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ID1403202500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/32 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 I n h a l t : Eintritt der Abgeordneten Gudrun Roos in den Deutschen Bundestag................................ 2619 A Nachträgliche Glückwünsche zum Geburts- tag der Abgeordneten Carl-Dieter Spran- ger, Dr. Martin Pfaff, Hans-Eberhard Ur- baniak ............................................................. 2619 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung des Bundesministers der Finanzen .................................................... 2619 B Präsident Wolfgang Thierse............................. 2619 C Hans Eichel, Bundesminister BMF............ 2619 D Dank an den ausgeschiedenen Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine .................... 2619 D Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Aktuelle Lage im Kosovo ......................... 2620 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2620 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2623 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 2627 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2629 C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2632 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2634 D Joseph Fischer, Bundesminister AA.......2638 B, 2641 D Dr. Gregor Gysi PDS................................... 2641 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bay- ern)................................................................... 2642 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2645 C Heidi Lippmann PDS................................... 2648 C Karl Lamers CDU/CSU................................... 2649 A Gernot Erler SPD............................................. 2650 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2653 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU.............. 2654 A Dr. Eberhard Brecht SPD ................................ 2654 D Otto Schily, Bundesminister BMI ..........2656 B, 2658 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 2658 B Nächste Sitzung ............................................... 2659 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2661 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2619 (A) (C) (B) (D) 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Bundesminister Otto Schily Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2661 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.4.99 Behrendt, Wolfgang SPD 15.4.99 * Belle, Meinrad CDU/CSU 15.4.99 Bindig, Rudolf SPD 15.4.99 * Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 15.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 15.4.99 * Dzembritzki, Detlef SPD 15.4.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 15.4.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 15.4.99 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 15.4.99 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15.4.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 15.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 15.4.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 15.4.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 15.4.99 * Hübner, Carsten PDS 15.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 15.4.99 Imhof, Barbara SPD 15.4.99 Irber, Brunhilde SPD 15.4.99 Jaffke, Susanne CDU/CSU 15.4.99 Jelpke, Ulla PDS 15.4.99 Dr. Jens, Uwe SPD 15.4.99 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 15.4.99 von Klaeden, Eckart CDU/CSU 15.4.99 Kolbow, Walter SPD 15.4.99 Lehn, Waltraud SPD 15.4.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 15.4.99 Manzewski, Dirk SPD 15.4.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 15.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Müller (Berlin), Manfred PDS 15.4.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 15.4.99 Neumann (Bramsche), Volker SPD 15.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 15.4.99 Ostrowski, Christine PDS 15.4.99 Raidel, Hans CDU/CSU 15.4.99 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 15.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 15.4.99 Schenk, Christina PDS 15.4.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 15.4.99 Schloten, Dieter SPD 15.4.99 ** Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 15.4.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 15.4.99 Schnieber-Jastram, Birgit CDU/CSU 15.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 15.4.99 Dr. Schwarz-Schilling, Christian CDU/CSU 15.4.99 Seiters, Rudolf CDU/CSU 15.4.99 Singhammer, Johannes CDU/CSU 15.4.99 Steen, Antje-Marie SPD 15.4.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 15.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 15.4.99 Vaatz, Arnold CDU/CSU 15.4.99 Wiefelspütz, Dieter SPD 15.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 15.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 15.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 15.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 15.4.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 15.4.99 Zapf, Uta SPD 15.4.99 ——————* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-lung des Europarates** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 2662 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 (A) (C) (B) (D) Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Mir liegt der Entschließungsantrag der PDS vor. Darin
    heißt es:

    Seit Aufnahme der Bombenangriffe der NATO auf
    die Bundesrepublik Jugoslawien hat sich die Lage
    der gesamten Zivilbevölkerung im Kosovo in ex-
    tremer Weise verschlimmert. Die mit der Kriegs-
    führung verbundene Brutalisierung hat zu massiven

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Flüchtlings- und Vertriebenenströmen aus dem Ko-
    sovo


    (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    in die übrigen Teile Jugoslawiens, nach Albanien
    und Makedonien sowie innerhalb des Kosovo selbst
    geführt.


    (Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

    Berichte über von serbischen Sicherheitskräften
    und paramilitärischen Verbänden an Zivilisten be-
    gangene Grausamkeiten häufen sich. Zivile Gebäu-
    de und Einrichtungen sowie die gesamte Infra-
    struktur sind erheblichen Zerstörungen ausgesetzt.

    Ich habe in diesem Antrag verzweifelt eine Verurtei-
    lung der Politik der ethnischen Kriegführung gesucht.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das ist doch damit verurteilt!)


    – Kollege Gysi sagt gerade, daß diese Beschreibung –
    der durch das Bombardement hervorgerufenen Brutali-
    sierungen – zugleich eine Verurteilung sei.


    (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich habe in diesem Antrag verzweifelt nach einer
    auch nur ansatzweise erkennbaren Verurteilung der Po-
    litik Milosevics gegenüber der albanischen Bevölkerung
    gesucht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Insofern ist meines Erachtens jede weitere Gegenrede
    überflüssig; ich empfehle die Lektüre dieses Antrags.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ich empfehle die Ablehnung!)


    Es ist ein Dokument, Herr Kollege Gysi, von dem ich
    nur sagen kann: Es ist das Dokument einer politischen
    Weißwäscherei. Das wird nicht gelingen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächster Redner hat das Wort der Ministerpräsident des
Freistaates Bayern, Edmund Stoiber.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine
    Herren! Die heutige Debatte in diesem Hohen Hause
    findet vor dem Hintergrund einer sehr schwierigen und
    menschlich zutiefst bedrückenden und außerordentlich
    gefährlichen Lage in Südosteuropa statt, der vielleicht
    schwierigsten außenpolitischen und sicherheitspoliti-
    schen Situation des wiedervereinigten Deutschland. Ich
    begrüße diese Debatte, die auf Anregung der
    CDU/CSU-Fraktion hier heute geführt wird, auch des-

    wegen sehr, weil unsere Bürgerinnen und Bürger inten-
    siv mit diesen außerordentlichen Belastungen leben. Sie
    erwarten natürlich nicht nur die offizielle Information
    durch die Regierung und die Parteien, sondern sie er-
    warten natürlich auch die Debatte in diesem Hause, um
    daraus Informationen zu ziehen.

    Seien Sie mir nicht böse, Herr Gysi, aber eines muß
    ich Ihnen schon vorhalten: Sie betreiben in der Tat eine
    zynische Friedensrhetorik. Deswegen kritisiere ich das.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Angesichts der dramatischen Herausforderung, die
    systematischen und organisierten Menschenrechtsver-
    letzungen im Kosovo zu beenden, stehen CDU und
    CSU geschlossen zu ihrer nationalen und europäischen
    Verantwortung. Wir stehen deshalb hinter der Entschei-
    dung der Bundesregierung, daß sich Deutschland am
    Einsatz der NATO zur Durchsetzung der Menschen-
    rechte im Kosovo mit militärischen Mitteln beteiligt.

    Dieses Bündnis setzt sich gerade als Wertegemein-
    schaft im Kosovo nachhaltig für die Wiederherstellung
    und Einhaltung der grundlegenden humanitären Prinzi-
    pien ein. Aus der Verantwortung vor der Geschichte
    wissen wir als Deutsche ganz besonders: Denjenigen,
    die diese Werte mißachten und denen Humanität, Tole-
    ranz und das Leben von Menschen nichts gelten, darf
    kein Freiraum gegeben werden.

    Die Solidarität des Bündnisses war gerade für
    Deutschland über Jahrzehnte hinweg in der Zeit des
    kalten Krieges von existenzieller Bedeutung, vor allem
    während der Berlin-Blockade und des Mauerbaus, als
    Deutschland in vorderster Linie stand. Zu dieser Solida-
    rität stehen wir voll und ganz. Diese Gemeinschaft ist
    nicht nur eine europäische, sondern auch eine atlantische
    Wertegemeinschaft. Die USA sind und bleiben deshalb
    ein entscheidender Eckpfeiler für Frieden und Sicherheit
    in Europa.

    Zugleich hat der Kosovo-Konflikt erneut deutlich
    gemacht, daß eine westeuropäische Friedensordnung
    allein nicht ausreicht, sondern eine gesamteuropäische
    Friedensordnung geschaffen werden muß. Diese Anlie-
    gen genießen heute erfreulicherweise einen noch höhe-
    ren Stellenwert in der Bevölkerung. Zu einer solchen
    Friedensordnung gehören die gewachsenen und be-
    währten Beziehungen zu unserem nordamerikanischen
    Bündnispartner.

    Bis auf die PDS gibt es eine nahtlose Solidarität in
    unserem Land mit unseren Bündnispartnern, auch wenn
    sich die Zustimmung zum Einsatz militärischer Mittel
    niemand leichtgemacht hat.

    Mit unseren Gedanken sind wir bei den Soldaten der
    Bundeswehr und der NATO, die ihren schwierigen
    Auftrag im Krisengebiet erfüllen, sowie bei deren An-
    gehörigen. Ich habe, weil nichts besser ist als persönli-
    che Information, mit den Soldaten im Lager Lechfeld
    gesprochen. Es ist in der Tat eine Belastung, wie sie im
    zivilen Leben überhaupt nicht vorkommen kann. Man
    kann sich nicht vorstellen, wie sich diese Menschen für
    uns, für die Menschenrechte einsetzen. Man kann das

    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    nicht oft genug wiederholen und den hohen Stellenwert
    hervorheben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Sie sind bereit, dafür größte persönliche Risiken auf
    sich zu nehmen. Deswegen mein herzlicher Dank in die-
    se Richtung.

    Es blieb der PDS und ihren Sympathisanten vorbe-
    halten, von einer „NATO-Aggression“ gegen Jugosla-
    wien zu sprechen und der Bundesregierung im „Neuen
    Deutschland“ imperialistische Absichten zu unterstellen.
    Ich will hier in dieser Stunde wirklich keine Polemik
    einführen, aber die SPD muß sich gerade heute ange-
    sichts der harten Wortwahl des Bundeskanzlers, der von
    der „fünften Kolonne Belgrads“ sprach, schon die Frage
    stellen lassen, wie sie mit einem solchen Partner politi-
    sche Bündnisse eingehen kann, der eine derartige Spra-
    che spricht und Einstellung vertritt,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    wenn es um den Einsatz gegen systematische Vertrei-
    bung und massenhaften Mord geht.

    Das menschenverachtende Regime Milosevics hat der
    Staatengemeinschaft letztlich keine andere Wahl gelas-
    sen, als nun als Ultima ratio den Verbrechen im Kosovo
    mit militärischen Mitteln entgegenzutreten. Den Kriti-
    kern, die demgegenüber die Verletzung der Souveräni-
    tätsrechte Jugoslawiens in den Vordergrund stellen
    – mein Vorvorredner hat das getan –, muß man entge-
    genhalten: Das Völkerrecht rückt zunehmend – das ist
    eine gute Entwicklung – den Schutz der Menschenrechte
    und des Lebens in den Mittelpunkt. Die Fixierung auf
    die Souveränität eines Staates verliert in Konfliktfällen
    an zentraler Bedeutung, wenn es um grundlegende
    menschliche Werte der Individuen und des Zusammen-
    lebens geht. Das gilt besonders, wenn man es mit men-
    schenverachtenden politischen Systemen zu tun hat.

    Seit zehn Jahren bringt Milosevic Unglück über die
    Völker Jugoslawiens. Mit seiner Rede auf dem Amsel-
    feld vor zehn Jahren, am 28. Juni 1989 – hier ist darauf
    hingewiesen worden –, entfesselte er vor 3 Millionen
    Menschen den Ungeist des aggressiven serbischen Na-
    tionalismus. Jahrelang ist mit ihm auf allen Ebenen ohne
    Ergebnisse über den Kosovo verhandelt worden. Das
    muß ich gerade an die Adresse derjenigen richten, die
    jetzt den militärischen Einsatz kritisieren. Europa würde
    seine Glaubwürdigkeit und seine Identität als ein Konti-
    nent verlieren, der sich gerade aus den Lehren der Ge-
    schichte unseres Jahrhunderts Frieden und Menschen-
    rechten verpflichtet weiß.

    Die militärische Komponente des NATO-Einsatzes
    ist kein Selbstzweck. Sie war und ist immer nur ein
    Mittel, ein Ende der systematischen Verletzung der
    Menschenrechte im Kosovo zu erzwingen. Der Einsatz
    militärischer Mittel ist ausschließlich zur Erreichung
    klarer politischer Ziele verantwortbar. Unser Ziel ist ei-
    ne dauerhafte Friedensordnung in Südosteuropa. Dieses
    Ziel ist nicht ohne Einbindung und Einbeziehung Ruß-
    lands zu erreichen. Deshalb muß – der Kollege Gerhardt

    hat völlig recht – jedes Gespräch genutzt werden, die eu-
    ropäische Mitverantwortung Rußlands deutlich zu ma-
    chen.

    Der Freistaat Bayern hat auf Grund der Situation nach
    Ende der Sowjetunion eine besondere Beziehung zu der
    Region Moskau. Ich hatte letzte Woche, vom 7. bis zum
    10. April, zusammen mit dem Kollegen Lamers auf
    Einladung des Moskauer Oberbürgermeisters Luschkow
    Gelegenheit zu einer lange geplanten Reise in die russi-
    sche Hauptstadt. Dieser Besuch fand nun im zeitlichen
    und im politischen Kontext der dramatischen Zuspitzung
    der Ereignisse in Jugoslawien statt.

    In dieser schwierigen Situation habe ich mich – ich
    sage das ganz deutlich – auch mit dem Bundeskanzler-
    amt und mit dem Außenminister abgestimmt. Es war in
    dieser besonderen Situation unser gemeinsames Ziel, das
    gute deutsch-russische Verhältnis, das besonders Helmut
    Kohl in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut hat, ge-
    rade in dieser angespannten Situation zu bewahren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieses gute Verhältnis ist für uns kein Gegensatz zu

    unserer atlantischen Solidarität. Dieses Verhältnis zwi-
    schen uns und den Russen ist für uns von größter Be-
    deutung und darf trotz der unterschiedlichen Bewertung
    des NATO-Einsatzes nicht beschädigt werden.

    Ich glaube, daß die These, die mein Vorvorgänger
    Franz Josef Strauß aus historisch bemerkenswerter Sicht
    schon zu Zeiten des kalten Krieges 1978 gegenüber Bre-
    schnew zum Ausdruck gebracht hat, auch heute noch
    richtig ist: Wenn das Verhältnis zwischen Rußland und
    Deutschland gut ist, dann ist das immer gut für die Men-
    schen in Rußland, in Deutschland und in Europa, und
    wenn die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern
    schlecht sind – leider waren sie im letzten Jahrhundert
    immer sehr schlecht, phasenweise sogar außerordentlich
    kritisch –, dann ist das schlecht für Europa und vor allen
    Dingen für die Menschen in Europa, in Deutschland, in
    Rußland und in allen anderen Ländern.

    Ich habe in Moskau deutlich gemacht, daß sich die
    politisch verantwortlichen Kräfte in Deutschland in die-
    ser Frage einig sind. Diese Gemeinsamkeit ist ein großes
    Gut. Es wäre geradezu fatal, wenn in unserer Bevölke-
    rung und im Ausland ein anderer Eindruck entstehen
    würde.

    In meinen Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten
    Primakow, mit dem Außenminister Iwanow, vor allen
    Dingen mit dem Moskauer Oberbürgermeister
    Luschkow, dem Vorsitzenden der Staatsduma Selesnjow
    und dem Vorsitzenden der Jabloko-Fraktion Jawlinskij
    ist für mich deutlich geworden: Erstens. Rußland ist
    ernsthaft darum bemüht, an der politischen Lösung die-
    ses Konfliktes mitzuwirken. Moskau verweigert sich
    nicht, auch wenn man sich dort, insbesondere zum da-
    maligen Zeitpunkt – zu Recht oder zu Unrecht – ausge-
    grenzt fühlte.

    Zweitens. Die russische Führung will sich nicht in ei-
    ne militärische Auseinandersetzung hineinziehen lassen,
    obwohl starke Kräfte im Land dies fordern.

    Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Drittens. Die Kritik an Milosevic nimmt deutlich zu.
    Die Menschenrechtsverletzungen werden zunehmend
    verurteilt, jedenfalls von der russischen Regierung und
    den demokratischen Kräften im Parlament.

    Viertens. Rußland zeigt Bereitschaft, sich aktiv an
    den Maßnahmen zu beteiligen, die zum Schutz der Men-
    schen im Kosovo und zur Wiederherstellung der
    Rechtsordnung notwendig sind. Das könnte die Beteili-
    gung russischer Soldaten an einer gemeinsamen interna-
    tionalen Schutztruppe bedeuten. Darüber wird ja erfreu-
    licherweise seit dieser Woche intensiv verhandelt.

    Fünftens. Aber mir wurde auch gesagt – und zwar
    von allen, einschließlich der Demokraten, einschließlich
    Jawlinskij – Rußland würde den Einsatz von Boden-
    kampftruppen der NATO als eine sehr ernste Entschei-
    dung mit weitreichenden Konsequenzen und Eskalati-
    onsgefahren ansehen.

    Die russische Regierung hat in der Krise bisher be-
    sonnen reagiert, trotz anderer Mehrheiten im Parlament,
    in der Duma. Dort verfügen die Kommunisten und die
    Nationalisten, die etwas ganz anderes als die Verant-
    wortlichen in der russischen Regierung wollen, über ei-
    ne große Mehrheit. Die Bereitschaft Rußlands, an einer
    politischen Lösung mitzuwirken, müssen wir ernst
    nehmen. Natürlich bin ich über deutliche Signale des
    Westens an Rußland froh, daß seine Mitverantwortung
    gerade in diesem Raum, zu dem es besondere historische
    und kulturelle Beziehungen hat, gebraucht wird.

    Ich bin überzeugt, daß die russische Regierung ange-
    sichts der innenpolitischen Lage in einer sehr schweren
    Situation wäre, wenn es zu einem Einsatz von NATO-
    Bodenkampftruppen im Kosovo käme. Aber auch dar-
    über hinaus wären mit einer solchen Entscheidung der
    NATO unkalkulierbare militärische Risiken verbunden.
    Es wird immer wieder gefragt: Warum sagen Sie das in
    der Situation? Sie signalisieren doch, daß wir es nicht
    ganz ernst meinen, Milosevic konsequent zum Rückzug
    zu bringen. – Nein, meine Damen und Herren, wir müs-
    sen die Dinge aussprechen, über die in der Bevölkerung
    außerordentlich intensiv diskutiert wird.

    Wir haben in der Bevölkerung Gott sei Dank – die
    neuen Zahlen werden heute abend wieder veröffentlicht
    – eine große Mehrheit, die hinter unseren Entscheidun-
    gen steht, Milosevic – das richtet sich nicht gegen die
    Serben insgesamt – zur Einhaltung der Menschenrechte
    mit militärischen Mitteln zu zwingen. Gleichzeitig hat
    eine große, eine überwältigende Mehrheit der deutschen
    Bevölkerung Sorge und Angst vor möglichen Einsätzen
    von – so nenne ich sie immer – Bodenkampftruppen.
    Dies spreche ich in diesem Hohen Haus, in dem Haus
    der Nation, sehr deutlich aus, damit die Menschen die
    Positionen kennen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein solcher Einsatz würde zwangsläufig gerade die

    politischen Optionen verbauen, die wir zur Lösung der
    Probleme benötigen. CDU und CSU haben sich deshalb
    ebenso wie die Bundesregierung klar gegen den Einsatz
    von Bodenkampftruppen der NATO in diesem Konflikt
    ausgesprochen. Wir dürfen keine Mittel einsetzen, die

    politische Lösungen erschweren oder sogar unmöglich
    machen und die wir in den Konsequenzen nicht beherr-
    schen können. Diesen Standpunkt müssen wir nicht nur
    hier, sondern auch innerhalb des Bündnisses immer
    wieder deutlich machen.

    Wir stehen in einer schicksalhaften Auseinanderset-
    zung und vor schwerwiegenden Entscheidungen, bei de-
    nen das Parlament als Vertretung unseres Volkes gefor-
    dert ist. Für den Fall – ich unterstreiche das, was der
    Kollege Schäuble gesagt hat –, daß eine Beteiligung
    deutscher Soldaten an einem NATO-Kontingent in Al-
    banien, über humanitäre Maßnahmen im engeren Sinne
    hinaus erwogen wird, gehe ich davon aus, daß dieses
    Hohe Haus darüber neu entscheidet. Ein solcher Be-
    schluß des Bundestages müßte Aufgaben und Grenzen
    des deutschen Beitrages zu diesem NATO-Kontingent in
    Albanien klar definieren.

    Jetzt schlägt die Stunde der Politik; das ist heute
    schon mehrfach angeklungen. Eine Lösung dieses Pro-
    blems kann nur auf der Basis – Herr Außenminister, Sie
    haben es angesprochen – von Kapitel VII der UN-Charta
    gefunden werden. Für diesen Vorschlag habe ich jeden-
    falls bei meinen Gesprächen in Rußland Aufgeschlos-
    senheit gespürt. Der jetzt vorgelegte Plan der Bundesre-
    gierung knüpft meines Erachtens in realistischer Weise
    an diese Signale aus Rußland an und enthält die unver-
    zichtbaren Bestandteile einer vor allem für die Men-
    schen im Kosovo notwendigen Friedenslösung.

    Unser Ziel muß es aber weiterhin sein, Präsident Mi-
    losevic zu zwingen, seine Truppen zurückzuziehen, den
    Völkermord und die Vertreibung der Bevölkerung zu
    beenden. Er muß den ersten Schritt zu einer Lösung des
    Konflikts machen und seine bewaffneten Einheiten ab-
    ziehen. Nur dann ist es möglich, daß die Opfer von Ge-
    walt und Vertreibung in ihre Heimat zurückkehren kön-
    nen. Eine Rückkehr dieser Flüchtlinge ohne Absiche-
    rung durch eine internationale Schutztruppe ist aller-
    dings nicht vorstellbar. Das ist immer wieder das Pro-
    blem. Natürlich sagen die Menschen ja zu einer Feuer-
    pause. Vielleicht kann man 24 Stunden, vielleicht zwei
    Tage verhandeln. Nur, wir haben doch Erfahrungen da-
    mit gemacht: Das wäre eine Niederlage der NATO und
    hätte unabsehbare Konsequenzen. Deswegen sage ich es
    noch einmal: Den Schlüssel für den Frieden hat Milose-
    vic und niemand anderes in der Hand.

    Bis zu einer gesicherten Rückkehr der Flüchtlinge
    muß die internationale Staatengemeinschaft die unsägli-
    che Not und das Leid dieser Flüchtlinge lindern, soweit
    dies irgendwie möglich ist. Vorrangig muß dabei dafür
    gesorgt werden, daß diese Menschen möglichst in der
    Nähe ihrer Heimat untergebracht werden. Albanien und
    Mazedonien, die selbst unter großer Not leiden, leisten
    hier Außerordentliches und Beispielhaftes. Es muß eine
    Selbstverständlichkeit sein, daß die westlichen Indu-
    striestaaten diesen Ländern bei der Lösung dieser großen
    humanitären Aufgabe helfen und sie massiv unterstüt-
    zen. Jeder ist an seiner Stelle gefordert. Als Beitrag zur
    Linderung der Not hat beispielsweise der Freistaat Bay-
    ern vor zwei Tagen beschlossen, 10 Millionen DM für
    humanitäre Hilfsmaßnahmen in diesen Ländern zur Ver-
    fügung zu stellen.

    Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber






    (A) (C)



    (B) (D)


    Militärische Solidarität im Bündnis, Herr Bundes-
    kanzler und Herr Außenminister, verlangt auch humani-
    täre Solidarität. Es darf nicht geschehen, daß Deutsch-
    land wie im Konflikt in Bosnien-Herzegowina die über-
    wiegende Zahl der Flüchtlinge aufnimmt und die damit
    verbundenen Belastungen alleine trägt. Es darf sich
    nicht wiederholen, daß wir mehr aufnehmen als alle an-
    deren großen und kleinen Länder in der Europäischen
    Union zusammen. Soweit eine Unterbringung in den
    Nachbarstaaten nicht möglich ist, müssen andere Staaten
    Flüchtlingskontingente aufnehmen. Deutschland hat bis-
    her die Aufnahme von 10 000 Kosovo-Flüchtlingen zu-
    gesagt. Wir vermissen aber gleichwertige Beiträge ande-
    rer großer europäischer Partner.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will, meine Damen, meine Herren, auch darauf

    hinweisen – ich weiß daß das schwierig ist –, welchen
    Eindruck ich bei der Landung der Menschen aus Alba-
    nien in Nürnberg hatte. Natürlich stand nach ihrer Lan-
    dung eine große Zahl von Ärzten und Pflegern bereit,
    um die Flüchtlinge medizinisch und psychologisch zu
    betreuen. Das war – ich sage: Gott sei Dank – erstaunli-
    cherweise überhaupt nicht nötig. Diejenigen, die dort
    gelandet sind, sind meines Erachtens mit Sicherheit
    nicht diejenigen, die Hilfe am nötigsten brauchen. Da
    haben sich vielleicht einige vorgedrängelt; vielleicht
    wird auch das eine oder andere über den Tisch gescho-
    ben. Wir müssen die Ressourcen unseres Landes für die
    wirklich Bedürftigen verwenden, also für die Kranken,
    die Alten und die Pflegebedürftigen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Deswegen geht meine herzliche Bitte und Aufforde-
    rung dahin, in diese Richtung zu wirken.

    So dringlich die Lösung des aktuellen Konflikts ist,
    so wichtig ist auch eine langfristig angelegte Konzeption
    zur Herstellung einer stabilen und dauerhaften Friedens-
    ordnung in Südosteuropa. Dazu müssen sich alle Mächte
    Europas an den Verhandlungstisch setzen, nicht nur die
    unmittelbar betroffenen Staaten der Region.

    Am Ende des 20. Jahrhunderts ist es für Deutschland
    und für die europäische Staatengemeinschaft eine her-
    ausragende Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen,
    unter denen die Völker Südosteuropas eine Perspektive
    für eine gemeinsame friedliche Zukunft haben.

    Die Tür zum Frieden hat sich in den letzten Tagen ein
    ganz klein wenig geöffnet. Ein kleiner Spalt ist sichtbar.
    Jetzt müssen die NATO und Europa, jetzt müssen wir
    alle zeigen, daß wir in der Lage sind, europäische Pro-
    bleme zu lösen.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.)