Rede:
ID1405000700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. nunKollegin: 1
    5. Christa: 1
    6. Luft.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 I n h a l t : Festlegung der Zahl und Zusammensetzung der zur Mitwirkung an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union berechtigten Mitglieder des Europäischen Parlaments ................................. 4321 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 4321 B Begrüßung der Oberbürgermeisterin von Bonn, Frau Bärbel Dieckmann, sowie des Altbundes- präsidenten Richard von Weizsäcker, der ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bun- destages Annemarie Renger und Richard Stücklen, der ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Helmuth Becker, Dieter-Julius Cronenberg, Lieselotte Funcke und Dr. Burkhard Hirsch, des früheren polni- schen Außenministers Professor Wladyslaw Bartuszewski, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Professor Dr. Karl Lehmann, des Metropoliten von Deutschland Augoustinos Labardakis, des früheren Frak- tions- und Parteivorsitzenden der SPD Dr. Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen Ober- bürgermeisters von Bonn, Dr. Hans Daniels....... 4325 A, ........................................ 4344 C, 4348 D, 4349 D, 4352 D, Tagesordnungspunkt 14: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsgesetzes (Drucksachen 14/745, 14/1067, 14/1301) .. 4321 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a – h) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66 zu Petitionen (Drucksachen 14/1320, 14/1321, 14/1322, 14/1323, 14/1324, 14/1325, 14/1326, 14/1327) ..................................................... 4322 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Dreiunddreißig- sten Gesetzes zur Änderung des La- stenausgleichsgesetzes (Drucksache 14/866) .................................. 4322 C Tagesordnungspunkt 12: Vereinbarte Debatte „50 Jahre Demokratie – Dank an Bonn“ Wolfgang Thierse SPD.................................... 4322 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU............................ 4325 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4332 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4334 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 4336 B Wolfgang Clement, Ministerpräsident (Nord- rhein-Westfalen) .............................................. 4337 C Michael Glos CDU/CSU ................................. 4340 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4342 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ........................ 4344 D Angela Marquardt PDS ................................... 4346 B Iris Gleicke SPD .............................................. 4347 B Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 4349 A Hans-Ulrich Klose SPD................................... 4349 D Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) ................................................................ 4352 D Nächste Sitzung ............................................... 4354 C Berichtigung .................................................... 4354 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4355 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Ko- schyk (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg) und weiterer Abgeor- dneter, Drucksache 14/1269, zu Abschnitt II der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/ 1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa ......................................................... 4355 C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußab- stimmung über Abschnitt II der Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Gestaltungsentwurf II), Druck- sache 14/1238 .................................................. 4355 D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 4355 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4321 (A) (C) (B) (D) 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 49. Sitzung, Seite 4259 B, vorletzter Absatz: In der vor- letzten Zeile ist das Wort „Inflationsrate“ durch das Wort „Lohnsteigerung“ zu ersetzen. Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4355 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1.7.99 Bleser, Peter CDU/CSU 1.7.99 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 1.7.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 1.7.99 Gebhardt, Fred PDS 1.7.99 Gilges, Konrad SPD 1.7.99 Hartenbach, Alfred SPD 1.7.99 Hovermann, Eike SPD 1.7.99 Hübner, Carsten PDS 1.7.99 Ibrügger, Lothar SPD 1.7.99 Irmer, Ulrich F.D.P. 1.7.99 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 1.7.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 1.7.99 Lensing, Werner CDU/CSU 1.7.99 Ostrowski, Christine PDS 1.7.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 1.7.99 Roos, Gudrun SPD 1.7.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 1.7.99 Scheffler, Siegfried SPD 1.7.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 1.7.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 1.7.99 Schöler, Walter SPD 1.7.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 1.7.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 1.7.99 Schurer, Ewald SPD 1.7.99 Sothmann, Bärbel CDU/CSU 1.7.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 1.7.99 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), und weite- rer Abgeordneter, Drucksache 14/1269, zu Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa (48. Sitzung, Seite 4129 D ff) Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum Än- derungsantrag auf Drucksache 14/1269 während der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1999 teilgenommen und mit Ja gestimmt, womit ich den Antrag auf Drucksache 14/1269, der sich für den soge- nannten Richard-Schröder-Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin ausgesprochen hat, unter- stützt habe. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußabstimmung über Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Gestaltungs- entwurf II), Drucksache 14/1238 (48. Sitzung, Seite 4135 A) Im Protokoll des Deutschen Bundestages für o. a. Sit- zung ist für die letzte namentliche Abstimmung (Schlußabstimmung) mein Abstimmungsverhalten mit ungültig vermerkt. Hiermit erkläre ich, daß ich in der letzten namentli- chen Abstimmung (Schlußabstimmung über den Ge- staltungsentwurf II) mit Nein gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz(BStatG) für die Jahre 1997 und 1998 – Drucksachen 14/732, 14/829 Nr. 3 – 4356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im erstenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8299, 14/272 Nr. 73 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweitenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8408, 14/272 Nr. 74 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im drittenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9264, 14/272 Nr. 75 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im viertenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9984, 14/272 Nr. 76 – Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/488 Nr. 2.47 Innenausschuß Drucksache 14/671 Nr. 2.1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.5Drucksache 14/488 Nr. 2.6Drucksache 14/488 Nr. 2.7Drucksache 14/488 Nr. 2.10Drucksache 14/488 Nr. 2.11Drucksache 14/488 Nr. 2.12Drucksache 14/488 Nr. 2.18Drucksache 14/488 Nr. 2.21 Drucksache 14/488 Nr. 2.23Drucksache 14/671 Nr. 2.6.Drucksache 14/671 Nr. 2.11Drucksache 14/671 Nr. 2.16Drucksache 14/671 Nr. 2.33Drucksache 14/839 Nr. 1.2Drucksache 14/839 Nr. 2.1Drucksache 14/839 Nr. 2.4Drucksache 14/839 Nr. 2.5Drucksache 14/839 Nr. 2.6Drucksache 14/839 Nr. 2.7Drucksache 14/839 Nr. 2.8Drucksache 14/839 Nr. 2.9Drucksache 14/1016 Nr. 2.3Drucksache 14/1016 Nr. 2.4Drucksache 14/1016 Nr. 2.6Drucksache 14/1016 Nr. 2.8Drucksache 14/1016 Nr. 2.13Drucksache 14/1016 Nr. 2.15Drucksache 14/1016 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.21Drucksache 14/1016 Nr. 2.22 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/272 Nr. 112Drucksache 14/309 Nr. 2.9Drucksache 14/309 Nr. 2.19Drucksache 14/309 Nr. 2.24Drucksache 14/342 Nr. 1.9Drucksache 14/342 Nr. 2.25Drucksache 14/342 Nr. 2.41Drucksache 14/488 Nr. 2.13 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 145Drucksache 14/272 Nr. 148Drucksache 14/309 Nr. 1.4Drucksache 14/488 Nr. 1.3Drucksache 14/488 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.45Drucksache 14/671 Nr. 2.7Drucksache 14/671 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/74 Nr. 1.20Drucksache 14/74 Nr. 2.97Drucksache 14/342 Nr. 2.42Drucksache 14/671 Nr. 1.4Drucksache 14/671 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.20 Ausschuß für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung Drucksache 14/839 Nr. 2.10Drucksache 14/839 Nr. 2.13Drucksache 14/839 Nr. 2.16Drucksache 14/1016 Nr. 2.14 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-
    legen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen in den letzten Tagen
    ergangen ist. Ich jedenfalls habe mich mehrmals dabei
    ertappt, daß ich länger und nachdrücklicher aus meinem
    Büro auf den vorbeifließenden Rhein gesehen habe,
    Eindrücke von vorbeifahrenden Schiffen, abends mit
    Positionslichtern, verfestigen wollte und mich gefragt
    habe, ob man in Berlin aus der ganz natürlichen Ar-
    beitshaltung heraus wieder ein solches atmosphärisches
    Bild gewinnen kann. Ich bin auch ganz anders um den
    Bundestag herumgegangen und habe ganz anders Be-
    gegnungen mit Besuchergruppen vor dem Plenarsaal ge-
    sucht. Ich bin sehr bewußt an einige Orte in Bonn ge-
    gangen, die gewohnterweise Orte der Begegnungen un-
    ter uns gewesen sind – manchmal zuviel unter uns und
    weniger mit anderen –, ich war in der Innenstadt, ob-
    wohl ich dort schon mehrmals war,


    (Heiterkeit)

    und habe versucht, noch einmal Dinge aufzunehmen und
    mir darüber klarzuwerden, was die Stadt für mich ganz
    persönlich eigentlich war.

    Von ihrer Größenordnung her kann man übertragen,
    was sie für uns war: Sie war ein Stück schattenspenden-
    de Institution in der Nachkriegsgeschichte, und sie war
    die Verkörperung eines Maßes. Mit „Maß“ meine ich
    nicht nur ein persönliches Maß, sondern auch ein zu-
    tiefst menschliches und ein politisches Maß. Ich habe
    mich in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß
    Theodor Heuss im Parlamentarischen Rat gesagt hat,
    daß dieses für die deutsche Politik nun sehr wichtig sei.
    Er hat das in einigen Punkten zum Ausdruck gebracht:
    Keine Überdehnung der Freiheit im Namen der Freiheit,
    Beendigung der Politik der nationalen Selbstvergewisse-
    rung, dem deutschen Volk den billigen Nationalismus
    abgewöhnen.

    Außerdem hat er einige Sätze geprägt, die für mich
    ganz entscheidend sind und die beim Umzug nicht ver-
    lorengehen dürfen. Beim Umzug geht manchmal etwas
    verloren, wie Sie aus Ihrem privatem Leben wissen. Bei
    diesem Umzug darf die Substanz nicht verlorengehen.
    Theodor Heuss hat formuliert: Bonn steht für das Ver-
    trautwerden der politischen Eliten über die alten Res-
    sentiments hinweg mit den wirklichen parlamentari-
    schen Systemen des Westens.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn ich von „politischer Elite“ und von „Ressen-
    timents“ spreche, klingt das heute, im nachhinein be-
    trachtet, so geschichtlich. Aber er hat das im Parla-

    Dr. Antje Vollmer






    (A) (C)



    (B) (D)


    mentarischen Rat, der hier getagt hat, so formuliert,
    weil er das Scheitern der Weimarer Republik erlebt
    hatte und die Ursachen und Gründe genau kannte. Ich
    wiederhole es: das Vertrautwerden der politischen
    Eliten mit den wirklichen parlamentarischen Systemen
    des Westens.

    Nach 1945 war eine erhebliche Integrationsleistung
    zu vollbringen, es war viel Kraft erforderlich, um sich
    über die eigenen Biographien der vergangenen zwölf
    Jahre klarzuwerden. Erlauben Sie mir deshalb noch die
    Bemerkung – ich bin dankbar, daß Bundestagspräsident
    Thierse heute morgen bereits darauf hingewiesen hat –:
    Uns in der alten Bundesrepublik Deutschland hat dabei
    die positive wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem
    Namen Ludwig Erhards konzeptionell verbunden ist,
    erheblich geholfen. Die Festigung der Demokratie ist
    ohne Festigung der Lebensperspektiven für Menschen
    schwierig. Das, was wir heute als Wirtschaftswunder
    bezeichnen, hat einen außerordentlich hohen Anteil auch
    an der Festigung der Demokratie gehabt. Deshalb muß
    es eindeutig in unserem Interesse liegen, dieses Festi-
    gungswerk mit wirtschaftlichem Erfolg und Lebenszu-
    versicht für die Menschen auch in den neuen Ländern zu
    erhalten. Das ist keine Frage des Transfers. Das ist eine
    Haltung, die wir einbringen müssen.


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/ CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Deshalb gibt es so einen Ersatz für die alte Deutsch-
    landpolitik, mit der wir uns immer auch kontrovers in
    der alten Bundesrepublik Deutschland auseinanderge-
    setzt haben. Ich glaube, daß wir dazu kommen sollten,
    über Parteigrenzen hinweg dieses Thema der Festigung
    und des ökonomischen Erfolges in den neuen Ländern
    wirklich zu einer Frage der inneren Haltung zu machen.
    Für mich ist das der moderne Kern der alten Deutsch-
    landpolitik meiner Partei. Früher war sie durch eine
    Grenze gehindert. Heute müssen wir anderes überwin-
    den.

    Bonn ist eigentlich ein bescheidener Name, wenn
    man auf die Geburtsstunden freiheitlicher Ordnungen
    blickt. Es gibt gewaltige Geburtsstunden freiheitlicher
    Ordnungen, in denen sich diese berühmten Charms of
    Liberty großartig entfalten. Nehmen Sie die amerikani-
    sche Unabhängigkeitserklärung. Nehmen Sie die Ent-
    wicklungen, von denen Sie in Geschichtsbüchern lesen
    können, am Vorabend der Französischen Revolution. Ja,
    die Paulskirchenverfassungsdebatte hat für uns durch-
    aus ein Stück vergleichbarer Atmosphäre.

    Ich weiß nicht, ob man die parlamentarischen Bera-
    tungen bis zum Grundgesetz so einordnen kann. Aber in
    ihrer Nachhaltigkeit, in ihrer Wirkung und in ihrer Fe-
    stigung in einem Land, das in diesem Jahrhundert in sei-
    ner Geschichte nach allem anderen gesucht hat und mit
    vielen politischen Kräften gesegnet war, die wirklich
    nicht das gesucht haben, was das Grundgesetz be-
    schreibt, ist das eine gewaltige Leistung.

    Gerade dafür steht Bonn, eben auch in der Ausprä-
    gung der Individualrechte. Dieses Land hat sich in den
    50 Jahren Geschichte schwergetan. Es hat bis heute im-
    mer noch nicht die Balance gefunden zwischen wirkli-

    cher Privatheit, zwischen wirklichen Individualrechten
    und Staat. Die Teilung zwischen Staat und Privat muß
    immer neu bestimmt werden. Sie stimmt auch so noch
    nicht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es gibt eine überwiegende deutsche politische Kul-
    tur, die auf Staat setzt, die mit staatlichen Lösungen
    kommt und in staatlichen Kategorien denkt. Dieses
    Land muß immer noch sein inneres Gleichgewicht fin-
    den zwischen Freiheit und Verantwortung, zwischen
    Staat und Privat.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Mit dem Namen Bonn verbunden sind auch Ge-
    schichten – ohne jetzt Namen zu nennen –, die dann zu
    großen Skandalen aufliefen. Da hat sich gezeigt, daß der
    Name Bonn, jedenfalls dieser Abschnitt der Geschichte,
    auch dafür steht, daß sich in Deutschland eine kritische
    Öffentlichkeit herausgebildet hat, und zwar nicht nur in
    bezug auf das, was wir hier kontrovers debattieren;
    vielmehr hat sich auch außerhalb dieses Raumes die Fä-
    higkeit herausgebildet zu einer kritischen Beobachtung
    von Politik, zu einer kritischen Begleitung, im entschei-
    denden Bereich sogar zu einer Medienlandschaft in
    Deutschland, die fähig ist, ein Wächteramt mit anderen
    zu übernehmen.

    Das gehört zu Geschichten in diesem Jahrhundert, die
    mit dem Namen Bonn verbunden sind und die in einer
    Demokratie eben auch wichtig sind.

    Bei dem bevorstehenden Umzug müssen wir darauf
    achten, daß diese Grundachse nicht verschoben wird, die
    dieses Land so erfolgreich gemacht hat. Das ist der Kern
    des Auftrags.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Deshalb hat der ehemalige Bundeskanzler Kohl völ-
    lig recht. Ich stimme ihm voll zu. Es darf und kann für
    uns keine Bonner Republik geben, und es kann auch
    keine Berliner Republik geben. Es gibt eine Republik,
    die der gelungene zweite Versuch der Deutschen in
    diesem Jahrhundert ist, Demokratie dauerhaft zu ver-
    ankern. Das muß in Berlin fortgesetzt werden. Ich
    glaube sogar, daß die Stadt Berlin, die wir in ihrer
    dynamischen Entwicklung so sehen und zu der wir uns
    mit Spannung hinbegeben, diese Chance selbst sehen
    muß.

    Vorhin ist den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt
    Bonn zu Recht gedankt worden. Es ist auf ihr Naturell
    hingewiesen worden, das für mich – ich komme aus
    Oberhessen – zu einer großen Bereicherung des Lebens
    geworden ist.

    Ich sage aber auch für Berlin: Hauptstadt ist man
    nicht nur durch Beschluß des Bundestages oder weil das
    verfassungsmäßig so sein sollte. Hauptstadt muß man
    sein wollen, und Hauptstadt muß man auch gemeinsam
    dort leben.

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Ich freue mich auf Berlin. Wir haben die innere
    Spannung dieser Stadt schon bei den vielen Besuchen in
    den letzten Jahren erfahren. Wir trauen ihr eine ganz dy-
    namische Entwicklung zu. Wir wissen auch, daß unsere
    europäischen Nachbarn Berlin viel zutrauen. Sie schät-
    zen Berlin als eine der großen europäischen Metropolen
    – wenn nicht sogar als die große Metropole – der Zu-
    kunft ein. Sie erwarten von uns allerdings auch, daß
    Berlin mit dem Umzug ein Stück Akzentsetzung und ein
    Stück prägende Kraft gewinnt. Ich glaube, daß in Berlin
    die Chancen größer als jedes Risiko sind. Wir sollten
    unsere Nachbarn und die Erwartungen an uns nicht ent-
    täuschen. Daß wir diese Chance haben, daß wir in Berlin
    diese demokratische Substanz leben und praktizieren
    können und daß wir dort – in dieser Stadt, in der man-
    ches auch schon gescheitert ist – dieses Stück demokra-
    tische Stabilität haben, daran hat Bonn, diese Stadt am
    Rhein, ganz entscheidende Anteile. Aus diesem Grund
    gilt unser Dank dieser Stadt.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, wir müssen sehen, daß
    Parlament, Verfassung, unabhängige Institutionen, die
    Debatten, die wir führen, das Bundesverfassungsgericht,
    die Bundesbank oder jetzt auch schon die Europäische
    Zentralbank und der föderative Staatsaufbau – also all
    das, was wir als „balance of power“ brauchen, damit
    Macht geteilt wird und sich keine Allmacht entwickelt –,
    nicht alles sein kann. Das ist ein Gerüst. Zusätzlich
    brauchen wir aber Bürgerinnen und Bürger, die die
    Mitte, das Maß, Toleranz und Weitsicht sowie die Fä-
    higkeit, andere anders sein zu lassen, als sie selbst sind,
    haben. Institutionen und Verfassungen leben nicht, wenn
    die mentale Verfassung der Gesellschaft nicht fähig ist,
    sie zu leben. Deshalb ist eine geschriebene Verfassung
    nicht ausreichend.

    Bonn ist mit der geschriebenen Verfassung verbun-
    den. Für ihre Dauerhaftigkeit brauchen wir aber die ste-
    tige Verankerung einer demokratischen mentalen Ver-
    fassung der Gesellschaft und der Politik der Bundesre-
    publik Deutschland. Das ist eine Aufgabe, die weiterge-
    führt werden muß, die nie enden wird, die große Sub-
    stanz hat und die vielleicht auch Berlin die Chance gibt,
    nach vielen Rückschlägen in diesem Jahrhundert jetzt
    endlich eine deutsche Hauptstadt zu sein, von der für
    unsere Nachbarn Verläßlichkeit, für unsere Bürger
    Sicherheit, für unser Land demokratische Stabilität und
    für alle Welt Weltoffenheit und freundschaftliche Be-
    ziehungen ausgehen. Darauf darf sich Berlin mit uns
    freuen. Wir wollen das Beste dafür tun, daß das gelingt.

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun
Kollegin Christa Luft.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christa Luft


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Aus Ostdeutschland kommend

    gehöre ich einer Generation an, die den größeren Teil
    des Lebens in einem anderen politischen System ver-
    bracht und dort natürlich auch Prägungen erfahren hat.
    Aber auch diese Generation hat jetzt nur noch dieses
    eine Land. Daher möchte ich an einem Tage wie dem
    heutigen wünschen, daß fortan weniger der Streit um
    unsere getrennte Vergangenheit als vielmehr das Nach-
    denken über eine gemeinsame Zukunft im Mittelpunkt
    steht.


    (Beifall bei der PDS)

    Unterschiedliche Erfahrungen von Menschen in Ost und
    West begreife ich als Reichtum, ja als eine Chance. In
    diesem Land haben wir etwas in Europa Einmaliges, mit
    dem wir Signale für das Zusammenwirken von Ost und
    West aussenden können.

    Als Wissenschaftlerin bin ich im Herbst 1989 für
    mich selbst überraschend – mir hat das niemand an der
    Wiege gesungen – auf die politische Bühne gekommen
    und habe in der Modrow-Regierung Verantwortung ge-
    tragen. Aus dieser Zeit resultiert meine unmittelbare Be-
    kanntschaft mit der Bonner Republik und mit vielen
    ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten. Wenn ich
    mich richtig erinnere, waren die Gespräche damals un-
    verkrampft; sie waren offen und von gegenseitiger
    Achtung geprägt. Ich glaube, es ist eines Nachdenkens
    darüber wert, weshalb das in den vergangenen Jahren
    leider nicht mehr so war.


    (Beifall bei der PDS)

    Wie viele meiner langjährigen Wissenschaftlerkolle-

    ginnen und -kollegen und – so glaube ich – wie die
    Mehrheit meiner ostdeutschen Landsleute schätze ich
    die Vorzüge von Demokratie und von Rechtsstaatlich-
    keit. Daher hatte und habe ich keine Schwierigkeiten,
    mich zum Grundgesetz zu bekennen


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    und ausdrücklich zu seinem Friedensgebot sowie zu sei-
    ner von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes vor-
    gesehenen offenen Wirtschaftsverfassung.

    Übrigens sind besonders im Hinblick auf die Demo-
    kratisierung der Gesellschaft nicht erst mit der deutschen
    Einheit, sondern schon zu Wendezeiten einige wichtige
    substantielle Veränderungen auf den Weg gebracht wor-
    den. Ich nenne als Stichworte nur die Streichung der
    führenden Rolle der Einheitspartei aus der Verfassung,
    die Abschaffung der Zensur, die Vorbereitung demokra-
    tischer Wahlen unter Beteiligung der Opposition und die
    Arbeit des Runden Tisches. Ich glaube, es ist ein Gebot
    historischer Wahrheit, dieses Endjahr der DDR differen-
    zierter zu betrachten, als das bis heute häufig geschieht;


    (Beifall bei der PDS)

    denn es waren Kräfte aus allen politischen Parteien und
    Organisationen daran beteiligt. Das sollte nicht verges-
    sen werden.

    Das Bekenntnis zum Grundgesetz schließt jedoch
    nicht aus, sondern schließt ein, einige Entwicklungen in
    diesem Lande nicht ohne Sorge zu verfolgen. Zum einen
    – das nehmen vermutlich die ostdeutschen Mitbürgerin-

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    nen und Mitbürger besonders sensibel wahr – gibt es
    eine nicht zu übersehende Kluft zwischen dem Verfas-
    sungsanspruch und der Alltagsrealität in der Bundes-
    republik Deutschland. Diese Kluft zu schließen ist Auf-
    gabe aller politischen Kräfte, damit Demokratie und
    Rechtsstaatlichkeit nicht beschädigt werden.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Zum anderen haben Forderungen besonders aus der
    politischen Wendezeit nach Aufnahme plebiszitärer
    Elemente in das Grundgesetz bislang kein Gehör gefun-
    den. Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches ist in
    dieser und manch anderer Beziehung bisher leider Ma-
    kulatur geblieben. Es macht keinen Sinn, die Forderung
    nach Aufnahme plebiszitärer Elemente in das Grundge-
    setz als eine extremistische Forderung zu bezeichnen.
    Ich meine, daß uns der heute scheidende Bundespräsi-
    dent und die Präsidentin des Bundesverfassungsgerich-
    tes mit ihren häufigen Aussagen zur Wichtigkeit plebis-
    zitärer Elemente im Grundgesetz einen wichtigen Hin-
    weis darauf gegeben haben, was dieses Parlament noch
    zu leisten hat.


    (Beifall bei der PDS)

    Für mich leitet sich daraus ab: Auch die Demokratie ist
    nicht ein für allemal ein fertiges System; sie muß sich
    Lernfähigkeit bewahren.

    Es bedeutet keine Geringschätzung von Freiheit und
    Demokratie, wenn laut Umfragen die Neubundesbürger
    unter allen gesellschaftlichen Werten Gleichheit und
    soziale Gerechtigkeit am meisten schätzen. Gleichheit
    heißt für sie nicht Gleichmacherei. Worum es geht, ist
    Chancengleichheit, ist Abbau von Ungleichbehandlung,
    Leistung soll anerkannt werden. Da bleibt noch viel zu
    tun. Auch das darf in einer Stunde wie der heutigen
    nicht vergessen werden.

    Das Jubiläum, das wir begehen, darf bei aller Feier-
    lichkeit nicht über die Gefährdungen der Demokra-
    tie hinweggehen: Anhaltende Massenarbeitslosigkeit
    und Perspektivlosigkeit ganzer Gruppen junger Leute
    schränken für viele die Möglichkeiten kraß ein, demo-
    kratische Freiheitsrechte überhaupt wahrzunehmen.
    Gefahrenpotentiale für die Demokratie liegen auch in
    der Konzentration wirtschaftlicher Macht, in der Mono-
    polisierung der Medien und im Lobbyismus.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Es gibt Probleme genug, die in Berlin verstärkt ange-
    gangen gehören.

    Die Bonner Republik ist hier schon ausgiebig gewür-
    digt worden. Ich möchte zum Abschluß den Bonnerinnen
    und Bonnern im Namen meiner ganzen Fraktion Respekt
    entgegenbringen, insbesondere jenen, die uns hier bei der
    parlamentarischen Arbeit beigestanden haben.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Uns sind die ehemaligen Bundeshauptstädter als aufge-
    schlossene, als weltoffene, als optimistische und als tole-

    rante Menschen begegnet – Eigenschaften, die für die
    Pflege der Demokratie unverzichtbar sind. Ich bin über-
    zeugt, daß auch die Berlinerinnen und Berliner solche
    Eigenschaften schätzen.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)