Staatsminister Rolf Schwanitz
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2069
        (A) (C)
        (B) (D)
        Anlagen zum Stenographischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
        Dr. Bartsch, Dieter PDS 4. 3. 99
        Becker-Inglau, Ingrid SPD 4. 3. 99
        Diemers, Renate CDU/CSU 4. 3. 99
        Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 4. 3. 99
        Eichhorn, Maria CDU/CSU 4. 3. 99
        Götz, Peter CDU/CSU 4. 3. 99
        Grotthaus, Wolfgang SPD 4. 3. 99
        Hasenfratz, Klaus SPD 4. 3. 99
        Hoffmann (Chemnitz),
        Jelena
        SPD 4. 3. 99
        Homburger, Birgit F.D.P. 4. 3. 99
        Irmer, Ulrich F.D.P. 4. 3. 99
        Jelpke, Ulla PDS 4. 3. 99
        Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 4. 3. 99
        Dr. Leonhard, Elke SPD 4. 3. 99
        Lippmann-Kasten, Heidi PDS 4. 3. 99
        Lörcher, Christa SPD 4. 3. 99 *
        Ostrowski, Christine PDS 4. 3. 99
        Rauber, Helmut CDU/CSU 4. 3. 99
        Rühe, Volker CDU/CSU 4. 3. 99
        Rupprecht, Marlene SPD 4. 3. 99
        Scheffler, Siegfried SPD 4. 3. 99
        Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 4. 3. 99
        Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        4. 3. 99
        Volquartz, Angelika CDU/CSU 4. 3. 99
        Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 4. 3. 99
        Willner, Gert CDU/CSU 4. 3. 99
        Zierer, Benno CDU/CSU 4. 3. 99
        –––––––––––
        * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
        Anlage 2
        Antwort
        des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Fra-
        gen des Abgeordneten Ernst Burbacher (F.D.P.)
        (Drucksache 14/428, Fragen 9 und 10)
        In welcher Höhe wurden in Baden-Württemberg Projekte,und hier insbesondere Tourismusprojekte, im Rahmen des soge-nannten INTERREG-II-Programms der Europäischen Union zurFörderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit in den Jahren1997 und 1998 gefördert?
        In welcher Höhe stehen nach Kenntnis der BundesregierungGelder für Projekte in Baden-Württemberg aus diesem Pro-gramm für das laufende Jahr zur Verfügung?
        Das Land Baden-Württemberg ist im Rahmen der
        Gemeinschaftsinitiative für die grenzüberschreitende
        Zusammenarbeit INTERREG an drei grenzüberschrei-
        tende Kooperationsräumen zusammen mit Frankreich,
        Österreich und der Schweiz beteiligt.
        In der lfd. Förderperiode stehen 1994 – 1999 für diese
        Kooperationsräume insgesamt 42,5 Mio. Euro EU-
        Fördermittel zur Verfügung, darunter für Maßnahmen
        der Wirtschaftsförderung einschließlich des Tourismus
        12,6 Mio. Euro.
        Die Durchführung der Gemeinschaftsinitiative IN-
        TERBERG erfolgt für den gesamten Programmzeitraum
        auf der Grundlage von Operationellen Programmen, in
        denen eine Aufteilung der finanziellen Mittel auf die
        einzelnen Jahre nur indikativ erfolgt. Dabei werden die
        EU-Mittel für die bi- bzw. trilateralen Kooperationsräu-
        me insgesamt und nicht auf nationaler Ebene zur Verfü-
        gung gestellt.
        Bei den Kooperationsräumen handelt es sich um den
        Raum „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ mit Österreich
        und der Schweiz, den Raum „Oberrhein Mitte-Süd“ mit
        Frankreich und der Schweiz sowie den Raum „Pamina“
        zusammen mit Frankreich.
        Durch die regionalen gemeinsamen Begleit- und
        Lenkungsausschüsse wird gesichert, daß weitgehend
        grenzüberschreitende Projekte und Maßnahmen, in die
        alle beteiligten Länder einbezogen sind, gefördert wer-
        den.
        Nach den der Bundesregierung vorliegenden Infor-
        mationen wurden bis Ende 1998 von den insgesamt zur
        Verfügung stehenden EU-Fördermitteln bereits rd.
        38 Mio. Euro für grenzüberschreitende Projekte gebun-
        den, die überwiegend die Jahre 1997 und 1998 betreffen.
        Im laufenden Jahr 1999 stehen somit noch 4,5 Mio. Euro
        für weitere Projekte zur Verfügung. Für Maßnahmen der
        Wirtschaftsförderung einschließlich des Tourismus sind
        dafür rd. 1,8 Mio. Euro vorgesehen.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Klaus Brämig (CDU/CSU)
        zur Abstimmung über den von den Fraktionen
        SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten
        Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/
        2000/2002 (Zusatztagesordnungspunkt 2)
        Bei der heutigen Abstimmung über das Steuerentla-
        stungsgesetz 1999/2000/2002 möchte ich mein Mißfal-
        len über die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf
        beraten wurde, zum Ausdruck bringen. Nach der Bera-
        tung im mitberatenden Tourismusausschuß wurden
        – genauso wie beim Ökosteuergesetz – erhebliche Ab-
        änderungen durch den federführenden Finanzausschuß
        vorgenommen. Zeitweise war kaum ein Finanzpolitiker
        aussagefähig über den aktuellen Stand der Gesetzge-
        bung. Das Urteil „chaotische Steuerpolitik“ ist der Rea-
        lität nicht angemessen. Die Entscheidung, den Vor-
        2070 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        steuerabzug für Geschäftsessen und Geschäftsreisen ab-
        zuschaffen, bedeutet eine deutliche Verteuerung von
        Dienstleistungen im Gastgewerbe um 16%. Dieser neue
        Belastungstatbestand wird zu einem deutlichen Anstieg
        der Arbeitslosigkeit und einer Vernichtung mittelständi-
        scher Existenzen führen.
        Aufgrund der Verfahrensfehler und der o. g. „hand-
        werklichen Fehler“ kann ich diesem Gesetzentwurf mei-
        ne Zustimmung nicht erteilen.
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wies-
        loch) (SPD) zur Abstimmung über den von
        den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grü-
        nen eingebrachten Entwurf eines Steuerent-
        lastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (Zusatztages-
        ordnungspunkt 2)
        Wäre es beim Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes
        19999/2000/2002 geblieben, wie er Ende 1998 vorgelegt
        wurde, es wäre schwer gefallen, ihm aus kulturpoliti-
        scher Sicht zuzustimmen. Warum darum herumreden?
        Wäre die Teilwertabschreibung, wie zunächst vorgese-
        hen, abgeschafft worden, dann wären Buchhandel und
        Verlage gezwungen worden, ihre Buchvorräte, das, was
        man Lager nennt, mit den vollen Anschaffungs- und
        Herstellungskosten in der Steuerbilanz hätten ansetzen
        müssen. Und zwar so lange, bis ein eingetretener Verlust
        auch wirklich realisiert worden wäre, solange also, bis
        die Bücher in den „Ramschverkauf“ gegangen wären.
        Anders allerdings als in anderen Sektoren des Han-
        dels ist es dem Buchhandel nicht möglich, über Schluß-
        verkäufe Lagerbestände abzubauen. Die Preisbindung
        steht dem entgegen. Die Folge wäre: ins Dramatische
        angestiegen wäre der Finanzbedarf von Verlagen, die
        der Leserschaft ein breitgefächertes Sortiment anbieten.
        Dies wiederum hätte bedeutet: der Buchhandel müßte
        hohe Steuern zahlen über die gesamte Laufzeit, die die
        Bücher auf Lager gewesen wären.
        Die Debatte in der Öffentlichkeit und im Parlament
        hat zu einem Erfolg geführt. Herr BMF, ich bin Ihnen
        und den Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschus-
        ses dankbar, daß die Teilwertabschreibung doch erhalten
        bleibt, wenn auch mit der Einschränkung der „voraus-
        sichtlich dauerhaften Wertminderung“. Dies ist für die
        Buchhandlungen überaus schwer nachzuweisen.
        Dringend bitte ich die Bundesregierung darum, si-
        cherzustellen, daß diese Regelung sich kulturpolitisch
        nicht nachteilig auswirkt. Gemeinsam mit den Ländern
        muß dies, wenn nötig untergesetzlich, sichergestellt
        werden, daß die Regelungen entsprechend dem Sorti-
        menter-Merkblatt erhalten bleiben.
        So hat das wohl auch das Kabinett am 10. Februar
        festgehalten. Auch kulturpolitisch ist das vorliegende
        Steuerentlastungsgesetz ein Erfolg.
        Für den Buchhandel wird es auch weiterhin die Mög-
        lichkeit einer differenzierten Lagerhaltung geben. Kein
        Buchhändler muß künftig sein Lager abverkaufen und
        kein Verleger wird gezwungen sein, aus steuerlichen
        Gründen nur noch kleinere und damit teurere Auflagen
        zu drucken. Die kulturelle Vielfalt durch das Nebenein-
        ander von kleinen und großen Buchhandlungen, gängi-
        gen Titeln und anspruchsvollen Büchern, bleibt gesi-
        chert. Kein Verleger wird gezwungen sein, sich allein an
        kommerziellen Kriterien zu orientieren. Auch noch nicht
        bekannte Autoren haben so die Chance, einen Verleger
        zu finden.
        Die Leser können auch künftig darauf bauen, daß die
        bewährten Strukturen im Buchhandel und bei Verlagen
        in Deutschland erhalten bleiben. Die vielen tausend
        Buchhandlungen, auch jenseits der größeren Städte,
        werden weiterhin die Chance haben, sich am Markt zu
        behaupten. Die in anderen Teilen des Handels zu beob-
        achtenden Konzentrationstendenzen, bei denen Super-
        märkte die kleineren Läden verdrängen, wird es insoweit
        im Buchhandel nicht geben.
        Damit die bewährten Strukturen im Buchhandel er-
        halten bleiben, ist es aber gleichermaßen notwendig,
        daß auch die Preisbindung für die Bücher bestehen
        bleibt. Die Brüsseler Wettbewerbskommission ist
        jetzt am Zuge. Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb,
        daß die Bundesregierung sich vorgenommen hat, im
        Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft die grenz-
        überschreitende Buchpreisbindung zu sichern. Wir
        erwarten, daß in der Europäischen Union eine ver-
        bindliche Regelung geschaffen wird, die neben den
        nationalen Buchpreisbindungen auch die Rechtmä-
        ßigkeit von zweiseitigem Abkommen innerhalb ein-
        heitlicher Sprachräume ermöglicht. Es entspricht dem
        europäischen Einigungsgedanken durchaus, wenn
        gewachsenen Kulturen in den Mitgliedstaaten Rech-
        nung getragen wird und Europa auch weiterhin durch
        eine größtmögliche regionale Vielfalt gekennzeichnet
        ist.
        Ich appelliere deshalb auch an die Opposition, unter-
        stützen Sie die Bundesregierung bei ihrem Bemühungen,
        die Buchpreisbindung gegen den Widerstand einiger
        Brüsseler Bürokraten dauerhaft zu sichern.
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS)
        zur Abstimmung über den von den Fraktionen
        SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten
        Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/
        2000/2002 (Zusatztagesordnungspunkt 2)
        Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des feder-
        führenden Finanzausschusses zum Steuerentlastungsge-
        setz 1999/2000/2002. Diesem Abstimmungsverhalten
        liegt zugrunde, daß sich bei der Verabschiedung dieser
        umfangreichen steuerlichen Regelungen erhebliche
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2071
        (A) (C)
        (B) (D)
        Steuerausfälle für die schon jetzt mit insgesamt 2,218
        Milliarden D-Mark hochverschuldeten öffentlichen
        Haushalte ergeben werden. Bereits derzeit bedeutet das
        eine Pro-Kopf-Verschuldung von 27 215 D-Mark. Auf-
        grund der von SPD und Bündnisgrünen in einem in der
        Tat chaotischen parlamentarischen Verfahren vorge-
        nommenen laufenden Korrekturen beim Abbau von
        Steuervergünstigungen ist mit Inkrafttreten des Steuer-
        entlastungsgesetzes von spürbaren Einnahmeausfällen
        der öffentlichen Haushalte auszugehen. Diese immen-
        sen Steuerausfälle können nicht – wie die Bundesregie-
        rung glauben zu machen versucht – aus sich heraus
        selbst finanziert werden.
        Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des
        federführenden Finanzausschusses, weil nach dem
        vom Finanzausschuß beschlossenen Finanztableau,
        die Steuerausfälle von Bund, Ländern und Gemeinden
        von mindestens 2,1 Milliarden D-Mark im Jahr 2000
        auf mindestens 20,5 Milliarden D-Mark (davon 10,1
        Milliarden D-Mark für den Bund und 10,4 Milliarden
        D-Mark für Länder und Gemeinden) im Jahr 2002
        anwachsen sollen. Das wäre binnen 2 Jahren eine
        Verzehnfachung der Steuerausfälle für die öffentliche
        Hand. Angesichts dieser beträchtlichen Steuerausfälle
        wird die Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und
        Gemeinden gerade zur Überwindung der anhaltend
        hohen Arbeitslosigkeit oder zur Einleitung einer
        nachhaltigen Verbesserung der Umwelt sehr infrage
        gestellt.
        Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des fe-
        derführenden Finanzausschusses zum Steuerentla-
        stungsgesetz, weil die 2 059 Städte, ca. 11 500 Ge-
        meinden sowie 325 Landkreise vom Steuerentla-
        stungsgesetz besonders negativ betroffen sind. Ange-
        sichts der Tatsache, daß die Städte und Gemeinden
        gesetzlich mit 15 Prozent an der Lohn- und Einkom-
        mensteuer beteiligt sind, werden ihnen infolge des
        Steuerentlastungsgesetzes im Jahr 2002 mindestens
        3 Milliarden direkte Steuerausfälle entstehen. Weitere
        rund 4 Milliarden D-Mark-Einnahmen stehen den
        Städten, Gemeinden und Kommunen wegen der zu
        erwartenden Kürzungen des kommunalen Finanzaus-
        gleichs durch die Länder – denen durch das Steue-
        rentlastungsgesetz wiederum 7,4 Milliarden D-Mark
        Steuerausfälle entstehen – nicht zur Verfügung. Und
        das bei einer Gesamtverschuldung der Städte, Ge-
        meinden, Landkreise und kommunalen Zweckverbän-
        de von derzeitig insgesamt 195 Milliarden D-Mark.
        Auf die Kommunen werden damit weitere nicht hin-
        nehmbare Rückgänge der Investitionen bzw. Ein-
        schnitte vor allem im sozialen, soziokulturellen und
        ökologischen Bereich zukommen.
        Weil der genannte Ablauf der Beratungen im Bun-
        destag zeigt, daß die Kommunen zwar von diesem Steuer-
        gesetz überwiegend stark belastet werden, bei der Bun-
        desregierung aber offenkundig kein Gehör für die Wah-
        rung ihrer berechtigten Interessen finden, werde ich das
        Steuerentlastungsgesetz – trotz mancher positiver Ef-
        fekte, die ich nicht übersehe, – ablehnen.
        Anlage 6
        Erklärung
        der Abgeordneten Kerstin Müller (BÜND-
        NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab-
        stimmung über Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a
        Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa des
        von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfes
        eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
        – Drucksachen 14/23, 14/442 –
        Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
        führt.
        Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung
        teilgenommen und mit Ja gestimmt habe.
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Annelie Buntenbach (BÜND-
        NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über
        den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung
        der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
        (Tagesordnungspunkt 6)
        Ich werde diesem Gesetz zustimmen – nicht nur, weil
        es inzwischen so mit den verschiedenen Reformvorha-
        ben der neuen Regierung verwoben ist, daß man gar
        nicht mehr isoliert darüber entscheiden kann, sondern
        auch, weil es immerhin endlich die Nebenbeschäftigun-
        gen in die Sozialversicherung einbezieht. Das halte ich
        für einen Fortschritt, an dem die alte Regierung trotz
        mehrerer Versuche gescheitert ist. Sie hat uns die riesige
        Last von inzwischen mehr als 5,6 Millionen Beschäfti-
        gungsverhältnissen unterhalb der Geringfügigkeitsgren-
        ze hinterlassen.
        Dieses Gesetz wird zwar der Erosion der Sozialkas-
        sen einen Riegel vorschieben, aber es ist weder eine
        Antwort auf die frauenpolitische noch auf die arbeits-
        marktpolitische Herausforderung. Dies will ich hier
        heute deutlich machen, denn ich habe inzwischen ge-
        lernt, wenn man nicht lautstark auf Fraueninteressen
        aufmerksam macht, haben sie die seltsame Angewohn-
        heit, aus dem Blickfeld zu geraten, plötzlich in Abwä-
        gungen hintenan zu stehen. 1991 z. B. hat der Bundestag
        schon eine Entschließung gefaßt, die eigenständige so-
        ziale Absicherung von Frauen zu verbessern. Passiert ist
        in dieser Richtung bislang herzlich wenig, das müssen
        und wollen wir ändern, aber mit der heutigen Entschei-
        dung ist diese Anforderung nicht eingelöst. Mein Ziel
        ist, aus den 630- bzw. 530-Mark-Jobs ganz normale so-
        zialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
        zu machen, und ich hätte mir gewünscht, darüber heute
        abstimmen zu können. Ich glaube, daß die Optionslö-
        sung für die Frauen, um die es hier geht, die nämlich
        2072 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        wenig verdienen und von denen z. B. im Gebäudereini-
        gungsbereich ein großer Teil ausländische Frauen sind,
        kein reelles Angebot ist. Ich fürchte, daß ihnen die Vor-
        teile der freiwilligen Zuzahlung viel zu wenig konkret
        greifbar sind, im Gegensatz zu dem großen täglichen
        Druck, gerade bei den geringen Haushaltseinkommen
        das Geld – z. B. für die Kinder – sofort zu verbrauchen.
        Zahlt die Frau daher nicht freiwillig zu, bleibt ihr der
        Zugang zur Sozialversicherung – business as usual –
        über den „Familienernährer“, der ab und zu im Laufe
        des Lebens auch abhanden kommen soll …
        Die Institution Ehe wird sogar noch besser gestellt,
        das Ehegattensplitting ausgeweitet, indem bei Ehefrau-
        en, und nur bei Ehefrauen, die 630-Mark-Jobs steuerfrei
        gestellt werden. Die steuerliche Rahmenbedingung Ehe-
        gattensplitting wirkt sich als Erwerbsbremse für Frauen
        aus, wenn es denn mehr als ein mitverdientes Taschen-
        geld sein soll.
        Die Erfahrung lehrt, solange es solche flexiblen Mi-
        nijobs gibt und die Arbeitsteilung zwischen den Ge-
        schlechtern sich nicht grundsätzlich ändert, werden die
        Frauen als „Mitverdienerinnen“ immer dorthin abge-
        drängt werden. Und nach dem jetzigen Gesetz bleiben
        die 630er ein besonderes Subventionsverhältnis. Damit
        wird die arbeitsmarktpolitische Verzerrung (viel zu viele
        Jobs unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze, kaum ver-
        nünftige Teilzeitangebote) nicht beseitigt. Im Osten wird
        die Geringfügigkeitsgrenze noch angehoben, von 530
        auf 630 DM.
        Mit meiner Zustimmung zu diesem Gesetz will ich
        ausdrücklich meine Erwartung verbinden: Daß wir nicht
        mit der Einbeziehung der Nebenbeschäftigung in die
        Sozialversicherung lediglich den Einbruch eines „Frau-
        enproblems“ in eine Männerdomäne wieder reparieren,
        und das war’s dann, sondern daß wir die frauenpoliti-
        sche Herausforderung annehmen. Wenn heute das zen-
        trale Anliegen, Frauen endlich einen gleichberechtigten
        eigenständigen Zugang zu sozialer Absicherung zu er-
        öffnen, in den Hintergrund tritt, dann muß es bei den
        nächsten politischen Entscheidungen umso mehr im
        Vordergrund stehen, wenn es nämlich um den Abbau
        der Erwerbsbremse Ehegattensplittings geht ebenso wie
        wenn es um die Rentenstrukturreform geht. Gerade mit
        der oft unzureichenden eigenen Rente bekommen Frau-
        en ja noch einmal die Quittung dafür, daß sie die Ver-
        antwortung für Kindererziehung, Haushalt, Pflege über-
        nommen haben und ihre Erwerbsbiografien unterbro-
        chen haben, oft mit Teilzeit oder ohne Sozialversiche-
        rung über lange Strecken „mitverdient“ haben. Das
        wollen und müssen wir ändern.
        Analge 8
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt)
        SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines
        Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen
        Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungs-
        punkt 6)
        Zur Abstimmung über das Gesetz zur Neuregelung
        der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (14/280)
        begründe ich mein Abstimmungsverfahren wie folgt:
        Das hier zur Abstimmung vorliegende Gesetz ist ein
        erster Weg, dem volkswirtschaftlichen Grundgesetz,
        nach dem nur verteilt werden kann, was auch erarbeitet
        wird, wieder Geltung zu verschaffen. Aus diesem Grund
        werde ich dem Gesetz zustimmen. Dennoch müssen in
        Kürze Schritte eingeleitet werden, etliche bürokratische
        Holprigkeiten in dem Gesetz einzuebnen. Vor allem
        muß die steuerliche Ungleichbehandlung durch eine
        entbürokratisierte Form des Steuereinzugsverfahrens
        rasch verfassungskonform unter dem Prinzip der
        Gleichbehandlung beseitigt werden.
        Anlage 9
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Klaus Brähmig, Thomas
        Dörflinger, Ilse Eigner, Anita Schäfer, Dr. Hans
        Georg Faust, Ernst Hinsken (alle CDU/CSU)
        zur Abstimmung über den Entwurf eines
        Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen
        Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungs-
        punkt 6)
        Bei der heutigen Abstimmung über das Gesetz zur
        Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhält-
        nisse möchten die Unterzeichner ihr Mißfallen über die
        Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf beraten wur-
        de, zum Ausdruck bringen. Auf der öffentlichen Anhö-
        rung der Sachverständigen – durchgeführt vom feder-
        führenden Ausschuß für Arbeit und Soziales am
        10. Februar 1999 – wurde den Mitgliedern des mitbe-
        ratenden Tourismusausschuß kein Fragerecht einge-
        räumt. Die eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeit
        des mitberatenden Tourismusausschuß kann nicht
        akzeptiert werden.
        Weiterhin wird durch die jetzt vorliegende Neure-
        gelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
        das mittelständich geprägte Tourismusgewerbe mit zu-
        sätzlicher Bürokratie belastet. Die Regelung öffnet die
        Schwarzarbeit in diesem Wirtschaftssektor Tür und
        Tor.
        Anlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der
        Berücksichtigung von Entlassungsentschädi-
        gungen im Arbeitsförderungsrecht (Tagesord-
        nungspunkt 8)
        Franz Thönnes (SPD): Mit dem Arbeitsförderungs-
        Reformgesetz des Jahres 1997 hat die abgewählte Bun-
        desregierung vor zwei Jahren die Rechte der Arbeitneh-
        mer beim Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich ver-
        schlechtert.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2073
        (A) (C)
        (B) (D)
        Vor diesen damals beschlossenen Einschnitten waren
        Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nur an-
        rechenbar, wenn das Beschäftigungsverhältnis ohne
        Einhaltung der Kündigungsfrist beiderseitig oder einsei-
        tig durch den Arbeitnehmer beendet worden bzw. wenn
        das Verhalten des Arbeitnehmers Anlaß zur Kündigung
        gegeben hat.
        Mit der AFRG-Änderung wurde im § 115a beschlos-
        sen, daß Abfindungen und Entschädigungen grundsätz-
        lich auf die Hälfte des Arbeitslosengeldes angerechnet
        werden. Die Freibeträge von 25 Prozent bzw. minde-
        stens 10 000 DM minderten die Eingriffe der damaligen
        Koalition keineswegs. Bereits damals stieß die zu verab-
        schiedende Regelung bei der Anhörung auf barsche Kri-
        tik aller Beteiligten. 6 bis 7 Millionen Arbeitsverhältnis-
        se werden jedes Jahr in Deutschland beendet. Daß ein
        derartiger großer Prozeß der Umstrukturierung relativ
        lautlos geschieht, war der damals noch geltenden Rege-
        lung zur Behandlung von Abfindungen zu verdanken.
        Diese Praxis wurde durch die restriktive Neuregelung
        für Arbeitnehmer und die betrieblichen Sozialpartner er-
        heblich erschwert.
        Handlungsnotwendigkeit besteht gerade jetzt vor dem
        Hintergrund weiterer wichtiger Fristen der Wirksamkeit
        der damaligen Gesetzesänderung, die in wenigen Tagen
        für einen Großteil der Arbeitnehmer zutreffen sollen,
        wenn sich nichts ändert. Vorgesehen war, daß für Ar-
        beitnehmer, die vor dem 1. April 1997 innerhalb von
        drei Jahren an mindestens 360 Kalendertagen in einem
        sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stan-
        den, die alte Regelung nur bis zum 1. April 1999 gelten
        sollte. Nach dem 7. April 1999 sollte grundsätzlich eine
        Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld er-
        folgen.
        Handlungsnotwendigkeit besteht aber auch, da die
        SPD bereits damals die Veränderungen als sozial unaus-
        gewogen und verfassungsrechtlich bedenklich ansah.
        Übrigens wurde die Kritik der damaligen Opposition
        von weiten Teilen der Gewerkschaften und der Arbeit-
        geber geteilt.
        Der Regierung Gerhard Schröder ist es gelungen, Ar-
        beitgeber und Gewerkschaften nach der Bundestagswahl
        1998 wieder an einen Tisch zu bringen. Das Bündnis für
        Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit arbeitet
        inzwischen in mehreren Themenbereichen erfolgreich.
        Dazu gehört auch die Umsetzung der in unserem Koali-
        tionsvertrag vereinbarten Absicht, die Anrechnung von
        Entlassungsabfindungen auf das Arbeitslosengeld neu zu
        regeln.
        Mit der steuerrechtlichen und der arbeitsförderungs-
        rechtlichen Problematik der jetzt diskutierten Materie
        hat sich eine der Arbeitsgruppen des Bündnisses in den
        letzten Wochen befaßt. Dabei gingen alle Beteiligten
        davon aus, daß im Prinzip der Versuch gemacht werden
        sollte, einen gemeinsamen neuen Ansatz zur Verknüp-
        fung von Entlassungsentschädigungen mit Maßnahmen
        der beruflichen Wiedereingliederung zu finden. Das her-
        anrückende Datum des 7. April 1999 setzte jedoch einen
        engen Zeitrahmen für die Diskussion. Daher haben die
        Sozialpartner im beiderseitigen Einvernehmen beschlos-
        sen, dem Gesetzgeber vorzuschlagen, vorläufig den al-
        ten Rechtszustand wiederherzustellen.
        Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
        folgen diesem Ergebnis der Bündnis-Beteiligten mit ih-
        rem heute hier zu entscheidenden Gesetzentwurf. Dabei
        gehen wir davon aus, daß die Bündnis-Beteiligten es
        ernst meinen, wenn sie die weitere Behandlung des
        Themas Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförde-
        rungsrecht so fortsetzen, daß sie dem Gesetzgeber mög-
        lichst bald einen Vorschlag für eine gesetzliche Rege-
        lung vorlegen, der dazu anreizt, daß intelligente Lösun-
        gen bei Abfindungszahlungen entwickelt werden kön-
        nen, daß umgesteuert wird von passiven Abfindungs-
        zahlungen hin zu einer aktiven Mittelverwendung für die
        Wiedereingliederung der betroffenen Arbeitnehmer.
        Auch sollte dabei über andere sinnvolle Wege im Rah-
        men der aktiven Arbeitsmarktpolitik nachgedacht wer-
        den. Dabei denke ich unter anderem auch an die Mög-
        lichkeiten präventiver beruflicher Weiterbildung bzw.
        Regelungen der Altersteilzeit.
        Mit unserem Gesetz setzen wir nicht nur für die Ar-
        beitnehmer den einstmals geltenden Rechtszustand wie-
        der in Kraft, sondern wir führen auch wieder die Erstat-
        tungspflicht des Arbeitgebers bei der Entlassung älterer
        Arbeitnehmer ein, wie im früheren § 128 des Arbeits-
        förderungsgesetzes geregelt. Ziel dieser Regelung ist es,
        die Arbeitsverhältnisse älterer Beschäftigter zu stabili-
        sieren und dabei gleichzeitig zu verhindern, daß sich die
        Unternehmen zu Lasten der Bundesanstalt für Arbeit
        von diesen Arbeitnehmern folgenlos trennen können. So
        wird wieder geregelt, daß der Arbeitgeber, der ein Be-
        schäftigungsverhältnis mit einem langjährig beschäftig-
        ten älteren Arbeitnehmer beendet, der Bundesanstalt für
        Arbeit das an diesen Beschäftigten gezahlte Arbeitslo-
        sengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe erstattet.
        Wir gehen gleichfalls davon aus, daß die Partner im
        Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähig-
        keit es nicht nur bei einem gemeinsamen Bekenntnis
        belassen, wenn es darum geht, daß es Betrieben nicht zu
        einfach gemacht werden soll, sich gerade von älteren
        Arbeitnehmern ohne größere Kosten über die soge-
        nannte Frühverrentung zu trennen und die Folgekosten
        der Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu überlas-
        sen.
        Gleichwohl bleibt heute für den Deutschen Bundestag
        die Aufgabe, über ein weiteres wichtiges Ergebnis des
        Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfä-
        higkeit zu entscheiden. Um so mehr wundert es uns, daß
        die Opposition von CDU/CSU und F.D.P. sich gegen
        dieses Votum ausspricht. Wieder einmal rückt sich die
        Opposition damit selbst in das gesellschaftliche Abseits.
        Sie plädiert damit weiterhin dafür, daß Arbeitnehmer bei
        Verlust ihres Arbeitsplatzes noch einmal zusätzlich
        durch Anrechnung ihrer Abfindung empfindlich belastet
        werden. CDU/CSU und F.D.P. sollten endlich begreifen,
        daß die Mehrheit der Bevölkerung derartige Griffe in die
        Portemonnaies der Arbeitnehmer nicht mehr will und
        nicht zuletzt deswegen die Regierung Helmut Kohl ab-
        gewählt hat.
        Mit der Annahme des heute zu verabschiedenden
        Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes tragen
        2074 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        die Regierungsparteien zu einem Stück mehr sozialer
        Gerechtigkeit in der Arbeitswelt bei, fördern durch die
        Übernahme der einvernehmlichen Empfehlung des
        Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfä-
        higkeit dessen weitere Arbeit und geben Betriebsräten
        und Unternehmensleitungen wieder handhabbare Rah-
        menbedingungen für ihre betriebliche Praxis.
        Thomas Strobl (CDU/CSU): Mit dem Gesetzentwurf
        zum Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz nimmt
        die rot-grüne Koalition wieder einmal etwas zurück, und
        zwar eine Regelung im Arbeitsförderungs-Reform-
        gesetz, die das Ziel hat, die ausufernde Frühverren-
        tungswelle einzudämmen. Sie nehmen eine Regelung
        zurück, die seinerzeit auch mit den Stimmen der SPD-
        geführten Länder im Bundesrat zustande gekommen ist
        und damit auf einem großen Konsens beruhte. Sie sagen
        nein zu dieser von ihren Länderkollegen mitgetragenen
        Reformmaßnahme – nein sagen, ist ja auch relativ ein-
        fach –, schlagen aber keine bessere Lösung vor. Deshalb
        lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab, weil er
        das Problem der steigenden Zahl von Frühverrentungen
        nicht löst.
        Die rot-grüne Koalition bleibt damit ihrem leidlich
        bekannten Motto treu: Erst handeln, dann nachdenken.
        Das ist kein verantwortungsbewußtes Regieren. Dieses
        Muster kennen wir von der Regierung Schröder schon
        zur Genüge: Sie nimmt Reformmaßnahmen der alten
        Regierung zurück, traut sich aber nicht, ein eigenständi-
        ges Reformkonzept vorzulegen.
        Ich denke da auch an das sehr sensible Thema Rente.
        Die Menschen in unserem Lande werden durch immer
        neue Meldungen von Rot-Grün in beispielloser Weise
        verunsichert. Meistens ist die neueste Nachricht genau
        das Gegenteil von der vorhergehenden. „Rente mit 60“
        ja und nein, „nettolohnbezogene Rentenanpassung“ ja
        und nein, „demographischer Faktor“ ja und nein. Erst
        wird mit großer Geste der von der alten Regierung ein-
        geführte Demographiefaktor ausgesetzt. Nun ist es selbst
        Herrn Riester klar, daß die demographische Entwicklung
        mit berücksichtigt werden muß. Gleichwohl liegt ein
        zukunftsweisendes Konzept der Bundesregierung zur
        langfristigen Sicherung der Rente immer noch nicht vor.
        Das kostet unser Land wertvolle Zeit.
        Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktio-
        nen, mit dem vorliegenden Rücknahmegesetz wollen Sie
        den alten Rechtszustand wiederherstellen, der bis zum
        31. März 1997 bestand (§§ 117, 128 Arbeitsförderungs-
        gesetz). Offensichtlich empfinden Sie aber auch diesen
        als nicht optimal, da Sie zumindest angekündigt haben,
        baldmöglichst wieder etwas ändern zu wollen. Das wird
        wieder einmal ein Hin und Her – so wie schon bei den
        630-Mark-Jobs, bei der Steuerpolitik und der Gesund-
        heitsreform. Es ist schon heute Markenzeichen Ihres
        Regierungskurses, daß auf ein entschiedenes „Zick“ ein
        glasklares „Zack“ folgt, und die Regierungsfraktion
        folgt, Lemmingen gleich, „struck-stracks“ hinterher.
        Machen Sie doch einen Schritt nach dem anderen.
        Arbeiten Sie ein Konzept aus, legen Sie es vor, und dann
        kann man darüber diskutieren, was der bessere Weg ist.
        Rot-Grün macht es umgekehrt. Rot-Grün handelt, aber
        ohne Konzept. Das ist Aktionismus pur.
        Sie verweisen auf Verhandlungen im Rahmen des
        „Bündnisses für Arbeit“. Das ist die halbe Wahrheit. Die
        Arbeitgeber haben sich im „Bündnis für Arbeit“ klar
        und eindeutig gegen die Wiedereinführung des § 128
        AFG ausgesprochen, da dieser bereits vor dem 1. April
        1997 immer wieder zu einer rechtswidrigen Belastung
        von Arbeitgebern geführt hat. Warum verschweigen Sie
        dieses eigentlich wahrheitswidrig?
        Außerdem enthebt Sie das „Bündnis für Arbeit“ aber
        auch nicht von der Pflicht, sich darüber Gedanken zu
        machen und diese auch vorzustellen, wie Sie der Gefahr
        einer neuen Frühverrentungswelle, die uns in der Ren-
        tenversicherung große Probleme bereitet, begegnen
        wollen. Wie wollen Sie verhindern, daß die junge Gene-
        ration erneut belastet und das Vertrauen in die gesetzli-
        che Rentenversicherung nach Ihren Rentenkapriolen zu-
        sätzlich beschädigt wird? Wie wollen Sie eine schnelle
        Wiedereingliederung von freigesetzten Arbeitnehmern
        in den Arbeitsprozeß gewährleisten? Das sind Fragen,
        die dringend einer Antwort bedürfen. Mit dem vorlie-
        genden Gesetzentwurf geschieht das nicht. Die Lösun-
        gen sollen – so hofft die Bundesregierung – bei den Ge-
        sprächen im „Bündnis für Arbeit“ gefunden werden.
        Erfahrungsgemäß sind sich die Sozialpartner schnell
        einig, wenn sie Sozialpläne machen können, die dann
        von einem Dritten, dem Beitragszahler, finanziert wer-
        den dürfen. Was Sie hier machen, ist die bewußte ge-
        setzgeberische Legitimation von Verträgen zu Lasten
        Dritter, namentlich zu Lasten der Sozialkassen und der
        künftigen Generationen von Beitragszahlern.
        Meine Damen und Herren von den Regierungskoali-
        tionen, Sie sagen, Sie bräuchten Zeit. Bei dem Durch-
        einander, das Sie in kürzester Zeit beinahe zu jedem Ih-
        rer Vorhaben geboten haben, befürchte ich, daß Sie im-
        mer in Zeitnöte geraten werden. Dies ist doch eher eine
        Ausrede für Ihre Konzeptlosigkeit und Zerstrittenheit.
        Ganz offensichtlich haben Sie Abstimmungsschwierig-
        keiten innerhalb der Koalition. Deshalb läuft Ihnen die
        Zeit davon.
        Ich bin dafür, erst nachzudenken, dann zu handeln
        und nicht wie Sie nach dem Motto das Regieren auszu-
        probieren: Zurücknehmen und dann schauen wir mal. So
        konzeptionslos läßt sich die Zukunft nicht gestalten. Daß
        Sie ohne ein schlüssiges Handlungskonzept für die ent-
        scheidenden Fragen und Probleme sind, dafür ist auch
        der vorliegende Gesetzentwurf ein eindrucksvolles Bei-
        spiel.
        Klaus Hofbauer (CDUCSU): Mit dem Entlassungs-
        entschädigungs-Änderungesetz will die rot-grüne Koali-
        tion einen Teil des 1997 beschlossenen Arbeitsförde-
        rungs-Reformgesetzes (AFRG) wieder rückgängig ma-
        chen. Das ist der neue Politikstil, den wir bisher noch
        gar nicht kannten: Nach einer Vollbremsung mit dem
        Rückwärtsgang in die Zukunft. Der Anspruch der Poli-
        tik, Weichen für die Zukunft zu stellen, wird hier ins
        Gegenteil verkehrt. Kein Aufbruch mehr zu „neuen
        Ufern“, keine Zukunftsvisionen.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2075
        (A) (C)
        (B) (D)
        Der Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition enthält
        außer der Rücknahme der Anrechnungs-Regelung des
        AFRG für sogenannte Entlassungsentschädigungen auf
        das Arbeitslosengeld nur vage Wunschvorstellungen,
        wie die Lösung aussehen soll. Ein Jammer ist, daß die
        Koalition wegen der Kompliziertheit der Materie nun
        keinen Gesetzentwurf mit einer endgültigen Lösung
        vorlegen kann. Das Problem bleibt also auf absehbare
        Zeit ungelöst. Die geradezu hilflos klingende Ankündi-
        gung, die Bundesregierung werde baldmöglichst ein
        neues Gesetz vorlegen, zeigt ja schon, daß bei den an-
        geblichen „Wundermännern“ und „Wunderfrauen“ der
        deutschen Politik in bezug auf Zukunftsvisionen gäh-
        nende Leere herrscht. Die vollmundige Ankündigung
        der rot-grünen Koalitionäre, man werde in den ersten
        100 Tagen der Regierung Schröder die angeblichen
        „Erblasten“ beseitigen und die Weichen für die Zukunft
        stellen, ist ohne Wirkung verpufft. Kein Mensch glaubt
        mehr daran, daß die Zukunft dadurch bewältigt werden
        kann, daß Gesetze zurückgenommen und alte Mißstände
        wiederhergestellt werden.
        Die Verweisung des Problems an das informelle
        „Bündnis für Arbeit“ bedeutet, daß die Sache einfach
        auf die lange Bank geschoben wird. Es ist doch unred-
        lich, nun die Lösung von diesem Gremium zu erwarten,
        das dafür gar nicht zuständig ist. Gesetze müssen doch
        wir, die Vertreter des Volkes, im dafür zuständigen
        Parlament machen! Ich frage mich: Wie soll das Pro-
        blem denn beim „Bündnis für Arbeit“ gelöst werden?
        Sollen denn die Arbeitgeber versprechen, daß keine
        Entlassungen vor Erreichen der Pensionsgrenze mehr
        stattfinden, damit die gesetzlich zum 1. April 1999 wie-
        der mögliche großzügige Abfindungspraxis ohne An-
        rechnung auf das Arbeitslosengeld nicht genutzt wird?
        Kein Zweifel, die Vertreter der Gewerkschaften werden
        begeistert sein, wenn die Arbeitgeber auf diese Weise
        „zur Ader gelassen“ werden, aber was ist denn dann
        eigentlich der Beitrag des DGB zu der künftigen Rege-
        lung in diesem Feld der Gesetzgebung?
        Das Problem erfordert eine schnelle Lösung. Denn
        1997, als das AFRG beschlossen wurde, ging es wie
        heute unter anderem auch darum, die Umsetzung einer
        großen Zahl von Arbeitnehmern – vornehmlich der
        Großindustrie – in die Arbeitslosigkeit zwei Jahre vor
        Erreichen der Altersgrenze nicht auch noch dadurch zu
        unterstützen und zu forcieren, daß die oftmals vom Ar-
        beitgeber großzügig gezahlten Abfindungen nicht auf
        das Arbeitslosengeld angerechnet wurden. Denn diese
        Praxis führte doch dazu, daß den betroffenen Arbeit-
        nehmern durch die ungeschmälerte Abfindung der
        Schritt über die Scheinarbeitslosigkeit in die Rente er-
        leichtert wurde, während die aktiven Arbeitnehmer, die
        Arbeitgeber sowie die Steuerzahler diese Praxis über ih-
        re Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bzw. zum
        Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit
        zwangsläufig finanzieren mußten. Ich bin überzeugt da-
        von, daß es damals wie heute gute Gründe dafür gab und
        gibt, über die Anrechenbarkeit dieser Abfindungen auf
        das Arbeitslosengeld ein Korrektiv einzubauen.
        Wenn heute das linke Spektrum dieses Hauses be-
        hauptet, unser Gesetz von 1997 sei sozial nicht ausge-
        wogen, dann frage ich mich, warum denn nun die Wie-
        derherstellung des Zustands von vor 1997 sozial ausge-
        wogen sein soll. Denn damals stimmten ja immerhin
        auch die SPD-regierten Bundesländer dem AFRG zu,
        und dies hätten diese Länder – darunter die damaligen
        Ministerpräsidenten Schröder und Lafontaine – nicht
        getan, wenn dies wirklich ein Schlag gegen die Interes-
        sen der Arbeitnehmer gewesen wäre.
        Offensichtlich fehlt der Bundesregierung und der rot-
        grünen Koalition der Wille, eine vernünftige Lösung
        herbeizuführen. Die Rücknahme der gesetzlichen Re-
        gelung, die zum 1. April 1999 nach einer zweijährigen
        Übergangsfrist eingeführt worden wäre, verunsichert
        nicht nur die Betriebe, sondern auch die älteren Arbeit-
        nehmer. Sie werden durch das Hin und Her bei den ge-
        setzlichen Bestimmungen völlig verunsichert. Dieser
        Zustand ist für die Betroffenen untragbar. Deshalb for-
        dern wir die Bundesregierung auf, einen Zeitpunkt für
        die Vorlage des neuen Gesetzes zu nennen.
        Vermuten kann man auch, daß die mittelständische
        Wirtschaft zu den Leidtragenden des von Rot-Grün aus-
        gelösten Gesetzgebungswirrwars gehört. Wir verlangen
        Rechtssicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer. Wir
        verlangen auch, daß die Belastungen der betroffenen
        Betriebe und auch der Arbeitsämter durch die Rückab-
        wicklung von bereits durchgeführten Regelungen mög-
        lichst gering gehalten werden. Für die Arbeitsverwal-
        tung ist die Wiedereinführung der alten AFG-Regelung
        § 128 im Verhältnis zum § 140 SGB III von 1997 wegen
        der Vielzahl von Befreiungstatbeständen bei weitem ar-
        beitsintensiver und verwaltungsaufwendiger; dies be-
        ginnt schon beim erhöhten Beratungsaufwand. Oftmals
        haben Arbeitgeber die Befreiungsmöglichkeiten der
        Reihe nach durchprobiert, bis schließlich eine griff. Da-
        gegen waren die Einnahmen aus Erstattungsfällen nach
        § 128 AFG vergleichsweise gering. Durch das Urteil des
        Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 1997 hat sich
        der ohnehin schon erhebliche Verwaltungsaufwand
        nochmals vergrößert. Vor jedem der vierteljährlichen
        Erstattungsbescheide muß erneut geprüft und angehört
        werden. Auch deshalb, wegen dieser neuen Belastungen,
        ist eine durchgreifende Neuregelung dringend erforder-
        lich.
        Schließlich erfahren wir kein Wort über die Kosten
        dieser Rückdrehaktion. Denn wir gehen doch sicher
        nicht falsch in der Annahme, daß nun die „Gunst der
        Stunde“ genutzt wird und eine neue Welle von Abschie-
        beaktionen in die Arbeitslosigkeit mit vollen Abfindun-
        gen stattfinden wird. Es ist eigentlich müßig zu fragen:
        Wer kommt für diese neuen Kosten für die Arbeitslo-
        senversicherung und für den Bundeshaushalt auf? Denn
        die Antwort ist ja bekannt. Mit uns wäre dies nicht pas-
        siert!
        Und schließlich: Durch dieses angeblich so arbeit-
        nehmerfreundliche Gesetz wird Arbeitslosigkeit nicht
        verringert.
        Meine Damen und Herren von der rot-grünen Koali-
        tion, ich beglückwünsche Sie zu dieser „großartigen“
        Entscheidung, die uns alle viel Geld kosten, viele Be-
        troffene weiter verunsichern und vor allem den Herrn
        Bundeskanzler weiter von seinem Wahlziehl wegbrin-
        2076 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        gen wird, die Arbeitslosenzahl drastisch zu reduzieren.
        An diesem Erfolgskriterium wollte er sich doch messen
        lassen.
        Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, setzen wir
        eine kontraproduktive Regelung außer Kraft, die die
        vergangene Bundesregierung uns hinterlassen hat und
        die – würden wir jetzt nicht eingreifen – zu Anfang
        April nach Ende der Übergangsfristen in Kraft getreten
        wäre. Diese Vorschriften sind bereits mit ihrer Entste-
        hung heftig kritisiert worden, weil sie – wegen der
        scharfen Anrechnung der Entlassungsentschädigungen –
        sozial unausgewogen und verfassungsrechtlich bedenk-
        lich sind.
        Genau wie wir halten die Tarifpartner, die dies im
        Bündnis für Arbeit als eins der ersten Themen diskutiert
        haben, die alte Regelung bei den Entlassungsabfindun-
        gen für untauglich. Daher wollen wir jetzt nicht noch
        mehr Rechtsunsicherheit schaffen, indem wir eine Ge-
        setzesänderung für wenige Monate in Kraft treten las-
        sen, die mit Sicherheit keinen Bestand haben wird. Ge-
        rade da, wo Entlassungen anstehen und Sozialpläne ver-
        handelt werden müssen, ist Rechtssicherheit das minde-
        ste, was wir bieten müssen: Es wird nicht zu dieser An-
        rechnung von Entlassungsabfindungen auf das Arbeits-
        losengeld kommen, sondern wir greifen auf die alte Re-
        gelung nach AFG zurück.
        Für viele bedeutet Entlassung leider nach wie vor
        Entlassung in die Erwerbslosigkeit. Das Arbeitslosen-
        geld liegt zur Zeit bekanntlich bei 63 Prozent des vorhe-
        rigen Lohns. Abfindungen dienen für die von Entlassung
        Betroffenen dazu, diesen Einschnitt wenigstens ein we-
        nig abzufedern. Vor die zum Teil bitteren Auswirkungen
        der Absenkung des Lebensstandards setzt die Abfindung
        gerade bei Menschen mit niedrigen Einkommen ein
        Stück Schutzwall. Zum Teil werden dadurch Sozial-
        planverhandlungen oder einvernehmliche Auflösungen
        von Beschäftigungsverhältnissen erst möglich.
        Wir haben uns im Steuerentlastungsgesetz dafür ent-
        schieden, Abfindungen künftig stärker in die Besteue-
        rung einzubeziehen – da trifft es dann durch die Steuer-
        progression diejenigen stärker, die mehr haben. Das,
        was die alte Bundesregierung uns hier als Gesetz bei der
        Anrechnung der Entlassungsabfindungen hinterlassen
        hat, ist keine Lösung, weil es die Abfindungen viel zu
        scharf anrechnet, und das nicht auf die Steuer, sondern
        auf das Arbeitslosengeld.
        Wir sehen hier zwar durchaus Reformbedarf, den wir
        zu einem späteren Zeitpunkt auch einlösen werden. Das
        Problem läßt sich nicht bestreiten, für das wir eine Lö-
        sung finden müssen: es geht nicht an, daß die Sozialkas-
        sen den Arbeitgebern die Verkleinerung und Verjün-
        gung ihrer Belegschaften finanzieren. Wir brauchen eine
        Neuregelung, die auf der einen Seite den Arbeitneh-
        merInnen angemessene Freibeträge ermöglicht und auf
        der anderen Seite Anreize schafft für das Umsteuern von
        passiven Abfindungszahlungen zu einem aktiven Mittel-
        einsatz für die berufliche Wiedereingliederung der be-
        troffenen Arbeitnehmer bietet. Mit dieser Zielrichtung
        werden wir auch den ganzen Komplex der präventiven
        Arbeitsmarktpolitik neu konzipieren müssen.
        Heute sorgen wir lediglich dafür, daß ein untaugli-
        ches Gesetz nicht in die Realität umgesetzt wird und
        schaffen wieder Rechtssicherheit in diesem empfindli-
        chen Punkt. Eine echte Neuregelung, von der alle wis-
        sen, daß sie notwendig ist, steht damit noch aus. Aber
        wir nehmen das Bündnis für Arbeit, zu dem die neue
        Regierung eingeladen hat, ernst und werden dort in Ru-
        he mit den Tarifpartnern diskutieren. Im Anschluß wer-
        den wir dem Parlament einen Reformvorschlag vorle-
        gen.
        Dirk Niebel (F.D.P.):Jetzt ist es sicher, das kann kein
        Zufall sein: Der Weg zurück ist das rotgrüne Ziel.
        Wie die anderen Gesetzentwürfe im Bereich Steuern
        und Gesundheit reiht sich auch dieser Gesetzentwurf
        mühelos in die lange Reihe der Rückschritte und Rück-
        tritte von Reformmaßnahmen der alten Bundesregie-
        rung, egal, ob sinnvoll oder nicht, egal, ob notwendig
        oder nicht.
        Abfindungen, die Arbeitslose wegen der Beendigung
        ihrer Beschäftigungsverhältnisse erhalten, werden nach
        Abzug entsprechender Freibeträge auf das Arbeitslosen-
        geld angerechnet. Wir haben vor einem Jahr eine flexi-
        blere Regelung in Gang gesetzt, die die durchschnittli-
        che Entlassungsentschädigung unberührt läßt. Ein Ab-
        findungsbetrag bis zu 10 000 DM bleibt immer anrech-
        nungsfrei. Diese Regelung wirkt sich positiv aus vor al-
        lem für bis zu 50jährige Arbeitnehmer, für untere Ein-
        kommensgruppen und für Arbeitnehmer mit kurzer Be-
        triebszugehörigkeit. – Es ist richtig, daß es große Kritik
        von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegeben hat und
        daß diese Regelung kein Optimum darstellt, aber es be-
        steht keine Not, diese Regelung ohne sinnvolle Alterna-
        tive auszusetzen.
        Ihr Vorhaben fällt in der Frage der Qualität noch
        hinter das Gesetz zurück, das jetzt im April in Kraft tre-
        ten sollte. „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik sind Vertrau-
        enssache“, hat der Arbeitsminister in der Haushaltsde-
        batte gesagt. Dieser Gesetzentwurf ist nicht vertrauens-
        würdig. Dieser Gesetzentwurf soll nämlich, wenn er
        denn verabschiedet wird, nur so lange gelten, bis es ir-
        gendwann eine Neuregelung gibt.
        Diese Koalitionsregierung kündigt jetzt ihre Flops
        schon selbst an, und wir müssen uns schon wieder auf
        mindestens eine Nachbesserung einrichten. Dieser Ge-
        setzentwurf ist wieder nur ein halbherziger Schritt auf
        dem Flickenteppich rotgrüner Konzeptlosigkeit.
        Haben Sie auch die Verfahrensweise zum Gesetzent-
        wurf der geringfügigen Beschäftigungen noch im Ge-
        dächtnis? Die Debatte haben wir heute mit einem völlig
        unbefriedigenden Ergebnis vorerst abgeschlossen.
        Wie sollen wir einer solchen Regierung Vertrauen
        entgegenbringen? Wir haben eher allen Grund, uns vor
        so viel gestalterischer Kraft zu fürchten.
        Die Anrechnung von Abfindungen auf beitragsfinan-
        zierte Leistungen ist nach Meinung der F.D.P. schon
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2077
        (A) (C)
        (B) (D)
        allein dadurch gerechtfertigt, weil Leistungen wie Ar-
        beitslosengeld durch die Solidargemeinschaft finanziert
        werden. Je mehr Menschen diese Leistungen in An-
        spruch nehmen, desto höher sind die Belastungen für
        diejenigen, die mit ihren Beiträgen – nicht mit ihren
        Worten – für diese aufkommen müssen.
        Diese rotgrüne Regierung hat die Maßnahmen zum
        Kündigungsschutz zurückgenommen, die kleinen und
        mittleren Unternehmen mit bis zehn Beschäftigten eine
        höhere Flexibilität bei der Einstellung und bei der Kün-
        digung von Arbeitnehmern ermöglichte.
        Kündigungsschutz bedeutet im allgemeinen den ge-
        setzlichen Schutz des Arbeitnehmers als des sozial
        schwächeren Teils bei einer Kündigung durch den Ar-
        beitgeber. Manchem Arbeitnehmer gegenüber ist aber
        der Arbeitgeber eindeutig im Nachteil. Es gibt kaum
        noch ein Arbeitsverhältnis, das nicht zur Vermeidung
        langwieriger Arbeitsgerichtsprozesse ohne „Freikauf“
        durch Abfindung beendet wird.
        Bei einem Aufhebungsvertrag bestimmen beide Par-
        teien nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit das Ende
        des Arbeitsverhältnisses. Großunternehmen haben die
        Möglichkeit, mit Abfindungen, die oft nur eine verklau-
        sulierte Fortsetzung der Entlohnung ist, Arbeitnehmer
        zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes zu bewegen.
        Die alte Regelung hatte eine massive Frühverre-
        tungswelle zur Folge. Damit haben Großunternehmen
        ihre Probleme auf Kosten der kleinen und mittleren Un-
        ternehmen gelöst. An diesem Frühverrentungsprogramm
        haben Arbeitgeber und Betriebsräte gemeinsam ge-
        strickt.
        Die Einigung des „Bündnisses für Arbeit“, die zu die-
        sem Gesetz geführt hat, werte ich im Gegensatz zu Ih-
        nen nicht als Erfolg. Wenn sich Tarifparteien einig wa-
        ren, mußten wir schon öfter feststellen, daß die Einigung
        zu Lasten Dritter, in diesem Fall zu Lasten der Sozial-
        kassen ging.
        Eine Abfindung wird angenommen, um einer Kündi-
        gung zu entgehen. Ohne eine solche Abfindung ist der
        Gang vor das Arbeitsgericht höchstwahrscheinlich. Die
        Zahlung von Abfindungen ist also auch ein arbeits-
        marktpolitisches Instrument geworden, um sich von Ar-
        beitnehmern freizukaufen. Die Konzeption des Arbeits-
        rechts und der Arbeitsförderung beinhaltet jedoch nicht,
        daß überzählige Arbeitnehmer mit Abfindungen in die
        Arbeitslosigkeit entlassen werden können. Arbeitgeber
        und Arbeitnehmer sollten alle Anstrengungen unterneh-
        men, Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
        Wenn ich mich dafür ausspreche, die Abfindungsan-
        rechnung beizubehalten, will ich damit sicher nicht die
        gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Arbeitslo-
        sigkeit und ihre Folgen auf die Arbeitslosen abwälzen.
        Die Anrechnungsregelung ist ein Schritt, um von den
        traditionellen Abfindungssozialplänen wegzukommen.
        Die F.D.P. hat immer versucht, den Maßnahmen Vor-
        rang einzuräumen, die Arbeitslosen ermöglichen, so
        schnell wie möglich wieder einen Job zu bekommen.
        Dabei sollte vor allem zu Eigeninitiative und Aktivität
        motiviert werden. Maßnahmen wie die Finanzierung von
        Eingliederungshilfen oder die Altersteilzeit können eine
        sinnvolle Alternative zur Zahlung von Entlassungsent-
        schädigungen sein.
        Im übrigen: Die F.D.P. ist die Partei der sozialen
        Verantwortung, weil wir Arbeitslosigkeit nicht finanzie-
        ren wollen, sondern weil wir Arbeitslosigkeit verhindern
        wollen. Und wir hätten auch gern verhindert, daß unsere
        Energien auf eine Debatte wie diese hier verschwendet
        werden. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß die jet-
        zige Regelung mit den Stimmen der SPD-regierten Län-
        der im Bundesrat verabschiedet wurde.
        Die F.D.P. drängt darauf, daß es zu einer schnellen
        endgültigen Gesetzesregelung kommt. Legen Sie uns,
        wenn Sie nun schon eine Änderung für richtig halten
        wollen, eine vernünftige und durchdachte Neuregelung
        vor! Ich hoffe, daß Sie dazu in der Lage sind.
        Dr. Klaus Grehn (PDS): Die Einführung der Anrech-
        nung von Entlassungsentschädigungen, Abfindungen
        und ähnlichen Leistungen zu einem erheblichen Teil auf
        das Arbeitslosengeld war eine jener Maßnahmen der
        christdemokratisch-liberalen Regierungskoalition, die
        nicht nur von den Betroffenen als Kampf gegen die Ar-
        beitslosen statt gegen die Arbeitslosigkeit bezeichnet
        wurde. In der Tat hatten bei der Anhörung vor Einfüh-
        rung dieser Regelung die Sachverständigen sie mit
        Nachdruck als in höchstem Maße unsozial und verfas-
        sungsrechtlich bedenklich gekennzeichnet. Wie so häu-
        fig bei sozialpolitischen Grausamkeiten fanden die Hin-
        weise keine Berücksichtigung. Dem Wesen nach war es
        eine Regelung, mit der Finanzlöcher gestopft werden
        sollten.
        Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wird grundsätz-
        lich der bis zum 31. März 1997 geltende Rechtszustand
        wiederhergestellt, und erhebliche Verschlechterungen
        werden zurückgenommen.
        Das findet unsere Zustimmung ebenso wie das Ziel,
        die Tendenz zur totalen Aussteuerung älterer Arbeit-
        nehmer aus dem Arbeitsprozeß zu bremsen. Allerdings
        weisen wir nachdrücklich darauf hin, daß dieses Ziel mit
        der vorgelegten Regelung nicht erreicht wird. Wir hätten
        erwartet, daß eine Neuregelung sich auf dem Niveau der
        Koalitionsvereinbarung bewegt, in der sich die Koali-
        tionspartner verständigt hatten, im Rahmen des Bünd-
        nisses für Arbeit eine Neuregelung zu vereinbaren, „die
        Anreize dafür bieten muß, vorhandene Mittel bei der
        Freisetzung von Arbeitnehmern vorrangig nicht passiv
        für Abfindungszahlungen, sondern aktiv für Maßnah-
        men der beruflichen Wiedereingliederung der betroffe-
        nen Arbeitnehmer einzusetzen.“ Statt dem Rechnung zu
        tragen, wird in der Begründung dieser Gedanke wieder
        aufgegriffen und in die Zukunft verwiesen. Damit bleibt
        das grundsätzliche und auch von der vorherigen Regie-
        rungskoalition erkannte Problem des Herausdrängens
        der älteren Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben u.a. über
        die Frühverrentung bestehen. Die Kosten dafür werden
        den Sozialkassen aufgebürdet.
        Die jetzige Regierungskoalition hat wiederholt An-
        träge der PDS-Fraktion zur Zurücknahme anderer drin-
        gend der Korrektur bedürftiger Regelungen mit der Be-
        2078 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        gründung zurückgewiesen, ein völlig überarbeitetes
        SGB III vorzulegen. Angesichts der heute vorgelegten
        unvollständigen Regelung wird diese schon vorher
        schwer nachvollziehbare Begründung löchrig.
        Und im übrigen: So richtig die Wiedereinführung
        bzw. Einführung einer Erstattungspflicht eines Teiles
        des Arbeitslosengeldes durch den Arbeitgeber für die
        Entlassung älterer Arbeitnehmer ist, so sehr müssen die
        Konsequenzen auf die Einstellung älterer Arbeitneh-
        mer beachtet werden. Welches Unternehmen wird,
        ohne Beihilfen der BA, etwa einen 56jährigen einstel-
        len, wenn es bei dessen Entlassung zur Kasse gebeten
        wird? Die Nahtstelle „von der Arbeitslosigkeit in die
        Rente“ ist gerade für viele ältere Arbeitslose in den
        neuen Bundesländern von großer Bedeutung. Arbeits-
        lose etwa ab dem 55. Lebensjahr haben kaum die
        Chance auf Wiedereinstellung – und genau hier liegt
        ein Problem der sozialen Gerechtigkeit, der Verhinde-
        rung von Altersarmut und der Gewährleistung eines
        sinnerfüllten und gesicherten Lebensabends. Dies ist
        zwar nicht Anliegen des vorliegenden Gesetzentwur-
        fes, das Problem taucht aber schon jetzt am Rande auf
        und sollte bei weiteren ähnlichen Gesetzesinitiativen
        beachtet werden.
        Die Fraktion der PDS stimmt dem vorliegenden Ge-
        setzentwurf zu.
        Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
        nister für Arbeit und Sozialordnung: Nach 16 Jahren
        christdemokratisch-liberaler Regierung sehen wir uns
        mit einer Vielzahl von Problemen und Ungerechtigkei-
        ten konfrontiert. Wir haben versprochen, eine ganze
        Reihe dieser Ungerechtigkeiten unmittelbar nach der
        Wahl zu beseitigen. Viele dieser Versprechen sind von
        uns bereits eingelöst.
        Zu den Ungerechtigkeiten, die wir unbedingt beseiti-
        gen müssen, zählen auch die Regelungen zur Anrech-
        nung von Entlassungsentschädigungen auf das Arbeits-
        losengeld. Die alte Regierung wollte Entlassungsabfin-
        dungen in erheblichem Umfang auf das Arbeitslosen-
        geld anrechnen. Für die Arbeitnehmerin und den Arbeit-
        nehmer hätte das eine doppelte Ungerechtigkeit bedeu-
        tet. Zum Verlust des Arbeitsplatzes wäre als „Bestra-
        fung“ noch eine Kürzung des Arbeitslosengeldes getre-
        ten.
        An einem Beispiel wird die drastische Wirkung die-
        ser Regelung besonders deutlich: Ein 50jähriger Arbeit-
        nehmer wird wegen notwendiger Personalanpassungs-
        maßnahmen im Betrieb nach 25jähriger Betriebszugehö-
        rigkeit entlassen. Er erhält eine Abfindung in Höhe von
        50 000 DM. Davon würden ihm nach der alten Rechts-
        lage 50 Prozent auf das Arbeitslosengeld angerechnet.
        Hat derselbe Arbeitnehmer vor einigen Jahren den Ar-
        beitgeber gewechselt, würden sogar 60 Prozent der Ab-
        findung angerechnet. In der Praxis erhielte dieser Ar-
        beitnehmer so lange, bis der anrechenbare Teil der Ab-
        findung aufgebraucht ist, nur sein halbes Arbeitslosen-
        geld.
        Bei einem Bruttoarbeitsentgeld von 4 500 DM und
        Steuerklasse IV gibt es normalerweise rund 1 350 DM
        Arbeitslosengeld monatlich. Das ist nicht viel. Und
        dieser Betrag würde im Rahmen der Abfindungsan-
        rechnung dann noch einmal – und im Extremfall für
        die gesamte Dauer des Arbeitslosengeldbezuges – hal-
        biert.
        Ein solcher Eingriff ist sozial unausgewogen, verfas-
        sungsrechtlich bedenklich und wird deshalb zu Recht
        auch von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften
        kritisiert. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil
        die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer seinen An-
        spruch auf Arbeitslosengeld durch eigene Beitragslei-
        stungen erworben hat.
        Ohne unser Handeln heute würden diese Regelungen
        die Arbeitnehmer ab 7. April 1999 in vollem Umfang
        treffen. Aber: Wir halten Wort und verhindern diese
        Ungerechtigkeit. Wir präsentieren statt dessen einen so-
        zial ausgewogenen und finanziell tragbaren Entwurf zur
        vorläufigen Neuregelung der Entlassungsabfindungen.
        Unser Entwurf ist ein Ergebnis – und zugleich ein Erfolg
        – des Bündnisses für Arbeit. Die Bündnispartner waren
        sich über folgende Punkte einig: Erstens. Die von der
        alten Regierung geplante Regelung zur Anrechnung von
        Entlassungsentschädigungen darf nicht wirksam werden.
        Zweitens. Wir müssen statt dessen eine ausgewogene
        gesetzliche Neuregelung schaffen. Dabei soll einerseits
        sichergestellt werden, daß Arbeitnehmerinnen und Ar-
        beitnehmern der überwiegende Teil ihrer Abfindung
        verbleibt, wenn ihre Arbeitslosigkeit unvermeidbar ist.
        Andererseits wollen wir verhindern, daß sich die Unter-
        nehmen auf Kosten der Allgemeinheit insbesondere von
        ihren älteren Arbeitnehmern im Wege der Frühverren-
        tung trennen. Es darf nicht sein, daß die finanzielle Last
        der Arbeitslosen- und Rentenversicherung aufgebürdet
        wird.
        In den Arbeitsgruppen des „Bündnisses für Arbeit“
        geht es uns darum, die Sozialpartner stärker für Mo-
        delle zu gewinnen, die Arbeitslosigkeit vermeiden hel-
        fen und einen intelligenten Übergang vom Erwerbsle-
        ben in den Ruhestand ermöglichen. Die Möglichkeiten,
        die sich dabei bieten, sind vielfältig. Ich denke dabei
        zum Beispiel an berufliche Weiterbildung der betroffe-
        nen Arbeitnehmer, um deren Wiedereingliederung ins
        Arbeitsleben zu erleichtern. Möglich sind auch Ein-
        gliederungszuschüsse an Zweitunternehmen, die die
        freigesetzten Arbeitnehmer wieder übernehmen. Denk-
        bar sind Zuschüsse an den Arbeitnehmer selbst, wenn
        dieser sich selbständig machen will. Für die älteren
        Arbeitnehmer kommen beispielsweise die Einrichtung
        von Altersteilzeitmodellen in Betracht, die einen glei-
        tenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand
        ermöglichen.
        Bei den Bündnispartnern herrschte große Überein-
        stimmung darüber, daß wir intelligente Lösungen finden
        müssen, damit die Unternehmen nicht länger den für sie
        leichtesten Weg der Entlassung gehen. Allerdings müs-
        sen diese Alternativen solide durchgerechnet werden.
        Das kostet Zeit. Wir wollen keine unsauberen Schnell-
        schüsse, sondern Lösungen, mit denen alle Beteiligten
        zufrieden sein können.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2079
        (A) (C)
        (B) (D)
        Jetzt aber hatten wir Zeitdruck. Die Beteiligten des
        Bündnisses für Arbeit haben sich daher auf Vorschlag
        von Bundesarbeitsminister Walter Riester darauf geei-
        nigt, auf Grund dieses Zeitdrucks zum 1. April 1999
        zunächst den Rechtszustand wiederherzustellen, der bis
        zum 31. März 1997 bestanden hat. Das bedeutet, daß
        künftig der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn
        eine Abfindung gezahlt und die maßgebliche Kün-
        digungsfrist nicht eingehalten wird. Und der Arbeitge-
        ber ist verpflichtet, das Arbeitslosengeld für ältere
        Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen zu
        erstatten.
        Aus den Kreisen der Opposition ist der Vorwurf laut
        geworden, die SPD habe dem § 140 SGB III im Bundes-
        rat damals zugestimmt. Dies ist so nicht richtig. Das Ar-
        beitsförderungs-Reformgesetz war nicht zustimmungs-
        bedürftig. Dementsprechend hat die SPD der Änderung
        des § 115a AFG auch nicht zugestimmt. Allerdings war
        das erste SGB-III-Änderungsgesetz zustimmungsbe-
        dürftig, weil es die für die Umsetzung des AFRG not-
        wendigen Verfahrensregelungen enthielt. Im Rahmen
        dieses Gesetzgebungsverfahrens haben sich drei Länder,
        NRW, Bayern und Sachsen-Anhalt, an einer Arbeits-
        gruppe beteiligt, um zumindest für angemessene Freibe-
        träge bei der Regelung des § 140 SGB III Sorge zu tra-
        gen. Diese Länder haben dann in der Tat im Bundesrat
        der in der Arbeitsgruppe gefundenen Regelung zuge-
        stimmt.
        Mit der Rückkehr zum früheren Recht haben wir
        aber nur einen kleinen Teil der Wegstrecke zurück-
        gelegt. Jetzt müssen wir die unselige Frühverren-
        tungspraxis der Unternehmen stoppen. Viele Unter-
        nehmen schicken ihre älteren Arbeitnehmerinnen und
        Arbeitnehmer aus finanziellen Gründen lieber vorzei-
        tig in den Ruhestand. Das ist am Volumen der Er-
        stattungszahlungen der Arbeitgeber für ihre älteren
        Arbeitnehmer ablesbar: Die Bundesanstalt für Arbeit
        hatte im vergangenen Jahr Einnahmen aus Erstat-
        tungsforderungen in Höhe von rund 750 Millionen
        DM. 1997 beliefen sich diese Einnahmen sogar auf
        über 1 Milliarde DM. Diese Zahlen belegen, daß die
        Unternehmen lieber das Arbeitslosengeld erstatten,
        als über alternative Lösungen für ihre älteren Arbeit-
        nehmer nachzudenken. Wir wollen aber keine neue
        Frühverrentungswelle. Das kann sich die Sozialversi-
        cherung unter finanziellen Gesichtspunkten nicht lei-
        sten. Aber auch unsere Gesellschaft kann es sich un-
        ter sozialen Aspekten nicht leisten, daß Arbeitnehmer
        immer früher auf ein Abstellgleis geschoben werden
        und ihre in vielen Berufsjahren erworbene Erfahrung
        verloren geht.
        Die Bündnispartner haben deshalb vereinbart, daß die
        Gespräche im Bündnis für Arbeit mit dem Ziel fortge-
        setzt werden, zu einer für alle tragbaren Neuregelungen
        zu kommen. Wir müssen eine Neuregelung finden, die
        einerseits den Arbeitnehmern angemessene Freibeträge
        ermöglicht und andererseits den Unternehmen Anreize
        liefert, den Vorruhestand durch intelligentere Lösungen
        zu ersetzen.
        Ich bin davon überzeugt, daß wir im Bündnis für Ar-
        beit zu einer guten Lösung kommen.
        Anlage 11
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Aktuellen Stunde betr. Haltung der Bun-
        desregierung zu dem am 11. Februar 1999 ver-
        öffentlichten Bericht des Ausschusses für wirt-
        schaftliche, soziale und kulturelle Rechte der
        Vereinten Nationen zur Verletzung des interna-
        tionalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und
        kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik
        Deutschland
        (Zusatztagesordnungspunkt 4)
        Vera Lengsfeld (CDU/CSU): Wir haben heute abend
        mit einer besonderen Merkwürdigkeit zu tun. Die PDS
        möchte im Deutschen Bundestag das Ergebnis der sy-
        stematischen Desinformationskampagnen ihrer Vorfeld-
        organisationen diskutieren. Nachdem sich Parteifunktio-
        näre und Stasimitarbeiter von ihrer 89er Schmach erholt
        hatten, begannen sie Anfang der neunziger Jahre mit der
        Gründung eine Reihe von Nichtregierungsorganisatio-
        nen, die den Blick der internationalen Öffentlichkeit von
        den SED-Unrechtstaten weg auf die angeblichen Men-
        schenrechtsverletzungen im vereinten Deutschland hin-
        lenken sollten. Seitdem läuft eine beispiellose Desin-
        formationskampagne über angebliche politische Diskri-
        minierung, Berufsverbotspraxis und Rentenstrafrecht im
        vereinigten Deutschland. PDS-Aktivisten überziehen die
        UNESCO mit Menschenrechtsbeschwerden, in denen
        sie den Eindruck erwecken, ihr Schicksal sei beispielhaft
        für das aller ehemaligen DDR-Bürger. Begleitet werden
        diese Aktivitäten von den PDS-Bundestagsabgeord-
        neten, die eine enge Beziehung zu den Organisationen
        mit so klingenden Namen wie „Initiative für die volle
        Gewährung der verfassungsmäßigen Grundrechte und
        gegen Berufsverbote“ oder „Gesellschaft zum Schutz
        von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. (GBM)“
        unterhalten. Die Kampfblätter der genannten Vereine,
        z. B. der „Icarus“ der GBM, sind anspruchsvoll aufge-
        macht, auf bestem Papier gedruckt. Auf dem Cover
        prangt eine Radierung von Ronald Paris. Das gesamte
        Äußere soll wohl über den eher unappetitlichen Inhalt
        hinwegtäuschen. Haßtiraden dominieren. Vielleicht
        hätte Herr Ottmar Schreiner einmal in solch eine Publi-
        kation schauen sollen, bevor er die „geistige Nähe“ von
        SPD und PDS gepriesen hat.
        Die Frage, woher diese Organisationen Geld für teure
        Publikationen, aufwendige Kampagnen und häufige
        Reisen nach New York und Brüssel haben, sei hier nur
        am Rande gestellt. Schließlich hatten SED und Stasi
        rechtzeitig ihre Milliarden beiseite geschafft. Die Praxis,
        die vor der UNESCO mit Krokodilstränen in den Augen
        beklagt wird, die Berufsverbote, ich zitiere den „Icarus“,
        „die nicht selten für den Einzelnen das soziale Aus zur
        Folge hatten, persönliche Isoliertheit mit sich brachten
        und nicht wiedergutzumachende gesundheitliche Schä-
        den verursachten“, ist nicht etwa eine Beschreibung der
        Zustände in der DDR, wo tausende Regimekritiker die-
        ses Schicksal tatsächlich ereilte, sondern das Zerrbild,
        was ehemalige Parteifunktionäre und Stasileute über die
        Realität im vereinten Deutschland verbreiten.
        2080 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        Tatsache ist aber, daß die ehemaligen Unterdrücker,
        die Verantwortlichen für das DDR-Unrecht, im verein-
        ten Deutschland wesentlich komfortabler Leben als ihre
        Opfer. Ihnen sind sogar die Rentenanteile nachgezahlt
        worden, für die sie nicht mal selbst Geld eingezahlt hat-
        ten, weil der DDR-Staat treue Dienste u.a. mit steuer-
        finanzierten Rentenanwartschaften belohnt hat. Men-
        schen, die in der DDR verfolgt wurden, die ihren Beruf
        verloren und sich mit schlechtbezahlten Hilfsarbeitstä-
        tigkeiten durchschlagen mußten, müssen heute oft mit
        Mindestrenten auskommen. Sie werden darüber hinaus
        von ihren ehemaligen Verfolgern verhöhnt, indem die
        Täter vor der UNO das Schicksal ihrer Opfer als Bei-
        spiel für das angebliche Unrecht im Vereinten Deutsch-
        land mißbrauchen.
        In einem „Icarus“ findet sich die Karikatur einer un-
        endlich langen Bank. „Hier entsteht eine Anklagebank
        für 17 Millionen ehemalige DDR-Bürger“ steht auf
        einem Schild hinter der Bank. Schamloser geht es nicht.
        Ich verbitte mir im Namen aller Opfer des DDR-
        Regimes, für die Durchsetzung von SED- und Stasiin-
        teressen instrumentalisiert zu werden. Die Mißachtung
        der Menschenwürde der SED-Opfer ist bei der PDS
        Programm. Die heutige Aktuelle Stunde ist ein neuer
        Beweis dafür. Die SPD hat der PDS die Macht wieder-
        gegeben, die das Volk der DDR 1989 der SED abge-
        nommen hat. Die heutige Aktuelle Stunde könnte der
        SPD die Augen öffnen, wie ihre künftige Koalitions-
        partnerin ihre Macht zu mißbrauchen gedenkt. Wenn die
        SPD aber weiter nur den eigenen Machterhalt durch die
        Machtbefestigung der PDS will, wird sie für die Folgen
        verantwortlich sein.
        Anlage 12
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände-
        rung des Elften Buches Sozialgesetzbuch –
        4. SGB XI-Änderungsgesetz (Tagesordnungs-
        punkt 10)
        Regina Schmidt-Zadel (SPD): In ihrer Koalitions-
        vereinbarung haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen
        festgelegt, bei der Pflegeversicherung die bereits in der
        13. Wahlperiode vereinbarten maßvollen Leistungsver-
        besserungen umzusetzen. Wir beraten heute in erster Le-
        sung den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten
        Entwurf für ein 4. SGB-XI-Änderungsgesetz. Ich stelle
        fest: Die Koalition hält ihr Wort. Auch in der Pflegever-
        sicherung wird konsequent und Schritt für Schritt umge-
        setzt, was versprochen wurde. Ich muß aber an dieser
        Stelle auch noch einmal feststellen, daß die Pflegebe-
        dürftigen und ihre Angehörigen in der zurückliegenden
        Legislaturperiode leider anderes gewohnt waren, als ge-
        haltene Versprechungen.
        So sehr es mich auch freut, daß die Koalitionsfraktio-
        nen die heute zu beratenden Verbesserungen auf den
        Weg bringen, so ärgert es mich noch heute, daß diese
        Verbesserungen samt und sonders schon längst hätten
        beschlossen und in Kraft sein können. Ich erinnere dar-
        an, daß in der letzten Legislaturperiode feste Vereinba-
        rungen zwischen den Parteien getroffen wurden, aus de-
        nen sich erst die F.D.P. – und mit ihr dann auch die
        Union – verabschiedet hat.
        Insofern finde ich es schon erstaunlich, daß jetzt aus-
        gerechnet Herr Lohmann in einer gestern verbreiteten
        Presseerklärung die vorgelegten Verbesserungen plötz-
        lich als nicht ausreichend bezeichnet. Herr Lohmann, ich
        würde heute auch gerne darüber debattieren, wie die
        Pflegeversicherung zum Beispiel für die immer größere
        Zahl von psychisch Kranken, Alzheimer-Patienten und
        für Behinderte verbessert werden kann. Das sind ganz
        unbestreitbar wichtige Punkte bei der Weiterentwick-
        lung der Pflegeversicherung. Aber leider muß sich die
        Koalition ja erst noch mit den unerledigten Hausarbeiten
        ihrer Vorgänger beschäftigen und zunächst das auf den
        Weg bringen, was unter anderem Sie, Herr Lohmann, im
        vergangenen Jahr vorsätzlich versäumt haben. Ob etwas
        ausreichend war oder nicht, läßt sich immer erst am En-
        de eines Weges sagen. Die Koalition hat ihren Weg zur
        Weiterentwicklung der Pflegeversicherung erst begon-
        nen. Ihr Weg, Herr Lohmann, war am 27. September
        1998 zu Ende – und auch in Sachen Pflegeversicherung
        haben Ihnen die Wähler die Note „nicht ausreichend“
        ins Zeugnis geschrieben.
        Sie haben den Gesetzentwurf der Bundesländer Bay-
        ern und Baden-Württemberg angesprochen, der in Ihren
        Augen angeblich viel weiter geht. Es ist richtig, daß der
        Entwurf mit Neuregelungen für Behinderte und De-
        menzkranke tatsächlich Änderungsbedarf aufgreift. Das
        darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese
        Punkte nichts weiter als ein Alibi sind. In Wirklichkeit
        geht es Ihnen doch darum, die Pflegeversicherung lang-
        fristig in ein anderes System zu überführen. Das ist doch
        der Kern dieser Initiative. Dafür packen Sie ihren
        schlecht durchgerechneten und unausgegorenen Plänen
        zur Kapitalstockbildung schnell ein paar Verbesserun-
        gen für die Demenzkranken bei. Das ist durchsichtige
        Bauernfängerei und wird den Problemen nicht gerecht.
        Dabei gibt es in der Pflegeversicherung eine Reihe
        von Problemen, die noch angepackt werden müssen. Die
        Versorgung von Demenzkranken gehört ganz zweifellos
        dazu. Schnellschüsse und Alibi-Regelungen sind hier
        aber nicht angebracht. Darüber müssen wir in Ruhe
        sprechen und solide Lösungen erarbeiten.
        Nun gilt es, erst einmal die vorliegenden Verbesse-
        rungen auf den Weg zu bringen, auf die Pflegebedürftige
        und ihre Angehörigen seit langem warten. Da ist vor al-
        lem die Neuregelung bei der Anrechnung von Pflege-
        geld auf Unterhaltsansprüche oder -verpflichtungen zu
        nennen. Pflegegeld wird künftig unter bestimmten Vor-
        aussetzungen nicht auf die Unterhaltsansprüche pflegen-
        der Personen angerechnet. Damit beendet die Koalition
        die ungerechte Regelung, daß einer geschiedenen Frau
        der Unterhaltsanspruch gemindert wird, wenn sie für die
        Pflege des gemeinsamen behinderten Kindes Pflegegeld
        bekommt.
        Die Koalition stärkt die häusliche Pflege weiter, in-
        dem sie den pflegenden Angehörigen die Inanspruch-
        nahme der Kurzzeitpflege erheblich erleichtert. Hat eine
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2081
        (A) (C)
        (B) (D)
        Pflegeperson zum Beispiel einen Unfall erlitten oder
        konnte aufgrund anderer Ereignisse kurzfristig die Pfle-
        ge nicht gewährleisten, scheiterte die Inanspruchnahme
        der Kurzzeitpflege bislang oft am Nein der Pflegekas-
        sen. Begründung: Die Pflegeperson muß erst mindestens
        ein Jahr die Pflege erbracht haben, um diese Leistung
        erhalten zu können. Künftig ist eine solche Ersatzpflege
        vom ersten Tag an möglich.
        Eine ähnliche Stärkung erhält auch die Verhinde-
        rungspflege bzw. Urlaubspflege. Hier wird klargestellt,
        in welchen Fällen der Ersatzpflege der Höchstbetrag von
        2 800 Mark ausgeschöpft werden kann. Damit wird es
        für die Betroffenen erheblich leichter, für ihren Urlaub
        eine Ersatzpflegekraft aus der weiteren Verwandtschaft
        oder der Nachbarschaft zu finden. Eine Regelung, die
        die Bereitschaft zur Pflege im direkten und vertrauten
        häuslichen Umfeld der Pflegebedürftigen erheblich ver-
        bessern wird. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie drin-
        gend Pflegepersonen ihren Urlaub brauchen, um einfach
        mal Abstand zu der oft doch sehr schweren und bela-
        stenden Pflegearbeit zu bekommen. Wenn dann sicher-
        gestellt ist, daß die Ihnen anvertrauten Pflegebedürftigen
        in guten Händen sind, dann wird dieser Urlaub umso
        leichter anzutreten sein.
        Einen weiteren wichtigen Punkt des vorliegenden Re-
        formgesetzes möchte ich noch anführen: Es war ein be-
        schämender und taktloser Tatbestand, daß die Pflegekas-
        sen bei Tod des Pflegebedürftigen das für den Sterbe-
        monat zuviel gezahlte Geld zurückfordern mußten. Hier
        ist der Bescheid der Kassen oft genug noch in die Trauer
        der Angehörigen geplatzt. Die haben sich dann zu Recht
        gefragt, warum sie nach oft jahrelanger aufopfernder
        Pflege, die den Pflegekassen erhebliche Beträge im Ver-
        gleich zur stationären Pflege einsparte, für ein paar we-
        nige Tage das bereits überwiesene Geld zurückzahlen
        müssen.
        Die Neuregelung spart Verwaltungskosten ein, die
        das Zurückfordern erforderte. Sie ist aber auch ein Akt
        des Respektes vor der Pflegeleistung der Angehörigen.
        In Zukunft wird das Pflegegeld, in dem Monat, in dem
        der Pflegebedürftige stirbt, von den Angehörigen nicht
        mehr zurückgefordert. Allein wegen dieser längst über-
        fälligen Regelung finde ich es beschämend, daß diese
        Novellierung erst jetzt zustande kommt. Wie viele dieser
        unwürdigen Rückforderungsbescheide hätten vermieden
        werden können, wenn die Änderungsgesetze bereits im
        letzten Jahr den Bundestag passiert hätten.
        Der Gesetzentwurf enthält noch eine Reihe anderer
        Regelungen wie die Erhöhung des Pflegegeldes im teil-
        stationären Bereich und die Übernahme der Kosten für
        die Pflichtpflegeeinsätze durch die Pflegekassen. Auch
        das wird den Vorrang der häuslichen Pflege spürbar
        stärken und zugleich die Qualität der Pflege sichern hel-
        fen.
        Die von der Koalition vorgelegten Änderungen in XI.
        Sozialgesetzbuch sind ein weiterer Schritt zur Verbesse-
        rung der Pflegeversicherung. Vieles wird praxisgerech-
        ter, einfacher zu handhaben und bringt vor allem im Be-
        reich der häuslichen Pflege spürbare Erleichterungen.
        Die Kosten von ca. 260 Millionen Mark sind, gemessen
        am Gesamtvolumen der Pflegeversicherung, vertretbar.
        Weitere Schritte zur Verbesserung in der Pflegeversi-
        cherung müssen folgen. Ich bin bereits kurz darauf ein-
        gegangen. Vielen der 1,7 Millionen Pflegebedürftigen
        und ihren Angehörigen wäre aber schon entscheidend
        geholfen, wenn die vorgelegten Änderungen zum Som-
        mer beschlossen werden. Ich lade daher die Kolleginnen
        und Kollegen der Union und der F.D.P. herzlich ein:
        Machen Sie Ihren Fehler vom vergangenen Jahr wieder
        gut, kommen Sie zurück ins Boot und lassen Sie uns
        gemeinsam die Pflegeversicherung weiterentwickeln.
        Das 4. SGB-XI-Änderungsgesetz ist dazu ein guter An-
        fang.
        Eva-Maria Kors (CDU/CSU): Es ist unbestritten, die
        Pflegeversicherung hat sich als Instrument zur Absiche-
        rung des Risikos der Pflegebedürftigkeit im Rahmen un-
        serer sozialen Sicherungssysteme bewährt. Die Zahl von
        über 1,7 Mio. Pflegebedürftigen und deren Angehörigen,
        die in der Zwischenzeit Leistungen durch die Pflegever-
        sicherung erhalten, spricht für sich. Es ist auch unbe-
        stritten, daß ein solch umfassendes Reformwerk nach
        einer gewissen Zeit der praktischen Anwendung über-
        prüft werden muß und daß dann auf festgestellte Defi-
        zite durch die Politik reagiert werden muß und Lösun-
        gen auf den Weg gebracht werden müssen.
        Aus dieser Sicht ist der vorgelegte Entwurf ein Schritt
        in die richtige Richtung, ein Schritt, den wir, die
        CDU/CSU-Fraktion, in der vergangenen Legislaturperi-
        ode ja bereits teilweise zusammen mit Ihnen gegangen
        sind. Aber dennoch: Der Entwurf ist mit seinen Ände-
        rungen für die CDU/CSU-Fraktion schlicht und einfach
        nicht ausreichend! Der Gesetzentwurf gibt zunächst
        einmal keine Antwort auf die Frage, was mit den Bei-
        tragsüberschüssen in der Pflegeversicherung in Höhe
        von fast 10 Milliarden DM geschehen soll – geschweige
        denn, daß er entsprechende Lösungsansätze zu bieten
        hat. Diese Lösungsansätze hätte die Bundesregierung
        durch einen Blick in die Bundesratsinitiative Bayerns,
        Baden-Württembergs und Sachsens finden können.
        Nach diesem Entwurf sollen die Überschüsse in der
        Pflegeversicherung in eine Generationenreserve einge-
        stellt werden und später zur Abfederung der demogra-
        phischen Entwicklung verwandt werden.
        Sichergestellt werden müßte jedoch noch zusätzlich
        – und dies möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich be-
        tonen –, daß eine Möglichkeit geschaffen wird, wie
        diese Generationenreserve unter gewissen Umständen
        auch vor dem angestrebten Jahr 2025 in Anspruch ge-
        nommen werden kann, um so mögliche Beitragserhö-
        hungen vermeiden zu können. Ich bedauere sehr, daß die
        Bundesregierung in ihrem Entwurf dieser wichtigen
        Frage ausgewichen ist und die konstruktiven Lösungs-
        ansätze der CDU-geführten Bundesländer nicht aufge-
        griffen hat.
        Der Regierungsentwurf läßt ein weiteres wichtiges
        Problem völlig unangesprochen und ungelöst, denn er
        enthält keine Ausführungen zur Absicherung und Be-
        rücksichtigung des allgemeinen Betreuungsaufwandes
        für Menschen mit geistigen Behinderungen und psychi-
        schen Erkrankungen, insbesondere altersverwirrter Men-
        2082 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        schen. Kein Wort, keine Vorschrift über die Berück-
        sichtung der Pflegebedürftigkeit von Demenzkranken im
        System der Pflegeversicherung – und das in einem Ent-
        wurf, der groß Verbesserungen ankündigt. Dies ist für
        die Betroffenen und deren Betreuer, aber darüber hinaus
        auch für die betreuenden Einrichtungen überaus unbe-
        friedigend. Wir, die Mitglieder der CDU/CSU-Bun-
        destagsfraktion, sind der Auffassung, daß auf die zu-
        nehmende Zahl Demenzkranker – nach Auskünften der
        Verbände zur Zeit etwa 1,4 Millionen Menschen in
        Deutschland – schnellstens reagiert werden muß und
        auch reagiert werden kann, zumal auf der Grundlage
        der Bundesratsinitiative der Länder Bayern, Baden-
        Württemberg und Sachsen ein praktikabler und finan-
        zierbarer Weg beschritten werden kann.
        Der Regierungsentwurf entspricht aber noch nicht
        einmal den Forderungen der grünen Regierungspartei,
        namentlich den Forderungen der Bundesarbeitsgemein-
        schaft Behindertenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen.
        Diese Arbeitsgemeinschaft spricht die von mir gerade
        dargelegte Thematik in einem Positionspapier mit dem
        Titel „Reform der Pflegeversicherung“ vom November
        1998 ausdrücklich an und fordert in diesem Bereich
        weitreichende Verbesserungen.
        Wenn die Betroffenen – (Anm.: damit sind behin-
        derte und altersverwirrte Menschen gemeint) – zur
        Vermeidung von Eigengefährdungen die fast stän-
        dige Anwesenheit einer Person zur Beaufsichtigung
        benötigen, belastet dies sowohl die Familien als
        auch im Falle der stationären Pflege das Heimper-
        sonal überproportional.
        Bei den Leistungen der Pflegeversicherung wird
        dies aber überhaupt nicht berücksichtigt.
        Dieser Ausschluß ist willkürlich und ungerecht.
        Ein Bedarf an Anleitung und Beaufsichtigung muß
        daher bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit
        und der Einstufung in die einzelnen Pflegestufen
        Berücksichtigung finden. Das gleiche gilt für Hil-
        fen bei der Kommunikation.
        Angesichts der großen und stetig wachsenden Zahl
        altersverwirrter Menschen und den damit verbundenen
        Problemen für Familienangehörige und Pflegepersonen
        reicht es eben nicht aus – wie im Koalitionsvertrag oder
        in zahlreichen Interviews immer wieder angekündigt –,
        eine bessere Berücksichtigung des allgemeinen Betreu-
        ungsbedarfs dieser Personen prüfen zu wollen. Im Ge-
        genteil, hier müssen dann auch Taten folgen. Es ist
        ebenfalls nicht ausreichend, nur darauf hinzuweisen, daß
        der Diskussionsprozeß zum Pflegeversicherungsgesetz
        noch nicht abgeschlossen sei – so zuletzt die Kollegin
        Schaich-Walch.
        Oder sind diese Ankündigungen so zu verstehen,
        daß die SPD-Fraktion die Pläne von Bundesfinanzmi-
        nister Lafontaine, die Pflegeversicherung auf eine
        Steuerfinanzierung umzustellen, doch noch nicht zu
        den Akten gelegt hat? Äußerungen des Kollegen
        Struck, wonach er sich jedenfalls die Umsetzung
        eines steuerfinanzierten Modells mit Blick auf die
        Belastungen der öffentlichen Haushalte aktuell nicht
        vorstellen könne, haben hier auch keine Klarheit her-
        beiführen können.
        Die Bundesregierung muß sich schon die Frage ge-
        fallen lassen, wie sie denn nun die zukünftige Finanzie-
        rung der Pflegeversicherung in Wirklichkeit gestalten
        will. Steuerfinanziert und damit den Vorstellungen des
        jeweiligen Bundesfinanzministers unterstellt, der ent-
        scheidet, wann Pflegebedürftigkeit vorliegt und wann
        diese finanzierbar ist oder nicht, oder eben, wie derzeit
        praktiziert und bewährt, beitragsfinanziert im Gefüge
        der sozialen Sicherungssysteme und damit für die Be-
        troffenen abschätzbar und verläßlich? Eine Antwort auf
        diese Frage, meine Damen und Herren der Regierungs-
        koalition, steht noch aus. Insgesamt ist Ihr Regierungs-
        entwurf aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion halbherzig
        und unzureichend, denn er läßt zum Beispiel das große
        und überaus wichtige Thema der Altersverwirrten völ-
        lig unberücksichtigt und ungelöst.
        Es liegt nun an Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle-
        gen von den Regierungsfraktionen, ob im Rahmen der
        weiteren Beratungen dieses Gesetzentwurfs doch noch
        die notwendigen Verbesserungen durchgesetzt werden
        oder ob es wieder einmal bei den Gesetzesberatungen –
        wie seit dem Beginn dieser Legislaturperiode bei Ihnen
        ja so üblich – nur nach dem Motto gehandelt werden
        soll: „Augen zu und durch!“
        Detlef Parr (F.D.P.): Der heute vorgelegte Gesetz-
        entwurf sieht die Beseitigung einiger Ungereimtheiten
        vor, die bei Abfassung des Gesetzes nicht so deutlich
        erkennbar waren. Das ist sinnvoll. Darüber hinaus sind
        Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und ihre An-
        gehörigen bei der Finanzierung der Pflegekontrolleinsät-
        ze vorgesehen. Auch das ist akzeptabel. Es war den Be-
        troffenen immer nur schwer zu vermitteln, daß sie die
        Kosten für Kontrollbesuche, die nicht sie, sondern die
        Pflegeversicherungsgemeinschaft für notwendig hält,
        aus eigener Tasche zahlen sollten.
        Über die Anhebung der Pauschalen für die teilsta-
        tionäre Pflege müssen wir im Gesundheitsausschuß
        noch einmal intensiv diskutieren, ob sie nicht nur den
        Einrichtungen nutzt, nicht jedoch den Pflegebedürfti-
        gen selbst. Tages- oder Nachtpflege bedeutet, daß der
        Pflegebedürftige nur am Tag oder nur in der Nacht in
        dieser Einrichtung versorgt wird. Die jeweils andere
        Zeit des Tages muß er anderweitig betreut werden.
        Bisher ist es so, daß der Pflegebedürftige zum Beispiel
        in Pflegestufe III maximal 2 100 DM für die teilstatio-
        näre Pflege erhält plus bis zu 700 DM für die häusliche
        Pflege, nämlich bis zum Höchstbetrag von 2 800 DM
        für die Pflegesachleistung. Wenn nun für die teilstatio-
        näre Pflege ein Betrag von bis zu 2 800 DM vorgese-
        hen wird, bedeutet das im Regelfall, daß die Unterstüt-
        zung für die häusliche Pflegekraft wegfällt, weil sich
        erfahrungsgemäß die Sätze der Einrichtungen an den
        Höchstsätzen ausrichten.
        Die größte Notwendigkeit, etwas zu ändern, scheint
        mir jedoch nicht im gesetzgeberischen Bereich zu lie-
        gen, sondern in der konkreten Umsetzung vor Ort. Es
        kann nicht angehen, daß Pflegebedürftigen notwendige
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2083
        (A) (C)
        (B) (D)
        Leistungen verweigert werden, wie das immer wieder
        vorkommt. Das gilt ganz besonders für die Demenz-
        kranken. Wir brauchen eine Gleichbehandlung von
        Menschen, die aus physischen Gründen pflegebedürftig
        sind, und solchen, die aus psychischen Gründen Hilfe
        bei der Pflege benötigen. Hier liegt zur Zeit einiges im
        argen. Ob die Situation für Demenzkranke durch eine
        andere Form der Begutachtung verbessert werden kann
        oder ob dafür eine Gesetzesänderung notwendig ist,
        sollten wir gemeinsam im Ausschuß sorgfältig erörtern.
        Viele Mißstände werden auch dadurch verursacht, daß
        Pflegeversicherung und Krankenversicherung getrennt
        laufen und es in der Pflegeversicherung im Gegensatz
        zur Krankenversicherung einen vollständigen Ausga-
        benausgleich zwischen den Kassenarten gibt. Das setzt
        zum Teil falsche Anreize. Wir sollten deshalb noch ein-
        mal gründlich darüber nachdenken, ob es nicht besser
        ist, Pflege- und Krankenversicherung zusammenzufas-
        sen, zumal es manchmal äußerst schwierig ist, zu beur-
        teilen, ob ein Mensch lediglich Pflege braucht, weil er
        alt und gebrechlich ist, oder ob er Unterstützung
        braucht, weil er krank ist. Das Thema „Rehabilitation
        vor Pflege“, das zur Zeit auch noch völlig unbefriedi-
        gend gelöst ist, weil die Krankenversicherung hierfür
        zuständig ist und nicht die Pflegeversicherung, die von
        einer erfolgreichen Rehabilitation profitiert, wäre damit
        automatisch vom Tisch.
        Unterhalten müssen wir uns auch über die Über-
        schüsse, die die Pflegeversicherung angesammelt hat.
        Ende 1998 lagen knapp 10 Milliarden DM auf den
        Konten der gesetzlichen Pflegekassen. Davon sind le-
        diglich 4 Milliarden DM gesetzlich vorgeschriebene
        Rücklagen. Es gibt einen schönen Spruch eines
        Finanzwissenschaftlers: „Kasse macht sinnlich.“ Inso-
        fern wundert es mich nicht, daß zur Zeit alle mögli-
        chen Vorschläge in der Diskussion sind, was man mit
        den Überschüssen über das im Gesetzentwurf nicht
        Vorgesehene hinaus anfangen soll. Für mich gibt es
        darauf nur eine Antwort: Wir müssen dafür sorgen,
        daß man in diese Versuchung nicht mehr kommt. Am
        besten wäre es, das Geld an diejenigen zurückzuge-
        ben, die es angesammelt haben: die Versicherten und
        Arbeitgeber. Möglich wäre auch die Anlage in Form
        eines Kapitalstocks. Dies bringt allerdings gewisse
        Probleme mit sich, so daß man hinter einen solchen
        Vorschlag zumindest ein großes Fragezeichen setzen
        muß. Problematisch wäre eine Hortung der Über-
        schüsse bei den Pflegekassen, weil das Begehrlich-
        keiten weckt, die angesichts der Alterspyramide unse-
        rer Bevölkerung in ein paar Jahren nicht mehr finan-
        zierbar sind.
        Andrea Fischer, Bundesministerin für Gesundheit:
        Mit dem heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf
        zur Änderung des Pflegeversicherungsgesetzes setzen
        wir um, was uns die abgewählte Bundesregierung und
        frühere Koalition als unerledigtes Versprechen hinterlas-
        sen haben.
        Über die Regelungen des Gesetzentwurfes besteht
        fachpolitisch weitestgehend Einvernehmen, und er hätte
        in der letzten Legislaturperiode auch fraktionsübergrei-
        fend beschlossen werden können. Taktische Überlegun-
        gen auf Ihrer Seite haben damals dazu geführt, daß diese
        sinnvollen Regelungen zugunsten der Pflegebedürftigen
        auf der Strecke blieben.
        Unser Gesetzentwurf ist ein abgestimmter Entwurf,
        der frühere Versprechen endlich erfüllt. Er sieht im
        ,wesentlichen leistungsrechtliche Veränderungen in der
        Tages- und Nachtpflege, den offeneren Zugang zur
        Kurzzeitpflege sowie die Kostenübernahme bei den
        Pflegepflichteinsätzen vor. Das Finanzvolumen beträgt,
        wenn die Leistungen in einigen Jahren voll in An-
        spruch genommen werden, rund 260 Millionen DM
        jährlich.
        Was besonders wichtig ist, diese Leistungsverbesse-
        rungen kommen vor allem Frauen bei der Bewältigung
        ihres schwierigen Pflegealltags zugute. Denn sie sind es,
        die die Pflege zu Hause organisieren und durchführen
        und die durch die Leistungsverbesserungen entlastet
        werden. Dies ist auch ein wichtiger Beitrag für die
        Familie.
        Um so unverständlicher wäre es für die Pflegebe-
        dürftigen, wenn auch wir diese Verbesserungen hinaus-
        schieben würden. Hier arbeiten wir zügig ab, was wir
        sogleich erledigen können. Deshalb haben wir den un-
        veränderten Gesetzentwurf hier eingebracht, in der Er-
        wartung, daß er rasch in den parlamentarischen Bera-
        tungen verabschiedet werden kann, da er zwischen den
        Fraktionen unstrittig sein dürfte. Die Pflegebedürftigen
        und ihre Angehörigen würden nicht verstehen, wenn wir
        die jetzt anstehenden Änderungen erst vornähmen, wenn
        weiterer Änderungsbedarf abschließend geprüft, festge-
        stellt, mit allen Beteiligten diskutiert und politisch
        mehrheitsfähig ist.
        Das bedeutet nicht, daß wir den anderen Änderungs-
        bedarf nicht ernst nähmen oder auf die lange Bank schö-
        ben. Wir prüfen sorgfältig und gewissenhaft. Dies
        schließt ein, daß Auswirkungen möglicher Änderungen
        auf die Finanzen der Pflegeversicherung sowie auf deren
        Funktions- und Leistungsfähigkeit sehr sorgsam bedacht
        werden müssen.
        Mit einem Beitragssatz von 1,7 Prozent ist der
        Finanzrahmen der sozialen Pflegeversicherung vorgege-
        ben. Aber schon heute wissen wir, daß allein die demo-
        graphische Entwicklung mit einem Anstieg der Zahl der
        Pflegebedürftigen um bis zu 350 000 bis zum Jahr 2010
        zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Pflege-
        versicherung führt. Darauf müssen wir uns schon heute
        einstellen, wenn wir solide und verantwortlich wirt-
        schaften wollen. Das heißt im Klartext: Der am Ende
        des Jahres 1998 bestehende Überschuß der Pflegeversi-
        cherung von 9,7 Milliarden DM ist für die demographi-
        sche Entwicklung da und sichert die Stabilität des Bei-
        tragssatzes in der Pflegeversicherung.
        Nachdem der Jahresüberschuß in den Jahren 1996
        2,3 Milliarden DM und 1997 1,6 Milliarden DM betrug,
        gibt ein Überschuß von nur noch 0,25 Milliarden DM
        für das Jahr 1998 allen Anlaß zur finanziellen Vorsicht.
        Die Auswirkungen neuer gesetzlicher Regelungen auf
        die Finanzen der Pflegeversicherung sowie auf deren
        Funktions- und Leistungsfähigkeit müssen sehr sorgfäl-
        2084 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999
        (A) (C)
        (B) (D)
        tig bedacht werden. Verbesserungen und Weiterent-
        wicklungen, die Ausgabensteigerungen zur Folge haben,
        müssen aus den laufenden Einnahmen der Pflegeversi-
        cherung finanziert werden. Es kann deshalb leider nicht
        alles, was wünschenswert ist, auch tatsächlich realisiert
        werden.
        Die finanzielle Solidität der Pflegeversicherung, die
        Verläßlichkeit der Leistungsgewährung und die Stabi-
        lität des Beitragssatzes sind nicht nur eine Frage der
        Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Gerade
        die Stabilität des Beitragssatzes hat im Hinblick auf die
        Lohnnebenkosten höchste Priorität. Wer also streng auf
        die Finanzierbarkeit und die Stabilität der Pflegeversi-
        cherung achtet, handelt nicht nur zum Wohl der Versi-
        cherten, sondern hat auch Beschäftigung und Wirt-
        schaft im Blick. Dies kennzeichnet eine solide Sozial-
        politik.
        Ganz anders der Gesetzentwurf der Länder Bayern
        und Baden-Württemberg. In ihm werden Verbesserun-
        gen versprochen, die nicht finanzierbar sind. Diese Vor-
        schläge untergraben das solide Fundament der Pflege-
        versicherung und setzen sie leichtfertig aufs Spiel.
        An die Opposition im Bund und in den Ländern
        möchte ich angesichts dieses Gesetzentwurfs aus Bayern
        und Baden-Württemberg, aber auch im Hinblick auf
        manche Forderung nach weitreichenden Änderungen bei
        der Pflegeversicherung appellieren, mehr Sorgfalt und
        Seriosität bei Forderungen zum Thema „Pflegeversiche-
        rung“ walten zu lassen. Es nutzt niemandem, insbeson-
        dere nicht den Pflegebedürftigen, ihren Familien und
        den Beitragszahlern, wenn das solide finanzielle Fun-
        dament der Pflegeversicherung untergraben und leicht-
        fertig aufs Spiel gesetzt wird.
        Wir haben uns mit dem vorgelegten Gesetzentwurf
        daran gehalten. Und da sein Inhalt noch in der letzten
        Legislaturperiode unstrittig war, hoffe ich auf eine frak-
        tionsübergreifende Mehrheit.
        Anlage 13
        Erklärung
        des Abgeordneten Rainer Funke (F.D.P.) zur
        namentlichen Abstimmung über die Be-
        schlußempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
        ses zu dem Antrag der Bundesregierung Deut-
        sche Beteiligung an der militärischen Umset-
        zung eines Rambouillet-Abkommens für den
        Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rah-
        men der Notfalltruppe (Extraction Force)
        (Drucksachen 14/397, 14/414) am 25. Februar
        1999 (22. Sitzung, Seite 1715 B)
        Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
        führt.
        Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung
        teilgenommen und mit Nein gestimmt habe.
        Anlage 14
        Erklärung
        des Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offen-
        bach) (CDU/CSU) zur namentlichen Schlußab-
        stimmung über den Entwurf eines von den Frak-
        tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
        eingebrachten Gesetzes zum Einstieg in die ökolo-
        gische Steuerreform (Drucksachen 14/40, 14/408)
        am 3. März 1999 (24. Sitzung, Seite 1851 A)
        Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
        führt.
        Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung
        teilgenommen und mit Nein gestimmt habe.
        Anlage 15
        Erklärung
        der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich)
        (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentli-
        chen Abstimmung über den Änderungsantrag
        der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz
        Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Frak-
        tion der CDU/CSU zu dem Entwurf eines von
        den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN eingebrachten Gesetzes zum Einstieg
        in die ökologische Steuerreform (Drucksachen
        14/40, 14/408, 14/424) am 3. März 1999 (24. Sit-
        zung, Seite 1842 A)
        Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
        führt.
        Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung
        teilgenommen und mit Nein gestimmt habe.
        Anlage 16
        Erklärung
        der Abgeordneten Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung
        über den Entschließungsantrag der Fraktion PDS
        zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und
        BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines
        Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuer-
        reform (Drucksachen 14/40, 14/408 und 14/423) am
        3. März 1999 (24. Sitzung, Seite 1862 D)
        An der namentlichen Abstimmung habe ich – entge-
        gen der Angabe im Stenographischen Protokoll – teilge-
        nommen und mit Nein abgestimmt.
        Anlage 17
        Amtliche Mitteilung
        Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit-
        geteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
        Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
        nachstehenden Vorlage absieht:
        Ausschuß für Gesundheit
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über den geänderten Vor-schlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriftender Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlenbehandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile
        – Drucksachen 13/11284, 14/69 Nr. 1.7 –
        Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
        53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44
        20