Rede von
Christian
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe
mich noch einmal versichert, daß meine Vorrednerin für
eine Partei der Regierungskoalition gesprochen hat. Die
Töne, die sie angeschlagen hat, passen nicht gerade zu
dem, was ihr Außenminister zu Beginn dieser Debatte in
eindrucksvollen Worten gesagt hat.
Wir jedenfalls unterstützen in tatsächlicher und rechtli-
cher Hinsicht das, was Bundesverteidigungsminister
Scharping auch zu rechtlichen Fragen dargelegt hat.
Ich möchte eines unterstreichen: Frau Kollegin Bun-
tenbach, Ihr Verdikt, die Weltordnung würde auf die
Zeit vor der Verabschiedung der Charta der Vereinten
Nationen zurückgeworfen, entbehrt jeder Realität, weil
die Lückenhaftigkeit dieser Ordnung – sie war schon in
ihrem Zustandekommen angelegt – bis heute nicht völlig
beseitigt ist. Ich bin dem Verteidigungsminister sehr
dankbar, daß er hier einige Fundstellen genannt hat, die
darauf durchaus bezogen werden können.
Gehen wir von der uns alle bewegenden Frage, wie
wir die Menschenrechte dort schützen können, über zur
Frage, welche Gefahren für den Frieden in Europa, für
Montenegro, möglicherweise für Albanien und für Ma-
zedonien von einer uneingedämmten Entwicklung im
Kosovo à la Milosevic ausgehen. Wir kommen zur Fra-
ge des europäischen Interesses an der Eindämmung ei-
nes solchen Konfliktes.
Die Gefahr der Internationalisierung, die nicht nur
theoretisch-abstrakt besteht, sondern seit dieser Woche
mit den Übergriffen auf albanische Dörfer praktisch ge-
worden ist, haben wir bereits vor einiger Zeit, bei unse-
ren Diskussionen im letzten Jahr, behandelt. Damals ha-
ben wir gesagt: Hinsichtlich einer tragfähigen Rechts-
grundlage kommen wir in die Reichweite des Art. 51 der
Charta der Vereinten Nationen, den Sie alle gut kennen.
Es geht dort um das Recht auf kollektive Selbstvertei-
digung, also um den Schutz vor Aggressionen.
In diesem Punkt stimmt das europäische Interesse
durchaus mit dem Interesse der Weltgemeinschaft über-
ein. Deswegen ist es nicht mehr als konsequent, daß der
Generalsekretär der Vereinten Nationen der NATO-
Initiative nicht widersprochen hat, sondern ganz im Ge-
genteil bereit ist, mit seinen Mitteln und Möglichkeiten
für eine Vermittlungsaktion zur Verfügung zu stehen.
Diese Aktion kann nur dann als vermittelnd bezeichnet
werden, wenn das Recht durchgesetzt wird. Nicht nur
die Tatsachen, sondern auch das Völkerrecht sprechen in
diesem Vorgehen der NATO für sich.
Man braucht hier kein schlechtes Gewissen zu haben.
Das schlechte Gewissen liegt bei Herrn Milosevic. Die
Schuld für die Toten liegt auch bei Herrn Milosevic.
Um aber der Gefahr einer stufenweisen Eskalation bis
hin zu einem Pulverfaß Balkan, das nicht nur in diesem
Jahrhundert, sondern auch schon in den vergangenen
Jahrhunderten viele Konflikte in Europa verursacht hat,
zu entgehen, müssen wir in unserem eigenen Frie-
densinteresse jetzt handeln. Daß es dabei keine Auto-
matik des Handelns geben darf gemäß der Vorstellung,
ein erster Schritt ist getan und im Sinne eines unerbittli-
chen Ablaufes müßte die Eskalation ad infinitum voran-
gehen, ist ein anderer Punkt. Die Politik muß nach wie
vor die Aktivitäten beherrschen und auch die Weisheit
und Klugheit besitzen, sie zu kanalisieren, wenn sie
nicht mehr kontrollierbar sind. Diese Frage ist nach
dem, was wir hören, berücksichtigt. Wir unterstützen die
Bundesregierung und das Bündnis, die NATO insge-
samt, in dieser Frage.
Wir wissen, daß bei allen weiteren Entscheidungen
der Bundestag noch einmal gehört werden und entschei-
den muß. Wir werden dann, wenn der Bundestag noch
einmal gefragt werden muß, in aller Sorgsamkeit und
mit Bedachtsamkeit autonom entscheiden, welche an-
gemessenen Möglichkeiten und welchen Rahmen wir
für unser Handeln im Kosovo sehen.
Herzlichen Dank.