspolitik auf ein Fußballfeld zu übertragen, wie
    wir es heute gehört haben; denn jeder, der ein bisschen da-
    von versteht, weiß: Beim Fußball kann man schnell ins
    Abseits geraten. Auch das ist nicht unsere Logik.


    (Beifall bei der PDS)

    Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Haushalts-

    ansätzen, die wir unterstützen. Ich möchte auch darauf
    hinweisen, dass es eine ganze Reihe von Vorschlägen gibt,
    die von unserer Fraktion eingebracht worden sind und mit
    diesem Haushalt verwirklicht werden. Dennoch – das ist
    das Ergebnis unserer Analyse – haben wir schwerwie-
    gende Gründe für die Ablehnung dieses Haushaltes. Ich
    will versuchen, Ihnen die wichtigsten zu nennen.

    Ein erster Punkt: Auch mit dem Haushalt für 2001
    transportieren Sie soziale Spannungen in die Zukunft. Das
    ist der Preis für Ihren Schuldenabbau. Wir polemisieren
    nicht gegen den Schuldenabbau schlechthin. Das wäre in
    der Tat töricht. Wir haben nur gesagt: Schuldenabbau darf
    nicht zum Selbstzweck werden.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir sehen das Problem darin, dass Sie die sozialen Span-
    nungen, also die Unterschiede zwischen oben und unten
    in dieser Gesellschaft, weiter in die Zukunft transportie-
    ren. Das ist nicht modern, sondern ein Zukunftsrisiko.

    Wir wollen dabei nicht auf Gleichmacherei setzen.
    Aber wir wollen eben auch nicht, dass wachsende Unter-
    schiede in dieser Gesellschaft mit dem Haushalt festge-
    schrieben werden. Es ist eben so, dass der Reichtum
    Weniger weiter ansteigt, während bei sehr vielen Men-
    schen in diesem Lande leider eine zunehmende Armut zu
    registrieren ist.




    Kerstin Müller (Köln)

    13210


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wenn Sie sich über solche Töne wundern, die Ihnen
    vielleicht ein wenig klassisch vorkommen, dann muss ich
    Ihnen sagen: Sie alle haben mehr oder weniger ungewollt
    etwas dazu getan, dass auch künftig demokratische So-
    zialistinnen und Sozialisten zu diesem Bundestag
    gehören. Sie sollten sich nicht wundern, wenn sich Sozia-
    listen dann auch wie Sozialisten verhalten und solche For-
    derungen aufstellen.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich will das mit Zahlen untersetzen. Schauen wir uns

    einmal an, was die Folgen Ihrer Politik sind. Stellen wir
    einmal Folgendes gegenüber: auf der einen Seite einen
    Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresbruttoeinkom-
    men von 40 000 DM – das ist zugegebenermaßen relativ
    wenig, aber kommt so selten nicht vor –, einer Wohnung
    von 80 Quadratmetern und einem Auto; auf der anderen
    Seite einen Zwei-Personen-Haushalt mit einem Jahres-
    bruttoeinkommen von 100 000 DM – das ist ja noch nicht
    wirklich reich –, einer Wohnung von 70 Quadratmetern
    und einem Auto. Ich will an diesem Beispiel klar machen,
    dass wir die Probleme nicht nur an den Polen suchen, son-
    dern durchaus in der Lage sind, in der Mitte zu rechnen.

    Jetzt haben wir folgende Ergebnisse: Der Vier-Perso-
    nen-Haushalt mit einem Jahresbruttoeinkommen von
    40 000 DM erfährt durch die Steuerreform eine Entlas-
    tung von 330 DM, aber er wird durch die Ökosteuer mit
    500 DM zusätzlich belastet. Für ihn bleibt ein Minus von
    170 DM.


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Ich komme gleich zu dem, was Sie in diesem Bereich
    noch machen. Das weiß ich wohl.


    (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Der Zwei-Personen-Haushalt dagegen erfährt eine Steu-
    erentlastung von 1 620 DM. Dazu kommt durch die Öko-
    steuer eine Entlastung von 250 DM. Das ist ein Plus von
    1 870 DM. Ich sage ausdrücklich: Wir gönnen diesem
    Paar natürlich dieses Geld.

    Das Problem, auf das wir aufmerksam machen wollen,
    ist, dass Sie nicht in der Lage sind, auch an die sozial
    Schwächsten in dieser Gesellschaft zu denken, und dass
    Sie diese Verbesserung in den oberen Einkommensgrup-
    pen auf Kosten der sozial Schwächsten erreichen wollen.


    (Beifall bei der PDS)

    Jetzt kommt das Problem, mit dem Sie es zu tun haben:

    Nachdem Sie diese Gesetze gemacht haben, stellen Sie
    fest, dass Sie solche sozialen Unterschiede nicht wollen.
    Dann setzt sozusagen Ihr soziales Langzeitgedächtnis ein
    und Sie erfinden Nachbesserungen wie die Entfernungs-
    pauschale. Ich will nur daran erinnern: In der ersten Haus-
    haltslesung wurde Ihnen von unserer Fraktion genau diese
    Pauschale dreimal vorgeschlagen. Aber da haben Sie im-
    mer gesagt: Daraus wird nichts, das machen wir so nicht.
    Jetzt haben Sie selber darüber nachgedacht. Das Gleiche
    gilt für die Heizkostenpauschale. Wir haben ein Problem
    damit, dass das Soziale bei Ihnen, meine Damen und Her-

    ren von der SPD, in die Nacharbeit geraten ist. Es ist aus
    dem Ansatz herausgenommen und in die Nachbesserung
    verlagert worden.


    (Beifall bei der PDS)

    Man muss leider feststellen: Wer es bei Ihnen nicht bis in
    die Mitte schafft, der ist unten durch. Eine solche Politik
    wollen wir nicht mitmachen.


    (Beifall bei der PDS – Joachim Poß [SPD]: Das hat mit den Fakten nichts zu tun, was Sie da erzählen!)


    Ein weiterer Punkt. Am Abbau der Arbeitslosigkeit
    wollten Sie gemessen werden – mit dem Versprechen,
    sich daran messen zu lassen, sind Sie vor den erfolgrei-
    chen Wahlen angetreten – und am Abbau der Arbeitslo-
    sigkeit müssen Sie jetzt auch gemessen werden.


    (Joachim Poß [SPD]: Sie sind kein Sozialist, sondern ein Demagoge!)


    Was haben wir gestern erlebt? Bundesminister Eichel
    und auch heute der Fraktionsvorsitzende Struck haben
    sich weitgehend von den Überlegungen fern gehalten, die
    Aussagen am eigenen Wahlprogramm zu messen. Sie ha-
    ben sich vorwiegend an der Vorgängerregierung Kohl ge-
    messen. Diese ist aber doch nun zu Recht abgewählt wor-
    den. Dieser Vergleich macht insofern keinen Sinn.

    Sie haben immerhin eins geschafft: Das Thema Ar-
    beitslosigkeit von der Seite eins der Zeitungen auf die
    Wirtschaftsseiten zu verlagern, also wieder – wenn man
    so will – in die Mitte. Deshalb müssen wir Sie darauf auf-
    merksam machen, dass Sie die Arbeitslosigkeit nicht
    wirklich abgebaut haben, sondern vorwiegend den demo-
    graphisch bedingten Rückgang zu Ihrem Erfolg erklärt
    haben.


    (Beifall bei der PDS)

    Langzeitarbeitslose – vor allem langzeitarbeitslose

    Frauen – brauchen aber wirkliche Hilfe und nicht nur Er-
    klärungen dieser Regierung. Man muss dazusagen: Die
    Menschen wollen Unterstützung und Hilfe im Kampf ge-
    gen Arbeitslosigkeit. „Bei Ihnen werden sie aber nicht ge-
    holfen, bei Ihnen werden sie erklärt.“


    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb sagen wir, dass mit dem Haushalt die falschen
    Signale gesetzt werden. Sie setzen sich für eine drastische
    Kürzung der Bundesmittel für die Bundesanstalt für Ar-
    beit ein. Das hat dramatische Folgen für ABM-Projekte.
    Sie wissen das und wir fordern Sie deshalb auf, diese dras-
    tischen Kürzungen zurückzunehmen.

    Sie geben zu wenig wirksame Hilfe für kleine und mit-
    telständische Unternehmen – deshalb auch die Forderung
    der PDS-Fraktion, diese Mittel um 330 Millionen DM zu
    erhöhen. Das wären in der Tat Investitionen in die Zu-
    kunft.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir schlagen Ihnen vor, eine kommunale Investiti-

    onspauschale für die neuen Länder und für struktur-
    schwache Regionen in den alten Ländern aus einem




    Roland Claus

    13211


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    relativ geringen Teil der UMTS-Einnahmen einzusetzen.
    Wir haben das durchgerechnet und halten es für möglich.


    (Beifall bei der PDS)

    Die PDS ist nicht wirtschaftsfeindlich. Wir sagen Ja zu

    einer vernünftigen Wirtschaft, die sozial und ökologisch
    Sinn macht. Wir fragen aber auch immer eins: Was ist der
    gesellschaftliche Zweck von Wirtschaft? Sie kann sich ja
    nicht im Selbstzweck erschöpfen.

    Wir wollen diese Bewegung mit den Gewerkschaften
    und nicht gegen sie. Es ist interessant, dass sich der Kol-
    lege Struck – das ist nicht verwunderlich – heute Morgen
    eine regierungsfreundliche Äußerung des DGB-Vorsit-
    zenden Schulte herausgegriffen hat. Sie haben aber doch
    alle nicht vergessen – es ist erst einige Wochen her –, dass
    der gleiche DGB-Vorsitzende Schulte Ihnen den Vorwurf
    gemacht hat, unter Rot-Grün würden in diesem Land die
    Reichen immer reicher und die Armen immer mehr wer-
    den. Sie können doch Ansichten nicht nur selektiv wahr-
    nehmen.


    (Beifall bei der PDS)

    Beim Thema Tarifverträge steht nicht die Opposition,
    sondern die Koalition auf dem Schlauch.


    (Beifall bei der PDS – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Buchstäblich auf dem Schlauch!)


    Ich will diese Debatte zum Anlass nehmen, zur ge-
    planten Bahnreform zu sprechen: Diese Reform geht in
    die falsche Richtung. Gerade die Entwicklung der Öl-
    preise sollte doch den letzten Anstoß dazu geben, zu über-
    legen, ob wir nicht alternativ auf eine anders ausgestaltete
    Bahnreform setzen sollten. Es darf nicht in erster Linie um
    die Frage gehen, wie sich jede einzelne Strecke rechnet;
    es muss zunächst die Frage gestellt werden: Wie viel Bahn
    braucht dieses Land? Wir fordern eine Chancengleichheit
    von Bahn und Straße.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich habe heute von meinen Kollegen in der Opposition

    gelernt, dass die Regierung auch für jeden Stau auf der
    Autobahn verantwortlich sein soll.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie lernen doch fast nichts hinzu!)


    Ich habe das bisher immer selbstkritisch gesehen und auf
    eigene Planungsfehler zurückgeführt. Ich möchte meine
    Kollegen in der Opposition daran erinnern: Sie kommen
    in Schwierigkeiten, wenn Sie die Regierung für jeden
    Stau verantwortlich machen. Die Regierung könnte sonst
    leicht für sich in Anspruch nehmen, für jede staufreie
    Durchfahrt verantwortlich zu sein. Sie müssten dann jede
    Woche viele Dankschreiben absenden.


    (Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich will auch zur BSE-Problematik sprechen, die
    schon längst – und das völlig zu Recht – nicht mehr für
    Witze taugt. Ich finde, es ist gut, dass Bundestag und Bun-
    desregierung in dieser Woche handeln. Ich möchte in die-
    sem Zusammenhang auf die Äußerungen des Kollegen
    Merz von gestern zurückkommen. Er hat uns aufgefor-

    dert, mit diesem Thema ernsthaft umzugehen, und dabei
    die Regierung kritisiert, dass sie das Thema nicht ernst-
    haft genug angehe. Ein oder zwei Minuten nach diesen
    Äußerungen hat er einen sehr instinktlosen Witz im Zu-
    sammenhang mit BSE losgelassen. Das passt nicht zu-
    sammen: BSE eignet sich nicht als Kampfinstrument ge-
    gen die Bundesregierung.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS und der SPD)


    Wir verkennen nicht, was die Regierung leistet, möch-
    ten aber auf eines hinweisen: Wir beschließen in dieser
    Woche den Bundeshaushalt und möchten Ihnen vorschla-
    gen, noch in dieser Woche einvernehmlich einen Hilfs-
    fonds für Landwirtschaftsunternehmen, die von der Seu-
    che betroffen sind, in den Haushalt einzustellen. Wir
    denken an einen Bundesfonds, der von den Länderagrar-
    ministerien – ergänzt durch entsprechende Landesmittel –
    verwaltet werden könnte und auf diese Weise die Betrof-
    fenen eher erreicht und ihnen eine wirksame Hilfe bietet.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich sage das nicht im Sinne von Besserwisserei oder als
    Kritik an der Regierung, aber der Haushalt ist nun einmal
    die ureigene Sache des Parlaments. Deshalb sollten wir
    ein möglichst einvernehmliches Zeichen setzen.

    Auch künftig müssen wir weiter über die deutsche
    Einheit reden, über die Angleichung der Lebensverhält-
    nisse in allen Bundesländern. Wir beraten heute den ers-
    ten Bundeshaushalt nach zehn Jahren deutsche Einheit.
    Am 3. Oktober des vergangenen Jahres wurde viel ver-
    sprochen. Gemessen an diesen Versprechungen ist dieser
    Haushalt leider enttäuschend. Ich gehöre nicht zu denen,
    die die Sommersafari des Kanzlers in den neuen Bundes-
    ländern kritisiert haben. Ich bin der Meinung: Einmal se-
    hen ist besser als siebenmal hören. Wir haben sehr genau
    nachgeprüft, ob die Zusagen des Bundeskanzlers einge-
    halten wurden; sie wurden eingehalten – auch das gehört
    zur Wahrheit.


    (Joachim Poß [SPD]: Da können Sie einmal sehen!)


    Man muss aber eines klar feststellen: Es war gewisser-
    maßen ein weiterer Trip des Bundeskanzlers ins Ausland.
    Es war eine Reise in Bundesländer, die noch nicht wirk-
    lich als Teil des vereinten Deutschlands verstanden wer-
    den. Das ist unsere Kritik an dieser Reise.


    (Beifall bei der PDS)

    Strukturprobleme in Deutschland sind längst kein rei-

    nes Ostproblem mehr. Wir haben in einer ganzen Reihe
    von schwachen Regionen Strukturprobleme. Der Osten
    aber hat – das ist in diesem Zusammenhang ganz selten –
    nach zehn Jahren deutsche Einheit dadurch einen Kom-
    petenzvorsprung, dass er eine Reihe von Strukturproble-
    men erlebt und erfolgreich mit gelöst hat. Deshalb ist der
    Weg zum Solidarpakt II längst nicht mehr eine Frage des
    Transfers von West nach Ost, sondern ein gesamtdeut-
    sches Problem. Schauen wir uns nur einmal die Arbeits-
    losenentwicklung in Bremerhaven und in anderen struk-
    turschwachen Regionen an. Deshalb wird es so wichtig
    sein, zum Solidarpakt II hin für diese Gesellschaft klarzu-




    Roland Claus
    13212


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    stellen, welchen Weg wir gehen, ob wir den Weg in eine
    Solidargemeinschaft gehen wollen oder ob es der Weg in
    eine Ellenbogengesellschaft sein wird. Dafür müssen wir
    auch mit diesem Haushalt Weichen stellen.

    Ich will zwei weitere Vorschläge machen. Die PDS hat
    wie andere auf ein Riesenproblem aufmerksam gemacht:
    den Wohnungsleerstand im Osten. Das ist inzwischen
    ein Bundesproblem geworden, und zwar durch die unse-
    lige Privatisierungs- und Altschuldenbelastungspolitik
    und auch durch die verkorksten Sonderabschreibungen.
    Deshalb schlagen wir Ihnen vor, 3 Milliarden DM aus den
    Mobilfunklizenzerlösen für ein Sonderprogramm gegen
    diesen Wohnungsleerstand einzusetzen. Wir können Sie
    nur auffordern: Trauen Sie sich, einen solchen Schritt zu
    tun. Es wäre ein Schritt in den selbsttragenden Auf-
    schwung.


    (Beifall bei der PDS)

    Es wäre auch ein Schritt nach der Losung: Aus dem Osten
    etwas Neues, das für die ganze Republik von Nutzen sein
    könnte.

    Wir möchten auch darauf aufmerksam machen, dass
    noch immer nicht absehbar ist, in welcher Weise eine
    Rentenangleichung zwischen Ost und West erfolgen
    sollte. Wir wissen, dass das nicht einfach ist; aber die
    Schrittfolge wollen wir wissen. Wir wollen nicht, das ein
    heute 20-Jähriger noch in 40 Jahren, also mit Eintritt ins
    Rentenalter, gewissermaßen als Ossi identifiziert wird.
    Sie sind ja ohnehin, wenn wir das richtig sehen, dabei, in
    der Rentenreform einiges zu verändern. Ich glaube, man
    kann schon jetzt absehen: Das wird nichts mit „Basta“.
    Sie versuchen nun, wenn ich das recht verstehe, mit den
    Gewerkschaften zu einem Konsens zu kommen, der be-
    sagt: Wir bringen den Ausgleichsfaktor wieder ein Stück
    von dem weg, wo er jetzt ist. Wir reden über eine weitere
    Förderung der betrieblichen Rente. Dafür erwarten wir
    von euch einige Zugeständnisse. – Das geht in aller Stille
    vor sich. Das ist „gestruckt“ und nicht „geschrödert“, was
    wir jetzt erleben.

    Es ist Ihnen heute noch einmal deutlich gesagt worden:
    Der Versuch, in der Rentenfrage einen Mitte-rechts-Kon-
    sens zu erreichen, ist gescheitert. „Basta!“ hat man Ihnen
    heute dazu gesagt.


    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb fragen wir Sie noch einmal: Warum in aller Welt
    bringen Sie denn jetzt nicht den Mut auf, in der Renten-
    frage einen Mitte-links-Konsens mit den Gewerk-
    schaften, mit den Sozialverbänden, mit den Kirchen, auch
    mit der PDS auf den Weg zu bringen? Aber das sollten Sie
    dann bitte in aller Öffentlichkeit und nicht in aller Stille
    tun.


    (Beifall bei der PDS – Joachim Poß [SPD]: Mit Ihren Vorstellungen allerdings nicht!)


    Meine Damen und Herren, im Kampf gegen den
    Rechtsextremismus haben wir wirkliche Fortschritte zu
    verzeichnen. Wir haben gesellschaftlich etwas in Bewe-
    gung gebracht. Dazu haben der Bundestag und auch die
    Bundesregierung einiges geleistet. In dieser Hinsicht ent-
    hält auch der Bundeshaushalt Fortschritte, aber, wie wir

    meinen, viel zu wenige. Deshalb sollten wir uns dafür ein-
    setzen, dass die positiven Beispiele viel mehr Schule ma-
    chen.

    Ich habe sehr viel Respekt vor dem Agieren des Bun-
    destagspräsidenten, der nachweist, dass präsidiales Ver-
    halten und das Vertreten einer eigenen Meinung zusam-
    menkommen können. Ich wünschte mir aber, dass solche
    positiven Beispiele in der Gesellschaft mehr Schule
    machten und dass man endlich bei jenen Teilen der Indus-
    trie, die bei der Einzahlung in die Zwangsarbeiterent-
    schädigungsfonds noch immer an dem unwürdigen Ge-
    zerre festhalten, zum Ziel käme.


    (Beifall bei der PDS)

    Es besteht nämlich auch die Gefahr, meine Damen und

    Herren, dass wir die 200 000 Menschen, die sich am
    9. November auf den Weg gemacht haben, enttäuschen.
    Deshalb brauchen wir mehr gesellschaftliche Konzepte
    gegen rechts. Das Vorhandene reicht längst noch nicht
    aus. Geld ist dabei nicht alles, aber Georg Weerth hatte
    Recht, als er einst gesagt hat: Wo das Geld ist, da ist der
    Teufel, aber wo kein Geld ist, da ist der Teufel gleich
    zweimal.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich will hier nur daran erinnern, dass Ihnen die Frakti-

    onsvorsitzenden von F.D.P. und PDS in der ersten Lesung
    vorgeschlagen haben, eine große Bildungsoffensive im
    Kampf gegen den Rechtsextremismus aufzulegen und
    dafür die Zinsersparnisse aufgrund der Einnahmen aus
    den Mobilfunklizenzen einzusetzen. Das wäre eine
    Größenordnung bis zu 1 Milliarde DM. Sie sind dabei der
    Logik nachgegangen: Gegen Nazis in den Köpfen hilft am
    meisten Bildung. Gemessen an dem, was jetzt an positi-
    ven Ansätzen – die wir durchaus würdigen – herausge-
    kommen ist, müssen wir sagen: Der Dimension dieses
    Problems wird der Haushalt nicht gerecht.

    Trotzdem werden wir weiter für gemeinsames Handeln
    eintreten. Es war richtig und wichtig, dass alle Bundes-
    tagsfraktionen zur Teilnahme an den Kundgebungen vom
    9. November gemeinsam aufgerufen haben. Wir stehen in
    einer spezifischen Verantwortung. Wir Linken wollen
    dafür eintreten und darum ringen, dass es in diesem Lande
    einen gewinnenden und nicht einen ausgrenzenden Anti-
    faschismus gibt. Aber wir wollen mit Ihnen zusammen
    auch noch etwas anderes erreichen: Der Begriff „Antifa-
    schismus“ muss aus dem Verfassungsschutzbericht ver-
    schwinden und in der gesellschaftlichen Werteskala auf-
    gewertet werden.


    (Beifall bei der PDS)

    Letzter Punkt – das ist das dunkelste Haushaltskapitel,

    das Sie uns vorgelegt haben –: Wir haben es leider mit ei-
    nem Einstieg in eine neue Aufrüstungsstrategie zu tun. Sie
    haben 10 Milliarden DM in den nächsten Jahren für ein
    Großraumflugzeug, einen regelrechten Überflieger, ein-
    gestellt, und zwar durch einen beispiellosen Handstreich
    im zuständigen Ausschuss. Das wird eine grundsätzliche
    Veränderung der Einsatzstrategie der Bundeswehr mit
    sich bringen. In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen
    eines ganz besonders vorhalten: Während die Diskussion
    über die 10Milliarden DM an einem einzigen Tag im Aus-




    Roland Claus

    13213


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    schuss durchgezogen wurde, warten und fordern wir seit
    über zehn Jahren, dass der Ostwehrsold endlich an den
    Westwehrsold angeglichen wird. Das haben Sie nicht ge-
    schafft. Für die Angleichung wären nur 2 Prozent der für
    das Großraumflugzeug eingestellten Summe notwendig
    gewesen.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir hatten mit unserer Kritik Recht, als wir vermutet ha-
    ben, dass Ihr Ja zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien und
    Ihr Ja zur deutschen Beteiligung nicht die punktuelle Aus-
    nahme, sondern der faktische Einstieg in eine neue Stra-
    tegie waren. Die Militärausgaben steigen, während die
    Entwicklungshilfefonds stagnieren. Das sind wieder
    falsche Signale.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir brauchen eine europäische Einigung, die zivil gestal-
    tet und nicht militärisch dominiert ist.

    Der Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Europarede
    gesagt: „Wir müssen Märkte in Osteuropa erobern.“ Ich
    betone: erobern. Die Militanz in der Sprache verrät den ei-
    gentlichen Ansatz.


    (Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der SPD)


    Dieser Ansatz ist falsch. Das ist keine Einladung an Ost-
    europa.