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ID1405002200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 I n h a l t : Festlegung der Zahl und Zusammensetzung der zur Mitwirkung an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union berechtigten Mitglieder des Europäischen Parlaments ................................. 4321 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 4321 B Begrüßung der Oberbürgermeisterin von Bonn, Frau Bärbel Dieckmann, sowie des Altbundes- präsidenten Richard von Weizsäcker, der ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bun- destages Annemarie Renger und Richard Stücklen, der ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Helmuth Becker, Dieter-Julius Cronenberg, Lieselotte Funcke und Dr. Burkhard Hirsch, des früheren polni- schen Außenministers Professor Wladyslaw Bartuszewski, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Professor Dr. Karl Lehmann, des Metropoliten von Deutschland Augoustinos Labardakis, des früheren Frak- tions- und Parteivorsitzenden der SPD Dr. Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen Ober- bürgermeisters von Bonn, Dr. Hans Daniels....... 4325 A, ........................................ 4344 C, 4348 D, 4349 D, 4352 D, Tagesordnungspunkt 14: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsgesetzes (Drucksachen 14/745, 14/1067, 14/1301) .. 4321 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a – h) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66 zu Petitionen (Drucksachen 14/1320, 14/1321, 14/1322, 14/1323, 14/1324, 14/1325, 14/1326, 14/1327) ..................................................... 4322 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Dreiunddreißig- sten Gesetzes zur Änderung des La- stenausgleichsgesetzes (Drucksache 14/866) .................................. 4322 C Tagesordnungspunkt 12: Vereinbarte Debatte „50 Jahre Demokratie – Dank an Bonn“ Wolfgang Thierse SPD.................................... 4322 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU............................ 4325 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4332 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4334 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 4336 B Wolfgang Clement, Ministerpräsident (Nord- rhein-Westfalen) .............................................. 4337 C Michael Glos CDU/CSU ................................. 4340 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4342 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ........................ 4344 D Angela Marquardt PDS ................................... 4346 B Iris Gleicke SPD .............................................. 4347 B Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 4349 A Hans-Ulrich Klose SPD................................... 4349 D Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) ................................................................ 4352 D Nächste Sitzung ............................................... 4354 C Berichtigung .................................................... 4354 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4355 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Ko- schyk (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg) und weiterer Abgeor- dneter, Drucksache 14/1269, zu Abschnitt II der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/ 1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa ......................................................... 4355 C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußab- stimmung über Abschnitt II der Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Gestaltungsentwurf II), Druck- sache 14/1238 .................................................. 4355 D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 4355 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4321 (A) (C) (B) (D) 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 49. Sitzung, Seite 4259 B, vorletzter Absatz: In der vor- letzten Zeile ist das Wort „Inflationsrate“ durch das Wort „Lohnsteigerung“ zu ersetzen. Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4355 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1.7.99 Bleser, Peter CDU/CSU 1.7.99 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 1.7.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 1.7.99 Gebhardt, Fred PDS 1.7.99 Gilges, Konrad SPD 1.7.99 Hartenbach, Alfred SPD 1.7.99 Hovermann, Eike SPD 1.7.99 Hübner, Carsten PDS 1.7.99 Ibrügger, Lothar SPD 1.7.99 Irmer, Ulrich F.D.P. 1.7.99 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 1.7.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 1.7.99 Lensing, Werner CDU/CSU 1.7.99 Ostrowski, Christine PDS 1.7.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 1.7.99 Roos, Gudrun SPD 1.7.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 1.7.99 Scheffler, Siegfried SPD 1.7.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 1.7.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 1.7.99 Schöler, Walter SPD 1.7.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 1.7.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 1.7.99 Schurer, Ewald SPD 1.7.99 Sothmann, Bärbel CDU/CSU 1.7.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 1.7.99 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), und weite- rer Abgeordneter, Drucksache 14/1269, zu Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa (48. Sitzung, Seite 4129 D ff) Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum Än- derungsantrag auf Drucksache 14/1269 während der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1999 teilgenommen und mit Ja gestimmt, womit ich den Antrag auf Drucksache 14/1269, der sich für den soge- nannten Richard-Schröder-Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin ausgesprochen hat, unter- stützt habe. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußabstimmung über Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Gestaltungs- entwurf II), Drucksache 14/1238 (48. Sitzung, Seite 4135 A) Im Protokoll des Deutschen Bundestages für o. a. Sit- zung ist für die letzte namentliche Abstimmung (Schlußabstimmung) mein Abstimmungsverhalten mit ungültig vermerkt. Hiermit erkläre ich, daß ich in der letzten namentli- chen Abstimmung (Schlußabstimmung über den Ge- staltungsentwurf II) mit Nein gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz(BStatG) für die Jahre 1997 und 1998 – Drucksachen 14/732, 14/829 Nr. 3 – 4356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im erstenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8299, 14/272 Nr. 73 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweitenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8408, 14/272 Nr. 74 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im drittenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9264, 14/272 Nr. 75 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im viertenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9984, 14/272 Nr. 76 – Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/488 Nr. 2.47 Innenausschuß Drucksache 14/671 Nr. 2.1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.5Drucksache 14/488 Nr. 2.6Drucksache 14/488 Nr. 2.7Drucksache 14/488 Nr. 2.10Drucksache 14/488 Nr. 2.11Drucksache 14/488 Nr. 2.12Drucksache 14/488 Nr. 2.18Drucksache 14/488 Nr. 2.21 Drucksache 14/488 Nr. 2.23Drucksache 14/671 Nr. 2.6.Drucksache 14/671 Nr. 2.11Drucksache 14/671 Nr. 2.16Drucksache 14/671 Nr. 2.33Drucksache 14/839 Nr. 1.2Drucksache 14/839 Nr. 2.1Drucksache 14/839 Nr. 2.4Drucksache 14/839 Nr. 2.5Drucksache 14/839 Nr. 2.6Drucksache 14/839 Nr. 2.7Drucksache 14/839 Nr. 2.8Drucksache 14/839 Nr. 2.9Drucksache 14/1016 Nr. 2.3Drucksache 14/1016 Nr. 2.4Drucksache 14/1016 Nr. 2.6Drucksache 14/1016 Nr. 2.8Drucksache 14/1016 Nr. 2.13Drucksache 14/1016 Nr. 2.15Drucksache 14/1016 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.21Drucksache 14/1016 Nr. 2.22 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/272 Nr. 112Drucksache 14/309 Nr. 2.9Drucksache 14/309 Nr. 2.19Drucksache 14/309 Nr. 2.24Drucksache 14/342 Nr. 1.9Drucksache 14/342 Nr. 2.25Drucksache 14/342 Nr. 2.41Drucksache 14/488 Nr. 2.13 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 145Drucksache 14/272 Nr. 148Drucksache 14/309 Nr. 1.4Drucksache 14/488 Nr. 1.3Drucksache 14/488 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.45Drucksache 14/671 Nr. 2.7Drucksache 14/671 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/74 Nr. 1.20Drucksache 14/74 Nr. 2.97Drucksache 14/342 Nr. 2.42Drucksache 14/671 Nr. 1.4Drucksache 14/671 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.20 Ausschuß für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung Drucksache 14/839 Nr. 2.10Drucksache 14/839 Nr. 2.13Drucksache 14/839 Nr. 2.16Drucksache 14/1016 Nr. 2.14 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Sichtwei-
    se, die eines Sozialisten aus der Altbundesrepublik, der
    sich diese Republik aus der linken Opposition in Wider-
    stand und in Gegensatz, in Ablehnung und Rebellion
    angeeignet hat – also auf ganz andere Art und Weise –,
    neben Ihre Äußerungen stellen. Ich sage bewußt „ne-
    ben“ und nicht „an die Stelle“: Aneignung ist möglich
    von oben, als Teil des Mainstream, der Mehrheit, die das
    Land durch Gesetze, Entscheidungen und Verträge
    prägt. Sie ist aber auch möglich – das ist mir wertvoll –
    durch Widerspruch und Widerstand.


    (Beifall bei der PDS)

    Herrschaft und Opposition, Mehrheit und Minderheit
    sind – ob Sie es wollen oder nicht – miteinander im und
    durch den Widerspruch verbunden. Sich darauf bewußt
    einzulassen, den Widerspruch und die andere Seite zu
    wollen und nicht als notwendiges Übel hinzunehmen –
    davon ist unsere Demokratie und sind wir alle noch weit
    entfernt.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich will zu den Namen, die hier genannt worden sind,

    drei weitere Namen hinzufügen, die ebenfalls zu 50 Jah-
    ren Demokratie gehören: Heinz Renner, Bundestagsab-
    geordneter der KPD und ehemaliger Oberbürgermeister
    der Stadt Essen. Er, Herbert Wehner und Konrad Ade-
    nauer waren als Kontrahenten in diesem ersten Parla-
    ment in einer Art und Weise verbunden, daß sie Parla-
    mentsgeschichte geschrieben haben. Ferner will ich
    nennen Klara Maria Faßbinder, die Unermüdliche der
    Friedensbewegung, und Rudi Dutschke, den rebellischen
    Geist der APO.


    (Beifall bei der PDS)

    Für mich und viele meiner Generation waren die

    Verdrängung des und das Schweigen über den Fa-
    schismus und den Krieg das, was zum Aufbegehren
    provozierte. Es ist nach wie vor eine offene Wunde, daß
    sich dieses Land so schwer damit getan hat und tut, sich
    damit auseinanderzusetzen. Ich möchte den heutigen
    Tag bewußt dazu nutzen, an Sie zu appellieren, den
    heute noch lebenden Häftlingen der Konzentrationslager
    und Zuchthäuser, den Widerstandskämpferinnen und
    Widerstandskämpfern zu sagen: Wir danken euch für
    eure wichtige Haltung und Leistung.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Unser Dank darf kein Opfer ausschließen, auch nicht die
    Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Ich bitte Sie
    – ich betone das Wort „bitte“ –, den noch lebenden
    Zwangsarbeitern endlich eine Regelung zukommen zu
    lassen, die nicht neue Demütigung und Aufrechnung mit
    sich bringt.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich will an die großen Auseinandersetzungen der

    letzten 50 Jahre um die Wiederbewaffnung, um die
    NATO-Mitgliedschaft, um den NATO-Doppelbeschluß,
    um die Ostverträge und um die Berufsverbote sowie an
    die Bewegung „Kampf dem Atomtod“ erinnern. Prägend

    für mich war der Widerstand gegen den Vietnamkrieg,
    also der Sommer 1968. Die 68er waren mehr als nur der
    Teil, der den langen Marsch durch die Institutionen an-
    trat, um dann dort anzukommen, wo die Vorgänger be-
    reits saßen. Liebe Antje Vollmer, die Geschehnisse des
    Jahres 1968 sind nicht eine Episode; das Jahr 1968 hat
    dieses Land so tief verändert und so demokratisiert, daß
    Altbundeskanzler Kohl 16 Jahre seiner geistig-mora-
    lischen Wende brauchte, um das korrigieren zu wollen.


    (Beifall bei der PDS)

    Viele Menschen haben die 50 Jahre Demokratie im

    Alltag mitgeprägt, sie sind aus der Zuschauerrolle her-
    ausgetreten und haben sich eingemischt. Immer gab es
    Alternativen, auch wenn sie sich nicht durchgesetzt
    haben; das heißt aber dennoch nicht, daß diese Alterna-
    tiven falsch waren.

    All diese Personen und Ereignisse haben Bonn be-
    rührt, hier im Parlament und im Widerspruch zu seinen
    Mehrheiten auf vielen großen Kundgebungen im Bonner
    Hofgarten. Die Bonner haben daran nicht Schaden ge-
    nommen. Sie haben es getragen, manchmal wohl auch
    eher ertragen. Ihnen ist zu danken.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich komme zum Schluß. Unser Grundgesetz hat am

    Widerstand und am Widerspruch auch keinen Schaden
    genommen, im Gegenteil: Seine Forderungen und Mög-
    lichkeiten für alle Menschen, nicht nur für alle Deut-
    schen – Eigentum verpflichtet; politisch Verfolgte er-
    halten Asyl; Unverletzlichkeit der Wohnung; Freiheit
    der Presse; seine Weisheit, keine bestimmte Wirt-
    schaftsordnung, auch nicht die kapitalistische, auch
    nicht die der rheinischen Art, festzuschreiben und ein
    Friedensgebot zu erlassen –, bleiben für mich Wesens-
    gehalt von 50 Jahren Demokratie und Herausforderung
    zugleich.

    Schönen Dank.

    (Beifall bei der PDS)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Bevor
ich dem früheren Vizepräsidenten dieses Hauses, Hans-
Ulrich Klose, das Wort gebe, möchte ich auch die ehe-
malige Vizepräsidentin Lieselotte Funcke herzlich be-
grüßen.


(Beifall)

Bitte schön, Herr Klose.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine
    sehr geehrten Damen und Herren! Heute abend wird
    – wenn das Wetter mitspielt – auf dem Bonner Markt-
    platz das Bonner Konzert erklingen, ein Geschenk des
    Bundestages an die Stadt Bonn. Es handelt sich um eine
    Komposition von York Höller, Professor an der Musik-
    hochschule in Köln, der sein Werk am vergangenen
    Sonntag in einem kleinen Kreis vorgestellt hat. Der Titel
    des Werkes lautet: Aufbruch. Das klingt optimistisch
    und dynamisch. So wollte es der Autor, der aber bei der
    Vorstellung seines Werkes doch zugeben mußte, daß






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    sich in seine Wahrnehmung des Umzugs von Parlament
    und Regierung von Bonn nach Berlin starke melancho-
    lische Töne mischten; denn, so meinte er wörtlich, in
    Bonn sei doch über 50 Jahre gute Politik gemacht wor-
    den.

    Das bringt es, wie ich finde, auf den Punkt: „gute
    Politik“ nicht in dem Sinne, daß alles, was hier gesagt,
    entschieden und getan wurde, immer gut und angemes-
    sen war. Streit gab es genug, auch Fehler und Nieder-
    lagen, auch – ich rede jetzt von mir – persönliche Fehler
    und Niederlagen. Gleichwohl bleibt richtig: Der zweite
    demokratische Versuch auf deutschem Boden, der mit
    dem Namen Bonn verbunden ist, hat sich zur Erfolgs-
    geschichte entwickelt.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Es waren 50 gute Jahre, wahrscheinlich die bisher besten
    Jahre für die Deutschen: für die im Westen, die mehr
    Glück hatten, aber auch für die im Osten, die lange ge-
    trennt von uns und unter weniger glücklichen Verhält-
    nissen gelebt haben, bei denen aber das Wissen stärker
    ausgeprägt war als bei uns Westdeutschen, daß wir ein
    Volk sind und ein Volk sein wollten.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Die Wiedervereinigung des geteilten Landes war
    ganz sicher der politisch glücklichste Tag der Bundes-
    republik. Diese Überzeugung lasse ich mir von nieman-
    dem kaputtreden, weder von westdeutschen Mies-
    machern


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    noch von ostdeutschen DDR-Nostalgikern.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Wiedervereinigung war, so hat es Helmut Schmidt
    formuliert, ein Glücksfall der deutschen Geschichte. Sie,
    Herr Dr. Kohl, können für sich in Anspruch nehmen, die
    Chance für solches Glück gesehen und ergriffen zu ha-
    ben. Das ist Ihre große Leistung, für die wir Ihnen zu
    danken haben, heute und in Zukunft.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Natürlich war die Einheit nicht Ihr Werk allein, das
    Werk eines Mannes. Viele Menschen haben dazu beige-
    tragen. Ich denke vor allem und zuerst an die vielen mu-
    tigen Menschen in Osteuropa, in Polen, in Ungarn, in
    der Tschechoslowakei, und auch an die Menschen in
    Ostdeutschland, die das SED-Regime in einer unbluti-
    gen Revolution abschüttelten – ein Ruhmesblatt in der
    europäischen und deutschen Geschichte.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Daran sollten wir uns erinnern, wenn Verbindendes
    klein- und Trennendes großgeredet wird, also heute.

    Die Deutschen im Osten haben Grund, auf das, was
    sie für uns alle erreicht haben, stolz zu sein. Aber auch
    die Menschen im Westen haben viel erreicht, was viel-
    leicht nur derjenige richtig ermessen kann, der den Krieg
    und die unmittelbare Nachkriegszeit miterlebt hat. Die
    Menschen im Westen haben mit materieller Hilfe der
    Vereinigten Staaten von Amerika – wir sollten das nie
    vergessen – ein Staatswesen geschaffen, das uns Deut-
    schen die Rückkehr in den Kreis der Völker ebnete: de-
    mokratisch stabil, wirtschaftlich stark, nach innen liberal
    und solidarisch, nach außen friedlich, verläßlich und be-
    rechenbar für Freunde und Partner. Dieser Staat, seine
    Verfassung und die grundsätzliche Orientierung der
    Politik haben in der eigenen Bevölkerung und bei den
    Nachbarn der Deutschen, ohne deren Zustimmung und
    ohne deren Mitwirkung die deutsche Einheit nicht mög-
    lich gewesen wäre – ich rede nicht nur von den großen
    Nachbarn der Deutschen –, Vertrauen geschaffen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Mit Konrad Adenauer hat es angefangen. Er veran-
    kerte die junge Bundesrepublik in der westlichen Staa-
    tengemeinschaft. Deutschland sollte Teil Westeuropas
    sein – nicht Osteuropa und auch nicht Mitteleuropa. Die
    potentielle Schaukellage der Deutschen, die in der Ver-
    gangenheit zu oft böse Konsequenzen hatte, sollte und
    mußte ein für allemal geklärt werden. Adenauers West-
    politik war, wie wir uns erinnern, umstritten; aber sie
    war konsequent und hat sich als historisch richtig erwie-
    sen. Sozialdemokraten haben das – etwas verspätet – an-
    erkannt.

    Willy Brandt muß genannt werden, der – auf der Ba-
    sis einer festen Verankerung im westlichen Bündnis –
    eine Politik des Ausgleichs auch mit den osteuropäi-
    schen Nachbarn realisierte und dort nicht nur Vertrauen
    schuf, sondern in der Konsequenz zur Auflösung des
    Ost-West-Gegensatzes und zum Verfall der kommuni-
    stischen Herrschaft beitrug.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Auch die Ostpolitik war umstritten. Aber auch sie hat
    sich in der geschichtlichen Praxis für uns Deutsche und
    für ganz Europa bewährt. Die Union hat das – etwas
    verspätet – anerkannt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Das alles ist hier in Bonn bedacht, debattiert und ent-
    schieden worden – und vieles mehr: soziale Marktwirt-
    schaft, Lastenausgleich, Gründung der Bundeswehr,
    Notstandsgesetze, Asylfragen, Nachrüstung und die
    neue Rolle der Bundesrepublik nach der Wiedervereini-
    gung.

    An Ludwig Erhard muß erinnert werden, der die
    Wirtschaftsordnung der jungen Republik prägte, und an

    Hans-Ulrich Klose






    (A) (C)



    (B) (D)


    Herbert Wehner, den wortgewaltigen – die Betonung
    liegt auf dem zweiten Teil –,


    (Heiterkeit)

    der uns immer wieder ermahnte, die junge Bundesrepu-
    blik wie unseren Augapfel zu hüten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)


    An Helmut Schmidt muß erinnert werden, ohne den
    Europa nicht so weit wäre, wie es ist. Und an Hans-
    Dietrich Genscher, den Unermüdlichen, muß erinnert
    werden, von dem es heißt, daß er sich auf dem Wege
    über den Atlantik gelegentlich selber begegnete.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Es ist nicht möglich, allen, die dabei waren, gerecht
    zu werden. Wir sind vielleicht noch zu nahe dran, um
    die ersten 50 Jahre, die Bonner Jahre, abschließend be-
    urteilen zu können.

    Auch kritische Stimmen hat es immer gegeben: gegen
    die – ich zitiere – „restaurative“ Politik der Adenauer-
    Zeit – von links; gegen die Dialog- und Annäherungs-
    politik meiner Partei, der SPD – von rechts; gegen das
    System – von extrem rechts und extrem links, wie üblich
    gemeinsam; gegen zuviel und zuwenig soziale Politik –
    ein Streitthema, das uns, vor allem Sozialdemokraten
    und Liberale, bis in diese Tage verfolgt und, da bin ich
    sicher, weiter verfolgen wird. In Zeiten knapper Kassen
    und globaler Standortwettbewerbe ist das ganz unver-
    meidlich.

    Das alles und der tägliche normale Streit der Parteien
    untereinander und innerhalb der Parteien darf uns aber
    niemals den Blick verstellen für das, was wesentlich ist:
    festzuhalten an der verfassungsmäßigen Ordnung und an
    der Grundorientierung deutscher Politik. Verläßlichkeit
    und Verantwortung – das sind die Stichworte.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben gelernt, daß wir nach der Wiedervereini-
    gung international stärker gefordert sind als früher. Die-
    sen Forderungen können und wollen wir uns nicht ent-
    ziehen. Aber wir sollten uns auch nicht überheben.
    Klaus Kinkels Wort von einer Politik der Zurückhal-
    tung ist so schlecht nicht. Ich habe ihn gelegentlich zi-
    tiert, wie ich auch den Publizisten Klaus Segbers immer
    wieder zitiere, der 1995 folgendes notiert hat:

    Nicht alle Probleme dieser Welt, die einer Lösung
    bedürfen, harren deutscher Einmischung.


    (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

    Viele, auch mißliche, Zustände lassen sich ohnehin
    nicht oder kaum beeinflussen. Die Gefahr der
    Selbstüberforderung ist groß … Weder können die
    Transformationsprozesse in Osteuropa von hier aus
    über den Berg gebracht werden, noch die neuen

    Fundamentalisten vom Maghreb bis zum Nahen
    Osten überwunden werden … Die eigentliche Auf-
    gabe der Politik, auch deutscher Außenpolitik,
    scheint mir immer weniger in dem Anspruch zu be-
    stehen, die Dinge zu ordnen und zu organisieren,
    sondern darin, sich auf intelligente und sensible
    Weise auf eine Situation einzurichten, die durch
    notorische Instabilität gekennzeichnet bleibt.

    Das ist, wie ich finde, eine sehr kluge und beach-
    tenswerte Einschätzung unserer Lage und Möglichkei-
    ten. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    An der europäischen Ausrichtung unserer Außen-
    politik sollten wir unbedingt festhalten. Sie hat uns bis-
    her ganz überwiegend Vorteile gebracht. Die werden
    nicht immer ganz so deutlich wahrgenommen, weil alle
    EU-Regierungen dazu tendieren, schmerzhafte finan-
    zielle Einschnitte in ihre nationalen Haushalte mit Euro-
    pa zu begründen, was – vorsichtig formuliert – nicht
    immer zutreffend ist. Der Effekt ist aber unübersehbar:
    Die Europabegeisterung der Menschen hat abgenom-
    men, was ich bedaure, denn ich sehe keine Alternative
    zu einer betont europäischen Politik.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    In dieser Einschätzung waren wir uns in diesem Hause
    – von der PDS abgesehen – auch immer einig, und das
    war und ist gut so. In Grundsatzfragen der außenpoliti-
    schen Orientierung muß es nicht ein Mindestmaß, son-
    dern ein Höchstmaß an Konsens geben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Noch eine Bemerkung zur Außenpolitik: Manchmal
    hat man bei Reden zur Außenpolitik hier und anderswo
    den Eindruck, es gehe den Deutschen in erster Linie um
    das Wohl der ganzen Menschheit und nicht auch und in
    erster Linie um die Wahrnehmung deutscher Interessen.
    Ich verstehe das, füge aber hinzu: Es ist normal, Interes-
    sen zu haben und zu verfolgen, auch für Deutschland.
    Sie zu definieren und durchzusetzen, wenn möglich, ist
    nicht unanständig, sondern wird geradezu erwartet.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

    Daß wir aber, um unsere Ziele zu erreichen, mit anderen
    kooperieren müssen, ist selbstverständlich. Wir können
    es nur mit ihnen und unter Beachtung auch ihrer Interes-
    sen schaffen, weil wir zu klein sind, um mit der Robust-
    heit der Vereinigten Staaten zu operieren, und zu groß,
    als daß man uns bei solchen Versuchen einfach gewäh-
    ren ließe. Den kooperativen Stil der deutschen Außen-
    politik sollten wir deshalb beibehalten.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Hans-Ulrich Klose






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Worauf ich mit diesen drei Bemerkungen zur Außen-
    politik hinaus will, ist klar. Ich gehe davon aus, daß der
    Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach
    Berlin eben nicht mit einem Paradigmenwechsel der
    deutschen Politik, vor allem der Außenpolitik, einher-
    geht. Ich plädiere entschieden für Kontinuität.

    Natürlich wird es Akzentverschiebungen geben. Ber-
    lin ist anders als Bonn, liegt im Osten der Republik, ist
    viel größer. Den Problemen der Zeit und der Wirklich-
    keit begegnet man in einer solchen Stadt auf Schritt und
    Tritt, während wir hier in Bonn, im Regierungs- und
    Parlamentsviertel – zugegebenermaßen – in einer etwas
    abstrakten Welt gearbeitet haben: wir hier drinnen und
    die Menschen draußen. Das wird sich in Berlin hoffent-
    lich ändern, und es wird die Politik verändern, aber nicht
    im Grundsatz. Der ersten so erfolgreichen Bonner Etap-
    pe unseres demokratischen Wiederaufbaus wird – davon
    bin ich überzeugt – eine ebenso erfolgreiche in Berlin
    folgen. Das politische Klima in Berlin wird anders sein,
    aber es bleibt die gleiche Republik: nicht die Bonner
    Republik, keine Berliner Republik, sondern die Bundes-
    republik Deutschland, unser aller gemeinsamer Staat.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Bleibt auch der Bonner Stil? Gab es so etwas wie
    einen Bonner Stil? Ich glaube, schon. Bonn ist eine klei-
    ne Stadt und mit Berlin nicht vergleichbar. Das Flair
    einer Weltstadt kann Bonn nicht bieten. Aber diese hei-
    tere, eher bescheidene rheinische Stadt bietet etwas, was
    für uns alle, die wir hier gearbeitet haben, wichtig war:
    Nähe. Hier in Bonn war alles nah beieinander. Man
    konnte sich schnell zusammenfinden, begegnete sich
    laufend, lernte sich schneller – nicht nur politisch, son-
    dern auch persönlich – kennen. Wer an Wochenenden
    hier blieb und auf den Bonner Markt ging, konnte sicher
    sein, mindestens ein halbes Dutzend bekannter Gesichter
    – Politiker, Journalisten und Verbandsvertreter – zu tref-
    fen. Da die gastronomischen Möglichkeiten nicht unbe-
    grenzt waren und sind, traf man sich in Bonn auch au-
    ßerhalb der Politik immer wieder.

    Manch einem war das bisweilen ein bißchen zuviel.
    Alles in allem hat es uns aber geholfen, freundlich und
    kollegial miteinander umzugehen. Das soll niemand ge-
    ringachten.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Man mag den Bonner Stil belächeln oder auch provinzi-
    ell nennen: Er förderte die persönliche, sogar freund-
    schaftliche Nähe quer durch die Parteien. Das hat der
    Politik gutgetan; Bonn hat uns gutgetan.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Eben deshalb ist eine solche Rede, von der ich weiß,

    daß sie meine letzte Parlamentsrede hier an diesem Pult
    ist, eine zwiespältige Sache. Berlin wird spannend – ge-
    wiß. Ich freue mich auf Berlin. Aber – ich gebe es zu –
    es mischt sich viel Melancholie in diese Freude. Das
    Bonner Regierungsviertel, der alte Plenarsaal, unser ge-
    liebtes Wasserwerk, dieser wunderbare neue Plenarsaal,
    der, wie ich finde, viel von dem ausdrückt, was Bonn

    kennzeichnet – das alles wird mir fehlen. Aus dem Ur-
    laub zurückzukommen und nicht mehr mit dem Fahrrad
    zum Langen Eugen zu radeln, nicht mehr in mein Büro
    in den 28. Stock hinaufzufahren – mit einem Fahr-
    stuhl, an dessen Bummelzugqualität man sich gewöhnt
    hatte –:


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Noch kann ich es mir nicht richtig vorstellen. Von ande-
    ren Kolleginnen und Kollegen weiß ich, daß es ihnen
    ebenso geht.

    Da muß man durch. Auch die Bonner müssen da
    durch. Sie schaffen das auch: aus eigener Kraft, unter
    tatkräftiger Führung und mit unserer Hilfe, so wie wir es
    versprochen haben. Daß wir uns an diese Versprechen
    halten, zumindest das schulden wir der Stadt Bonn, die
    uns so gastfreundlich und hilfreich aufgenommen hat, in
    der es sich so angenehm lebt, in der ich gern lebe.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Dank, liebe Bärbel Dieckmann, an Bonn! Glück auf,

    Herr Kollege Diepgen, für Berlin!

    (Beifall im ganzen Hause)