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ID1404100500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Ergebnisse des Europäischen Rates am 3. und 4. Juni 1999 in Köln und zum Stand der Friedensbemühungen im Ko- sovo-Konflikt ............................................ 3483 A b) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an einer interna- tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Um- feldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung einer Friedensregelung für das Kosovo (Drucksache 14/1111) ................................ 3483 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 3483 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 3488 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg ...... 3492 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 3495 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 3497 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 3501 C Michael Glos CDU/CSU.................................. 3504 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN................................................... 3505 A Gernot Erler SPD............................................. 3507 D Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 3509 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3511 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU...................... 3512 B Günter Verheugen, Staatsminister AA............. 3514 B Dr. Norbert Wieczorek SPD ............................ 3516 C Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Ankündigun- gen einer Mehrwertsteuererhöhung und einer fortlaufenden Erhöhung der Mi- neralölsteuer durch den Bundesfinanz- minister ..................................................... 3519 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 3519 D Jörg-Otto Spiller SPD...................................... 3520 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 3522 A Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 3522 D Heidemarie Ehlert PDS.................................... 3524 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF.............. 3525 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 3526 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3527 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 3528 D Wolfgang Grotthaus SPD ................................ 3529 D Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 3531 A Lydia Westrich SPD ........................................ 3532 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 3533 B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD.............. 3534 C Nächste Sitzung ............................................... 3535 C Berichtigungen................................................. 3535 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 3537 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3483 (A) (C) (B) (D) 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 Beginn: 9.30 Uhr
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    Berichtigungen 40. Sitzung am Freitag, 7. Mai 1999, Seite 3414 D, na- mentliche Abstimmung zum Entschließungsantrag auf Drucksache 14/997: Abgeordneter Dr. Reinhard Loske (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) hat sich bei der namentli- chen Abstimmung nicht, wie angegeben, der Stim- me enthalten, sondern mit Nein gestimmt. Dement- sprechend ändert sich das endgültige Ergebnis der Abstimmung. Die Zahl der Nein-Stimmen beträgt tatsächlich 567 und der Enthaltungen 8. Im selben Plenarprotokoll ist auf Seite III sowie auf Seite 3473 A jeweils bei Anlage 6 statt Günter Veit ,,Rüdiger Veit“ zu lesen. Bei den unter Anlage 6 aufgeführten Namen gehört die Abgeordnete Claudia Roth (Hamburg) nicht der SPD- Fraktion an, sondern der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auf Seite 3478 D ist bei dem Rednerkopf Petra Ernstberger statt PDS ,,SPD“ zu lesen. Reinhard Schultz (Everswinkel) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3537 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Blank, Renate CDU/CSU 8.6.99 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 8.6.99 Braun (Augsburg), Hildebrecht F.D.P. 8.6.99 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 8.6.99 Bruckmann, Hans-Günter SPD 8.6.99 Bulmahn, Edelgard SPD 8.6.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 8.6.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 8.6.99 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Frick, Gisela F.D.P. 8.6.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Bayreuth), Horst F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 8.6.99 Funke, Rainer F.D.P. 8.6.99 Gebhardt, Fred PDS 8.6.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 8.6.99 Gradistanac, Renate SPD 8.6.99 Günther (Plauen), Joachim F.D.P. 8.6.99 Hartenbach, Alfred SPD 8.6.99 Heinrich, Ulrich F.D.P. 8.6.99 Dr. Höll, Barbara PDS 8.6.99 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 8.6.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 8.6.99 Hübner, Carsten PDS 8.6.99 Jäger, Renate SPD 8.6.99 Janz, Ilse SPD 8.6.99 Jüttermann, Gerhard PDS 8.6.99 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 8.6.99 Kampeter, Steffen CDU/CSU 8.6.99 Kasparick, Ulrich SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Köster-Lößack, Angelika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Kolbow, Walter SPD 8.6.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Kumpf, Ute SPD 8.6.99 Leidinger, Robert SPD 8.6.99 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 8.6.99 Lensing, Werner CDU/CSU 8.6.99 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine F.D.P. 8.6.99 Mante, Winfried SPD 8.6.99 Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Martin CDU/CSU 8.6.99 Meckel, Markus SPD 8.6.99 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 8.6.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 8.6.99 Moosbauer, Christoph SPD 8.6.99 Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 8.6.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 8.6.99 Nahles, Andrea SPD 8.6.99 Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 8.6.99 Oswald, Eduard CDU/CSU 8.6.99 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 8.6.99 Philipp, Beatrix CDU/CSU 8.6.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 8.6.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 8.6.99 Rönsch (Wiesbaden), Hannelore CDU/CSU 8.6.99 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 8.6.99 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 8.6.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 8.6.99 Schaich-Walch, Gudrun SPD 8.6.99 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 8.6.99 Schmidt-Zadel, Regina SPD 8.6.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 8.6.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 8.6.99 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 3538 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 8.6.99 Seehofer, Horst CDU/CSU 8.6.99 Späte, Margarete CDU/CSU 8.6.99 Spanier, Wolfgang SPD 8.6.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 8.6.99 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 8.6.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 Tappe, Joachim SPD 8.6.99 Tauss, Jörg SPD 8.6.99 Teuchner, Jella SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Uldall, Gunnar CDU/CSU 8.6.99 Voß, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Weißgerber, Gunter SPD 8.6.99 Wiesehügel, Klaus SPD 8.6.99 Willner, Gert CDU/CSU 8.6.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 8.6.99 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 8.6.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 8.6.99 Wolff (Zielitz), Waltraud SPD 8.6.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 8.6.99 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Für die SPD-
    Fraktion erteile ich das Wort Bundesminister Rudolf
    Scharping.

    Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidi-
    gung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
    Herren! Bevor ich zu den Fragen komme, die mit der
    Entwicklung im Kosovo zu tun haben, einige kurze Be-
    merkungen, die Sie sich, Herr Kollege Schäuble, einmal
    vor Augen führen sollten: Die Bundesregierung hat im
    letzten November nach eingehender Beratung entschie-
    den, daß in Deutschland insbesondere denjenigen jungen
    Menschen geholfen werden soll, die schlechtere Chan-
    cen hatten und keine ordentliche Ausbildung erreichen
    konnten, und hat deswegen beschlossen, daß 100 000
    Plätze für berufsqualifizierende Maßnahmen zu fi-
    nanzieren seien.

    Wir hatten zunächst eine gewisse Sorge, daß die vor-
    gesehene Zahl von 100 000 Plätzen zu hoch sein könnte.
    Denn der öffentliche Eindruck war ja, daß die meisten
    Jugendlichen eigentlich gar keinen Ausbildungsplatz
    haben wollten und kein Interesse an ihrer Zukunft hät-
    ten. Das hat sich im öffentlichen Eindruck ebenso verfe-
    stigt, wie es sich in der Realität als falsch herausgestellt
    hat: Ende April dieses Jahres befanden sich 117 000 Ju-
    gendliche in solchen berufsqualifizierenden Maßnah-
    men. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Zu einer fairen
    Bilanz, die nicht allein durch den kommenden Wahl-
    sonntag motiviert ist, gehört, daß wir in Deutschland
    stolz auf unsere Jugend und auf die Tatsache sein kön-
    nen, daß jetzt 117 000 Jugendliche weniger arbeitslos
    sind.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schwacher Strohhalm!)


    Falls Sie sich die Entwicklung der europäischen
    Währung betrachten, rate ich Ihnen sehr dazu, die
    außerordentlich niedrige Inflationsrate, die wir Gott sei
    Dank immer noch haben, in die Bewertung mit einzube-
    ziehen und sich im übrigen an der Gelassenheit der ex-
    portorientierten Wirtschaft angesichts der Entwicklung
    des Euro-Kurses im Verhältnis zu dem des Dollar zu
    orientieren.

    Ihre Äußerungen zur Arbeitslosigkeit sind, so glaube
    ich, in wenigen Minuten dementiert. Denn die Arbeits-
    losenstatistik vom Mai dieses Jahres, die man sich in
    Ruhe anschauen muß, wird heute bekanntgegeben.

    Ich will damit folgendes sagen – ohne auf weiteres
    einzugehen –:


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist auch besser!)


    Wenn Sie als Mitglied einer Partei, die 16 Jahre lang
    hier regiert hat, sagen, daß man die Menschen vor der
    Wahl ein bißchen hinter die Fichte führen wolle, dann
    ist das doch nichts anderes als die Spekulation darüber,
    daß sich die Menschen an die von Ihnen 16 Jahre lang

    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    geprägten Verhaltensweisen erinnern und sie auf die jet-
    zige Koalition übertragen.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich wollte Ihnen das nur kurz – denn ich habe anderes zu
    tun, und Sie bekommen auch von anderen Antworten
    auf Ihr Vorgehen – in einem gewissen Rückfall in alte
    parlamentarische Sitten mit auf den Weg geben.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Herr Scharping, ich habe gedacht, Sie hätten heute andere Sorgen! – Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD], zur CDU/CSU gewandt: Schuldenmacher! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


    – Hören Sie auf, von Wahlkampflügen zu sprechen. Sie
    haben gesagt, daß Sie die Mehrwertsteuer und die Mine-
    ralölsteuer nicht erhöhen werden. Sie haben sie erhöht.
    Sie haben den Menschen stabiles Geld versprochen. Sie
    haben uns einen Schuldenberg hinterlassen, wie das
    noch nie zuvor eine Regierung getan hat. Sie haben ge-
    sagt, Sie würden den Menschen mit einem Bündnis für
    Arbeit helfen. Sie haben es zerstört.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dazu könnte ich Ihnen noch viel sagen. Aber das wird ja
    im Laufe der weiteren Debatte noch von anderen aufge-
    griffen werden.


    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Heuchler und Scheinheilige!)


    Ich möchte Ihnen nun etwas zur aktuellen Entwick-
    lung im Kosovo sagen: Man kann seit dem 2. oder 3.
    Juni eine gewisse Hoffnung darauf haben, daß die dorti-
    gen Auseinandersetzungen bald beendet sind. Ich füge
    hinzu: Es wird dann ein Krieg zu Ende gehen, den die
    Bundesrepublik Jugoslawien und ihre verbrecherische
    Führung gegen die Kosovo-Albaner geführt haben. Es
    wird ein Krieg zu Ende gehen, der sich gegen menschli-
    che Identität, menschliche Würde und menschliche
    Rechte gerichtet hatte. Es wird ein Krieg zu Ende gehen,
    den die jugoslawische Führung mit ihrem Militär gegen
    europäische Werte und gegen europäische Zivilisation
    geführt hat.

    Es besteht kein Grund zur Freude – auch nicht mit
    Blick auf den hoffentlich bald erreichten Abschluß die-
    ser Auseinandersetzung. Es besteht aller Grund zu einer
    weiterhin realistischen Betrachtung. Denn dies ist der
    vierte Krieg auf dem Balkan. Diese Kriege haben
    schrecklich vielen Menschen das Leben gekostet. Es gab
    im Zusammenhang mit diesen Kriegen über 73 Resolu-
    tionen des Weltsicherheitsrates. Lediglich eine ist be-
    achtet worden. Es gab allein in Bosnien-Herzegowina 18
    Waffenstillstände. Mancher dauerte weniger als fünf
    Minuten, mancher weit weniger als einen ganzen Tag,
    aber keiner länger als einen Tag.

    Das heißt, daß man angesichts dieser Situation und
    der Erfahrungen in jeder Hinsicht Festigkeit braucht:
    hinsichtlich der politischen Bemühungen ebenso wie
    hinsichtlich der militärischen Maßnahmen und auch hin-
    sichtlich der humanitären Hilfe.

    Die Bundesregierung hat heute beantragt, ein Mandat
    gewissermaßen als Ergänzung und Ersatz für bestehende
    Mandate zur Verfügung zu stellen, um dieser dreifachen
    Strategie nicht nur zum Erfolg zu verhelfen, sondern
    auch bei der Garantie dieses Erfolges, wenn er denn er-
    reicht wird, mitzuwirken.

    Ich will Sie darüber informieren, daß unabhängig von
    den Beratungen der Außenminister der G 8 auch die
    Militärs gestern nacht und auch heute wieder, wenn da-
    für Zeit und Möglichkeit besteht, zusammensitzen, um
    jenes militärtechnische Abkommen infolge des Peters-
    berg-Dokumentes zum Abschluß zu bringen, und zwar
    so, daß es praktische und sehr überprüfbare militärische
    Regelungen gibt.

    Dahinter steckt das vom Bundeskanzler angesproche-
    ne Prinzip, das Inhalt des Ahtisaari-Tschernomyrdin-
    Vorschlages ist, den Milosevic und das serbische Parla-
    ment gebilligt hatten, daß nämlich alle serbischen Si-
    cherheitskräfte und Streitkräfte vollständig in einem
    überprüfbaren, kurzen Zeitraum abgezogen werden, und
    zwar so, daß die Flüchtlinge und Vertriebenen mit dem
    nötigen Vertrauen auf Sicherheit in ihre Heimat zurück-
    kehren können. Das war unser Ziel, das bleibt unser
    Ziel, und es wird auch in Zukunft die wirklich große
    Aufgabe werden.

    Die Geschlossenheit und auch die Entschlossenheit
    des westlichen Bündnisses war eine Voraussetzung da-
    für, daß es eine erfolgreiche Friedensregelung geben
    kann, wobei ich hinzufüge: Wenn wir den Beschluß des
    Weltsicherheitsrates, wenn wir das militärtechnische
    Agreement, wenn wir den Abzug der Truppen, wenn wir
    das Einrücken der internationalen Truppen haben, dann
    sollten wir uns auch mit Blick auf die Erfahrungen in
    Bosnien darüber klar sein, daß es dann – hoffentlich –
    das Ende der Gewalt ist. Es ist noch lange nicht der
    Frieden, den wir uns wünschen und der nur in dauer-
    hafter Stabilität auf ebenso dauerhafter ökonomischer
    und stabiler Grundlage – übrigens auch auf gegenseiti-
    gem Respekt vor unterschiedlicher Abstammung, Kul-
    tur, Sprache oder anderem – gewährleistet werden kann.

    Die Bundesregierung tritt dafür ein – das ist gesagt
    worden –, daß sich der Sicherheitsrat der Vereinten
    Nationen unverzüglich mit diesen Fragen beschäftigt
    und auch einen Beschluß faßt. Das heißt, daß man sich
    rasch und umfassend hier zu Hause wie international auf
    die Umsetzung einer Friedensvereinbarung vorbereiten
    muß.

    Ich will erläutern, warum aus unserer Sicht das Wort
    vom raschen Vorbereiten mehr ist als eine gewisserma-
    ßen innerbetriebliche Hektik. Es darf im Kosovo kein
    Sicherheitsvakuum entstehen. Der Abzug der serbi-
    schen, jugoslawischen Truppen, Paramilitärs und Mör-
    derbanden muß nicht nur in einem engen Zeitplan und
    überprüfbar vorgenommen werden, sondern er muß auch
    strikt mit dem Einrücken der internationalen Friedenssi-
    cherung koordiniert sein. Ansonsten besteht mit Blick
    auf – man weiß es nicht so genau – Marodeure, Tschet-
    niks und unkontrollierbare UCK-Gruppen und mit dem
    Bedürfnis nach Rache und Vergeltung ein erhebliches
    Risiko im Kosovo.

    Bundesminister Rudolf Scharping






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Wir hoffen, daß wir bald – vielleicht sogar heute –
    über die Substanz einer Resolution des Weltsicherheits-
    rates Klarheit haben. Über den Zeitpunkt ihrer Verab-
    schiedung kann man nichts sagen; denn die G 8, selbst
    wenn sie großen Einfluß haben, werden nicht nur aus
    politischen und diplomatischen Gründen den Eindruck
    vermeiden, als wollten sie Punkt für Punkt, Buchstabe
    für Buchstabe und Wort für Wort dem Weltsicherheits-
    rat und seinen 15 Mitgliedern eine Resolution hinlegen,
    die dort nur noch mit einem Nicken zu quittieren wäre.

    Es besteht Grund zu der Vermutung, daß auch die
    militärisch-technischen Vereinbarungen in einem engen
    zeitlichen und politischen Zusammenhang mit dieser
    Entwicklung auf der Ebene der Vereinten Nationen und
    der G 8 gesehen werden. Das wird dann bedeuten – dar-
    über wird die Bundesregierung morgen reden –, daß die
    Ziffer 6 – Sie verzeihen mir, wenn ich diesen prakti-
    schen Hinweis gebe – bezüglich der Befassung des
    Weltsicherheitsrates möglicherweise verändert wird und
    daß dies dann zu einer in dieser und nur in dieser Hin-
    sicht veränderten Beschlußgrundlage gemacht wird. Die
    Bundesregierung wird sich im Licht der Ergebnisse des
    G-8-Treffens, wenn sie denn erreicht sind, darüber noch
    verständigen. Im Kreise der Fraktionsvorsitzenden wur-
    de ja auch eine entsprechende Verständigung gefunden.

    Wichtig für die Rolle der Bundeswehr bei der Siche-
    rung dieses hoffentlich bald eingeläuteten Friedenspro-
    zesses ist, daß die Bundeswehr auch in dieser Frage den
    Rückhalt der gesamten deutschen Bevölkerung und die
    Zustimmung des Deutschen Bundestages und dessen
    Rückhalt erfährt. Ich will Ihnen das erläutern. Am 26.
    Mai ist der entsprechende Operationsplan vorbereitet
    worden, bis in die letzten Tage wurde er weiterentwik-
    kelt. Er sieht vor, daß 50 000 Soldaten zur Friedenssi-
    cherung im Kosovo zur Verfügung stehen. Die Bundes-
    regierung wie die NATO streben eine Beteiligung mög-
    lichst vieler anderer Staaten an. Beispielsweise werden
    wir mit einiger Sicherheit mit den Niederlanden, wahr-
    scheinlich auch mit Österreich und anderen neutralen
    Staaten zusammenarbeiten. Wir streben insbesondere an,
    daß sich Rußland so früh und so umfangreich wie mög-
    lich an dieser Friedenssicherung beteiligt.

    Wenn Hindernisse dabei auftauchen, tauchen sie
    nicht bei der NATO auf und beruhen nicht auf mangeln-
    dem politischen Willen der westlichen Staaten. Wenn
    man sich die Erfahrungen aus Bosnien vor Augen hält,
    kann man sich unschwer vorstellen, daß im Zusammen-
    hang mit der Verwirklichung des politischen Willens
    einer Beteiligung Rußlands noch andere Probleme auf-
    tauchen werden.

    Ich habe schon vor längerer Zeit angeordnet, die
    Obergrenzen der jetzt bestehenden Mandate auszuschöp-
    fen. Ich will Ihnen kurz erläutern, warum sich im Antrag
    der Bundesregierung die Zahl 8 500 findet. In dieses
    Mandat werden die Kräfte überführt, die bei den NATO-
    Luftoperationen, bei der Drohnenüberwachung und für
    das Herausziehen der OSZE-Beobachter zur Verfügung
    standen, sowie jene, die für die bisher gedachte militäri-
    sche Umsetzung der Garantien eines jetzt nicht mehr zur
    Debatte stehenden Rambouillet-Abkommens einge-
    setzt werden sollten. Das bedeutet, daß diejenigen Kräf-

    te, die in Bosnien und im Rahmen des humanitären
    Mandates in Mazedonien und Albanien eingesetzt sind,
    in dieser Zahl von 8 500 nicht enthalten sind.

    Wir brauchen im Bereich der Luft- und Marineun-
    terstützung deutlich mehr Kräfte für den Einsatz im
    Kosovo – wir weisen das auch völlig offen aus –, und
    zwar deshalb, weil das Thema Sicherheit wesentlich
    ernster ist, als wir bei der Diskussion um ein Rambouil-
    let-Abkommen vermutet hatten, und weil die humanitäre
    Lage es erfordert. Zudem dürfen – jedenfalls am Anfang
    – Fragen, die mit der Dokumentation und der Beweissi-
    cherung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen
    die Menschlichkeit zu tun haben, nicht außer acht gelas-
    sen werden. Ich will ausdrücklich anbieten, in den Aus-
    schüssen darüber im einzelnen und präzise mit Zahlen
    zu informieren.

    Ich kündige Ihnen hier gleichzeitig an: Die Tatsache,
    daß mindestens 12 000 Soldaten der Bundeswehr über
    lange Zeit auf dem Balkan engagiert sein werden, näm-
    lich 8 500 im Kosovo im Rahmen des humanitären
    Mandates, 1 000 in Mazedonien und Albanien, minde-
    stens 2 500 in Bosnien und Herzegowina – mit hoffent-
    lich bald abnehmender Tendenz –, wird Konsequenzen
    für die Anpassung der Zahl der Krisenreaktionskräfte
    haben. Denn in bestimmten Bereichen sind durch dieses
    Engagement mittlerweile nicht nur Engpässe aufgewor-
    fen, sondern drohen die Fähigkeiten der Bundeswehr
    überfordert zu werden.

    Ich sage das auch deshalb, weil nach meinem Emp-
    finden die Angehörigen der Bundeswehr, die militäri-
    sche Führung, der militärische Sachverstand ein
    Höchstmaß an Anerkennung verdient haben – für die
    Umsicht, die Klarheit, die Konsequenz, mit der solche
    Einsätze im Interesse der Sicherheit der Soldaten bisher
    vorbereitet und durchgeführt worden sind.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir im Deutschen Bundestag, wir als Bundesrepublik
    Deutschland und als Bürgerinnen und Bürger dieses
    Landes sollten stolz sein auf eine Bundeswehr, die ih-
    ren Auftrag nicht aus einem traditionellen Verständnis
    eng gedachter militärischer Sicherheit heraus ausübt. In
    Segrane, in Neprosteno und in anderen Flüchtlingslagern
    kann man sehen, daß die Soldatinnen und Soldaten un-
    glaublich engagiert sind. Nicht nur unter Einsatz ihrer
    Zeit, sondern zum Teil auch unter Einsatz ihres selbst-
    verdienten Geldes sorgen sie dafür, daß Kinder Spiel-
    plätze oder Bolzplätze haben, daß sie in die Schule ge-
    hen können, daß Mütter versorgt werden und vieles
    mehr. Ich finde, das verdient ein Höchstmaß an Aner-
    kennung und soll auch hier ausgesprochen werden.


    (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Mir macht das Mut, weil die vor uns liegenden Auf-
    gaben nicht nur groß, sondern zum Teil außerordentlich
    gefährlich sind. Die Herstellung eines sicheren Umfel-
    des, umfangreiche humanitäre Hilfsleistungen für Bin-

    Bundesminister Rudolf Scharping






    (A) (C)



    (B) (D)


    nenflüchtlinge und zurückkehrende Vertriebene – jeden-
    falls anfangs –, die Vorbereitung der notwendigen zivi-
    len und militärischen Zusammenarbeit und die Fortset-
    zung der humanitären Hilfe außerhalb des Kosovo, das
    macht den Umfang der Aufgabe deutlich, in einem
    Landstrich, der rücksichtslos zerstört und weitgehend
    entvölkert ist, in dem öffentliche Ordnung und Verwal-
    tung, die medizinische Versorgung und anderes völlig
    zusammengebrochen sind.

    Wir müssen damit rechnen, daß wir allein im Kosovo
    nicht nur 500 zerstörte Dörfer und Siedlungen vorfin-
    den, sondern 550 000 Binnenflüchtlinge, deren Zustand
    heute niemand genau kennt, von denen wir aber wissen,
    daß sie unverzüglich versorgt werden müssen, ebenso
    wie die zurückkehrenden Flüchtlinge und Vertriebenen,
    die Nahrung, Kleidung, Medikamente und vieles andere
    brauchen.

    Das Land selbst muß von Minen und Sprengfallen ge-
    räumt, die Sicherheit der eigenen Leute und die Sicher-
    heit der zurückkehrenden Vertriebenen müssen gewähr-
    leistet werden. Das heißt, wir haben es mit einer sehr
    komplizierten Mischung aus Sicherheitsaufgaben, origi-
    nären militärischen Aufgaben, humanitären Aufgaben
    und Aufgaben der zivil-militärischen Zusammenarbeit
    zu tun. Wenn wir in diesem Umfeld neue Gewalt ver-
    hindern, die Demilitarisierung des Kosovo einschließ-
    lich der Entwaffnung der UCK, die Überwachung von
    Grenzen und anderes gewährleisten sollen, dann brau-
    chen wir eine enge internationale Kooperation und ein
    entsprechend ausgerüstetes und ausgebildetes Kontin-
    gent. Davon kann man im Zusammenhang mit der Bun-
    deswehr mit Gewißheit reden. Über die Einsatzdauer,
    über den militärischen Beitrag der Bundesrepublik
    Deutschland, über anderes wird im einzelnen zu reden
    sein.

    Ich will auf einen abschließenden Punkt zu sprechen
    kommen. Meine Damen und Herren, wenn, was wir alle
    hoffen, in dieser Woche die Voraussetzungen für eine
    politische Lösung, für den Abzug des serbischen Mili-
    tärs, für das Einrücken der internationalen Friedenstrup-
    pen – das alles sind die Voraussetzungen für eine sichere
    Rückkehr der über 900 000 Flüchtlinge und Vertriebe-
    nen – geschaffen sind, dann steht der Bundeswehr nicht
    nur der größte Auslandseinsatz, sondern auch der mit
    den größten Risiken behaftete Auslandseinsatz ihrer Ge-
    schichte bevor. Das macht deutlich, daß man mit großer
    Sorgfalt und Klarheit entscheiden muß, was zu entschei-
    den ist, nicht nur mit der nötigen Gründlichkeit hin-
    sichtlich der Planung, sondern auch, was die Verant-
    wortung selbst angeht, mit aller Konsequenz.

    Danach beginnt die noch langwierigere, in meinen
    Augen faszinierendere und schwierigere Aufgabe. Es ist
    ausdrücklich zu begrüßen, daß die Bundesregierung die
    langfristige Perspektive nie aus dem Auge verloren hat.
    Das Stichwort ist etwas technokratisch. Es heißt Stabili-
    tätspakt, meint aber eine langfristige Bemühung um die
    Sicherheit, um die Stabilisierung des Balkans auf der
    Grundlage der Erfahrungen, die wir in Europa bei seiner
    Integration und bei seiner Friedenssicherung ebenso
    gemacht haben wie beispielsweise in dem Helsinki-Pro-
    zeß.

    Ich will ausdrücklich insbesondere dem Bundes-
    kanzler und dem Außenminister sagen: Nicht nur der
    Versuch, die drei Maßnahmenbündel für ein gemeinsa-
    mes Ziel, nämlich politische Bemühungen, militärische
    Maßnahmen, humanitäre Hilfe, in einer Balance zu hal-
    ten und das jeden Tag bei den Entscheidungen zu be-
    achten, war wichtig. Wichtig war auch, die kurzfristigen,
    mit Blick auf das Ende von Vertreibung, Mord und Ge-
    walt orientierten Maßnahmen, einschließlich der militä-
    rischen, immer in einer angemessenen Balance mit der
    langfristigen Perspektive zu halten und zu wissen, daß
    das Ende der Gewalt der Beginn, aber nicht die Ver-
    wirklichung von Frieden ist.

    Deshalb war es richtig, daß die Bundesregierung, daß
    die Bundesrepublik Deutschland vielleicht mit einem
    leisen Blick aus manchen skeptischen Augen, ob das
    denn gelingen könnte, erfolgreich dazu beigetragen hat,
    daß es bei allen Aktivitäten des Westens und der inter-
    nationalen Staatengemeinschaft nie eine Verkürzung auf
    militärische Maßnahmen gegeben hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie hat aber auch nie die Illusion verbreitet, man könne
    angesichts der Erfahrungen mit Milosevic davon ausge-
    hen, daß nur das Argument und nur der gute Wille zum
    Erfolg führen würden. Es mußte beides zusammenge-
    halten werden. Das ist mit großer Verantwortung und
    Weitsicht getan worden.

    Ich füge hinzu: Dabei haben viele mitgeholfen. Ich
    sage das ausdrücklich auch an die Adresse der
    CDU/CSU und F.D.P.: Es war für die Bundesregierung
    gut, zu wissen, daß man sich auf die uneingeschränkte
    Unterstützung der Koalition verlassen kann. Ich füge
    durchaus mit Anerkennung hinzu: Es ist in solchen Si-
    tuationen ganz wichtig – auch für die außenpolitische
    Berechenbarkeit und Verläßlichkeit unseres Landes –,
    daß man sich auf diese Art von Konsens verlassen kann.
    Wir sollten das auch in Zukunft tun.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender der
F.D.P.-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! In solchen sehr bedeutsamen
    Fragen gibt es natürlich zum Teil Grundkonsens und
    Gemeinsamkeiten, aber zum Teil auch andere Erwartun-
    gen und Einschätzungen. Wenn die Bundesregierung die
    Debatte ehrlich führen will, muß sie zugeben, daß das
    Bild in den Medien vom Kölner Gipfel schon heute im
    Kontrast zur rauhen Wirklichkeit der Ereignisse steht.
    Der Kölner Gipfel hat ein anderes Bild gezeigt, als es
    sich jetzt auf Grund der Verhandlungen im Zelt von
    Kumanovo, die die alte Politik und Verzögerungstaktik
    deutlich machen, darstellt.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)


    Bundesminister Rudolf Scharping






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Der Kölner Gipfel hat auch im Hinblick auf Ihre An-
    kündigungen, Herr Bundeskanzler, ein Bild gezeigt, das
    der Wirklichkeit nicht entspricht. Ich nenne in diesem
    Zusammenhang den Beschäftigungspakt und den ma-
    kroökonomischen Dialog zwischen Finanzpolitik,
    Geldpolitik und Lohnpolitik. Dieser neue Policy-Mix
    soll zu einem Beschäftigungsimpuls auf europäischer
    Ebene führen. Herr Bundeskanzler, dieser Beschäfti-
    gungsimpuls ist eine beschäftigungspolitische Maus. Sie
    werden auf europäischer Ebene solche Luftnummern
    wiederholen, wenn Sie nicht Ihre Hausaufgaben in der
    Bundesrepublik Deutschland machen. Es handelt sich
    um einen erkennbaren Verschiebebahnhof.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Je länger und gewundener die Sätze werden und je

    mehr Fremdworte beigemischt werden, desto deutlicher
    wird, daß Sie eine Luftbuchung vornehmen. Ein runder
    Tisch ersetzt keinen klaren Kopf. Wenn Sie in Deutsch-
    land nicht die Flexibilität am Arbeitsmarkt herstellen,
    die Steuern nicht senken und die sozialen Sicherungssy-
    steme nicht reformieren, sondern sich nur in englischen
    Zeitungen äußern, dann zerstören Sie hier Beschäftigung
    und dürfen sich in Europa nicht für einen Beschäfti-
    gungspakt einsetzen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Hier liegt der Grund für die Kontroverse: Die Oppo-

    sition kann nicht akzeptieren, daß Sie, eingebettet in die
    Kosovo-Problematik, im Rahmen eines großen Ver-
    schiebebahnhofs beschäftigungspolitische Mißerfolge
    von Deutschland nach Europa transportieren. Wir kön-
    nen ferner nicht akzeptieren, daß Sie auf Pressekonfe-
    renzen verkünden, daß Sie auf europäischer Ebene Im-
    pulse setzen. Sie müssen die Impulse hinsichtlich der
    Berechenbarkeit, die für die Wirtschaft in Deutschland
    wichtig ist, in diesem Haus setzen und nicht durch ein
    gemeinsames Interview mit Tony Blair für Zeitungen in
    Großbritannien. Das ist Ihre Aufgabe.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir können heute die Kosovo-Debatte ohne große
    Emotionen und Erregung führen. Aber einige Punkte
    will ich dennoch ansprechen. Ich vermute, daß Sie sich
    den Tag für Ihre Regierungserklärung anders vorgestellt
    haben. Sie wollten wahrscheinlich hier erklären, es sei
    alles in trockenen Tüchern, die G-8-Resolution liege vor,
    die militärische Implementierung sei klar, der Sicher-
    heitsrat werde zu einem bestimmten Zeitpunkt tagen. Sie
    wollten wahrscheinlich den Bundestag bitten, nach einer
    Unterbrechung für Ausschußsitzungen zu beschließen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Tun Sie doch nicht so, als ob dies alles Wahlkampf wäre!)


    – Es ist überhaupt kein Wahlkampfthema. Ich schildere
    hier nur die Wirklichkeit, verbunden mit einem Dank an
    die Verhandlungsführer Tschernomyrdin und Ahtisaari
    und mit einem Dank an die deutschen Soldaten.

    Wir befinden uns heute in einer Situation, in der eini-
    ge Fragen noch nicht beantwortet wurden. Diese Fragen

    müssen wir im Rahmen der Beratungen ansprechen. Das
    gehört zur Arbeit des Parlaments und beeinträchtigt
    nicht die Gemeinsamkeiten.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir können seit zwei Tagen beobachten, daß in dem
    Zelt bei Kumanovo das alte Spiel von Milosevic wieder
    beginnt: Interpretieren, Verschieben, Verzögern, Aus-
    denken von Finessen, Hakenschlagen und Hinhalten.
    Wir stellen gleichzeitig fest – wir wünschen alle, daß
    dies behoben wird –, daß sich in den letzten Tagen Un-
    sicherheiten auch in Rußland ergeben haben. Jelzin steht
    zu seinem Wort und zeigt dadurch, daß er ein verläßli-
    cher Partner ist. Gleichzeitig aber wird diese Haltung
    durch die alte Vorstellung von einer bipolaren Welt
    überwuchert, was zeigt, daß sich Rußland in seinem po-
    litischen Denken immer noch nicht auf die neue Lage
    eingestellt hat.

    Herr Kollege Schäuble hat mit seiner Meinung recht
    – ich wiederhole sie –: Der kurze und kühle Empfang
    von Primakow war eine Fehlleistung deutscher Diplo-
    matie.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Man kann nicht sagen: Das war nur ein Ereignis. Nein,
    das war eine Fehlleistung, ein falsches Signal. Zur Di-
    plomatie gehören auch nahezu symbolhafte Handlungen,
    viel Psychologie und nicht nur der abrupte Kommentar,
    das reiche nicht aus.

    Wir haben noch keinen Abschluß der G-8-Verhand-
    lungen. Möglicherweise kommt man heute zu einem
    Abschluß. Das heißt aber, daß die Ausschußberatungen
    bedeutsam sind. Wenn man zu einem Abschluß kommt,
    muß die Bundesregierung den Ausschüssen eine neue
    Vorlage zuleiten. Denn die Vorlage, die wir jetzt haben,
    enthält durchaus eine Zweiwegestrategie: Für den Fall,
    daß es nicht zu einer Sicherheitsratsresolution kommt,
    ist man zu einer Implementierung bei Zustimmung der
    jugoslawischen Regierung und Beteiligung Rußlands be-
    reit.

    Herr Bundeskanzler, eine solche strategische Überle-
    gung kann man anstellen. Ich will Ihnen aber auch nach
    den Informationsgesprächen, die wir hatten, einen Ha-
    ken klar benennen: Ich finde, daß der Deutsche Bun-
    destag darauf achten sollte, daß deutsche Soldaten, die
    ein Mandat haben, auf keinen Fall von einem Dritten
    abhängig sind, der in einer solchen Situation das Sagen
    hätte. Deshalb sollte der Bundestag einer Resolution des
    Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für den Ein-
    satz deutscher Soldaten eindeutig die Priorität geben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich sage das deshalb, weil wir auf eindeutige Mandatie-
    rung Wert legen. Dieser Weg zum Sicherheitsrat kann
    auch nicht nur Befassung sein, wie ich hier in Ausfüh-
    rungen höre. Für mich ist für die Entsendung deutscher
    Soldaten nicht nur eine Befassung, sondern eine Ent-
    scheidung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    erforderlich, das heißt eine Resolution, die die G-8-
    Staaten vorbereiten sollten.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb sage ich gleich zu Beginn der Beratung:

    Meines Erachtens kann es heute nicht zu einem ab-
    schließenden Beschluß des Bundestages kommen.


    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch auch keiner!)


    Die Abgeordneten, die mit der Regierung in großen
    Zielen im Konsens stehen, müssen sich das Recht vor-
    behalten, die Vorlage zu prüfen, in den Ausschußbera-
    tungen nachzufragen und auch zu klären, ob es eine ein-
    deutige Kommandostruktur beim Einsatz deutscher Sol-
    daten gibt – ein ganz wesentlicher Sicherheitsaspekt in
    der Verifizierung der Implementierung, von der im übri-
    gen auch die Bundesregierung immer gesprochen hat.

    Ich rede hier nicht über die großen Meinungsunter-
    schiede hinsichtlich der Kombination von militärischem
    Druck und politischer Problemlösung. Ich rede über die
    Wirklichkeit der nächsten Tage, wenn es zu einer Man-
    datierung durch den Deutschen Bundestag kommt. Für
    die Fraktion der F.D.P. erkläre ich ganz unumwunden
    und ganz klar: Wir halten es – wie es auch die Bundes-
    regierung früher erklärt und beschlossen hat – für wich-
    tig, daß wir zum Gewaltmonopol der Vereinten Na-
    tionen zurückkommen, daß wir den Einsatz deutscher
    Soldaten nicht von der Deutungshegemonie des Herrn
    Milosevic in einem Dreierpaket, sondern ganz eindeutig
    von einer Entscheidung der Vereinten Nationen abhän-
    gig machen. Das ist dann der souveränste Einsatz der
    Implementierung und von niemandem abhängig, dessen
    Vertragsbrüche, dessen Hindernisse, dessen Wegdrük-
    ken und dessen Finessen wir aus der Geschichte kennen.
    Das sind wir den deutschen Soldaten schuldig. Darüber
    reden wir in aller Klarheit.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich stimme Herrn Scharping zu: Eine Implementie-
    rung mit Sicherheitsratsbeschluß wäre erst der Anfang.
    Dann stehen wir erst vor der eigentlichen Aufgabe; wir
    müssen uns darauf einstellen, daß es einige Jahre dauern
    wird, sie zu erfüllen. Wir sind gerne bereit, uns darauf
    einzustellen. Wir wissen, daß wir nur dann Stabilität für
    die eigene Zukunft gewinnen, wenn auch andere Stabi-
    lität gewinnen, wenn sie ökonomischen und demokrati-
    schen Erfolg spüren, wenn sie dadurch Frieden aus-
    strahlen und wenn die Politik aufhört, sich immer nur
    ethnisch selbst zu vergewissern, wenn Internationalität
    spürbar wird und vieles andere mehr.

    Da das aber Jahre dauert, sage ich der Bundesregie-
    rung mit aller Klarheit auch: Wir werden nicht akzeptie-
    ren, daß Sie die deutsche Öffentlichkeit vor dem Wahl-
    tag im unklaren lassen, welche Steuererhöhungspolitik
    Sie zu betreiben beabsichtigen, und nach dem Wahltag
    auf die Idee kommen, Steuererhöhungen an den Koso-
    vo-Einsatz zu binden. Das sage ich ganz klar: Eine
    Mandatierung deutscher Soldaten ohne eine Auskunft
    der Bundesregierung zu den finanziellen Konsequenzen
    und eine Auskunft nach dem Wahltag, man müsse stetig

    die Mineralölsteuer erhöhen, gegebenenfalls noch die
    Mehrwertsteuer, kommt für die Fraktion der F.D.P. nicht
    in Frage.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Diesen Policy-Mix müssen Sie unterlassen.

    Das heißt: Grundkonsens ja, aber hinters Licht führen
    lassen wir uns nicht. Wir sind für ein klares Mandat, wir
    tragen mit Ihnen gemeinsam die Verantwortung. Ich sa-
    ge sogar: Die Opposition war in diesem Prozeß stabiler
    als die Koalitionsparteien.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deshalb ist die Bundesregierung aber auch verpflichtet,
    der Opposition in den Beratungen dieser Woche Klarheit
    über Kommandostruktur, Resolution, Timetable, Abläu-
    fe und Mandat zu geben. Dann sind wir bereit zu ent-
    scheiden; nur dann und nicht vorher. Es liegt jetzt an Ih-
    nen, Klarheit in die Beratungen zu bringen.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)