Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesaußenminister,
ich habe festgestellt, daß Sie den Weg der Sachlichkeit
verlassen und persönlich werden. Es ist richtig: Ich habe
über Ostern ein paar Tage Urlaub gemacht, wenn auch
nicht in Gran Canaria. Ich glaube, daß mir das nach weit
mehr als einem Jahr ohne Urlaub auch zustand. Das muß
ich mir von Ihnen nicht vorwerfen lassen – schon gar
nicht von Leuten, die ständig in der Toskana Urlaub ma-
chen.
Was also soll das?
Nun zu unserer sachlichen Differenz: Sie haben sich
hier gegen Vertreibung, gegen Morden, gegen Nationa-
lismus ausgesprochen. Etwas anderes hat auch in der
PDS nie jemand getan, und wir werden das weiterhin
tun. Es gibt nicht die Alternative: das eine, was Sie
wollen, oder Krieg. Das ist einfach ein falscher Ansatz.
Herr Fischer, sagen Sie mir: Haben Ihre Bomben Ver-
treibung verhindert? Welche Bombe hat das Leid eines
einzigen Kosovo-Albaners auch nur gelindert?
Seit neun Jahren reise ich durch Europa. Es ist das er-
ste Mal, daß ich wieder eine richtig antiamerikanische,
eine richtig antideutsche, eine richtig antiwestliche
Stimmung in der Bevölkerung gespürt habe. Das wird
wiederum die Generation nach uns austragen müssen.
Wir wissen, daß es dieselben Stimmungen auch in der
russischen Bevölkerung gibt. Es geht doch nicht immer
nur um die Regierungen – die sind doch gar nicht wich-
tig –, es geht um die Bevölkerung. Bisher ist kein einzi-
ger Verantwortlicher in Jugoslawien durch eine Bombe
gestorben.
Darf ich Sie fragen, was ein Albaner davon hat, wenn
Arbeiter einer Nachtschicht wie die in jenem Pkw-Werk
verletzt werden? Der Krieg ist einfach das falsche
Mittel; damit lösen wir kein einziges humanitäres Pro-
blem.
Sie haben am Anfang gesagt, Sie wollen bombardie-
ren, damit Milosevic unterschreibt. Ich habe gesagt, ich
glaube nicht, daß er unterschreibt. Ich habe leider recht
behalten. Sie haben gesagt, Sie wollen bombardieren,
um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo zu ver-
hindern. Ich habe gesagt, ich glaube nicht, daß man sie
zum Beispiel dadurch verhindern kann, daß man das
Zentrum von Pristina völlig zerbombt. Ich glaube viel-
mehr, daß das die Katastrophe zuspitzt. – So ist es ge-
kommen. Alles ist danach schlimmer geworden; nichts
ist danach besser geworden.
Jetzt sagen Sie: Die Bomben sollen das Morden im
Kosovo verhindern. Aber Sie können doch nicht Pisto-
len, Messer, Gewehre aus den Händen bomben. Auch
das wird nicht funktionieren. Deshalb sage ich: Die
Bomben haben noch keinem einzigen Albaner geholfen,
und deshalb stimmt Ihre ganze Logik nicht. Wir brau-
chen andere Ansätze, wenn wir Menschenrechte wirk-
lich durchsetzen wollen.
Die Demokratiebewegung in Serbien ist inzwischen
völlig kaputtgemacht worden. Dort steht man jetzt ge-
schlossen gegen die NATO und gegen den Westen. Das
ist eine Tatsache. Ich sage jetzt: Das ist noch verstärkt
worden. Wir hatten große Ansätze für eine Demokratie-
bewegung in Jugoslawien. Heute gibt es sie überhaupt
nicht mehr. Das ist das Problem.
In bezug auf alle die Ziele, von denen Sie vorgeben,
daß sie durch Ihre Mittel erreicht würden, muß man sa-
gen: Damit wird kein einziges Ziel erreicht; sie werden
alle nur beschädigt. Das ist die Wahrheit.