Rede von
Hans-Joachim
Otto
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ihre Fra-
gen sind immer wieder charmant, aber sie gleichen sich.
Schon als es um die Stiftungsrechtsreform ging, haben
Sie mir die gleiche Frage gestellt. Sie haben es immer
darauf abgesehen, die Vergangenheit zu bewerten, und
vergessen dabei, daß Sie nunmehr seit über einem hal-
ben Jahr in der Verantwortung sind.
– Ja, ja.
Aber ich will gern Ihre Frage beantworten. Das Ge-
denkstättenkonzept der alten Bundesregierung, das ja
noch nach wie vor in Kraft ist, sieht vor, zahlreiche
wichtige Gedenkstätten vor allen Dingen in den neuen
Bundesländern zu fördern. Normalerweise ist das ja –
das wissen wir beide – eine Aufgabe der Länder, im
Falle Sachsenhausen also eine Aufgabe des Landes
Brandenburg. Da das Land Brandenburg sich nicht in
der Lage sah, für diese extrem wichtige, zentrale Ein-
richtung allein zu sorgen, hat sich der Bund bereit er-
klärt, Sachsenhausen und andere Gedenkstätten finan-
ziell zu fördern. Das war ein Verdienst der alten Bun-
desregierung, und ich bin der Auffassung, daß Sie dank-
bar sein sollten und das nicht kritisieren sollten.
Was ich hier heftig kritisiere – das werde ich auch in
Zukunft tun –, ist folgendes: Seien Sie doch in Zeiten, in
denen jeder, auch Herr Eichel, sagt, es müsse gespart
werden, vorsichtig, und machen Sie nicht schon jetzt
große Ankündigungen dahin gehend, daß sich der Bund
an der finanziellen Unterstützung für die Länder bei den
Gedenkstätten für einen Zeitraum von über zehn Jahren
beteiligen werde. Das werden Sie nicht durchhalten
können; Sie wecken Erwartungen, die Sie später nicht
einlösen können.
Meine Damen und Herren – meine Redezeit ist knapp
–, lassen Sie mich noch ein drittes Beispiel ansprechen,
das ich wirklich für schwerwiegend halte: Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von Rotgrün, Sie haben in Ihrem
Koalitionsvertrag vollmundig eine „Reform der media-
len Außenrepräsentanz“ angekündigt. Worum geht es? –
Es geht um die Deutsche Welle. Einige Vorredner, ins-
besondere Herr Mark, haben zu Recht darauf hingewie-
sen, daß wir gerade jetzt im Kosovo-Konflikt alles dafür
tun müssen – die Deutsche Welle tut es –, um die Infor-
mationsfreiheit in Serbien und im Kosovo zu gewährlei-
sten. Die Deutsche Welle leistet dort Vorbildliches; sie
hat den Etat für diesen Bereich verdoppelt.
Sie ist ein echtes Krisenradio; sie ist die meistgehörte
Rundfunkstation in dieser Region. Und was macht die
Regierung in dieser Zeit als Dank für die Leistungen der
Deutschen Welle? – Sie kürzt entgegen allen Zusagen
und allen Planungen den Etat radikal herunter. Wo ist
denn da die große „Reform der medialen Außenreprä-
sentanz“? Es handelt sich hier um eine Abstrafaktion
von Herrn Naumann persönlich gegen einen politisch
mißliebigen Sender. Das ist empörend.
Lieber Herr Naumann, es geht darum, daß Verfassungs-
grundsätze zu beachten sind. Sie können nicht nach
Gutsherrenart einfach eingreifen und sagen: Da nehme
ich einmal 30 Millionen heraus. – Hier gibt es Vorga-
ben. Die Rundfunkfreiheit gilt – das wissen wir beide,
darin stimmen wir überein – auch für die Deutsche
Welle. Der Gesetzgeber kann nicht einfach hingehen
und sagen: Ich ändere nichts an den Aufgaben, aber ich
streiche 30 Millionen DM im Etat weg.
Lieber Herr Kollege Mark, Sie haben ja in der Theo-
rie so recht, wenn Sie sagen: Wir müssen den Kulturin-
stitutionen langfristige Konzepte und langfristig tragbare
Finanzierungsmöglichkeiten anbieten; wir müssen ihnen
Planungssicherheit geben. Lieber Herr Kollege Mark,
wo ist denn die Planungssicherheit für die Deutsche
Welle? Sie ist völlig unter den Tisch gefallen.
Mir ist ja berichtet worden, daß Sie persönlich im
Haushaltsausschuß die Meinung vertreten haben, man
solle die Kürzungen bei der Deutschen Welle in dieser
Form nicht durchführen. Das ehrt Sie. Aber wo ist Ihr
Erfolg? Wo ist die Planungssicherheit, von der Sie ge-
sprochen haben? Was können Sie den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Deutschen Welle, die insbesondere
in dieser Krisenzeit Vorbildliches leisten, anbieten?
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Kultur-
politik ist in den Ländern und auch im Bund normaler-
weise ein Politikbereich, in dem man sich um einen
parteiübergreifenden oder fraktionsübergreifenden Kon-
sens bemühen sollte. Ich versichere Ihnen, daß die
F.D.P.-Fraktion sich auch in der Zukunft dort um Kon-
sens bemüht, wo er möglich ist, wo er angesagt ist.
Aber, lieber Herr Dr. Naumann, Ihre Politik mit den
großen Ankündigungen, mit dem großen Gestus des er-
hobenen Zeigefingers, mit dem Sie sogar bis nach Eng-
land gelaufen sind, macht es uns in vielen Fragen ver-
dammt schwer, diesen Konsens, den wir eigentlich be-
fürworten und den wir für notwendig halten, einzuhal-
ten.