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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/32 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 I n h a l t : Eintritt der Abgeordneten Gudrun Roos in den Deutschen Bundestag................................ 2619 A Nachträgliche Glückwünsche zum Geburts- tag der Abgeordneten Carl-Dieter Spran- ger, Dr. Martin Pfaff, Hans-Eberhard Ur- baniak ............................................................. 2619 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung des Bundesministers der Finanzen .................................................... 2619 B Präsident Wolfgang Thierse............................. 2619 C Hans Eichel, Bundesminister BMF............ 2619 D Dank an den ausgeschiedenen Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine .................... 2619 D Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Aktuelle Lage im Kosovo ......................... 2620 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2620 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2623 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 2627 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2629 C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2632 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2634 D Joseph Fischer, Bundesminister AA.......2638 B, 2641 D Dr. Gregor Gysi PDS................................... 2641 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bay- ern)................................................................... 2642 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2645 C Heidi Lippmann PDS................................... 2648 C Karl Lamers CDU/CSU................................... 2649 A Gernot Erler SPD............................................. 2650 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2653 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU.............. 2654 A Dr. Eberhard Brecht SPD ................................ 2654 D Otto Schily, Bundesminister BMI ..........2656 B, 2658 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 2658 B Nächste Sitzung ............................................... 2659 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2661 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2619 (A) (C) (B) (D) 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Bundesminister Otto Schily Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2661 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.4.99 Behrendt, Wolfgang SPD 15.4.99 * Belle, Meinrad CDU/CSU 15.4.99 Bindig, Rudolf SPD 15.4.99 * Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 15.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 15.4.99 * Dzembritzki, Detlef SPD 15.4.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 15.4.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 15.4.99 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 15.4.99 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15.4.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 15.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 15.4.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 15.4.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 15.4.99 * Hübner, Carsten PDS 15.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 15.4.99 Imhof, Barbara SPD 15.4.99 Irber, Brunhilde SPD 15.4.99 Jaffke, Susanne CDU/CSU 15.4.99 Jelpke, Ulla PDS 15.4.99 Dr. Jens, Uwe SPD 15.4.99 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 15.4.99 von Klaeden, Eckart CDU/CSU 15.4.99 Kolbow, Walter SPD 15.4.99 Lehn, Waltraud SPD 15.4.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 15.4.99 Manzewski, Dirk SPD 15.4.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 15.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Müller (Berlin), Manfred PDS 15.4.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 15.4.99 Neumann (Bramsche), Volker SPD 15.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 15.4.99 Ostrowski, Christine PDS 15.4.99 Raidel, Hans CDU/CSU 15.4.99 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 15.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 15.4.99 Schenk, Christina PDS 15.4.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 15.4.99 Schloten, Dieter SPD 15.4.99 ** Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 15.4.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 15.4.99 Schnieber-Jastram, Birgit CDU/CSU 15.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 15.4.99 Dr. Schwarz-Schilling, Christian CDU/CSU 15.4.99 Seiters, Rudolf CDU/CSU 15.4.99 Singhammer, Johannes CDU/CSU 15.4.99 Steen, Antje-Marie SPD 15.4.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 15.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 15.4.99 Vaatz, Arnold CDU/CSU 15.4.99 Wiefelspütz, Dieter SPD 15.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 15.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 15.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 15.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 15.4.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 15.4.99 Zapf, Uta SPD 15.4.99 ——————* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-lung des Europarates** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 2662 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 (A) (C) (B) (D) Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege
    Gysi, Ihre Rede hat nicht nur eine große Verwirrung der

    Politik in Ihrem Kopf gezeigt, sondern auch eine Ver-
    wirrung der Werte,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    auf denen dieses Europa seit 1945 Gott sei Dank steht.
    Wenn Sie sich hier als Friedenslogiker hinstellen – ge-
    stern war mit Lukaschenko noch ein weiterer Friedens-
    logiker in Belgrad –,


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Der war auch schon in Hannover!)


    dann kann ich Ihnen nur sagen: Krieg, Herr Kollege Gy-
    si, ist eine furchtbare Sache.

    Das Furchtbare am Krieg ist, daß er auch und vor al-
    len Dingen die Unschuldigen trifft. Aber vor dem Hin-
    tergrund der historischen Erfahrung, die unser Land ge-
    macht hat, daß es den furchtbarsten Krieg auf dem Kon-
    tinent, den furchtbarsten Krieg in der Geschichte zu ver-
    antworten hat, haben die Europäer nach 1945 durch eine
    werteorientierte, an Demokratie, Frieden und der Herr-
    schaft des Rechts orientierte Antwort für alle beteiligten
    europäischen Nationen in Westeuropa – und seit dem
    Ende des Kalten Krieges mittlerweile auch in Gesamt-
    europa – Erfolge erzielt. Diese Antwort ist die Grund-
    lage eines dauerhaften Friedens, der nicht auf Unterwer-
    fung und nicht auf einer menschenverachtenden Ideolo-
    gie beruht.

    Was Sie gemacht haben, ist keine Friedenslogik. Bert
    Brecht nennt dies das Geschäft des Weißwäschers. Das
    möchte ich Ihnen klipp und klar sagen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir sind am Ende einer Entwicklung angelangt, die
    1989 im Kosovo begonnen hat.


    (Widerspruch bei der PDS)

    Dort hat Milosevic das Autonomiestatut aufgehoben.
    Dort nahm die großserbische Ideologie ihren Anfang,
    die wesentlich zur Zerstörung Jugoslawiens beigetragen
    hat. Die Blutspur führt bis heute über mehr als 200 000
    unschuldige Menschen. Diese kommen in Ihrer Rede
    nicht vor. Sie sprechen vom Völkerrecht. Ich frage Sie:
    Wo ist das Recht der Ermordeten in den Massengrä-
    bern? Wo ist bei Ihnen das Recht der vergewaltigten
    Frauen? Wo ist das Recht der Vertriebenen?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich sage das als jemand, der sich weiß Gott – Kollege
    Gerhardt hat ein Recht darauf, dies anzusprechen –
    schwer damit getan hat, diese Pest der europäischen
    Vergangenheit, einen großserbischen Nationalismus wie
    den, den wir mit dem großdeutschen Nationalismus auch
    hatten, diese Form, die darauf setzt, daß das eigene Volk
    das wichtigste ist und deswegen andere Völker vertrie-
    ben, unterdrückt und massakriert werden dürfen, zu ak-
    zeptieren. Das hatten wir auch. Ich hatte wirklich
    Schwierigkeiten damit, zu akzeptieren, daß dies wieder
    da ist, daß dies eine rohe Form von Faschismus ist. Das

    Dr. Gregor Gysi






    (A) (C)



    (B) (D)


    Europa der Demokratie kann diese rohe Form des Fa-
    schismus nicht akzeptieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich frage Sie: Wo sind die mehreren tausend Männer aus
    Srebrenica? In welchem Massengrab liegen sie? Wer
    trägt dafür die Verantwortung?

    Sie mögen den Plan nennen, wie Sie wollen. Ent-
    scheidend ist doch die Frage, daß es bereits im letzten
    Jahr angefangen hat. Lesen Sie doch die Biographien der
    heute nach Deutschland gekommenen Familien, ihre
    Vertreibungsgeschichten. Lesen Sie sie doch! Dann
    werden Sie feststellen: Es ging im letzten Jahr los, bei
    manchen sogar im Frühjahr letzten Jahres.

    Wir hatten 300 000 Binnenvertriebene, das heißt,
    die Sache war bereits in vollem Gange. Seselj, der stell-
    vertretende Ministerpräsident in der Regierung, will und
    wollte das albanerfreie Kosovo. Das wurde dann umge-
    setzt. Es kam dann zur Bombendrohung der NATO, der
    wir alle nur schweren Herzens zugestimmt haben. Es
    kam zu einem Stillstand. Es gelang, die humanitäre Ka-
    tastrophe zu unterbrechen – leider nur zu unterbrechen.
    In der Endphase von Rambouillet hatten wir bereits
    65 000 neue Vertriebene. Die Aufstellung des serbi-
    schen Militärs ist heute nachzuvollziehen. Es läuft nach
    der Devise, die sattsam bekannt ist: Das Militär macht
    die militärische Arbeit. Anschließend kommen die Son-
    dereinheiten – fast hätte ich gesagt: die „Einsatzgrup-
    pen“ – des MUP und der Paramilitärs, die dann das
    schmutzige Geschäft der Vertreibung erledigen.

    Hätten Sie es für möglich gehalten, daß eine Kriegs-
    führung wie die der Belgrader Regierung wieder mög-
    lich wird, mit Deportation – ich wiederhole: Deporta-
    tion –, also mit zwangsweiser Zusammenführung nach
    dem Motto: rein in die Züge, raus aus dem Land? Hätten
    Sie es für möglich gehalten, daß eine Großstadt wie
    Pristina im Jahre 1999 Gegenstand von Krieg,
    Kriegspolitik und von Vertreibungspolitik einer Regie-
    rung in Europa ist? Ich hätte das nicht für möglich ge-
    halten, aber es ist bitteres, blutiges Faktum, Herr Kol-
    lege Gysi.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es geht hier um die Frage: In welchem Europa wol-
    len wir in Zukunft leben? Da sind wir an einem Punkt
    angekommen, wo wir nicht weiter zurückkönnen. Ihnen
    müssen doch die ganzen Spanienlieder, die Sie so seli-
    gen Auges mit Ernst Busch gesungen haben, im Halse
    stecken bleiben. „No passarán“, hieß es.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Sie beziehen sich doch auf eine Tradition, in der am
    Manzanares mit der Waffe in der Hand – leider nicht er-
    folgreich, aber mit großem kämpferischem Einsatz –
    1936 bis 1938 versucht wurde, die spanische Republik
    zu verteidigen. Und heute? Heute machen Sie sich hier

    zum Weißwäscher der Politik eines neuen Faschismus,
    der auf Vertreibung und ethnische Reinheit für eine
    großserbische Politik setzt. Mit linker Politik und Frie-
    denslogik hat das nichts zu tun.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich habe es vorhin gesagt: Es steht hier das Europa
    des Nationalismus – wenn wir diesem nachgeben, dann
    werden wir das Erreichte der vergangenen fünf Jahr-
    zehnte in Frage stellen – gegen das Europa der Integrati-
    on. Festigkeit auf der einen Seite und die Bereitschaft,
    den Weg zum Frieden in jedem Augenblick zu betreten
    auf der anderen Seite, müssen unsere Haltung kenn-
    zeichnen.

    Die Festigkeit stellt sich im westlichen Bündnis in
    den fünf Punkten unseres Friedensplanes dar. Für uns
    ist unannehmbar – darüber kann und darf nicht verhan-
    delt werden, weil dies hieße, es zu akzeptieren –, daß
    sich eine Politik der ethnischen Kriegsführung gegen die
    Zivilbevölkerung durchsetzt. Für uns ist unabdingbar,
    daß alle Flüchtlinge, alle Vertriebenen, alle Deportierten
    in einen friedlichen und demokratischen Kosovo – ohne
    Bedingungen und ohne Einschränkungen – zurückkeh-
    ren können müssen. Dies ist nur möglich, wenn alle ser-
    bischen Einheiten, alle bewaffneten Einheiten der Bun-
    desrepublik Jugoslawien, alle Sonder- und Polizeiein-
    heiten und Paramilitärs abziehen. Die Menschen werden
    nicht zurückkehren, wenn die Mörder im Lande bleiben.
    Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Aber es geht nicht nur um einen völligen Abzug, son-
    dern gleichzeitig gilt auch: Wir brauchen eine robuste
    internationale Friedenstruppe mit einem klaren Auftrag,
    um diese Menschen in einem friedlichen, multiethni-
    schen Kosovo tatsächlich zu schützen. Das sind die
    Punkte, auf die sich die internationale Staatengemein-
    schaft verständigt hat.

    Die Europäische Union – ich möchte hinzufügen:
    auch und gerade die neutralen Länder in der Union –
    trägt diesen Entschluß mit. Für mich ist besonders wich-
    tig, daß im Beschluß der Außenminister auch steht, daß
    die Europäische Union nicht bereit ist, den Erfolg einer
    Politik der Deportation und der Zerstörung eines Volkes
    aus brutalen nationalistischen Gründen zu akzeptieren.

    Die Europäische Union, die NATO und auch der VN-
    Generalsekretär – das halte ich für sehr wichtig – stehen
    zu diesen fünf Punkten. Das sind auch die Ziele, für die
    unsere Soldaten gegenwärtig kämpfen, für die sie bereit
    sind, ein sehr, sehr großes Risiko einzugehen. Ich
    möchte unseren Soldaten dafür danken.

    Ihnen, Kollege Gysi, möchte ich eines sagen: Sie ha-
    ben als Oppositionsabgeordneter natürlich ein Recht auf
    Urlaub. Ich finde es aber ziemlich übel, wenn Sie mit
    Umweg über Belgrad direkt von Gran Canaria kommen
    und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern humanitärer
    Hilfsorganisationen, des Auswärtigen Amtes und des
    Innenministeriums vorwerfen, sie hätten versagt, sie
    hätten sich nicht auf Milosevics Kriegsführung vorbe-

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    reitet, die Bundesregierung habe nicht mobilisiert, wir
    seien auf die Spenden der Menschen angewiesen. Ich
    bin froh, daß die Menschen spenden.


    (Beifall bei der SPD und der F.D.P.)

    Und ich kann Ihnen sagen: Die Bundesregierung, die
    Europäische Union und der UNHCR haben seit Beginn
    der Vertreibung rund um die Uhr gearbeitet. Wir haben
    es nicht nötig, uns nachher von einem Abgeordneten,
    der sich im Urlaub befunden hat, beschimpfen zu lassen.
    Das will ich Ihnen im Namen der Mitarbeiterinnen und
    Mitarbeiter sagen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der PDS)


    – Entschuldigen Sie, daß ich hier persönlich und emo-
    tional reagiere. Ich möchte Ihnen aber einmal klipp und
    klar sagen: Ich habe erlebt, daß die Mitarbeiterinnen und
    Mitarbeiter aller Ministerien, auch der nachgeordneten
    Behörden, der Bundeswehr wie auch der zivilen Teile
    unserer Staatsverwaltung, der Europäischen Union, aber
    auch des UNHCR von Beginn an rund um die Uhr gear-
    beitet und Großartiges in bezug auf die Abwehr dieser
    humanitären Katastrophe geleistet haben. Sie müssen
    schon entschuldigen, daß ich Ihre Kritik dann als zutiefst
    ungerecht zurückweise.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU])


    Meine Damen und Herren, eines muß völlig klar sein:
    Wir werden im westlichen Bündnis nicht mehr den
    Worten von Herrn Milosevic trauen, sondern nur noch
    seinen Taten. Eine einseitige Verkündung einer Waffen-
    ruhe würde nur zu unendlichen Verhandlungen mit dem
    Ergebnis führen, daß Herr Milosevic seine Politik der
    ethnischen Kriegsführung gegen die kosovo-albanische
    Bevölkerung durchsetzen würde. Eine einseitige Vorlei-
    stung kann es nicht geben.

    Wir sind uns im Bündnis einig, daß es wichtig ist, ei-
    ne Resolution des UN-Sicherheitsrats zu bekommen.
    Da sich aber der Abgeordnete Gysi hier hingestellt und
    gefragt hat: Warum habt ihr das nicht von Anfang an
    gewollt?, muß ich sagen: Wir haben es von Anfang an
    gewollt, Kollege Gysi. Rußland ins Boot zu holen ist
    wichtig. Rußland ins Boot zu holen heißt aber, daß
    Rußland seine Blockadehaltung im Sicherheitsrat der
    Vereinten Nationen aufgibt. Und genau daran arbeiten
    wir. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, daß es un-
    erläßlich ist, auf der Grundlage einer VN-Resolution ei-
    nen politischen Lösungsansatz zu suchen; nur dies be-
    deutet den Einschluß Rußlands. Es liegt aber an Ruß-
    land, seine Blockadehaltung aufzugeben. Genau darüber
    läuft gegenwärtig eine, wie ich finde, sehr konstruktive
    Diskussion.

    Die Friedensinitiative muß davon ausgehen, daß es
    keine einseitigen Vorleistungen geben kann und darf.
    Nach einer VN-Sicherheitsratsresolution nach Kapi-
    tel VII muß Belgrad das Angebot gemacht werden, in-
    nerhalb einer bestimmten Frist alle seine Truppen aus
    dem Kosovo zurückzuziehen. Erst wenn mit diesem

    Rückzug verifizierbar begonnen wird, nicht vorher –
    dies zu begreifen ist wichtig –, halte ich eine einseitige
    Waffenruhe für notwendig. Wird der Rückzug innerhalb
    dieser Frist abgeschlossen, halte ich eine dauerhafte
    Waffenruhe für notwendig.

    Als nächster Schritt wird die Implementierung einer
    internationalen Friedenstruppe, gründend auf einer
    entsprechenden VN-Sicherheitsresolution nach Kapi-
    tel VII, erfolgen. Sie wird eine sehr starke NATO-
    Komponente beinhalten müssen – das wird sowohl von
    der militärischen als auch von der politischen Seite her
    nicht anders gehen können –, unter Einschluß Rußlands,
    unter Einschluß der neutralen Staaten innerhalb der EU
    und unter Einschluß der Ukraine, die ebenfalls eine sehr
    wichtige Funktion hat. Mit Implementierung der inter-
    nationalen Friedenstruppe wird es auch zu einer Rück-
    kehr der humanitären Organisationen kommen können
    und damit zu einer Rückkehr der Flüchtlinge in ein mul-
    tiethnisches, friedliches Umfeld im Kosovo.

    Das sind die Ziele, das ist der Plan. Das ist keine Ka-
    pitulation Belgrads, sondern ein faires Angebot.

    Darüber hinaus wollen wir einen „Stabilitätspakt
    südlicher Balkan“ erreichen, der die ganze Region sta-
    bilisiert und eine Perspektive hin zum Europa der Inte-
    gration eröffnet. Es wird um drei Körbe gehen: erstens
    um die Sicherheit aller – um die Sicherheit der Grenzen,
    um die Sicherheit der Minderheiten und um die Herr-
    schaft des Rechts statt der Gewalt –; zweitens um die
    wirtschaftliche Entwicklung hin zum Europa der Inte-
    gration – ein langfristiger Prozeß, bei dem wir in der
    Verantwortung stehen –; drittens um Demokratie, um die
    demokratische Implementierung von Institutionen und
    eine demokratische Zivilgesellschaft in dieser Region.

    Alle Nachbarstaaten in dieser Region haben auf die
    Vorschläge der deutschen Präsidentschaft sehr, sehr
    positiv reagiert. Die Voraussetzung dafür ist allerdings,
    daß die Politik des Europas der Integration in dieser Re-
    gion Einzug hält. Dazu gehört für uns, so betone ich,
    auch und gerade das serbische Volk. Serbien wird von
    Milosevic zerstört. Das ist eine große Tragödie. Das ser-
    bische Volk hat selbst am meisten unter Milosevic zu
    leiden. Die großserbischen Versprechen werden in ei-
    nem Rumpfserbien enden; das ist eine große Tragödie.
    Wir dürfen nicht müde werden, zu erklären: Dieser
    Krieg richtet sich nicht gegen das serbische Volk. Das
    serbische Volk gehört zu Europa. Wir müssen ihm den
    Weg zurück nach Europa in Frieden wieder eröffnen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir haben mit dieser Friedensinitiative klargemacht,
    daß wir nicht bereit sind, einer Eskalationsautomatik,
    wie sie vor allem Milosevic betreibt, zu folgen. Die
    Politik muß in diesem Konflikt, den wir alle nicht woll-
    ten, die Verteidigung der Menschenrechte, die Freiheit,
    das Europa der Integration bestimmen. Das muß auch in
    Zukunft gelten. Keine Eskalationsautomatik, aber auch
    kein Beugen der Knie vor einer Politik der ethnischen
    Säuberung! Dies muß und wird der Vergangenheit an-
    gehören.

    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    Eines sage ich Ihnen klipp und klar: Wenn Sie nicht
    wollen, daß die nächste blutige Runde in Montenegro, in
    Mazedonien stattfindet, dann muß im südlichen Balkan
    die Logik des Krieges gebrochen werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es wird dort nur dann Frieden geben, wenn die Logik
    der ethnischen Säuberung gebrochen wird, wenn das
    Vertreiben, wenn der Nationalismus dort endgültig eine
    Niederlage erleidet.

    Diese Niederlage werden wir Milosevic nicht erspa-
    ren können und nicht ersparen dürfen. Wenn er Frieden
    will, kann er jetzt unser Friedensangebot annehmen.
    Wenn er Frieden will, dann ist die Rückkehr für Serbien
    in ein Europa der Integration und des Friedens offen.
    Wir haben ein Friedensangebot gemacht. Die Antwort
    liegt jetzt bei Milosevic. Wenn diese Antwort weiter
    Krieg bedeutet, dann, so kann ich Ihnen nur sagen, wird
    er auf die Festigkeit, die Entschlossenheit und Geschlos-
    senheit des Westens, der europäischen und der transat-
    lantischen Staatengemeinschaft treffen. Die Bundesre-
    publik Deutschland wird an diesem Punkt nicht wanken
    und nicht wackeln. Wir sind davon überzeugt: Wenn wir
    hier nachgeben würden, würden wir nicht Frieden be-
    kommen, sondern eine weitere blutige Runde des Krie-
    ges.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zu einer
Kurzintervention von höchstens drei Minuten hat der
Kollege Gysi das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Bundesaußenminister,
    ich habe festgestellt, daß Sie den Weg der Sachlichkeit
    verlassen und persönlich werden. Es ist richtig: Ich habe
    über Ostern ein paar Tage Urlaub gemacht, wenn auch
    nicht in Gran Canaria. Ich glaube, daß mir das nach weit
    mehr als einem Jahr ohne Urlaub auch zustand. Das muß
    ich mir von Ihnen nicht vorwerfen lassen – schon gar
    nicht von Leuten, die ständig in der Toskana Urlaub ma-
    chen.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Was also soll das?

    Nun zu unserer sachlichen Differenz: Sie haben sich
    hier gegen Vertreibung, gegen Morden, gegen Nationa-
    lismus ausgesprochen. Etwas anderes hat auch in der
    PDS nie jemand getan, und wir werden das weiterhin
    tun. Es gibt nicht die Alternative: das eine, was Sie
    wollen, oder Krieg. Das ist einfach ein falscher Ansatz.
    Herr Fischer, sagen Sie mir: Haben Ihre Bomben Ver-
    treibung verhindert? Welche Bombe hat das Leid eines
    einzigen Kosovo-Albaners auch nur gelindert?

    Seit neun Jahren reise ich durch Europa. Es ist das er-
    ste Mal, daß ich wieder eine richtig antiamerikanische,
    eine richtig antideutsche, eine richtig antiwestliche
    Stimmung in der Bevölkerung gespürt habe. Das wird
    wiederum die Generation nach uns austragen müssen.

    Wir wissen, daß es dieselben Stimmungen auch in der
    russischen Bevölkerung gibt. Es geht doch nicht immer
    nur um die Regierungen – die sind doch gar nicht wich-
    tig –, es geht um die Bevölkerung. Bisher ist kein einzi-
    ger Verantwortlicher in Jugoslawien durch eine Bombe
    gestorben.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Darf ich Sie fragen, was ein Albaner davon hat, wenn
    Arbeiter einer Nachtschicht wie die in jenem Pkw-Werk
    verletzt werden? Der Krieg ist einfach das falsche
    Mittel; damit lösen wir kein einziges humanitäres Pro-
    blem.

    Sie haben am Anfang gesagt, Sie wollen bombardie-
    ren, damit Milosevic unterschreibt. Ich habe gesagt, ich
    glaube nicht, daß er unterschreibt. Ich habe leider recht
    behalten. Sie haben gesagt, Sie wollen bombardieren,
    um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo zu ver-
    hindern. Ich habe gesagt, ich glaube nicht, daß man sie
    zum Beispiel dadurch verhindern kann, daß man das
    Zentrum von Pristina völlig zerbombt. Ich glaube viel-
    mehr, daß das die Katastrophe zuspitzt. – So ist es ge-
    kommen. Alles ist danach schlimmer geworden; nichts
    ist danach besser geworden.

    Jetzt sagen Sie: Die Bomben sollen das Morden im
    Kosovo verhindern. Aber Sie können doch nicht Pisto-
    len, Messer, Gewehre aus den Händen bomben. Auch
    das wird nicht funktionieren. Deshalb sage ich: Die
    Bomben haben noch keinem einzigen Albaner geholfen,
    und deshalb stimmt Ihre ganze Logik nicht. Wir brau-
    chen andere Ansätze, wenn wir Menschenrechte wirk-
    lich durchsetzen wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Die Demokratiebewegung in Serbien ist inzwischen

    völlig kaputtgemacht worden. Dort steht man jetzt ge-
    schlossen gegen die NATO und gegen den Westen. Das
    ist eine Tatsache. Ich sage jetzt: Das ist noch verstärkt
    worden. Wir hatten große Ansätze für eine Demokratie-
    bewegung in Jugoslawien. Heute gibt es sie überhaupt
    nicht mehr. Das ist das Problem.

    In bezug auf alle die Ziele, von denen Sie vorgeben,
    daß sie durch Ihre Mittel erreicht würden, muß man sa-
    gen: Damit wird kein einziges Ziel erreicht; sie werden
    alle nur beschädigt. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der PDS)