Rede:
ID1411801900

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  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Kollegin: 1
    2. Schmidt,: 1
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    11. PDS-Fraktion?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/118 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 118. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. September 2000 I n h a l t : Entsendung des Abgeordneten Gunter Weißgerber als ordentliches Mitglied in das Kuratorium der „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ . . . . . . . 11285 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 11285 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Druck- sache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11285 B b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11285 B Einzelplan 11 Bundesministerium fürArbeit und So- zialordnung Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . . 11285 C Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11290 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11290 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11295 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11298 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . . 11300 B Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . . 11302 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11306 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . . 11306 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . . 11306 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . 11309 A Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11310 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11311 C Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11313 C Renate Jäger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11314 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . . 11316 B Einzelplan 09 Bundesministerium fürWirtschaft undTechnologie Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi . . . 11318 B Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11321 A Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11324 B Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11327 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11329 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11330 B Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11332 A Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11335 B Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11336 D Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11337 B Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11338 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11339 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11339 B Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11339 C Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 11341 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 11343 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11346 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 11347 A Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11347 C Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11349 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11351 C Waltraud Lehn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11353 A Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11355 B JürgenTrittin BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN . . 11357 B Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11357 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11358 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11360 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11362 B Marion Caspers-Merk SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11363 A Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11363 C Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11364 D Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern (Drucksache 14/3762) . . . . . . . . . . . . . . . . 11365 C Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Präsidentin des Bundesrechnungs- hofes: Rechnung des Bundesrech- nungshofes für das Haushaltsjahr 1999 – Einzelplan 20 – (Drucksachen 14/2868, 14/3974) . . . . 11365 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Aufhebung der Beschlüsse 75/364/EWG, 7/454/EWG, 78/688/EWG, 78/1028/EWG, 80/156/EWG und 85/434/EWG über die Einsetzung Be- ratender Ausschüsse für die Ausbil- dung der für die allgemeine Pflege ver- antwortlichen Krankenschwestern/ Krankenpfleger, der Zahnärzte, der Tierärzte, der Hebammen, der Apothe- ker und der Ärzte (Drucksachen 14/3050 Nr. 2.2, 14/3607) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11365 D Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Reinhard Klimmt, Bundesminister BMVBW 11366 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11368 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11371 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11373 D Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . . 11374 A Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11376 C Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11378 A Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11380 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11382 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11384 A Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 11384 D Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11386 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11386 B Dieter Maaß (Herne) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11386 C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karl-Heinz Funke, Bundesminister BML . . . . 11388 B Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11391 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . 11393 A Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11394 C Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11395 C Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11397 A Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11398 A Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11398 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11399 C Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11400 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . 11400 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11402 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11403 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11405 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. September 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. September 2000 Norbert Schindler 11403 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. September 2000 11405 (C)(A) Brudlewsky, Monika CDU/CSU 14.09.2000 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 14.09.2000 Peter H. Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 14.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 14.09.2000 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 14.09.2000 Joseph DIE GRÜNEN Frick, Gisela F.D.P. 14.09.2000 Hauer, Nina SPD 14.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 14.09.2000 DIE GRÜNEN Hoffmann (Chemnitz), SPD 14.09.2000 Jelena Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 14.09.2000 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 14.09.2000 Kolbe, Manfred CDU/CSU 14.09.2000 Dr. Kues, Hermann CDU/CSU 14.09.2000 Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 14.09.2000 DIE GRÜNEN Lüth, Heidemarie PDS 14.09.2000 Marquardt, Angela PDS 14.09.2000 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 14.09.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 14.09.2000 Hans Peter Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 14.09.2000 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulla Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Es ist unbestritten: Wir sind
    eine reiche Gesellschaft. Sie ist reicher als vor 100 oder
    200 Jahren. Aber der Reichtum ist ungleich verteilt. Des-
    halb möchte ich im Rahmen dieser Debatte einmal fest-
    stellen, dass der Sozialstaat deutscher und europäischer

    Prägung die wohl größte kulturelle Errungenschaft des
    letzten Jahrhunderts gewesen ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wenn dieser Sozialstaat erhalten werden soll – dies
    ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhun-
    derts –, dann hat das nichts damit zu tun, Frau Kollegin
    Knake-Werner, dass er einfach nur wettbewerbskompati-
    bel gemacht werden soll. Vielmehr ist zu sagen: Wer den
    Sozialstaat erhalten will, der muss Reformen einleiten,
    damit die Wirklichkeit mit den Maßnahmen in Überein-
    stimmung gebracht wird, die wir zu leisten haben.


    (Dr. Heidi Knake-Werner [PDS]: Was ist denn die Wirklichkeit?)


    Wir müssen ihn in Übereinstimmung mit der sich verän-
    dernden Arbeitswelt bringen. Wir müssen ihn in Überein-
    stimmung mit der Tatsache bringen – diese Entwicklung
    erfolgt Gott sei Dank –, dass die Lebenserwartung der
    Menschen auf der einen Seite aufgrund des medizinischen
    Fortschritts und auf der anderen Seite – das möchte ich an
    dieser Stelle ganz besonders betonen – aufgrund des Er-
    folges des Kampfes der Gewerkschaften um humane Ar-
    beitsbedingungen in den Betrieben, um Jugendarbeits-
    schutz und um das Verbot von Kinderarbeit immer größer
    wird. Das ist gut so; das halte ich für positiv. Wir alle
    freuen uns darüber, weil wir hoffen, davon profitieren zu
    können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Trotzdem besteht das Problem, dass es angesichts die-
    ser wachsenden Lebenserwartung eine immer geringer
    werdende Zahl an Menschen gibt, die am Erwerbsleben
    teilnehmen und die die Leistungen für diejenigen aufzu-
    bringen haben, die entweder noch nicht erwerbstätig sein
    können oder die, weil sie die Altersgrenze erreicht haben,
    nicht mehr erwerbstätig sein müssen oder die nicht mehr
    im Arbeitsleben stehen, weil es eine Massenarbeitslosig-
    keit gibt. Wenn es so bleibt, dass die entsprechenden Leis-
    tungen immer umfangreicher werden, dann verliert der
    Sozialstaat seine Akzeptanz. Bei den jungen Menschen
    wird dann der Trend, sich aus diesem Sozialstaat zu ver-
    abschieden, immer größer werden.

    Deshalb glaube ich, dass eine der wichtigsten Fragen
    im Rahmen des Einzelplans 11 ist – auch der Bundesar-
    beitsminister hat sie heute angesprochen –: Was müssen
    wir tun, um die Massenarbeitslosigkeit zu überwinden?
    Wie können wir wieder in Menschen investieren, um
    dahin zu kommen, dass die Menschen in diesem Land für
    ihre Arbeit bezahlt werden und sie nicht vom Staat bezahlt
    werden müssen, weil sie nicht arbeiten dürfen und nicht
    ihr eigenes Geld verdienen können?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Runter mit den Beiträgen!)


    Wir haben eine ganze Menge getan. Dass jemand von
    Ihnen jetzt einen Zwischenruf über Sozialabgaben macht,




    Dr. Heidi Knake-Werner
    11302


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    ist ein wenig früh, da Sie doch erst zwei Jahre aus der Re-
    gierung sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der F.D.P)


    Denn als wir die Mehrheit erhielten, hatten wir die höchs-
    te Abgabenquote, die es in Deutschland jemals gegeben
    hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Diese hohe Abgabenquote hat nicht dazu geführt, dass die
    öffentlichen Haushalte saniert wurden. Nein, zu den Ab-
    gaben, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und
    die Unternehmen in diesem Land erbringen mussten, kam
    auch noch die höchste Steuerbelastung, die es je in
    Deutschland gegeben hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Weil Sie die Steuerreform blockiert haben!)


    – Nein, nicht weil wir die Steuerreform blockiert haben.
    Uns ging es immer darum, eine Steuerreform zu ma-

    chen, die sozial gerecht ist, die Beschäftigung fördert und
    die den Familien wieder das gibt, was sie brauchen, damit
    sie ohne soziale Sorgen leben und ihre Kinder großziehen
    können. Das, meine Damen und Herren, ist Fakt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In zwei Jahren haben wir schon eine ganze Menge
    geschafft. Die Investitionsstimmung ist viel positiver
    geworden. Es kommen auch wieder Menschen nach
    Deutschland, die sagen: Wir wollen investieren, wir
    schaffen Arbeitsplätze. – Das hat nicht allein mit der de-
    mographischen Entwicklung zu tun. Ich habe es schon
    einmal gesagt: Demjenigen, der das immer wieder be-
    hauptet, biete ich an, die Statistiken gemeinsam mit ihm
    zu lesen. Dann ist er nämlich schlauer.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Darum sage ich: Es ist unser Erfolg, dass die Zahl der

    Beschäftigten in Deutschland wieder steigt.

    (Lachen bei der CDU/CSU)


    In diesem Jahr nahm sie um 730 000 gegenüber dem Vor-
    vorjahr zu und gleichzeitig – da können Sie lachen – sank
    die Zahl der Erwerbslosen. Vielleicht sollten Sie lieber
    nicht lachen, sondern sich freuen, –


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Wir sind fröhlich!)


    – dass die Zahl der Erwerbslosen sinkt und wieder mehr
    Menschen eine Beschäftigung finden. Das wäre in der
    Union, die sich christlich nennt, angebrachter, als darüber
    zu lachen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Trotz dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung
    braucht die Beschäftigungspolitik eine sozialstaatliche
    Flankierung; denn wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der

    für alle, für Frauen und Männer, attraktiv ist und in dem
    alle, die arbeiten wollen, auch ihren Platz finden. Wir
    brauchen einen Arbeitsmarkt, der nicht nur auf wirt-
    schaftliche Interessen ausgerichtet ist, sondern auch
    denjenigen, die weniger leistungsfähig sind, wieder eine
    Chance eröffnet. Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der
    auf familiäre Belange Rücksicht nimmt.

    Deshalb ist für mich eindeutig: Bei allem, was wir im
    Bereich Arbeit und Soziales machen, steht der Mensch im
    Mittelpunkt, der junge Mensch, der Mensch mittleren Al-
    ters und der ältere Mensch. In sie müssen wir investieren,
    sie wollen wir qualifizieren. Für sie wollen wir die Vo-
    raussetzungen für lebensbegleitendes Lernen schaffen,
    damit nicht nur der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben ge-
    fördert wird, sondern auch die Zeiten zwischen dem
    Wechsel von zwei Arbeitsplätzen wieder kürzer werden
    und die Qualifikation der Menschen erhalten bleibt, damit
    sie weiterhin ihre Arbeitskraft einsetzen können.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, deshalb verbirgt sich hinter
    dem Einzelplan 11 die grundsätzliche Verpflichtung des
    Staates, sozial verantwortlich zu handeln. Das betrifft
    nicht nur die Ausgaben für Arbeitslosengeld und Ar-
    beitslosenhilfe oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,
    sondern auch die Möglichkeit, für die Problemgruppen
    des Arbeitsmarktes initiativ zu werden und das geltende
    Arbeitsförderungsrecht, das weitgehend auf passive
    Leistungen und, weil das so war, auf eine Beschränkung
    des Ausgabenvolumens bei anwachsenden Arbeitslosen-
    zahlen gesetzt hat, so weiterzuentwickeln, dass es tatsäch-
    lich ein aktivierendes Arbeitsförderungsrecht wird und je-
    dem Menschen die auf ihn abgestimmte individuelle
    Beratung gibt und Wiedereingliederung in den Arbeits-
    markt ermöglicht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Eine der Gruppen, mit denen wir heute noch bei der
    Entwicklung des Arbeitsmarkts Probleme haben, sind
    zweifellos die älteren Arbeitslosen. Ich begrüße es des-
    halb, dass die Bundesanstalt für Arbeit eine Vermittlungs-
    offensive unter dem Motto „50 Plus“ anlaufen lässt. Es
    soll dabei vor allen Dingen darauf ankommen, die Vorbe-
    halte der Wirtschaft gegenüber der Einstellung älterer
    arbeitsloser Menschen abzubauen. Ich kann nur an die
    Wirtschaft appellieren, dass sie sich darauf einlässt. Denn
    wenn wir auf der einen Seite die demographische Ent-
    wicklung beklagen und auch wissen, dass es in absehba-
    rer Zeit einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ge-
    ben wird, muss die Wirtschaft auf der anderen Seite ein
    Interesse daran haben, die Qualifikation, die Fähigkeiten
    und die Kenntnisse der älteren Arbeitslosen für ihren Be-
    trieb zu erhalten.

    Ich nenne noch einen zweiten Punkt, der auch die Ren-
    tenreform – sie ist wichtig – betrifft. Wenn wir wollen
    – das wird auch von der Wirtschaft gefordert –, dass das
    tatsächliche Renteneintrittsalterwieder mit dem gesetz-
    lichen Renteneintrittsalter übereinstimmt, dann kann und
    darf es nicht sein, dass Menschen mit 58 oder 59 Jahren,




    Ulla Schmidt (Aachen)


    11303


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    die bis 65 arbeiten wollen, auf diesem Arbeitsmarkt keine
    Chance mehr haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich glaube, dass es eine Vielzahl von Instrumenten
    gibt, um auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes Einfluss
    zu nehmen. Hier möchte ich gar nicht weiter auf die In-
    strumente des Arbeitsförderungsrechts, sondern auf zwei
    andere Punkte eingehen, die auch hier angesprochen wur-
    den. Das eine ist die Frage, wie wir mehr Teilzeitarbeit
    organisieren können. Deshalb halte ich im Gegensatz zu
    anderen, die sich heute dazu geäußert haben, die Initiative
    der Bundesregierung zur Förderung der Teilzeitarbeit für
    eine adäquate Antwort nicht nur auf die Bedürfnisse der
    Menschen, die in vielen verschiedenen Formen erwerbs-
    tätig sein wollen, sondern auch auf die lange geforderte
    Flexibilisierung in der Wirtschaft. Denn wir müssen dahin
    kommen, dass die individuelle Arbeitszeit von Maschi-
    nenlaufzeiten oder anderen Dingen losgelöst wird. Wir
    müssen versuchen, dies in Einklang zu bringen.

    Auf der einen Seite haben wir die Bedürfnisse der
    Menschen, die weniger arbeiten möchten, weil sie die Fa-
    milie versorgen, weil sie sich weiterbilden oder andere
    Dinge machen wollen. Auf der anderen Seite stehen wir
    vor der Frage, wie wir Arbeit auf mehr Schultern vertei-
    len können. Das ist vorausschauende Sozialpolitik. Wenn
    die Erwerbsarbeit auf mehr Schultern verteilt wird und
    Männer und Frauen gleichermaßen erwerbstätig sein kön-
    nen, sichert dies die soziale und finanzielle Situation der
    Familien. Dadurch haben sie die Möglichkeit, dass dann,
    wenn der eine arbeitslos ist, der andere für den Lebens-
    unterhalt sorgen kann. Deshalb kommt eine vorausschau-
    ende Sozialpolitik an einer Arbeitszeitflexibilisierung und
    der Beendigung der Diskriminierung von Teilzeitarbeit
    nicht vorbei. Dies haben uns andere europäische Länder
    gezeigt, die dabei viel weiter sind und ihre Arbeitslosen-
    quote ganz dramatisch senken konnten. Diesen Weg wol-
    len auch wir gehen.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Kollegin Schmidt, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grehn von
der PDS-Fraktion?


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulla Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, ich möchte dies
    abschließen.

    Wenn wir über Teilzeitarbeitzeit reden, dürfen wir dies
    nicht nur auf Altersteilzeit beschränken, auch wenn es
    dazu sehr viele Fragen gibt. Ich nenne noch einige Zah-
    len: Wir haben 6,3 Millionen Teilzeitbeschäftigte. Davon
    sind 87 Prozent Frauen. Wir haben aber auch über 300 000
    Menschen, die eine Teilzeitstelle suchen. Wir sollten auch
    deren Chancen verbessern.

    Im Rahmen der Rentenreform haben wir vor, die Zei-
    ten, in denen ein Vater oder eine Mutter bis zu dem Zeit-
    punkt, an dem das jüngste Kind zehn Jahre alt ist, seine
    wöchentliche Arbeitszeit reduziert, bei den Renten-
    anwartschaften um 50 Prozent bis maximal zum Durch-

    schnittseinkommen höher zu bewerten. Wir bieten nicht
    nur finanzielle Sicherheit in der Zeit, in der die Familie
    davon leben muss, sondern wir sagen auch, dass derje-
    nige, der dies aus familiären Gründen macht, im Alter
    nicht durch eine geringere Rente gegenüber denjenigen,
    die Vollzeit arbeiten konnten, bestraft werden darf.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Genauso viel Abwehr ruft jetzt das Beschäftigungs-
    förderungsgesetz hervor. Dazu lese ich von Herrn Hundt,
    dass dies die wirtschaftliche Entwicklung behindere. Aber
    ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor, Frau Kolle-
    gin Schwaetzer. Ich bin für Flexibilisierung, weil ich
    glaube – ich bin auch ein sehr flexibler Mensch –, dass
    diese Welt ohne Flexibilisierung nicht gestaltet werden
    kann –


    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Aber?)

    – Kollege Fuchtel, vielleicht gilt das auch für Baden-
    Württemberg –, aber Flexibilisierung ist nicht gleichzu-
    setzen mit Schutzlosigkeit. Darauf kommt es an.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das muss man sich doch einmal vorstellen. Ich bin ja
    für dieses Instrument. Die Abschaffung dieses Instrumen-
    tes würde bedeuten, dass man in Überstunden, Leiharbeit
    oder Sonstiges ausweichen würde. Das ist keine Frage.

    Nach zwei Jahren muss ein Unternehmen wissen, ob
    es eine Arbeitskraft braucht. Das ist – glaube ich – eine
    lange Zeit: drei Mal Verlängerung, 24 Monate. Man muss
    sich doch einmal in die Situation desjenigen versetzen,
    der beschäftigt ist: Er weiß dann immer noch nicht, ob er
    in sechs Monaten wieder einen festen Arbeitsplatz hat.
    Es macht vielen auch Probleme bei Bankgeschäften oder
    Mietverträgen. Das Instrument erhalten, Missbrauch be-
    kämpfen und den Menschen, die in diesen Verhältnissen
    beschäftigt sind, wieder soziale Sicherheit zu geben, das
    ist die Herausforderung der Zukunft. Diese werden wir
    annehmen und nicht das Instrument abschaffen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Jetzt komme ich zu einigem, was der Kollege
    Seehofer gesagt hat.


    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das hat aber lange gedauert!)


    – So wichtig ist er ja auch nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


    Mir ist wichtiger, dass die Menschen, die hier zuschauen,
    auch diejenigen vor den Fernsehgeräten, hören, was
    wir wirklich zur Zukunftssicherung in dieser Gesell-
    schaft vorhaben, und ich will nicht den Kollegen
    Seehofer mit der Antwort befriedigen.


    (Beifall bei der SPD – Gerd Andres [SPD]: So ist das!)


    Herr Kollege Seehofer, es hat mich schon gewundert,
    dass Sie hier sagen: Die große Rentenreform Norbert




    Ulla Schmidt (Aachen)

    11304


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Blümsmit dem demographischen Faktor nehmen Sie nun
    zurück. – Ich erinnere mich noch an die Gespräche, die
    wir hatten, in denen Sie gesagt haben, die Rentenreform
    Norbert Blüms greife zu kurz. Das, worüber wir jetzt dis-
    kutieren und was wir gemeinsam machen wollen – ich
    hoffe: auch werden –, ist ein Quantensprung.


    (Gerd Andres [SPD]: Genau! – Weiterer Zuruf von der SPD: Was sagen Sie nun? – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Bei Ihnen!)


    – Es ist nicht nur bei uns ein Quantensprung.
    Ich will nur auf drei Dinge eingehen, die Sie hier ge-

    sagt haben, Herr Kollege Seehofer.
    Blüms Modell war: 64 Prozent für alle spätestens 2015,

    ohne dass auch nur eine einzige Initiative zum Aufbau der
    kapitalgestützten Säule eingeleitet worden wäre, –


    (Beifall bei der SPD – Gerd Andres [SPD]: Richtig!)


    – ohne dass auch nur einmal diskutiert worden wäre, was
    denn getan werden muss, damit wir die Hemmnisse, die
    heute im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge beste-
    hen, beseitigen, –


    (Gerd Andres [SPD]: Richtig!)

    – und ohne dass nur ein Wort dazu gesagt worden wäre,
    was wir denn tun müssen, um dann, wenn das Renten-
    niveau sinkt, die bestehenden Anwartschaften von Men-
    schen, die wenig verdienen oder die, wie ich eben gesagt
    habe, aus familiären Gründen Teilzeit arbeiten, auszu-
    bauen. Das führt dazu, dass letztendlich das Niveau keine
    Rolle mehr spielt, wenn das, was faktisch in der Tasche
    ist, mehr ist, nachdem man jahrelang dafür gearbeitet hat.
    Das will ich nur festhalten.


    (Gerd Andres [SPD]: Richtig!)

    Sie haben gesagt: Die Rente muss lebensstandard-

    sichernd sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alterssichernd!)


    Wir sagen: Eine angemessene Lebensstandardsiche-
    rung wird es nur dann geben, wenn wir neben der umla-
    gefinanzierten Säule auch die kapitalgestützte Säule
    fördern.


    (V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)

    Vielleicht sollten Sie sich eine Untersuchung, die ges-

    tern veröffentlicht wurde, besorgen. Diese Untersuchung
    besagt, dass das, was Minister Riester in Bezug auf die ka-
    pitalgestützte Säule vorgelegt hat, dazu führt, dass das
    Rentenniveau für diejenigen, die heute jung sind, das heu-
    tige übertreffen wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das ist Fakt. So werden wir es auch machen.

    (Horst Seehofer [CDU/CSU]: Mit mir haben Sie keine Probleme! Da drüben!)

    – Ich habe da keine Probleme. Ich kenne meine Fraktion.

    Auf die Frage der Generationengerechtigkeitmöchte
    ich nur kurz eingehen. Ich glaube, wir machen es uns zu
    einfach, wenn wir Generationengerechtigkeit allein daran
    messen, was die heutige Generation an Rentenbeiträgen
    zu zahlen hat. Ich werde oft dafür ausgelacht, aber trotz-
    dem möchte ich es hier sagen: Wenn wir über Generatio-
    nengerechtigkeit reden, müssen wir auch die eigene Ge-
    schichte einer jeden Generation bedenken.


    (Beifall bei der SPD – Gerd Andres [SPD]: Richtig!)


    Jetzt sage ich Ihnen einmal eines: Als ich 17 war, stand
    ich vor dem Abitur. Als mein Vater 17 war, hat man ihn in
    den Zweiten Weltkrieg geschickt.


    (Gerd Andres [SPD]: Richtig!)

    Als meine Mutter 17 war, war ihre Ausbildung schon zu
    Ende. Meine Eltern – nicht nur meine Eltern, sondern Ih-
    rer aller Eltern – haben sich nicht ausgesucht, dass sie in
    den Krieg hineingeboren wurden. Sie haben sich auch
    nicht ausgesucht, dass sie in Diktaturen hineingeboren
    wurden. Sie hatten nicht das zur Verfügung, was sich zum
    Beispiel mir eröffnete, nicht die Infrastruktur, nicht die
    Ausbildungs- und Beschäftigungschancen.


    (Dirk Niebel [F.D.P.]: Deshalb haben wir ja die Generationenbilanz beantragt!)


    Sie konnten nicht wissen, was sie würden aufbauen kön-
    nen.

    Deshalb, Kollege Seehofer, glaube ich, dass wir unab-
    hängig von der Berücksichtigung der demographischen
    Entwicklung – im Übrigen hat die gesetzliche Rentenver-
    sicherung heute nicht nur ein Einnahmen-, sondern auch
    ein Ausgabenproblem –