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ID1403301200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/33 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 33. Sitzung Berlin, Montag, den 19. April 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Rede des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse ............................................ 2663 A Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Vollendung der Einheit Deutschlands Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2668 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2674 B Dr. Peter Struck SPD ....................................... 2678 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2681 A Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2683 C Dr. Gregor Gysi PDS ....................................... 2686 C Dr. Manfred Stolpe, Ministerpräsident (Bran- denburg) ........................................................... 2688 A Michael Glos CDU/CSU.................................. 2689 D Sabine Kaspereit SPD ...................................... 2691 C Eberhard Diepgen, Reg. Bürgermeister (Berlin) 2693 B Nächste Sitzung................................................ 2695 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 2696 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Montag, den 19. April 1999 2663 (A) (C) (B) (D) 33. Sitzung Berlin, Montag, den 19. April 1999 Beginn: 12.00 Uhr
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    Reg. Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) 2696 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Montag, den 19. April 1999 2696 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Bachmaier, Hermann SPD 19.4.99 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.4.99 Beer, Angelika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.4.99 Belle, Meinrad CDU/CSU 19.4.99 Bohl, Friedrich CDU/CSU 19.4.99 Bühler (Bruchsaal), Klaus CDU/CSU 19.4.99* Diller, Karl SPD 19.4.99 Dr. Eid, Ursula BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.4.99 Dr. Fuchs, Ruth PDS 19.4.99 Großmann, Achim SPD 19.4.99 Hagemann, Klaus SPD 19.4.99 Hampel, Manfred SPD 19.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 19.4.99 Hempelmann, Rolf SPD 19.4.99** Ibrügger, Lothar SPD 19.4.99 Dr. Jens, Uwe SPD 19.4.99 Kolbow, Walter SPD 19.4.99 Koschyk, Hartmut CSU/CSU 19.4.99 Kröning, Volker SPD 19.4.99 Lehn, Waltraud SPD 19.4.99 Dr. Lucyga, Christine SPD 19.4.99* Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 19.4.99 Mark, Lothar SPD 19.4.99 Metzger, Oswald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Moosbauer, Christoph SPD 19.4.99 Mosdorf, Siegmar SPD 19.4.99 Müller (Berlin), Walter PDS 19.4.99 Neumann (Gotha), Gerhard SPD 19.4.99** Dr. Niese, Rolf SPD 19.4.99 Raidel, Hans CDU/CSU 19.4.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 19.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 19.4.99 Scharping, Rudolf SPD 19.4.99 Scheu, Gerhard CDU/CSU 19.4.99 Schöler, Walter SPD 19.4.99 Schösser, Fritz SPD 19.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 19.4.99 Schurer, Ewald SPD 19.4.99 Seidenthal, Bodo SPD 19.4.99 Steen, Antje-Marie SPD 19.4.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 19.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 19.4.99 Titze-Stecher, Uta SPD 19.4.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.4.99 Urbaniak, Hans-Eberhard SPD 19.4.99 Vaatz, Arnold CDU/CSU 19.4.99 Wagner, Hans Georg SPD 19.4.99 Dr. Wegner, Konstanze SPD 19.4.99 Weißgerber, Gunter SPD 19.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 19.4.99 –––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver-sammlung des Europarates** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich gebe das Wort
    dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr.
    Manfred Stolpe.


    (Brandenburg)

    Herren! In dieser Stunde stellen wir dankbar fest, daß
    Wort gehalten wurde: Wort gehalten an den Beschlüssen
    des Deutschen Bundestages seit 1949, Wort gehalten am
    Einigungsvertrag und Wort gehalten am Beschluß über
    die „Vollendung der Einheit Deutschlands“. Auch was
    sich vor zehn Jahren im Frühjahr 1989 ankündigte, als
    die Unzufriedenheit Tausender DDR-Bürger über Un-
    freiheit, Gängelei und deutsche Trennung drängender
    wurde, hat heute ein wichtiges Ziel erreicht: Der Umzug
    des Bundestages nach Berlin ist das vollzogene Be-
    kenntnis zu Einheit und Freiheit für alle Deutschen.

    Vor zehn Jahren, am 19. April 1989, machte ich in
    meinem persönlichen Tagebuch drei Eintragungen: Mit
    der DDR-Regierung war über eine Vereinfachung der
    Besuchsreisen nach Westberlin zu sprechen – erfolglos;
    mit dem Bezirk Cottbus gab es Streit wegen dessen For-
    derung, schon die Anfertigung von Kopien staatlich ge-
    nehmigen zu lassen; am Kloster Chorin verhandelte eine
    Menschenrechtsgruppe über den Zusammenhang von
    sozialen Rechten und Freiheitsrechten.

    Die Menschen in der DDR begannen, offen zu reden;
    bisherige Tabus galten nicht mehr. Was jahrzehntelang
    ertragen wurde, war unerträglich geworden. Da bahnte
    sich etwas an, was in seinen Dimensionen und Wirkun-
    gen noch niemand richtig erahnen konnte. Es folgte eine
    friedliche Revolution, in der die einen den Mut zur offe-
    nen Auflehnung fanden und die anderen ihren Machtap-
    parat nicht zur blutigen Unterdrückung einsetzten.

    Am Ende haben sich die Menschen in der DDR in
    freier Selbstbestimmung für die staatliche Einheit ent-
    schieden. Wir haben mit dieser Entscheidung damals ei-
    nen Wechsel auf die Zukunft unterschrieben und durften
    auf Fairneß und Grundsatztreue der Vertragspartner wie
    auch der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik
    vertrauen.

    Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren voll-
    zog sich in Deutschland eine erstaunliche und großartige
    Gemeinschaftsleistung: Die Deutschen im Osten zeigten
    umfassenden Veränderungswillen, trugen geduldig die
    Lasten des radikalen Umbruchs und schufen eine be-
    achtliche Aufbauleistung. Die Deutschen im Westen
    bewiesen eine historisch unvergleichbare Solidarität
    durch einen riesigen Finanztransfer und Zehntausende
    Aufbauhelfer in Verwaltung und Wirtschaft des Ostens.


    (Beifall bei der SPD)

    Im Ergebnis sind die gesellschaftlichen Strukturen ge-
    staltet und die Grundlagen für eine wettbewerbsfähige
    Wirtschaft geschaffen worden.

    Die deutsche Einheit – und in deren Folge die Ent-
    scheidung für den Umzug von Parlament und Regierung
    – ist der Wille des Volkes und das Ergebnis der europäi-
    schen Entspannung. Ohne europäischen Friedensprozeß

    für Sicherheit und Zusammenarbeit wäre das Wunder
    der Einheit nicht Wirklichkeit geworden.


    (Beifall bei der SPD)

    Dank und Respekt zollen wir der Bereitschaft der vier

    Siegermächte und den europäischen Nachbarstaaten, die
    deutsche Einheit ermöglicht und gebilligt zu haben.
    Nach allem, was Deutsche anderen Menschen angetan
    haben, durften wir dieses Vertrauen nicht selbstver-
    ständlich erwarten. Wir werden es auch von Berlin aus
    rechtfertigen.


    (Beifall bei der SPD)

    Nun also konnten die Deutschen zusammenkommen.

    Schon bald aber mußten wir feststellen, daß der deutsch-
    deutsche Umgang gelernt sein will. Denn der Einheit
    gingen 45 Jahre einer sehr verschiedenen politischen,
    wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung im
    geteilten Deutschland voraus. Da sind unterschiedliche
    soziale Systeme entstanden, die auch die Menschen un-
    terschiedlich geprägt haben.

    Wir im Osten erlebten nun einen dreidimensionalen
    Umbruch: Da ist zum einen der Wandel der politischen
    Struktur, der Übergang von einer Diktatur mit all ihren
    Formen der Repression zu einem demokratische Rechts-
    staat. Da ist zum anderen der wirtschaftliche Wandel,
    der Übergang von einer Staatsplanwirtschaft zur Wett-
    bewerbswirtschaft. Schließlich – was gelegentlich über-
    sehen wurde – ist da die dritte Dimension, der Umbruch
    für den einzelnen, der Übergang von einem Bevormun-
    dungssystem, das von der Wiege bis zur Bahre reichte,
    hin zu einem System der Eigenverantwortung und der
    Selbstbehauptung. Diese subjektive Seite ist es, die viel
    Verunsicherung mit sich bringt. Denn die Umstellung
    für den einzelnen war radikal. Die Erfahrungen sind oft
    ein Schock gewesen, vor allem die nicht erwarteten Er-
    fahrungen, zu denen insbesondere die unerwartete Mas-
    sen- und Langzeitarbeitslosigkeit gehört.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Biographie jedes einzelnen, alle individuellen

    Lebensentwürfe und Lebenssicherheiten, alle Perspekti-
    ven und Kalküle wurden auf den Kopf gestellt. Es gibt
    kaum eine Familie zwischen Elbe und Oder, in der sich
    nicht mindestens ein Mitglied beruflich völlig neu ori-
    entieren oder – schlimmer – aus dem Arbeitsprozeß aus-
    scheiden mußte.

    Und doch kann ich diese Empfindung der großen
    Mehrheit der Menschen in den neuen Ländern vermit-
    teln. Bei allen Problemen und manchem Schmerz, der
    mit dem Veränderungsdruck und mit einzelnen Folgen
    des Umbruchs einhergegangen ist: Wir haben die neuen
    Freiheiten und Möglichkeiten als große Bereicherung er-
    fahren.

    Aber eines ist für die Deutschen in Ost und West
    noch zu tun. Wir wissen noch zuwenig voneinander; wir
    kommen dadurch zu schnell zu Mißverständnissen und
    Vorurteilen. Meine Damen und Herren, nutzen wir alle
    den künftigen Sitz von Parlament und Regierung in
    Berlin als eine Möglichkeit, uns besser kennenzulernen,
    voneinander zu lernen und die Chancen unterschiedli-






    (A) (C)



    (B) (D)


    cher Erfahrungswerte anzuwenden. In vielen Unterneh-
    men im Osten kann man zum Beispiel erfahren, wie er-
    folgreich eine gemischte Ossi-Wessi-Geschäftsführung
    sein kann.

    Ich freue mich darauf, daß nun viele Neue aus dem
    Westen, dem Norden und dem Süden unseres Vaterlan-
    des in diese Region kommen. Vertrauen Sie mir bitte:
    Ihnen wird nicht nur das hiesige Klima, sondern auch
    die Weite des Landes, die einen freien Blick gewähren
    kann, gut gefallen und guttun.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Um Berlin herum erwarten Sie über 3 000 Seen und
    Deutschlands größte Waldgebiete, viele kleine Dörfer,
    nicht allzu große Städte sowie 700 Schlösser und Her-
    renhäuser – einige sind noch zu haben –,


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    und nicht zuletzt erwartet Sie der rauhe Charme der
    Märker. Sie, die Neuankömmlinge im Osten, werden
    selber erfahren können, wie es denn nun um die innere
    Einheit der Deutschen steht.

    Meine Damen und Herren, dabei warne ich vor Über-
    frachtung des Begriffs und rate zu nüchterner Betrach-
    tung. Denn es gilt, was die Deutschen in Ost und West
    gewollt und gewählt haben: Es gibt heute in ganz
    Deutschland ein demokratisches System, das auf Betei-
    ligung der Bürgerinnen und Bürger fußt, ebenso Rechts-
    sicherheit, Bewegungsfreiheit und ökonomische Effizi-
    enz. Das sind gemeinsame Grundlagen, und das ist viel.
    Die Grundprinzipien der Verfassung werden von großen
    Mehrheiten in Ost- und Westdeutschland getragen. Glei-
    ches gilt für die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.
    Die Identifikation mit dem vereinten Deutschland ist ge-
    geben. Auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist
    vorhanden, trotz aller gepflegten Vorurteile, die es zwi-
    schen West und Ost und schließlich auch zwischen Nord
    und Süd gibt. Übrigens war uns dieses Problem auch in
    der ehemaligen DDR durchaus geläufig.

    Die Differenz zwischen Ost- und Westdeutschen liegt
    nicht in der Akzeptanz der Staats-, Rechts- und Werte-
    ordnung, sondern in den unterschiedlichen persönlichen
    Erfahrungen mit der Funktionsfähigkeit sozialer Markt-
    wirtschaft. Vom Verlauf dieser Erfahrungen hängt für
    die Zukunft viel ab, vom Empfinden, im gleichen Maße
    wie im Westen auch im Osten Deutschlands faire Chan-
    cen wahrnehmen zu können. Erst damit werden die Ost-
    deutschen die Zeit des Übergangs als abgeschlossen und
    die innere Einheit als vollzogen ansehen können.

    Willy Brandt war sich der Bedeutung der Chancen-
    gleichheit und der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse
    für die nationale Identität bewußt. Er war es, der mit der
    politischen Einheit die soziale Abfederung des Eini-
    gungsprozesses anmahnte, der darauf achtete, daß Be-
    schwörungen nationaler Zusammengehörigkeit nicht da-
    von ablenkten, die Arbeitslosigkeit und eine ungerechte
    Lastenverteilung zu bekämpfen.

    Weil wir nicht riskieren dürfen, daß die sozialen Fol-
    gen der Einheit zum Sprengsatz für die Grundwerte

    werden, auf denen sie basiert, nämlich Menschenwürde,
    Freiheit und Demokratie, müssen wir – nun von Berlin
    aus – alles tun, um den Menschen in Ost und West über
    Arbeit und Einkommen ihre persönliche Perspektive im
    vereinten Deutschland erfahrbar zu machen.


    (Beifall bei der SPD)

    Dafür darf ich fünf Bitten aussprechen, um die sozial-

    ökonomischen Grundlagen im Osten Deutschlands zu
    festigen:

    Lassen Sie uns mehr tun, um die schwache industri-
    elle Basis auszubauen. Helfen wir den Hunderttausenden
    Existenzgründern, die an Kapitalmangel und Zahlungs-
    verweigerung leiden. Stärken wir Kultur-, Sport- und
    Freizeitangebote als soziale Integrationshilfe gerade
    auch für Jugendliche. Verbessern wir die noch schwache
    Infrastruktur und ungenügende Lebensqualität vor allem
    in großen Wohngebieten.

    Stellen wir uns darauf ein, daß in benachteiligten Re-
    gionen noch etwa zehn Jahre Arbeitsförderungsmaß-
    nahmen und Ausbildungsprogramme nötig sein werden.

    Das alles ist zu schaffen. Es ist wenig, gemessen an
    unserer bisherigen Gemeinschaftsleistung; aber es wird
    schließlich ganz Deutschland dienen. Denn dieses Land
    muß leistungsfähig sein, um wirksam für Frieden und
    Menschenrechte in Europa und darüber hinaus einzu-
    treten.


    (Beifall bei der SPD)

    Lassen wir uns an diesem Tag dazu ermutigen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort für die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat der Kollege Michael
Glos.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Noch vor zehn Jah-
    ren war es für viele von uns ein Traum, daß die Teilung
    Berlins und die Teilung Deutschlands so schnell über-
    wunden werden könnten. Der Wettstreit der Systeme ist
    ganz klar entschieden: Die Menschen im Osten haben
    Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale
    Marktwirtschaft gewählt. Wir haben zu allen Zeiten
    immer daran geglaubt – das haben nicht alle in diesem
    Hause getan –: Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl
    konnten nicht das letzte Wort in der deutschen Ge-
    schichte sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Menschen in der damaligen DDR haben im

    Herbst 1989 ein großartiges Kapitel deutscher Ge-
    schichte geschrieben und durch ihre friedliche Revoluti-
    on in die Tat umgesetzt. Bei der ersten freien Volks-
    kammerwahl wurde den Kommunisten eine klare Absa-
    ge zuteil. Es wurde für die Einheit Deutschlands votiert.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe (Brandenburg)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit – inso-
    fern ist es ein ganz großer Tag –, daß wir heute im
    Reichstag in Berlin unsere Arbeit als frei gewähltes
    Parlament aufnehmen können. Ich erinnere mich sehr
    genau an die vielen Fraktionssitzungen, die insbesondere
    die CDU/CSU-Fraktion in diesem Gebäude abgehalten
    hat, oder an die vielen damaligen Ausschußsitzungen,
    als Autos der sowjetischen Militärkommission ständig
    um diesen Bau kreisten. Gerade wir von der CSU waren
    damals immer geschlossen vertreten und haben damit
    auch ein Bekenntnis unseres Glaubens an die Einheit
    Deutschlands abgelegt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es muß auch in dieser Stunde daran erinnert werden:

    Es war der verstorbene frühere Parteivorsitzende der
    CSU, Franz Josef Strauß, der die damalige Klage der
    Bayerischen Staatsregierung initiierte, mit der ein ent-
    sprechendes Urteil zum Grundlagenvertrag erstritten
    wurde und mit der die deutsche Einheit nicht nur histo-
    risch, sondern auch rechtlich offengehalten wurde.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben nie einen Zweifel an unserem Willen zur

    Wiedervereinigung gelassen. Die deutsche Währungs-
    union, die ein mutiger Schritt von Helmut Kohl und
    Theo Waigel gewesen ist, hat einen ganz entscheidenden
    Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung geleistet und
    hat sie unumkehrbar gemacht.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    In dieser historischen Stunde ist es angebracht, auch für
    diese Leistung ganz herzlich zu danken.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es!)


    Das deutsche Vaterland hat die volle innere und äußere
    Souveränität in Freiheit wiedererlangt. Ohne die Einbin-
    dung der Bundesrepublik Deutschland in die freiheitliche
    westliche Werte- und Verteidigungsgemeinschaft wäre
    dies alles in dieser Form sicherlich nicht erreichbar gewe-
    sen. Nun wissen wir, daß Bündnisse keine Schönwetter-
    veranstaltungen sind und daß unsere Solidarität und unser
    Einsatz im Bündnis jetzt gefordert sind. Wir werden uns
    als treue, verläßliche Bündnispartner erweisen.

    In vier Wochen, am 23. Mai, können wir mit Stolz
    auf den 50. Jahrestag der Verkündung des Grundgeset-
    zes der Bundesrepublik Deutschland zurückblicken. Das
    Bonner Grundgesetz war und ist ein Glücksfall für unser
    Land. Das Grundgesetz mit seinen demokratischen
    Spielregeln und seinem Katalog von Grundrechten stellt
    eine fundamentale Wertentscheidung für die Deutschen
    dar. Die Annahme unserer Verfassung war eine Ent-
    scheidung für die politische Freiheit und gegen den To-
    talitarismus. Sie war eine Entscheidung für den Rechts-
    staat und gegen die Gewaltherrschaft, und sie war vor
    allen Dingen eine Entscheidung für eine liberale und ge-
    gen eine kollektivistische Wirtschaftsordnung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD)


    – Das ist das, was Sie immer gewollt haben!

    Es war gut und richtig, nach dem Beitritt an unserer
    bewährten Verfassung festzuhalten. Auf dieser Grundla-
    ge werden wir auch die künftigen Herausforderungen
    bewältigen. Der Umzug von Parlament und Teilen der
    Regierung in die Bundeshauptstadt Berlin darf nicht als
    historische Zäsur verstanden werden. Die Zukunft ge-
    hört auch in Europa dem Föderalismus und nicht dem
    Zentralismus. Ich freue mich, daß der Bundeskanzler
    auch heute noch einmal ein Bekenntnis dazu abgelegt
    hat. Wir werden ihn auch in Zukunft daran messen.

    Wir sind ganz sicher: Die Länder sind das Fundament
    des Hauses Deutschland. Wir werden als CSU gerade in
    Berlin ein ganz besonderes Wächteramt hinsichtlich des
    Föderalismus ausüben. Deswegen müssen wir bei allen
    Entscheidungen in diesem Haus bedenken, daß die
    Kompetenzen der Länder gewahrt bleiben und nicht
    weiter ausgehöhlt werden. Sie müssen gestärkt werden.


    (Anke Fuchs [Köln] [SPPD]: Das haben Sie aber artig gesagt!)


    Wir müssen uns hüten, Frau Präsidentin, einer schlei-
    chenden Aushöhlung der Länderzuständigkeiten das
    Wort zu reden oder im Parlament sogar unsere Hand da-
    für zu erheben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein lebendiger Föderalismus ist in einer Zeit zuneh-

    mender Globalisierung wichtiger denn je. Wer allerdings
    ja zum Föderalismus sagt, der muß auch ja zum Wett-
    bewerbsföderalismus sagen; denn es ist ganz entschei-
    dend, daß diejenigen, die überdurchschnittliche An-
    strengungen unternehmen, von den Früchten der An-
    strengungen ein Stück profitieren können. Gleichmache-
    rei löst letztendlich kein Problem, und deswegen treten
    wir auch für den Wettbewerbsföderalismus ein.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dieser Wettbewerbsföderalismus ist nur richtig mög-
    lich, wenn es starke und leistungsfähige Bundesländer
    gibt. Deshalb brauchen wir in einem geeinten Europa
    der Nationen und Regionen klare Zuständigkeiten. Auch
    darüber muß in diesem Hause gestritten werden.

    Deutschland ist auf dem Wege der Vollendung seiner
    Einheit. Die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost
    und West ist weit vorangeschritten. Man kann sagen, das
    Glas sei halb voll oder halb leer. Für mich ist das Glas
    halb voll. Wahr ist: Insbesondere der wirtschaftliche Ei-
    nigungsprozeß ist schwieriger, als wir es uns alle vorge-
    stellt haben. Das lag aber auch daran, daß das Ausmaß
    der Zerstörung, die Kommunismus und real existieren-
    der Sozialismus ausgelöst haben, sehr viel größer gewe-
    sen ist, als wir es uns alle insgesamt vorgestellt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wahr ist auch: Die Solidarität in Deutschland ist ohne

    historischen Vergleich. Die Menschen in Ost und West
    leisten gleichermaßen Beispielloses. Der Prozeß der in-
    neren Einheit und des inneren Zusammenwachsens ist
    aber nicht nur eine Frage von Mark und Pfennig. Unsere
    Nation lebt von gemeinsamen geistigen und wertemäßi-
    gen Grundlagen. Eine dieser Grundlagen muß wieder

    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    stärker hervorgehoben werden. Wie wir in Umfragen le-
    sen, ist die Grundlage der Freiheit etwas in den Hinter-
    grund getreten. Ich glaube, daß das der falsche Weg ist.

    Eine freiheitliche Gesellschafts- und Wirtschaftsord-
    nung gründet auf Eigenverantwortung und Solidarität.
    Wer allerdings Solidarität erwartet, der muß auch bereit
    sein, Eigenverantwortung zu übernehmen. Das ist etwas,
    was wir den Menschen im Land wieder stärker ins Be-
    wußtsein rufen müssen, und zwar in beiden Teilen unse-
    res Landes.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Mahnung richtet sich auch an uns hier in diesem

    Haus: Politik, Staat und Gesellschaft, Schulen und In-
    stitutionen müssen wieder verstärkt Werte vermitteln,
    auf denen der moralische, politische und letztendlich
    auch wirtschaftliche Wiederaufbau nach 1945 gelungen
    ist.

    Eine weitere Mahnung, die wir beherzigen müssen:
    Gewalt darf in Deutschland niemals wieder eine Chance
    haben. Das müssen wir auch – heute ist soviel von unse-
    ren ausländischen Mitbürgern gesprochen worden – den
    ausländischen Mitbürgern und Gästen sagen, die in
    Deutschland leben. Vorhin hat der Kollege Schulz an-
    gemahnt – Wolfgang Schäuble hat am vergangenen
    Donnerstag, wie ich meine, zu Recht, noch einmal einen
    breiten Konsens bei der Staatsbürgerschaft gefordert –,
    vielleicht doch noch einmal Gespräche, auch außerhalb
    dieses Hauses, aufzunehmen, um in dieser existentiellen
    Frage zu einem Konsens zu kommen. Deswegen fordere
    ich namens der CDU/CSU-Fraktion die Bundesregie-
    rung noch einmal auf, in diese Gespräche einzutreten.
    Diese haben ganz viel mit der inneren Einheit unseres
    Landes zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Die Sie gespalten haben!)


    Es wird in diesen Tagen sehr bewußt: Das geeinte
    Deutschland übernimmt Verantwortung für Frieden,
    Freiheit und Menschenrechte in Europa. Auch künftig
    muß deshalb unser Platz immer an der Seite unserer
    westlichen Partner sein. Fünf Jahrzehnte ist Deutschland
    von Bonn aus regiert worden. Es waren fünf gute Jahr-
    zehnte für unser Vaterland. Der Wechsel vom Rhein an
    die Spree darf nicht mit einer Verschiebung der politi-
    schen Grundachse Deutschlands und seines politischen
    Koordinatensystems einhergehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Michael Stürmer sprach gestern in der „Welt am Sonn-
    tag“, sich auf Goethe berufend, von der Angst der Deut-
    schen vor einer Hauptstadt. Die CSU, wir alle haben
    keine Angst vor einer Hauptstadt. Wir sind selbstbewußt
    genug, zu wissen, daß es auch noch genügend andere
    Zentren gibt, die wir in Deutschland pflegen. Unser
    Land besteht aus dieser Vielfalt.
    Aber Berlin muß ebenso wie Bonn ein Synonym für in-
    nen- und außenpolitische Berechenbarkeit, für Konti-
    nuität und selbstverständlich für Liberalität werden und
    bleiben. Deswegen gibt es für mich keine „Berliner Re-
    publik“, genausowenig wie es je eine „Bonner Repu-

    blik“ gegeben hat. Es geht um die gemeinsame deutsche
    Republik, die wir insgesamt weiter pflegen und voran-
    bringen wollen.

    Ein Allerletztes. Mir gefällt dieses Haus, unser Berli-
    ner Parlament. Seien wir doch selbstbewußt genug, es so
    zu nennen, wie es die Leute nennen: Der Bundestag
    wird künftig im Reichstag tagen.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)