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    Plenarprotokoll 14/25 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 25. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 I n h a l t : Begrüßung des Präsidenten der ungarischen Nationalversammlung, Dr. János Áder, und seiner Delegation ............................................ 1897 A Tausch von gewählten stellvertretenden Mit- gliedern im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post..................... 1897 B Wahl des Abgeordneten Christian Ströbele als stellvertretendes Mitglied in den Stiftungs- rat der „Stiftung der Aufarbeitung der SED- Diktatur“ .......................................................... 1897 C Erweiterung der Tagesordnung........................ 1897 D Nachträgliche Ausschußüberweisungen .......... 1898 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442, 14/443, 14/466) .......................................... 1898 A Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1898 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. .................. 1900 D Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 1903 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1908 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS............................ 1910 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU ............ 1911 C Diethard Schütze (Berlin) CDU/CSU.......... 1912 A Klaus-Peter Willsch CDU/CSU................... 1913 B Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 1914 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1914 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P....................... 1915 B Detlev von Larcher SPD.............................. 1917 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1918 D Klaus Haupt F.D.P........................................... 1921 D Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1922 B Detlev von Larcher SPD.................................. 1922 B Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU ................................................................. 1925 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN............................................................. 1925 D Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN............................................ 1928 B Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 1930 B Jörg-Otto Spiller SPD...................................... 1931 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .......................... 1933 B Dr. Georg Milbradt, Staatsminister (Sachsen) . 1933 D Dr. Mathias Schubert SPD............................... 1936 A Ulrich Klinkert CDU/CSU .......................... 1937 D Peter Rauen CDU/CSU.................................... 1938 D Lydia Westrich SPD ........................................ 1941 A Joachim Poß SPD ............................................ 1942 B Elke Wülfing CDU/CSU ............................. 1943 A Namentliche Abstimmung über Artikel 1 Nummer 1 in der Ausschußfassung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442)........................... 1944 C Ergebnis........................................................... 1945 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 Namentlliche Abstimmung über Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 2 in der Aus- schußfassung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Steuerentlastungsge- setzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442)............................................................. 1945 A Ergebnis ........................................................... 1948 D Namentliche Abstimmung über Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe ee in der Ausschußfassung des von den Fraktio- nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentla- stungsgesetzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442).................................................. 1945 C Ergebnis ........................................................... 1951 A Namentliche Abstimmung über Artikel 5 Nummer 1 in der Ausschußfassung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442)........................... 1948 B Ergebnis ........................................................... 1953 B Namentliche Schlußabstimmung über den von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442)........................... 1956 A Ergebnis ........................................................... 1956 D Namentliche Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Norbert Barthle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU (Druck- sache 14/467) ................................................... 1956 A Ergebnis ........................................................... 1959 A Namentliche Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P. (Drucksache 14/465)............................................................. 1956 B Ergebnis ........................................................... 1975 B Namentliche Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion PDS (Druck- sache 14/451) ................................................... 1956 C Ergebnis ........................................................... 1978 A Tagesordnungspunkt 4: Debatte anläßlich des Internationalen Frauentages Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ........................................................... 1961 D Bärbel Sothmann CDU/CSU ........................... 1964 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 1966 C Ina Lenke F.D.P............................................... 1968 C Petra Bläss PDS............................................... 1970 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD............................ 1970 D Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU.......................... 1971 B Ulla Schmidt (Aachen) SPD........................ 1971 C Hanna Wolf (München) SPD........................... 1973 B Tagesordnungspunkt 12: Überweisungen im vereinfachten Verfah- ren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundessozi- alhilfegesetzes (Drucksache 14/389) ......... 1980 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 17. Okto- ber 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Seeschiffahrt (Drucksache 14/390)........................................................ 1980 D Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des DNA-Identitätsfest- stellungsgesetzes (Drucksache 14/445) ..... 1981 A b) Antrag der Abgeordneten Marlies Pretz- laff, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationen zu Weltbevölkerung und Ent- wicklung 1994 (Drucksache 14/446) ......... 1981 A Tagesordnungspunkt 13: Abschließende Beratungen ohne Ausspra- che a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Tabaksteuer- gesetzes (§ 30a TabStG) (Drucksachen 14/18, 14/359) ............................................ 1981 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 III b) Antrag der Bundesregierung Ausnahme von dem Verbot der Zuge- hörigkeit zu einem Aufsichtsrat für ein Mitglied der Bundesregierung (Drucksa- che 14/357) ................................................. 1981 C c) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung Zwischenbericht über das Gemein- schaftsprogramm für Sicherheit, Ar- beitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (1996–2000) (Drucksachen 14/74 Nr. 2.82, 14/393)............................... 1981 C d – g) Beschlußempfehlungen des Petitionsaus- schusses Sammelübersichten 18, 19, 20 und 21 zu Petitionen (Drucksachen 14/410, 14/411, 14/412, 14/413)........................................... 1981 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 18. August 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Übereinkom- mens der Vereinten Nationen zur Be- kämpfung der Wüstenbildung über den Sitz des Ständigen Sekretariats des Übereinkommens (Drucksachen 14/228, 14/468) ....................................................... 1982 B Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfü- gigen Beschäftigungsverhältnisse (Druck- sachen 14/280, 14/441, 14/458) ................... 1982 C b) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion CDU/CSU Beschäftigung fördern – soziale Siche- rung verbessern – Flexibilisierung er- halten (Drucksachen 14/290, 14/441) ........ 1982 C Leyla Onur SPD............................................... 1982 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU........................ 1985 A Gerd Andres SPD......................................... 1987 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1988 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU............... 1990 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. ....................... 1992 A Dr. Ilja Seifert PDS...................................... 1994 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 1994 D Ingrid Fischbach CDU/CSU............................ 1996 C Peter Dreßen SPD............................................ 1998 C Dirk Niebel F.D.P............................................ 2000 D Peter Dreßen SPD............................................ 2001 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU................... 2002 A Walter Riester, Bundesminister BMA............. 2004 A Dirk Niebel F.D.P. ....................................... 2005 B Namentliche Abstimmung............................... 2007 C Ergebnis........................................................... 2010 B Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Berücksichti- gung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht (Entlassungsent- schädigungs-Änderungsgesetz) (Druck- sache 14/394) ............................................. Namentliche Abstimmung............................... 2008 A Ergebnis........................................................... 2013 A Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Jürgen W. Möllemann, Hildebrecht Braun (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. 9-Punkte-Konzept zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen (Druck- sache 14/335) ................................................ 2008 B Detlef Parr F.D.P. ............................................ 2008 C Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD ................ 2015 B Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU....................... 2017 B Stephan Hilsberg SPD ................................. 2019 C Ilse Aigner CDU/CSU ................................. 2020 A Iris Gleicke SPD .......................................... 2020 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2021 A Hans-Michael Goldmann F.D.P................... 2022 B Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU................... 2022 C Maritta Böttcher PDS ...................................... 2023 C Ulrich Kasparick SPD ..................................... 2024 D Ilse Aigner CDU/CSU..................................... 2026 B Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD ................ 2028 C IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekre- tär BMBF......................................................... 2028 D Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU.............. 2030 B Jürgen Koppelin F.D.P................................. 2031 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Gerda Hassel- feldt, Klaus Brähmig, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion CDU/CSU Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäi- schen Union (Drucksache 14/294) ............ 2032 B Klaus Brähmig CDU/CSU............................... 2032 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF................................................................. 2034 C Ernst Hinsken CDU/CSU ............................ 2035 B Klaus Brähmig CDU/CSU........................... 2035 C Ernst Hinsken CDU/CSU ................................ 2036 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF................................................................. 2037 B Ernst Burgbacher F.D.P. .................................. 2037 C Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 2039 A Ernst Burgbacher F.D.P. .............................. 2039 D Heidemarie Ehlert PDS.................................... 2040 C Dieter Grasedieck SPD .................................... 2041 B Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU......... 2041 C Klaus Brähmig CDU/CSU........................... 2042 B Klaus-Peter Willsch CDU/CSU....................... 2043 A Brunhilde Irber SPD ........................................ 2044 C Klaus Brähmig CDU/CSU........................... 2045 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu dem am 11. Fe- bruar 1999 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des interna- tionalen Paktes für wirtschaftliche, so- ziale und kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland Maritta Böttcher PDS....................................... 2046 C Stephan Hilsberg SPD ..................................... 2047 C Manfred Grund CDU/CSU .............................. 2048 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2049 C Klaus Haupt F.D.P. .......................................... 2050 B Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 2051 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA... 2052 B Arnold Vaatz CDU/CSU ................................. 2053 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2054 C Manfred Grund CDU/CSU.............................. 2055 B Engelbert Wistuba SPD ................................... 2056 B Silvia Schmidt (Eisleben) SPD........................ 2057 A Dr. Edelbert Richter SPD ................................ 2058 B Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – 4. SGB XI- Änderungsgesetz (Drucksache 14/407) .... 2059 C Dr. Ilja Seifert PDS.......................................... 2059 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Kersten Nau- mann, Eva Bulling-Schröter, Rolf Kutz- mutz und der Fraktion PDS Verlängerung der Pachtverträge für ehemals volkseigene Flächen (Drucksa- che 14/291) ................................................ 2060 B Kersten Naumann PDS.................................... 2060 C Karsten Schönfeld SPD ................................... 2061 C Gottfried Haschke (Großhennersdorf) CDU/ CSU ................................................................. 2062 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 2063 B Kersten Naumann PDS................................ 2063 C Ulrich Heinrich F.D.P...................................... 2064 C Rolf Schwanitz, Staatsminister BK ................. 2065 B Roland Claus PDS ....................................... 2065 C Manfred Grund CDU/CSU.......................... 2066 C Kersten Naumann PDS................................ 2066 D Nächste Sitzung ............................................... 2067 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2069 A Anlage 2 Förderprojekte, insbesondere im Tourismus, in Baden-Württemberg im Rahmen des INTERREG-II-Programms der Europäischen Union Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 V MdlAnfr 9, 10 Ernst Burgbacher F.D.P. SchrAntw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi .. 2069 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordne- ten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines Steuerentlastungs- gesetzes 1999/2000/2002 (Zusatztagesord- nungspunkt 2) .................................................. 2069 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurf eines Steuerentlastungs- gesetzes 1999/2000/2002 (Zusatztagesord- nungspunkt 2) .................................................. 2070 A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS) zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf ei- nes Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (Zusatztagesordnungspunkt 2)............................ 2070 D Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur nament- lichen Abstimmung über Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifach- buchstabe aaa des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Steuerentlastungsge- setzes 1999/2000/2002 (Drucksachen 14/23, 14/442)............................................................. 2071 C Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungspunkt 6) .................................. 2071 C Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti- gungsverhältnisse (Tagesordnungspunkt 6)..... 2072 B Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Brähmig, Thomas Dörflinger, Ilse Aig- ner, Anita Schäfer, Dr. Hans Georg Faust, Ernst Hinsken (alle CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti- gungsverhältnisse (Tagesordnungspunkt 6)..... 2072 C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zum Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung der Be- rücksichtigung von Entlassungsentschädi- gungen im Arbeitsförderungsrecht (Tages- ordnungspunkt 8) Franz Thönnes SPD......................................... 2072 D Thomas Strobl CDU/CSU ............................... 2074 A Klaus Hofbauer CDU/CSU.............................. 2074 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2076 A Dirk Niebel F.D.P. .......................................... 2076 C Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 2077 C Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 2078 B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Aktuellen Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu dem am 11. Februar 1999 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kultu- relle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland (Tagesordnungspunkt 4) Vera Lengsfeld CDU/CSU .............................. 2079 C Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – 4. SGB XI- Änderungsgesetz (Tagesordnungspunkt 10) Regina Schmidt-Zadel SPD............................. 2080 B Eva-Maria Kors CDU/CSU ............................. 2081 C Detlef Parr F.D.P. ............................................ 2082 C Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 2083 D Anlage 13 Erklärung des Abgeordneten Rainer Funke (F.D.P.) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie- VI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 rung Deutsche Beteiligung an der militä- rischen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfall- truppe (Extraction Force) (Drucksachen 14/397, 14/414) am 25. Februar 1999.............. 2084 B Anlage 14 Erklärung des Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU) zur na- mentlichen Abstimmung über den Entwurf eines von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ge- setzes zum Einstieg in die ökologische Steu- erreform (Drucksachen 14/40, 14/408) am 3. März 1999.................................................... 2084 C Anlage 15 Erklärung der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Gerda Hassel- feldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU zu dem Entwurf eines von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Geset- zes zum Einstieg in die ökologische Steuer- reform (Drucksachen 14/40, 14/408, 14/424) am 3. März 1999.............................................. 2084 C Anlage 16 Erklärung der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion PDS zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes zum Einstieg in die ökolo- gische Steuerreform (Drucksachen 14/40, 14/408, 14/423) am 3. März 1999) .................. 2084 D Anlage 17 Amtliche Mitteilung ........................................ 2084 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 1897 (A) (C) (B) (D) 25. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Staatsminister Rolf Schwanitz Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2069 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bartsch, Dieter PDS 4. 3. 99 Becker-Inglau, Ingrid SPD 4. 3. 99 Diemers, Renate CDU/CSU 4. 3. 99 Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 4. 3. 99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 4. 3. 99 Götz, Peter CDU/CSU 4. 3. 99 Grotthaus, Wolfgang SPD 4. 3. 99 Hasenfratz, Klaus SPD 4. 3. 99 Hoffmann (Chemnitz), Jelena SPD 4. 3. 99 Homburger, Birgit F.D.P. 4. 3. 99 Irmer, Ulrich F.D.P. 4. 3. 99 Jelpke, Ulla PDS 4. 3. 99 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 4. 3. 99 Dr. Leonhard, Elke SPD 4. 3. 99 Lippmann-Kasten, Heidi PDS 4. 3. 99 Lörcher, Christa SPD 4. 3. 99 * Ostrowski, Christine PDS 4. 3. 99 Rauber, Helmut CDU/CSU 4. 3. 99 Rühe, Volker CDU/CSU 4. 3. 99 Rupprecht, Marlene SPD 4. 3. 99 Scheffler, Siegfried SPD 4. 3. 99 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 4. 3. 99 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4. 3. 99 Volquartz, Angelika CDU/CSU 4. 3. 99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 4. 3. 99 Willner, Gert CDU/CSU 4. 3. 99 Zierer, Benno CDU/CSU 4. 3. 99 ––––––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Fra- gen des Abgeordneten Ernst Burbacher (F.D.P.) (Drucksache 14/428, Fragen 9 und 10) In welcher Höhe wurden in Baden-Württemberg Projekte,und hier insbesondere Tourismusprojekte, im Rahmen des soge-nannten INTERREG-II-Programms der Europäischen Union zurFörderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit in den Jahren1997 und 1998 gefördert? In welcher Höhe stehen nach Kenntnis der BundesregierungGelder für Projekte in Baden-Württemberg aus diesem Pro-gramm für das laufende Jahr zur Verfügung? Das Land Baden-Württemberg ist im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit INTERREG an drei grenzüberschrei- tende Kooperationsräumen zusammen mit Frankreich, Österreich und der Schweiz beteiligt. In der lfd. Förderperiode stehen 1994 – 1999 für diese Kooperationsräume insgesamt 42,5 Mio. Euro EU- Fördermittel zur Verfügung, darunter für Maßnahmen der Wirtschaftsförderung einschließlich des Tourismus 12,6 Mio. Euro. Die Durchführung der Gemeinschaftsinitiative IN- TERBERG erfolgt für den gesamten Programmzeitraum auf der Grundlage von Operationellen Programmen, in denen eine Aufteilung der finanziellen Mittel auf die einzelnen Jahre nur indikativ erfolgt. Dabei werden die EU-Mittel für die bi- bzw. trilateralen Kooperationsräu- me insgesamt und nicht auf nationaler Ebene zur Verfü- gung gestellt. Bei den Kooperationsräumen handelt es sich um den Raum „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ mit Österreich und der Schweiz, den Raum „Oberrhein Mitte-Süd“ mit Frankreich und der Schweiz sowie den Raum „Pamina“ zusammen mit Frankreich. Durch die regionalen gemeinsamen Begleit- und Lenkungsausschüsse wird gesichert, daß weitgehend grenzüberschreitende Projekte und Maßnahmen, in die alle beteiligten Länder einbezogen sind, gefördert wer- den. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Infor- mationen wurden bis Ende 1998 von den insgesamt zur Verfügung stehenden EU-Fördermitteln bereits rd. 38 Mio. Euro für grenzüberschreitende Projekte gebun- den, die überwiegend die Jahre 1997 und 1998 betreffen. Im laufenden Jahr 1999 stehen somit noch 4,5 Mio. Euro für weitere Projekte zur Verfügung. Für Maßnahmen der Wirtschaftsförderung einschließlich des Tourismus sind dafür rd. 1,8 Mio. Euro vorgesehen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brämig (CDU/CSU) zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (Zusatztagesordnungspunkt 2) Bei der heutigen Abstimmung über das Steuerentla- stungsgesetz 1999/2000/2002 möchte ich mein Mißfal- len über die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf beraten wurde, zum Ausdruck bringen. Nach der Bera- tung im mitberatenden Tourismusausschuß wurden – genauso wie beim Ökosteuergesetz – erhebliche Ab- änderungen durch den federführenden Finanzausschuß vorgenommen. Zeitweise war kaum ein Finanzpolitiker aussagefähig über den aktuellen Stand der Gesetzge- bung. Das Urteil „chaotische Steuerpolitik“ ist der Rea- lität nicht angemessen. Die Entscheidung, den Vor- 2070 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) steuerabzug für Geschäftsessen und Geschäftsreisen ab- zuschaffen, bedeutet eine deutliche Verteuerung von Dienstleistungen im Gastgewerbe um 16%. Dieser neue Belastungstatbestand wird zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und einer Vernichtung mittelständi- scher Existenzen führen. Aufgrund der Verfahrensfehler und der o. g. „hand- werklichen Fehler“ kann ich diesem Gesetzentwurf mei- ne Zustimmung nicht erteilen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wies- loch) (SPD) zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen eingebrachten Entwurf eines Steuerent- lastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (Zusatztages- ordnungspunkt 2) Wäre es beim Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 19999/2000/2002 geblieben, wie er Ende 1998 vorgelegt wurde, es wäre schwer gefallen, ihm aus kulturpoliti- scher Sicht zuzustimmen. Warum darum herumreden? Wäre die Teilwertabschreibung, wie zunächst vorgese- hen, abgeschafft worden, dann wären Buchhandel und Verlage gezwungen worden, ihre Buchvorräte, das, was man Lager nennt, mit den vollen Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Steuerbilanz hätten ansetzen müssen. Und zwar so lange, bis ein eingetretener Verlust auch wirklich realisiert worden wäre, solange also, bis die Bücher in den „Ramschverkauf“ gegangen wären. Anders allerdings als in anderen Sektoren des Han- dels ist es dem Buchhandel nicht möglich, über Schluß- verkäufe Lagerbestände abzubauen. Die Preisbindung steht dem entgegen. Die Folge wäre: ins Dramatische angestiegen wäre der Finanzbedarf von Verlagen, die der Leserschaft ein breitgefächertes Sortiment anbieten. Dies wiederum hätte bedeutet: der Buchhandel müßte hohe Steuern zahlen über die gesamte Laufzeit, die die Bücher auf Lager gewesen wären. Die Debatte in der Öffentlichkeit und im Parlament hat zu einem Erfolg geführt. Herr BMF, ich bin Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschus- ses dankbar, daß die Teilwertabschreibung doch erhalten bleibt, wenn auch mit der Einschränkung der „voraus- sichtlich dauerhaften Wertminderung“. Dies ist für die Buchhandlungen überaus schwer nachzuweisen. Dringend bitte ich die Bundesregierung darum, si- cherzustellen, daß diese Regelung sich kulturpolitisch nicht nachteilig auswirkt. Gemeinsam mit den Ländern muß dies, wenn nötig untergesetzlich, sichergestellt werden, daß die Regelungen entsprechend dem Sorti- menter-Merkblatt erhalten bleiben. So hat das wohl auch das Kabinett am 10. Februar festgehalten. Auch kulturpolitisch ist das vorliegende Steuerentlastungsgesetz ein Erfolg. Für den Buchhandel wird es auch weiterhin die Mög- lichkeit einer differenzierten Lagerhaltung geben. Kein Buchhändler muß künftig sein Lager abverkaufen und kein Verleger wird gezwungen sein, aus steuerlichen Gründen nur noch kleinere und damit teurere Auflagen zu drucken. Die kulturelle Vielfalt durch das Nebenein- ander von kleinen und großen Buchhandlungen, gängi- gen Titeln und anspruchsvollen Büchern, bleibt gesi- chert. Kein Verleger wird gezwungen sein, sich allein an kommerziellen Kriterien zu orientieren. Auch noch nicht bekannte Autoren haben so die Chance, einen Verleger zu finden. Die Leser können auch künftig darauf bauen, daß die bewährten Strukturen im Buchhandel und bei Verlagen in Deutschland erhalten bleiben. Die vielen tausend Buchhandlungen, auch jenseits der größeren Städte, werden weiterhin die Chance haben, sich am Markt zu behaupten. Die in anderen Teilen des Handels zu beob- achtenden Konzentrationstendenzen, bei denen Super- märkte die kleineren Läden verdrängen, wird es insoweit im Buchhandel nicht geben. Damit die bewährten Strukturen im Buchhandel er- halten bleiben, ist es aber gleichermaßen notwendig, daß auch die Preisbindung für die Bücher bestehen bleibt. Die Brüsseler Wettbewerbskommission ist jetzt am Zuge. Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb, daß die Bundesregierung sich vorgenommen hat, im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft die grenz- überschreitende Buchpreisbindung zu sichern. Wir erwarten, daß in der Europäischen Union eine ver- bindliche Regelung geschaffen wird, die neben den nationalen Buchpreisbindungen auch die Rechtmä- ßigkeit von zweiseitigem Abkommen innerhalb ein- heitlicher Sprachräume ermöglicht. Es entspricht dem europäischen Einigungsgedanken durchaus, wenn gewachsenen Kulturen in den Mitgliedstaaten Rech- nung getragen wird und Europa auch weiterhin durch eine größtmögliche regionale Vielfalt gekennzeichnet ist. Ich appelliere deshalb auch an die Opposition, unter- stützen Sie die Bundesregierung bei ihrem Bemühungen, die Buchpreisbindung gegen den Widerstand einiger Brüsseler Bürokraten dauerhaft zu sichern. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS) zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (Zusatztagesordnungspunkt 2) Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des feder- führenden Finanzausschusses zum Steuerentlastungsge- setz 1999/2000/2002. Diesem Abstimmungsverhalten liegt zugrunde, daß sich bei der Verabschiedung dieser umfangreichen steuerlichen Regelungen erhebliche Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2071 (A) (C) (B) (D) Steuerausfälle für die schon jetzt mit insgesamt 2,218 Milliarden D-Mark hochverschuldeten öffentlichen Haushalte ergeben werden. Bereits derzeit bedeutet das eine Pro-Kopf-Verschuldung von 27 215 D-Mark. Auf- grund der von SPD und Bündnisgrünen in einem in der Tat chaotischen parlamentarischen Verfahren vorge- nommenen laufenden Korrekturen beim Abbau von Steuervergünstigungen ist mit Inkrafttreten des Steuer- entlastungsgesetzes von spürbaren Einnahmeausfällen der öffentlichen Haushalte auszugehen. Diese immen- sen Steuerausfälle können nicht – wie die Bundesregie- rung glauben zu machen versucht – aus sich heraus selbst finanziert werden. Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des federführenden Finanzausschusses, weil nach dem vom Finanzausschuß beschlossenen Finanztableau, die Steuerausfälle von Bund, Ländern und Gemeinden von mindestens 2,1 Milliarden D-Mark im Jahr 2000 auf mindestens 20,5 Milliarden D-Mark (davon 10,1 Milliarden D-Mark für den Bund und 10,4 Milliarden D-Mark für Länder und Gemeinden) im Jahr 2002 anwachsen sollen. Das wäre binnen 2 Jahren eine Verzehnfachung der Steuerausfälle für die öffentliche Hand. Angesichts dieser beträchtlichen Steuerausfälle wird die Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden gerade zur Überwindung der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit oder zur Einleitung einer nachhaltigen Verbesserung der Umwelt sehr infrage gestellt. Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des fe- derführenden Finanzausschusses zum Steuerentla- stungsgesetz, weil die 2 059 Städte, ca. 11 500 Ge- meinden sowie 325 Landkreise vom Steuerentla- stungsgesetz besonders negativ betroffen sind. Ange- sichts der Tatsache, daß die Städte und Gemeinden gesetzlich mit 15 Prozent an der Lohn- und Einkom- mensteuer beteiligt sind, werden ihnen infolge des Steuerentlastungsgesetzes im Jahr 2002 mindestens 3 Milliarden direkte Steuerausfälle entstehen. Weitere rund 4 Milliarden D-Mark-Einnahmen stehen den Städten, Gemeinden und Kommunen wegen der zu erwartenden Kürzungen des kommunalen Finanzaus- gleichs durch die Länder – denen durch das Steue- rentlastungsgesetz wiederum 7,4 Milliarden D-Mark Steuerausfälle entstehen – nicht zur Verfügung. Und das bei einer Gesamtverschuldung der Städte, Ge- meinden, Landkreise und kommunalen Zweckverbän- de von derzeitig insgesamt 195 Milliarden D-Mark. Auf die Kommunen werden damit weitere nicht hin- nehmbare Rückgänge der Investitionen bzw. Ein- schnitte vor allem im sozialen, soziokulturellen und ökologischen Bereich zukommen. Weil der genannte Ablauf der Beratungen im Bun- destag zeigt, daß die Kommunen zwar von diesem Steuer- gesetz überwiegend stark belastet werden, bei der Bun- desregierung aber offenkundig kein Gehör für die Wah- rung ihrer berechtigten Interessen finden, werde ich das Steuerentlastungsgesetz – trotz mancher positiver Ef- fekte, die ich nicht übersehe, – ablehnen. Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Kerstin Müller (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab- stimmung über Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfes eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 – Drucksachen 14/23, 14/442 – Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- führt. Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Ja gestimmt habe. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungspunkt 6) Ich werde diesem Gesetz zustimmen – nicht nur, weil es inzwischen so mit den verschiedenen Reformvorha- ben der neuen Regierung verwoben ist, daß man gar nicht mehr isoliert darüber entscheiden kann, sondern auch, weil es immerhin endlich die Nebenbeschäftigun- gen in die Sozialversicherung einbezieht. Das halte ich für einen Fortschritt, an dem die alte Regierung trotz mehrerer Versuche gescheitert ist. Sie hat uns die riesige Last von inzwischen mehr als 5,6 Millionen Beschäfti- gungsverhältnissen unterhalb der Geringfügigkeitsgren- ze hinterlassen. Dieses Gesetz wird zwar der Erosion der Sozialkas- sen einen Riegel vorschieben, aber es ist weder eine Antwort auf die frauenpolitische noch auf die arbeits- marktpolitische Herausforderung. Dies will ich hier heute deutlich machen, denn ich habe inzwischen ge- lernt, wenn man nicht lautstark auf Fraueninteressen aufmerksam macht, haben sie die seltsame Angewohn- heit, aus dem Blickfeld zu geraten, plötzlich in Abwä- gungen hintenan zu stehen. 1991 z. B. hat der Bundestag schon eine Entschließung gefaßt, die eigenständige so- ziale Absicherung von Frauen zu verbessern. Passiert ist in dieser Richtung bislang herzlich wenig, das müssen und wollen wir ändern, aber mit der heutigen Entschei- dung ist diese Anforderung nicht eingelöst. Mein Ziel ist, aus den 630- bzw. 530-Mark-Jobs ganz normale so- zialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu machen, und ich hätte mir gewünscht, darüber heute abstimmen zu können. Ich glaube, daß die Optionslö- sung für die Frauen, um die es hier geht, die nämlich 2072 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) wenig verdienen und von denen z. B. im Gebäudereini- gungsbereich ein großer Teil ausländische Frauen sind, kein reelles Angebot ist. Ich fürchte, daß ihnen die Vor- teile der freiwilligen Zuzahlung viel zu wenig konkret greifbar sind, im Gegensatz zu dem großen täglichen Druck, gerade bei den geringen Haushaltseinkommen das Geld – z. B. für die Kinder – sofort zu verbrauchen. Zahlt die Frau daher nicht freiwillig zu, bleibt ihr der Zugang zur Sozialversicherung – business as usual – über den „Familienernährer“, der ab und zu im Laufe des Lebens auch abhanden kommen soll … Die Institution Ehe wird sogar noch besser gestellt, das Ehegattensplitting ausgeweitet, indem bei Ehefrau- en, und nur bei Ehefrauen, die 630-Mark-Jobs steuerfrei gestellt werden. Die steuerliche Rahmenbedingung Ehe- gattensplitting wirkt sich als Erwerbsbremse für Frauen aus, wenn es denn mehr als ein mitverdientes Taschen- geld sein soll. Die Erfahrung lehrt, solange es solche flexiblen Mi- nijobs gibt und die Arbeitsteilung zwischen den Ge- schlechtern sich nicht grundsätzlich ändert, werden die Frauen als „Mitverdienerinnen“ immer dorthin abge- drängt werden. Und nach dem jetzigen Gesetz bleiben die 630er ein besonderes Subventionsverhältnis. Damit wird die arbeitsmarktpolitische Verzerrung (viel zu viele Jobs unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze, kaum ver- nünftige Teilzeitangebote) nicht beseitigt. Im Osten wird die Geringfügigkeitsgrenze noch angehoben, von 530 auf 630 DM. Mit meiner Zustimmung zu diesem Gesetz will ich ausdrücklich meine Erwartung verbinden: Daß wir nicht mit der Einbeziehung der Nebenbeschäftigung in die Sozialversicherung lediglich den Einbruch eines „Frau- enproblems“ in eine Männerdomäne wieder reparieren, und das war’s dann, sondern daß wir die frauenpoliti- sche Herausforderung annehmen. Wenn heute das zen- trale Anliegen, Frauen endlich einen gleichberechtigten eigenständigen Zugang zu sozialer Absicherung zu er- öffnen, in den Hintergrund tritt, dann muß es bei den nächsten politischen Entscheidungen umso mehr im Vordergrund stehen, wenn es nämlich um den Abbau der Erwerbsbremse Ehegattensplittings geht ebenso wie wenn es um die Rentenstrukturreform geht. Gerade mit der oft unzureichenden eigenen Rente bekommen Frau- en ja noch einmal die Quittung dafür, daß sie die Ver- antwortung für Kindererziehung, Haushalt, Pflege über- nommen haben und ihre Erwerbsbiografien unterbro- chen haben, oft mit Teilzeit oder ohne Sozialversiche- rung über lange Strecken „mitverdient“ haben. Das wollen und müssen wir ändern. Analge 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungs- punkt 6) Zur Abstimmung über das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (14/280) begründe ich mein Abstimmungsverfahren wie folgt: Das hier zur Abstimmung vorliegende Gesetz ist ein erster Weg, dem volkswirtschaftlichen Grundgesetz, nach dem nur verteilt werden kann, was auch erarbeitet wird, wieder Geltung zu verschaffen. Aus diesem Grund werde ich dem Gesetz zustimmen. Dennoch müssen in Kürze Schritte eingeleitet werden, etliche bürokratische Holprigkeiten in dem Gesetz einzuebnen. Vor allem muß die steuerliche Ungleichbehandlung durch eine entbürokratisierte Form des Steuereinzugsverfahrens rasch verfassungskonform unter dem Prinzip der Gleichbehandlung beseitigt werden. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Brähmig, Thomas Dörflinger, Ilse Eigner, Anita Schäfer, Dr. Hans Georg Faust, Ernst Hinsken (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Tagesordnungs- punkt 6) Bei der heutigen Abstimmung über das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhält- nisse möchten die Unterzeichner ihr Mißfallen über die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf beraten wur- de, zum Ausdruck bringen. Auf der öffentlichen Anhö- rung der Sachverständigen – durchgeführt vom feder- führenden Ausschuß für Arbeit und Soziales am 10. Februar 1999 – wurde den Mitgliedern des mitbe- ratenden Tourismusausschuß kein Fragerecht einge- räumt. Die eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeit des mitberatenden Tourismusausschuß kann nicht akzeptiert werden. Weiterhin wird durch die jetzt vorliegende Neure- gelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse das mittelständich geprägte Tourismusgewerbe mit zu- sätzlicher Bürokratie belastet. Die Regelung öffnet die Schwarzarbeit in diesem Wirtschaftssektor Tür und Tor. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädi- gungen im Arbeitsförderungsrecht (Tagesord- nungspunkt 8) Franz Thönnes (SPD): Mit dem Arbeitsförderungs- Reformgesetz des Jahres 1997 hat die abgewählte Bun- desregierung vor zwei Jahren die Rechte der Arbeitneh- mer beim Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich ver- schlechtert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2073 (A) (C) (B) (D) Vor diesen damals beschlossenen Einschnitten waren Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nur an- rechenbar, wenn das Beschäftigungsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beiderseitig oder einsei- tig durch den Arbeitnehmer beendet worden bzw. wenn das Verhalten des Arbeitnehmers Anlaß zur Kündigung gegeben hat. Mit der AFRG-Änderung wurde im § 115a beschlos- sen, daß Abfindungen und Entschädigungen grundsätz- lich auf die Hälfte des Arbeitslosengeldes angerechnet werden. Die Freibeträge von 25 Prozent bzw. minde- stens 10 000 DM minderten die Eingriffe der damaligen Koalition keineswegs. Bereits damals stieß die zu verab- schiedende Regelung bei der Anhörung auf barsche Kri- tik aller Beteiligten. 6 bis 7 Millionen Arbeitsverhältnis- se werden jedes Jahr in Deutschland beendet. Daß ein derartiger großer Prozeß der Umstrukturierung relativ lautlos geschieht, war der damals noch geltenden Rege- lung zur Behandlung von Abfindungen zu verdanken. Diese Praxis wurde durch die restriktive Neuregelung für Arbeitnehmer und die betrieblichen Sozialpartner er- heblich erschwert. Handlungsnotwendigkeit besteht gerade jetzt vor dem Hintergrund weiterer wichtiger Fristen der Wirksamkeit der damaligen Gesetzesänderung, die in wenigen Tagen für einen Großteil der Arbeitnehmer zutreffen sollen, wenn sich nichts ändert. Vorgesehen war, daß für Ar- beitnehmer, die vor dem 1. April 1997 innerhalb von drei Jahren an mindestens 360 Kalendertagen in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stan- den, die alte Regelung nur bis zum 1. April 1999 gelten sollte. Nach dem 7. April 1999 sollte grundsätzlich eine Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld er- folgen. Handlungsnotwendigkeit besteht aber auch, da die SPD bereits damals die Veränderungen als sozial unaus- gewogen und verfassungsrechtlich bedenklich ansah. Übrigens wurde die Kritik der damaligen Opposition von weiten Teilen der Gewerkschaften und der Arbeit- geber geteilt. Der Regierung Gerhard Schröder ist es gelungen, Ar- beitgeber und Gewerkschaften nach der Bundestagswahl 1998 wieder an einen Tisch zu bringen. Das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit arbeitet inzwischen in mehreren Themenbereichen erfolgreich. Dazu gehört auch die Umsetzung der in unserem Koali- tionsvertrag vereinbarten Absicht, die Anrechnung von Entlassungsabfindungen auf das Arbeitslosengeld neu zu regeln. Mit der steuerrechtlichen und der arbeitsförderungs- rechtlichen Problematik der jetzt diskutierten Materie hat sich eine der Arbeitsgruppen des Bündnisses in den letzten Wochen befaßt. Dabei gingen alle Beteiligten davon aus, daß im Prinzip der Versuch gemacht werden sollte, einen gemeinsamen neuen Ansatz zur Verknüp- fung von Entlassungsentschädigungen mit Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung zu finden. Das her- anrückende Datum des 7. April 1999 setzte jedoch einen engen Zeitrahmen für die Diskussion. Daher haben die Sozialpartner im beiderseitigen Einvernehmen beschlos- sen, dem Gesetzgeber vorzuschlagen, vorläufig den al- ten Rechtszustand wiederherzustellen. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen folgen diesem Ergebnis der Bündnis-Beteiligten mit ih- rem heute hier zu entscheidenden Gesetzentwurf. Dabei gehen wir davon aus, daß die Bündnis-Beteiligten es ernst meinen, wenn sie die weitere Behandlung des Themas Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförde- rungsrecht so fortsetzen, daß sie dem Gesetzgeber mög- lichst bald einen Vorschlag für eine gesetzliche Rege- lung vorlegen, der dazu anreizt, daß intelligente Lösun- gen bei Abfindungszahlungen entwickelt werden kön- nen, daß umgesteuert wird von passiven Abfindungs- zahlungen hin zu einer aktiven Mittelverwendung für die Wiedereingliederung der betroffenen Arbeitnehmer. Auch sollte dabei über andere sinnvolle Wege im Rah- men der aktiven Arbeitsmarktpolitik nachgedacht wer- den. Dabei denke ich unter anderem auch an die Mög- lichkeiten präventiver beruflicher Weiterbildung bzw. Regelungen der Altersteilzeit. Mit unserem Gesetz setzen wir nicht nur für die Ar- beitnehmer den einstmals geltenden Rechtszustand wie- der in Kraft, sondern wir führen auch wieder die Erstat- tungspflicht des Arbeitgebers bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer ein, wie im früheren § 128 des Arbeits- förderungsgesetzes geregelt. Ziel dieser Regelung ist es, die Arbeitsverhältnisse älterer Beschäftigter zu stabili- sieren und dabei gleichzeitig zu verhindern, daß sich die Unternehmen zu Lasten der Bundesanstalt für Arbeit von diesen Arbeitnehmern folgenlos trennen können. So wird wieder geregelt, daß der Arbeitgeber, der ein Be- schäftigungsverhältnis mit einem langjährig beschäftig- ten älteren Arbeitnehmer beendet, der Bundesanstalt für Arbeit das an diesen Beschäftigten gezahlte Arbeitslo- sengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe erstattet. Wir gehen gleichfalls davon aus, daß die Partner im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähig- keit es nicht nur bei einem gemeinsamen Bekenntnis belassen, wenn es darum geht, daß es Betrieben nicht zu einfach gemacht werden soll, sich gerade von älteren Arbeitnehmern ohne größere Kosten über die soge- nannte Frühverrentung zu trennen und die Folgekosten der Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu überlas- sen. Gleichwohl bleibt heute für den Deutschen Bundestag die Aufgabe, über ein weiteres wichtiges Ergebnis des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfä- higkeit zu entscheiden. Um so mehr wundert es uns, daß die Opposition von CDU/CSU und F.D.P. sich gegen dieses Votum ausspricht. Wieder einmal rückt sich die Opposition damit selbst in das gesellschaftliche Abseits. Sie plädiert damit weiterhin dafür, daß Arbeitnehmer bei Verlust ihres Arbeitsplatzes noch einmal zusätzlich durch Anrechnung ihrer Abfindung empfindlich belastet werden. CDU/CSU und F.D.P. sollten endlich begreifen, daß die Mehrheit der Bevölkerung derartige Griffe in die Portemonnaies der Arbeitnehmer nicht mehr will und nicht zuletzt deswegen die Regierung Helmut Kohl ab- gewählt hat. Mit der Annahme des heute zu verabschiedenden Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes tragen 2074 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) die Regierungsparteien zu einem Stück mehr sozialer Gerechtigkeit in der Arbeitswelt bei, fördern durch die Übernahme der einvernehmlichen Empfehlung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfä- higkeit dessen weitere Arbeit und geben Betriebsräten und Unternehmensleitungen wieder handhabbare Rah- menbedingungen für ihre betriebliche Praxis. Thomas Strobl (CDU/CSU): Mit dem Gesetzentwurf zum Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz nimmt die rot-grüne Koalition wieder einmal etwas zurück, und zwar eine Regelung im Arbeitsförderungs-Reform- gesetz, die das Ziel hat, die ausufernde Frühverren- tungswelle einzudämmen. Sie nehmen eine Regelung zurück, die seinerzeit auch mit den Stimmen der SPD- geführten Länder im Bundesrat zustande gekommen ist und damit auf einem großen Konsens beruhte. Sie sagen nein zu dieser von ihren Länderkollegen mitgetragenen Reformmaßnahme – nein sagen, ist ja auch relativ ein- fach –, schlagen aber keine bessere Lösung vor. Deshalb lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab, weil er das Problem der steigenden Zahl von Frühverrentungen nicht löst. Die rot-grüne Koalition bleibt damit ihrem leidlich bekannten Motto treu: Erst handeln, dann nachdenken. Das ist kein verantwortungsbewußtes Regieren. Dieses Muster kennen wir von der Regierung Schröder schon zur Genüge: Sie nimmt Reformmaßnahmen der alten Regierung zurück, traut sich aber nicht, ein eigenständi- ges Reformkonzept vorzulegen. Ich denke da auch an das sehr sensible Thema Rente. Die Menschen in unserem Lande werden durch immer neue Meldungen von Rot-Grün in beispielloser Weise verunsichert. Meistens ist die neueste Nachricht genau das Gegenteil von der vorhergehenden. „Rente mit 60“ ja und nein, „nettolohnbezogene Rentenanpassung“ ja und nein, „demographischer Faktor“ ja und nein. Erst wird mit großer Geste der von der alten Regierung ein- geführte Demographiefaktor ausgesetzt. Nun ist es selbst Herrn Riester klar, daß die demographische Entwicklung mit berücksichtigt werden muß. Gleichwohl liegt ein zukunftsweisendes Konzept der Bundesregierung zur langfristigen Sicherung der Rente immer noch nicht vor. Das kostet unser Land wertvolle Zeit. Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktio- nen, mit dem vorliegenden Rücknahmegesetz wollen Sie den alten Rechtszustand wiederherstellen, der bis zum 31. März 1997 bestand (§§ 117, 128 Arbeitsförderungs- gesetz). Offensichtlich empfinden Sie aber auch diesen als nicht optimal, da Sie zumindest angekündigt haben, baldmöglichst wieder etwas ändern zu wollen. Das wird wieder einmal ein Hin und Her – so wie schon bei den 630-Mark-Jobs, bei der Steuerpolitik und der Gesund- heitsreform. Es ist schon heute Markenzeichen Ihres Regierungskurses, daß auf ein entschiedenes „Zick“ ein glasklares „Zack“ folgt, und die Regierungsfraktion folgt, Lemmingen gleich, „struck-stracks“ hinterher. Machen Sie doch einen Schritt nach dem anderen. Arbeiten Sie ein Konzept aus, legen Sie es vor, und dann kann man darüber diskutieren, was der bessere Weg ist. Rot-Grün macht es umgekehrt. Rot-Grün handelt, aber ohne Konzept. Das ist Aktionismus pur. Sie verweisen auf Verhandlungen im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“. Das ist die halbe Wahrheit. Die Arbeitgeber haben sich im „Bündnis für Arbeit“ klar und eindeutig gegen die Wiedereinführung des § 128 AFG ausgesprochen, da dieser bereits vor dem 1. April 1997 immer wieder zu einer rechtswidrigen Belastung von Arbeitgebern geführt hat. Warum verschweigen Sie dieses eigentlich wahrheitswidrig? Außerdem enthebt Sie das „Bündnis für Arbeit“ aber auch nicht von der Pflicht, sich darüber Gedanken zu machen und diese auch vorzustellen, wie Sie der Gefahr einer neuen Frühverrentungswelle, die uns in der Ren- tenversicherung große Probleme bereitet, begegnen wollen. Wie wollen Sie verhindern, daß die junge Gene- ration erneut belastet und das Vertrauen in die gesetzli- che Rentenversicherung nach Ihren Rentenkapriolen zu- sätzlich beschädigt wird? Wie wollen Sie eine schnelle Wiedereingliederung von freigesetzten Arbeitnehmern in den Arbeitsprozeß gewährleisten? Das sind Fragen, die dringend einer Antwort bedürfen. Mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf geschieht das nicht. Die Lösun- gen sollen – so hofft die Bundesregierung – bei den Ge- sprächen im „Bündnis für Arbeit“ gefunden werden. Erfahrungsgemäß sind sich die Sozialpartner schnell einig, wenn sie Sozialpläne machen können, die dann von einem Dritten, dem Beitragszahler, finanziert wer- den dürfen. Was Sie hier machen, ist die bewußte ge- setzgeberische Legitimation von Verträgen zu Lasten Dritter, namentlich zu Lasten der Sozialkassen und der künftigen Generationen von Beitragszahlern. Meine Damen und Herren von den Regierungskoali- tionen, Sie sagen, Sie bräuchten Zeit. Bei dem Durch- einander, das Sie in kürzester Zeit beinahe zu jedem Ih- rer Vorhaben geboten haben, befürchte ich, daß Sie im- mer in Zeitnöte geraten werden. Dies ist doch eher eine Ausrede für Ihre Konzeptlosigkeit und Zerstrittenheit. Ganz offensichtlich haben Sie Abstimmungsschwierig- keiten innerhalb der Koalition. Deshalb läuft Ihnen die Zeit davon. Ich bin dafür, erst nachzudenken, dann zu handeln und nicht wie Sie nach dem Motto das Regieren auszu- probieren: Zurücknehmen und dann schauen wir mal. So konzeptionslos läßt sich die Zukunft nicht gestalten. Daß Sie ohne ein schlüssiges Handlungskonzept für die ent- scheidenden Fragen und Probleme sind, dafür ist auch der vorliegende Gesetzentwurf ein eindrucksvolles Bei- spiel. Klaus Hofbauer (CDUCSU): Mit dem Entlassungs- entschädigungs-Änderungesetz will die rot-grüne Koali- tion einen Teil des 1997 beschlossenen Arbeitsförde- rungs-Reformgesetzes (AFRG) wieder rückgängig ma- chen. Das ist der neue Politikstil, den wir bisher noch gar nicht kannten: Nach einer Vollbremsung mit dem Rückwärtsgang in die Zukunft. Der Anspruch der Poli- tik, Weichen für die Zukunft zu stellen, wird hier ins Gegenteil verkehrt. Kein Aufbruch mehr zu „neuen Ufern“, keine Zukunftsvisionen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2075 (A) (C) (B) (D) Der Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition enthält außer der Rücknahme der Anrechnungs-Regelung des AFRG für sogenannte Entlassungsentschädigungen auf das Arbeitslosengeld nur vage Wunschvorstellungen, wie die Lösung aussehen soll. Ein Jammer ist, daß die Koalition wegen der Kompliziertheit der Materie nun keinen Gesetzentwurf mit einer endgültigen Lösung vorlegen kann. Das Problem bleibt also auf absehbare Zeit ungelöst. Die geradezu hilflos klingende Ankündi- gung, die Bundesregierung werde baldmöglichst ein neues Gesetz vorlegen, zeigt ja schon, daß bei den an- geblichen „Wundermännern“ und „Wunderfrauen“ der deutschen Politik in bezug auf Zukunftsvisionen gäh- nende Leere herrscht. Die vollmundige Ankündigung der rot-grünen Koalitionäre, man werde in den ersten 100 Tagen der Regierung Schröder die angeblichen „Erblasten“ beseitigen und die Weichen für die Zukunft stellen, ist ohne Wirkung verpufft. Kein Mensch glaubt mehr daran, daß die Zukunft dadurch bewältigt werden kann, daß Gesetze zurückgenommen und alte Mißstände wiederhergestellt werden. Die Verweisung des Problems an das informelle „Bündnis für Arbeit“ bedeutet, daß die Sache einfach auf die lange Bank geschoben wird. Es ist doch unred- lich, nun die Lösung von diesem Gremium zu erwarten, das dafür gar nicht zuständig ist. Gesetze müssen doch wir, die Vertreter des Volkes, im dafür zuständigen Parlament machen! Ich frage mich: Wie soll das Pro- blem denn beim „Bündnis für Arbeit“ gelöst werden? Sollen denn die Arbeitgeber versprechen, daß keine Entlassungen vor Erreichen der Pensionsgrenze mehr stattfinden, damit die gesetzlich zum 1. April 1999 wie- der mögliche großzügige Abfindungspraxis ohne An- rechnung auf das Arbeitslosengeld nicht genutzt wird? Kein Zweifel, die Vertreter der Gewerkschaften werden begeistert sein, wenn die Arbeitgeber auf diese Weise „zur Ader gelassen“ werden, aber was ist denn dann eigentlich der Beitrag des DGB zu der künftigen Rege- lung in diesem Feld der Gesetzgebung? Das Problem erfordert eine schnelle Lösung. Denn 1997, als das AFRG beschlossen wurde, ging es wie heute unter anderem auch darum, die Umsetzung einer großen Zahl von Arbeitnehmern – vornehmlich der Großindustrie – in die Arbeitslosigkeit zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze nicht auch noch dadurch zu unterstützen und zu forcieren, daß die oftmals vom Ar- beitgeber großzügig gezahlten Abfindungen nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet wurden. Denn diese Praxis führte doch dazu, daß den betroffenen Arbeit- nehmern durch die ungeschmälerte Abfindung der Schritt über die Scheinarbeitslosigkeit in die Rente er- leichtert wurde, während die aktiven Arbeitnehmer, die Arbeitgeber sowie die Steuerzahler diese Praxis über ih- re Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bzw. zum Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit zwangsläufig finanzieren mußten. Ich bin überzeugt da- von, daß es damals wie heute gute Gründe dafür gab und gibt, über die Anrechenbarkeit dieser Abfindungen auf das Arbeitslosengeld ein Korrektiv einzubauen. Wenn heute das linke Spektrum dieses Hauses be- hauptet, unser Gesetz von 1997 sei sozial nicht ausge- wogen, dann frage ich mich, warum denn nun die Wie- derherstellung des Zustands von vor 1997 sozial ausge- wogen sein soll. Denn damals stimmten ja immerhin auch die SPD-regierten Bundesländer dem AFRG zu, und dies hätten diese Länder – darunter die damaligen Ministerpräsidenten Schröder und Lafontaine – nicht getan, wenn dies wirklich ein Schlag gegen die Interes- sen der Arbeitnehmer gewesen wäre. Offensichtlich fehlt der Bundesregierung und der rot- grünen Koalition der Wille, eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Die Rücknahme der gesetzlichen Re- gelung, die zum 1. April 1999 nach einer zweijährigen Übergangsfrist eingeführt worden wäre, verunsichert nicht nur die Betriebe, sondern auch die älteren Arbeit- nehmer. Sie werden durch das Hin und Her bei den ge- setzlichen Bestimmungen völlig verunsichert. Dieser Zustand ist für die Betroffenen untragbar. Deshalb for- dern wir die Bundesregierung auf, einen Zeitpunkt für die Vorlage des neuen Gesetzes zu nennen. Vermuten kann man auch, daß die mittelständische Wirtschaft zu den Leidtragenden des von Rot-Grün aus- gelösten Gesetzgebungswirrwars gehört. Wir verlangen Rechtssicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer. Wir verlangen auch, daß die Belastungen der betroffenen Betriebe und auch der Arbeitsämter durch die Rückab- wicklung von bereits durchgeführten Regelungen mög- lichst gering gehalten werden. Für die Arbeitsverwal- tung ist die Wiedereinführung der alten AFG-Regelung § 128 im Verhältnis zum § 140 SGB III von 1997 wegen der Vielzahl von Befreiungstatbeständen bei weitem ar- beitsintensiver und verwaltungsaufwendiger; dies be- ginnt schon beim erhöhten Beratungsaufwand. Oftmals haben Arbeitgeber die Befreiungsmöglichkeiten der Reihe nach durchprobiert, bis schließlich eine griff. Da- gegen waren die Einnahmen aus Erstattungsfällen nach § 128 AFG vergleichsweise gering. Durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 1997 hat sich der ohnehin schon erhebliche Verwaltungsaufwand nochmals vergrößert. Vor jedem der vierteljährlichen Erstattungsbescheide muß erneut geprüft und angehört werden. Auch deshalb, wegen dieser neuen Belastungen, ist eine durchgreifende Neuregelung dringend erforder- lich. Schließlich erfahren wir kein Wort über die Kosten dieser Rückdrehaktion. Denn wir gehen doch sicher nicht falsch in der Annahme, daß nun die „Gunst der Stunde“ genutzt wird und eine neue Welle von Abschie- beaktionen in die Arbeitslosigkeit mit vollen Abfindun- gen stattfinden wird. Es ist eigentlich müßig zu fragen: Wer kommt für diese neuen Kosten für die Arbeitslo- senversicherung und für den Bundeshaushalt auf? Denn die Antwort ist ja bekannt. Mit uns wäre dies nicht pas- siert! Und schließlich: Durch dieses angeblich so arbeit- nehmerfreundliche Gesetz wird Arbeitslosigkeit nicht verringert. Meine Damen und Herren von der rot-grünen Koali- tion, ich beglückwünsche Sie zu dieser „großartigen“ Entscheidung, die uns alle viel Geld kosten, viele Be- troffene weiter verunsichern und vor allem den Herrn Bundeskanzler weiter von seinem Wahlziehl wegbrin- 2076 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) gen wird, die Arbeitslosenzahl drastisch zu reduzieren. An diesem Erfolgskriterium wollte er sich doch messen lassen. Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, setzen wir eine kontraproduktive Regelung außer Kraft, die die vergangene Bundesregierung uns hinterlassen hat und die – würden wir jetzt nicht eingreifen – zu Anfang April nach Ende der Übergangsfristen in Kraft getreten wäre. Diese Vorschriften sind bereits mit ihrer Entste- hung heftig kritisiert worden, weil sie – wegen der scharfen Anrechnung der Entlassungsentschädigungen – sozial unausgewogen und verfassungsrechtlich bedenk- lich sind. Genau wie wir halten die Tarifpartner, die dies im Bündnis für Arbeit als eins der ersten Themen diskutiert haben, die alte Regelung bei den Entlassungsabfindun- gen für untauglich. Daher wollen wir jetzt nicht noch mehr Rechtsunsicherheit schaffen, indem wir eine Ge- setzesänderung für wenige Monate in Kraft treten las- sen, die mit Sicherheit keinen Bestand haben wird. Ge- rade da, wo Entlassungen anstehen und Sozialpläne ver- handelt werden müssen, ist Rechtssicherheit das minde- ste, was wir bieten müssen: Es wird nicht zu dieser An- rechnung von Entlassungsabfindungen auf das Arbeits- losengeld kommen, sondern wir greifen auf die alte Re- gelung nach AFG zurück. Für viele bedeutet Entlassung leider nach wie vor Entlassung in die Erwerbslosigkeit. Das Arbeitslosen- geld liegt zur Zeit bekanntlich bei 63 Prozent des vorhe- rigen Lohns. Abfindungen dienen für die von Entlassung Betroffenen dazu, diesen Einschnitt wenigstens ein we- nig abzufedern. Vor die zum Teil bitteren Auswirkungen der Absenkung des Lebensstandards setzt die Abfindung gerade bei Menschen mit niedrigen Einkommen ein Stück Schutzwall. Zum Teil werden dadurch Sozial- planverhandlungen oder einvernehmliche Auflösungen von Beschäftigungsverhältnissen erst möglich. Wir haben uns im Steuerentlastungsgesetz dafür ent- schieden, Abfindungen künftig stärker in die Besteue- rung einzubeziehen – da trifft es dann durch die Steuer- progression diejenigen stärker, die mehr haben. Das, was die alte Bundesregierung uns hier als Gesetz bei der Anrechnung der Entlassungsabfindungen hinterlassen hat, ist keine Lösung, weil es die Abfindungen viel zu scharf anrechnet, und das nicht auf die Steuer, sondern auf das Arbeitslosengeld. Wir sehen hier zwar durchaus Reformbedarf, den wir zu einem späteren Zeitpunkt auch einlösen werden. Das Problem läßt sich nicht bestreiten, für das wir eine Lö- sung finden müssen: es geht nicht an, daß die Sozialkas- sen den Arbeitgebern die Verkleinerung und Verjün- gung ihrer Belegschaften finanzieren. Wir brauchen eine Neuregelung, die auf der einen Seite den Arbeitneh- merInnen angemessene Freibeträge ermöglicht und auf der anderen Seite Anreize schafft für das Umsteuern von passiven Abfindungszahlungen zu einem aktiven Mittel- einsatz für die berufliche Wiedereingliederung der be- troffenen Arbeitnehmer bietet. Mit dieser Zielrichtung werden wir auch den ganzen Komplex der präventiven Arbeitsmarktpolitik neu konzipieren müssen. Heute sorgen wir lediglich dafür, daß ein untaugli- ches Gesetz nicht in die Realität umgesetzt wird und schaffen wieder Rechtssicherheit in diesem empfindli- chen Punkt. Eine echte Neuregelung, von der alle wis- sen, daß sie notwendig ist, steht damit noch aus. Aber wir nehmen das Bündnis für Arbeit, zu dem die neue Regierung eingeladen hat, ernst und werden dort in Ru- he mit den Tarifpartnern diskutieren. Im Anschluß wer- den wir dem Parlament einen Reformvorschlag vorle- gen. Dirk Niebel (F.D.P.):Jetzt ist es sicher, das kann kein Zufall sein: Der Weg zurück ist das rotgrüne Ziel. Wie die anderen Gesetzentwürfe im Bereich Steuern und Gesundheit reiht sich auch dieser Gesetzentwurf mühelos in die lange Reihe der Rückschritte und Rück- tritte von Reformmaßnahmen der alten Bundesregie- rung, egal, ob sinnvoll oder nicht, egal, ob notwendig oder nicht. Abfindungen, die Arbeitslose wegen der Beendigung ihrer Beschäftigungsverhältnisse erhalten, werden nach Abzug entsprechender Freibeträge auf das Arbeitslosen- geld angerechnet. Wir haben vor einem Jahr eine flexi- blere Regelung in Gang gesetzt, die die durchschnittli- che Entlassungsentschädigung unberührt läßt. Ein Ab- findungsbetrag bis zu 10 000 DM bleibt immer anrech- nungsfrei. Diese Regelung wirkt sich positiv aus vor al- lem für bis zu 50jährige Arbeitnehmer, für untere Ein- kommensgruppen und für Arbeitnehmer mit kurzer Be- triebszugehörigkeit. – Es ist richtig, daß es große Kritik von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegeben hat und daß diese Regelung kein Optimum darstellt, aber es be- steht keine Not, diese Regelung ohne sinnvolle Alterna- tive auszusetzen. Ihr Vorhaben fällt in der Frage der Qualität noch hinter das Gesetz zurück, das jetzt im April in Kraft tre- ten sollte. „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik sind Vertrau- enssache“, hat der Arbeitsminister in der Haushaltsde- batte gesagt. Dieser Gesetzentwurf ist nicht vertrauens- würdig. Dieser Gesetzentwurf soll nämlich, wenn er denn verabschiedet wird, nur so lange gelten, bis es ir- gendwann eine Neuregelung gibt. Diese Koalitionsregierung kündigt jetzt ihre Flops schon selbst an, und wir müssen uns schon wieder auf mindestens eine Nachbesserung einrichten. Dieser Ge- setzentwurf ist wieder nur ein halbherziger Schritt auf dem Flickenteppich rotgrüner Konzeptlosigkeit. Haben Sie auch die Verfahrensweise zum Gesetzent- wurf der geringfügigen Beschäftigungen noch im Ge- dächtnis? Die Debatte haben wir heute mit einem völlig unbefriedigenden Ergebnis vorerst abgeschlossen. Wie sollen wir einer solchen Regierung Vertrauen entgegenbringen? Wir haben eher allen Grund, uns vor so viel gestalterischer Kraft zu fürchten. Die Anrechnung von Abfindungen auf beitragsfinan- zierte Leistungen ist nach Meinung der F.D.P. schon Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2077 (A) (C) (B) (D) allein dadurch gerechtfertigt, weil Leistungen wie Ar- beitslosengeld durch die Solidargemeinschaft finanziert werden. Je mehr Menschen diese Leistungen in An- spruch nehmen, desto höher sind die Belastungen für diejenigen, die mit ihren Beiträgen – nicht mit ihren Worten – für diese aufkommen müssen. Diese rotgrüne Regierung hat die Maßnahmen zum Kündigungsschutz zurückgenommen, die kleinen und mittleren Unternehmen mit bis zehn Beschäftigten eine höhere Flexibilität bei der Einstellung und bei der Kün- digung von Arbeitnehmern ermöglichte. Kündigungsschutz bedeutet im allgemeinen den ge- setzlichen Schutz des Arbeitnehmers als des sozial schwächeren Teils bei einer Kündigung durch den Ar- beitgeber. Manchem Arbeitnehmer gegenüber ist aber der Arbeitgeber eindeutig im Nachteil. Es gibt kaum noch ein Arbeitsverhältnis, das nicht zur Vermeidung langwieriger Arbeitsgerichtsprozesse ohne „Freikauf“ durch Abfindung beendet wird. Bei einem Aufhebungsvertrag bestimmen beide Par- teien nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit das Ende des Arbeitsverhältnisses. Großunternehmen haben die Möglichkeit, mit Abfindungen, die oft nur eine verklau- sulierte Fortsetzung der Entlohnung ist, Arbeitnehmer zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes zu bewegen. Die alte Regelung hatte eine massive Frühverre- tungswelle zur Folge. Damit haben Großunternehmen ihre Probleme auf Kosten der kleinen und mittleren Un- ternehmen gelöst. An diesem Frühverrentungsprogramm haben Arbeitgeber und Betriebsräte gemeinsam ge- strickt. Die Einigung des „Bündnisses für Arbeit“, die zu die- sem Gesetz geführt hat, werte ich im Gegensatz zu Ih- nen nicht als Erfolg. Wenn sich Tarifparteien einig wa- ren, mußten wir schon öfter feststellen, daß die Einigung zu Lasten Dritter, in diesem Fall zu Lasten der Sozial- kassen ging. Eine Abfindung wird angenommen, um einer Kündi- gung zu entgehen. Ohne eine solche Abfindung ist der Gang vor das Arbeitsgericht höchstwahrscheinlich. Die Zahlung von Abfindungen ist also auch ein arbeits- marktpolitisches Instrument geworden, um sich von Ar- beitnehmern freizukaufen. Die Konzeption des Arbeits- rechts und der Arbeitsförderung beinhaltet jedoch nicht, daß überzählige Arbeitnehmer mit Abfindungen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden können. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten alle Anstrengungen unterneh- men, Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Wenn ich mich dafür ausspreche, die Abfindungsan- rechnung beizubehalten, will ich damit sicher nicht die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Arbeitslo- sigkeit und ihre Folgen auf die Arbeitslosen abwälzen. Die Anrechnungsregelung ist ein Schritt, um von den traditionellen Abfindungssozialplänen wegzukommen. Die F.D.P. hat immer versucht, den Maßnahmen Vor- rang einzuräumen, die Arbeitslosen ermöglichen, so schnell wie möglich wieder einen Job zu bekommen. Dabei sollte vor allem zu Eigeninitiative und Aktivität motiviert werden. Maßnahmen wie die Finanzierung von Eingliederungshilfen oder die Altersteilzeit können eine sinnvolle Alternative zur Zahlung von Entlassungsent- schädigungen sein. Im übrigen: Die F.D.P. ist die Partei der sozialen Verantwortung, weil wir Arbeitslosigkeit nicht finanzie- ren wollen, sondern weil wir Arbeitslosigkeit verhindern wollen. Und wir hätten auch gern verhindert, daß unsere Energien auf eine Debatte wie diese hier verschwendet werden. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß die jet- zige Regelung mit den Stimmen der SPD-regierten Län- der im Bundesrat verabschiedet wurde. Die F.D.P. drängt darauf, daß es zu einer schnellen endgültigen Gesetzesregelung kommt. Legen Sie uns, wenn Sie nun schon eine Änderung für richtig halten wollen, eine vernünftige und durchdachte Neuregelung vor! Ich hoffe, daß Sie dazu in der Lage sind. Dr. Klaus Grehn (PDS): Die Einführung der Anrech- nung von Entlassungsentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen Leistungen zu einem erheblichen Teil auf das Arbeitslosengeld war eine jener Maßnahmen der christdemokratisch-liberalen Regierungskoalition, die nicht nur von den Betroffenen als Kampf gegen die Ar- beitslosen statt gegen die Arbeitslosigkeit bezeichnet wurde. In der Tat hatten bei der Anhörung vor Einfüh- rung dieser Regelung die Sachverständigen sie mit Nachdruck als in höchstem Maße unsozial und verfas- sungsrechtlich bedenklich gekennzeichnet. Wie so häu- fig bei sozialpolitischen Grausamkeiten fanden die Hin- weise keine Berücksichtigung. Dem Wesen nach war es eine Regelung, mit der Finanzlöcher gestopft werden sollten. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wird grundsätz- lich der bis zum 31. März 1997 geltende Rechtszustand wiederhergestellt, und erhebliche Verschlechterungen werden zurückgenommen. Das findet unsere Zustimmung ebenso wie das Ziel, die Tendenz zur totalen Aussteuerung älterer Arbeit- nehmer aus dem Arbeitsprozeß zu bremsen. Allerdings weisen wir nachdrücklich darauf hin, daß dieses Ziel mit der vorgelegten Regelung nicht erreicht wird. Wir hätten erwartet, daß eine Neuregelung sich auf dem Niveau der Koalitionsvereinbarung bewegt, in der sich die Koali- tionspartner verständigt hatten, im Rahmen des Bünd- nisses für Arbeit eine Neuregelung zu vereinbaren, „die Anreize dafür bieten muß, vorhandene Mittel bei der Freisetzung von Arbeitnehmern vorrangig nicht passiv für Abfindungszahlungen, sondern aktiv für Maßnah- men der beruflichen Wiedereingliederung der betroffe- nen Arbeitnehmer einzusetzen.“ Statt dem Rechnung zu tragen, wird in der Begründung dieser Gedanke wieder aufgegriffen und in die Zukunft verwiesen. Damit bleibt das grundsätzliche und auch von der vorherigen Regie- rungskoalition erkannte Problem des Herausdrängens der älteren Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben u.a. über die Frühverrentung bestehen. Die Kosten dafür werden den Sozialkassen aufgebürdet. Die jetzige Regierungskoalition hat wiederholt An- träge der PDS-Fraktion zur Zurücknahme anderer drin- gend der Korrektur bedürftiger Regelungen mit der Be- 2078 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) gründung zurückgewiesen, ein völlig überarbeitetes SGB III vorzulegen. Angesichts der heute vorgelegten unvollständigen Regelung wird diese schon vorher schwer nachvollziehbare Begründung löchrig. Und im übrigen: So richtig die Wiedereinführung bzw. Einführung einer Erstattungspflicht eines Teiles des Arbeitslosengeldes durch den Arbeitgeber für die Entlassung älterer Arbeitnehmer ist, so sehr müssen die Konsequenzen auf die Einstellung älterer Arbeitneh- mer beachtet werden. Welches Unternehmen wird, ohne Beihilfen der BA, etwa einen 56jährigen einstel- len, wenn es bei dessen Entlassung zur Kasse gebeten wird? Die Nahtstelle „von der Arbeitslosigkeit in die Rente“ ist gerade für viele ältere Arbeitslose in den neuen Bundesländern von großer Bedeutung. Arbeits- lose etwa ab dem 55. Lebensjahr haben kaum die Chance auf Wiedereinstellung – und genau hier liegt ein Problem der sozialen Gerechtigkeit, der Verhinde- rung von Altersarmut und der Gewährleistung eines sinnerfüllten und gesicherten Lebensabends. Dies ist zwar nicht Anliegen des vorliegenden Gesetzentwur- fes, das Problem taucht aber schon jetzt am Rande auf und sollte bei weiteren ähnlichen Gesetzesinitiativen beachtet werden. Die Fraktion der PDS stimmt dem vorliegenden Ge- setzentwurf zu. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Arbeit und Sozialordnung: Nach 16 Jahren christdemokratisch-liberaler Regierung sehen wir uns mit einer Vielzahl von Problemen und Ungerechtigkei- ten konfrontiert. Wir haben versprochen, eine ganze Reihe dieser Ungerechtigkeiten unmittelbar nach der Wahl zu beseitigen. Viele dieser Versprechen sind von uns bereits eingelöst. Zu den Ungerechtigkeiten, die wir unbedingt beseiti- gen müssen, zählen auch die Regelungen zur Anrech- nung von Entlassungsentschädigungen auf das Arbeits- losengeld. Die alte Regierung wollte Entlassungsabfin- dungen in erheblichem Umfang auf das Arbeitslosen- geld anrechnen. Für die Arbeitnehmerin und den Arbeit- nehmer hätte das eine doppelte Ungerechtigkeit bedeu- tet. Zum Verlust des Arbeitsplatzes wäre als „Bestra- fung“ noch eine Kürzung des Arbeitslosengeldes getre- ten. An einem Beispiel wird die drastische Wirkung die- ser Regelung besonders deutlich: Ein 50jähriger Arbeit- nehmer wird wegen notwendiger Personalanpassungs- maßnahmen im Betrieb nach 25jähriger Betriebszugehö- rigkeit entlassen. Er erhält eine Abfindung in Höhe von 50 000 DM. Davon würden ihm nach der alten Rechts- lage 50 Prozent auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Hat derselbe Arbeitnehmer vor einigen Jahren den Ar- beitgeber gewechselt, würden sogar 60 Prozent der Ab- findung angerechnet. In der Praxis erhielte dieser Ar- beitnehmer so lange, bis der anrechenbare Teil der Ab- findung aufgebraucht ist, nur sein halbes Arbeitslosen- geld. Bei einem Bruttoarbeitsentgeld von 4 500 DM und Steuerklasse IV gibt es normalerweise rund 1 350 DM Arbeitslosengeld monatlich. Das ist nicht viel. Und dieser Betrag würde im Rahmen der Abfindungsan- rechnung dann noch einmal – und im Extremfall für die gesamte Dauer des Arbeitslosengeldbezuges – hal- biert. Ein solcher Eingriff ist sozial unausgewogen, verfas- sungsrechtlich bedenklich und wird deshalb zu Recht auch von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften kritisiert. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer seinen An- spruch auf Arbeitslosengeld durch eigene Beitragslei- stungen erworben hat. Ohne unser Handeln heute würden diese Regelungen die Arbeitnehmer ab 7. April 1999 in vollem Umfang treffen. Aber: Wir halten Wort und verhindern diese Ungerechtigkeit. Wir präsentieren statt dessen einen so- zial ausgewogenen und finanziell tragbaren Entwurf zur vorläufigen Neuregelung der Entlassungsabfindungen. Unser Entwurf ist ein Ergebnis – und zugleich ein Erfolg – des Bündnisses für Arbeit. Die Bündnispartner waren sich über folgende Punkte einig: Erstens. Die von der alten Regierung geplante Regelung zur Anrechnung von Entlassungsentschädigungen darf nicht wirksam werden. Zweitens. Wir müssen statt dessen eine ausgewogene gesetzliche Neuregelung schaffen. Dabei soll einerseits sichergestellt werden, daß Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmern der überwiegende Teil ihrer Abfindung verbleibt, wenn ihre Arbeitslosigkeit unvermeidbar ist. Andererseits wollen wir verhindern, daß sich die Unter- nehmen auf Kosten der Allgemeinheit insbesondere von ihren älteren Arbeitnehmern im Wege der Frühverren- tung trennen. Es darf nicht sein, daß die finanzielle Last der Arbeitslosen- und Rentenversicherung aufgebürdet wird. In den Arbeitsgruppen des „Bündnisses für Arbeit“ geht es uns darum, die Sozialpartner stärker für Mo- delle zu gewinnen, die Arbeitslosigkeit vermeiden hel- fen und einen intelligenten Übergang vom Erwerbsle- ben in den Ruhestand ermöglichen. Die Möglichkeiten, die sich dabei bieten, sind vielfältig. Ich denke dabei zum Beispiel an berufliche Weiterbildung der betroffe- nen Arbeitnehmer, um deren Wiedereingliederung ins Arbeitsleben zu erleichtern. Möglich sind auch Ein- gliederungszuschüsse an Zweitunternehmen, die die freigesetzten Arbeitnehmer wieder übernehmen. Denk- bar sind Zuschüsse an den Arbeitnehmer selbst, wenn dieser sich selbständig machen will. Für die älteren Arbeitnehmer kommen beispielsweise die Einrichtung von Altersteilzeitmodellen in Betracht, die einen glei- tenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Bei den Bündnispartnern herrschte große Überein- stimmung darüber, daß wir intelligente Lösungen finden müssen, damit die Unternehmen nicht länger den für sie leichtesten Weg der Entlassung gehen. Allerdings müs- sen diese Alternativen solide durchgerechnet werden. Das kostet Zeit. Wir wollen keine unsauberen Schnell- schüsse, sondern Lösungen, mit denen alle Beteiligten zufrieden sein können. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2079 (A) (C) (B) (D) Jetzt aber hatten wir Zeitdruck. Die Beteiligten des Bündnisses für Arbeit haben sich daher auf Vorschlag von Bundesarbeitsminister Walter Riester darauf geei- nigt, auf Grund dieses Zeitdrucks zum 1. April 1999 zunächst den Rechtszustand wiederherzustellen, der bis zum 31. März 1997 bestanden hat. Das bedeutet, daß künftig der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn eine Abfindung gezahlt und die maßgebliche Kün- digungsfrist nicht eingehalten wird. Und der Arbeitge- ber ist verpflichtet, das Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen zu erstatten. Aus den Kreisen der Opposition ist der Vorwurf laut geworden, die SPD habe dem § 140 SGB III im Bundes- rat damals zugestimmt. Dies ist so nicht richtig. Das Ar- beitsförderungs-Reformgesetz war nicht zustimmungs- bedürftig. Dementsprechend hat die SPD der Änderung des § 115a AFG auch nicht zugestimmt. Allerdings war das erste SGB-III-Änderungsgesetz zustimmungsbe- dürftig, weil es die für die Umsetzung des AFRG not- wendigen Verfahrensregelungen enthielt. Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens haben sich drei Länder, NRW, Bayern und Sachsen-Anhalt, an einer Arbeits- gruppe beteiligt, um zumindest für angemessene Freibe- träge bei der Regelung des § 140 SGB III Sorge zu tra- gen. Diese Länder haben dann in der Tat im Bundesrat der in der Arbeitsgruppe gefundenen Regelung zuge- stimmt. Mit der Rückkehr zum früheren Recht haben wir aber nur einen kleinen Teil der Wegstrecke zurück- gelegt. Jetzt müssen wir die unselige Frühverren- tungspraxis der Unternehmen stoppen. Viele Unter- nehmen schicken ihre älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus finanziellen Gründen lieber vorzei- tig in den Ruhestand. Das ist am Volumen der Er- stattungszahlungen der Arbeitgeber für ihre älteren Arbeitnehmer ablesbar: Die Bundesanstalt für Arbeit hatte im vergangenen Jahr Einnahmen aus Erstat- tungsforderungen in Höhe von rund 750 Millionen DM. 1997 beliefen sich diese Einnahmen sogar auf über 1 Milliarde DM. Diese Zahlen belegen, daß die Unternehmen lieber das Arbeitslosengeld erstatten, als über alternative Lösungen für ihre älteren Arbeit- nehmer nachzudenken. Wir wollen aber keine neue Frühverrentungswelle. Das kann sich die Sozialversi- cherung unter finanziellen Gesichtspunkten nicht lei- sten. Aber auch unsere Gesellschaft kann es sich un- ter sozialen Aspekten nicht leisten, daß Arbeitnehmer immer früher auf ein Abstellgleis geschoben werden und ihre in vielen Berufsjahren erworbene Erfahrung verloren geht. Die Bündnispartner haben deshalb vereinbart, daß die Gespräche im Bündnis für Arbeit mit dem Ziel fortge- setzt werden, zu einer für alle tragbaren Neuregelungen zu kommen. Wir müssen eine Neuregelung finden, die einerseits den Arbeitnehmern angemessene Freibeträge ermöglicht und andererseits den Unternehmen Anreize liefert, den Vorruhestand durch intelligentere Lösungen zu ersetzen. Ich bin davon überzeugt, daß wir im Bündnis für Ar- beit zu einer guten Lösung kommen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Aktuellen Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu dem am 11. Februar 1999 ver- öffentlichten Bericht des Ausschusses für wirt- schaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des interna- tionalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland (Zusatztagesordnungspunkt 4) Vera Lengsfeld (CDU/CSU): Wir haben heute abend mit einer besonderen Merkwürdigkeit zu tun. Die PDS möchte im Deutschen Bundestag das Ergebnis der sy- stematischen Desinformationskampagnen ihrer Vorfeld- organisationen diskutieren. Nachdem sich Parteifunktio- näre und Stasimitarbeiter von ihrer 89er Schmach erholt hatten, begannen sie Anfang der neunziger Jahre mit der Gründung eine Reihe von Nichtregierungsorganisatio- nen, die den Blick der internationalen Öffentlichkeit von den SED-Unrechtstaten weg auf die angeblichen Men- schenrechtsverletzungen im vereinten Deutschland hin- lenken sollten. Seitdem läuft eine beispiellose Desin- formationskampagne über angebliche politische Diskri- minierung, Berufsverbotspraxis und Rentenstrafrecht im vereinigten Deutschland. PDS-Aktivisten überziehen die UNESCO mit Menschenrechtsbeschwerden, in denen sie den Eindruck erwecken, ihr Schicksal sei beispielhaft für das aller ehemaligen DDR-Bürger. Begleitet werden diese Aktivitäten von den PDS-Bundestagsabgeord- neten, die eine enge Beziehung zu den Organisationen mit so klingenden Namen wie „Initiative für die volle Gewährung der verfassungsmäßigen Grundrechte und gegen Berufsverbote“ oder „Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. (GBM)“ unterhalten. Die Kampfblätter der genannten Vereine, z. B. der „Icarus“ der GBM, sind anspruchsvoll aufge- macht, auf bestem Papier gedruckt. Auf dem Cover prangt eine Radierung von Ronald Paris. Das gesamte Äußere soll wohl über den eher unappetitlichen Inhalt hinwegtäuschen. Haßtiraden dominieren. Vielleicht hätte Herr Ottmar Schreiner einmal in solch eine Publi- kation schauen sollen, bevor er die „geistige Nähe“ von SPD und PDS gepriesen hat. Die Frage, woher diese Organisationen Geld für teure Publikationen, aufwendige Kampagnen und häufige Reisen nach New York und Brüssel haben, sei hier nur am Rande gestellt. Schließlich hatten SED und Stasi rechtzeitig ihre Milliarden beiseite geschafft. Die Praxis, die vor der UNESCO mit Krokodilstränen in den Augen beklagt wird, die Berufsverbote, ich zitiere den „Icarus“, „die nicht selten für den Einzelnen das soziale Aus zur Folge hatten, persönliche Isoliertheit mit sich brachten und nicht wiedergutzumachende gesundheitliche Schä- den verursachten“, ist nicht etwa eine Beschreibung der Zustände in der DDR, wo tausende Regimekritiker die- ses Schicksal tatsächlich ereilte, sondern das Zerrbild, was ehemalige Parteifunktionäre und Stasileute über die Realität im vereinten Deutschland verbreiten. 2080 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) Tatsache ist aber, daß die ehemaligen Unterdrücker, die Verantwortlichen für das DDR-Unrecht, im verein- ten Deutschland wesentlich komfortabler Leben als ihre Opfer. Ihnen sind sogar die Rentenanteile nachgezahlt worden, für die sie nicht mal selbst Geld eingezahlt hat- ten, weil der DDR-Staat treue Dienste u.a. mit steuer- finanzierten Rentenanwartschaften belohnt hat. Men- schen, die in der DDR verfolgt wurden, die ihren Beruf verloren und sich mit schlechtbezahlten Hilfsarbeitstä- tigkeiten durchschlagen mußten, müssen heute oft mit Mindestrenten auskommen. Sie werden darüber hinaus von ihren ehemaligen Verfolgern verhöhnt, indem die Täter vor der UNO das Schicksal ihrer Opfer als Bei- spiel für das angebliche Unrecht im Vereinten Deutsch- land mißbrauchen. In einem „Icarus“ findet sich die Karikatur einer un- endlich langen Bank. „Hier entsteht eine Anklagebank für 17 Millionen ehemalige DDR-Bürger“ steht auf einem Schild hinter der Bank. Schamloser geht es nicht. Ich verbitte mir im Namen aller Opfer des DDR- Regimes, für die Durchsetzung von SED- und Stasiin- teressen instrumentalisiert zu werden. Die Mißachtung der Menschenwürde der SED-Opfer ist bei der PDS Programm. Die heutige Aktuelle Stunde ist ein neuer Beweis dafür. Die SPD hat der PDS die Macht wieder- gegeben, die das Volk der DDR 1989 der SED abge- nommen hat. Die heutige Aktuelle Stunde könnte der SPD die Augen öffnen, wie ihre künftige Koalitions- partnerin ihre Macht zu mißbrauchen gedenkt. Wenn die SPD aber weiter nur den eigenen Machterhalt durch die Machtbefestigung der PDS will, wird sie für die Folgen verantwortlich sein. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – 4. SGB XI-Änderungsgesetz (Tagesordnungs- punkt 10) Regina Schmidt-Zadel (SPD): In ihrer Koalitions- vereinbarung haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen festgelegt, bei der Pflegeversicherung die bereits in der 13. Wahlperiode vereinbarten maßvollen Leistungsver- besserungen umzusetzen. Wir beraten heute in erster Le- sung den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Entwurf für ein 4. SGB-XI-Änderungsgesetz. Ich stelle fest: Die Koalition hält ihr Wort. Auch in der Pflegever- sicherung wird konsequent und Schritt für Schritt umge- setzt, was versprochen wurde. Ich muß aber an dieser Stelle auch noch einmal feststellen, daß die Pflegebe- dürftigen und ihre Angehörigen in der zurückliegenden Legislaturperiode leider anderes gewohnt waren, als ge- haltene Versprechungen. So sehr es mich auch freut, daß die Koalitionsfraktio- nen die heute zu beratenden Verbesserungen auf den Weg bringen, so ärgert es mich noch heute, daß diese Verbesserungen samt und sonders schon längst hätten beschlossen und in Kraft sein können. Ich erinnere dar- an, daß in der letzten Legislaturperiode feste Vereinba- rungen zwischen den Parteien getroffen wurden, aus de- nen sich erst die F.D.P. – und mit ihr dann auch die Union – verabschiedet hat. Insofern finde ich es schon erstaunlich, daß jetzt aus- gerechnet Herr Lohmann in einer gestern verbreiteten Presseerklärung die vorgelegten Verbesserungen plötz- lich als nicht ausreichend bezeichnet. Herr Lohmann, ich würde heute auch gerne darüber debattieren, wie die Pflegeversicherung zum Beispiel für die immer größere Zahl von psychisch Kranken, Alzheimer-Patienten und für Behinderte verbessert werden kann. Das sind ganz unbestreitbar wichtige Punkte bei der Weiterentwick- lung der Pflegeversicherung. Aber leider muß sich die Koalition ja erst noch mit den unerledigten Hausarbeiten ihrer Vorgänger beschäftigen und zunächst das auf den Weg bringen, was unter anderem Sie, Herr Lohmann, im vergangenen Jahr vorsätzlich versäumt haben. Ob etwas ausreichend war oder nicht, läßt sich immer erst am En- de eines Weges sagen. Die Koalition hat ihren Weg zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung erst begon- nen. Ihr Weg, Herr Lohmann, war am 27. September 1998 zu Ende – und auch in Sachen Pflegeversicherung haben Ihnen die Wähler die Note „nicht ausreichend“ ins Zeugnis geschrieben. Sie haben den Gesetzentwurf der Bundesländer Bay- ern und Baden-Württemberg angesprochen, der in Ihren Augen angeblich viel weiter geht. Es ist richtig, daß der Entwurf mit Neuregelungen für Behinderte und De- menzkranke tatsächlich Änderungsbedarf aufgreift. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Punkte nichts weiter als ein Alibi sind. In Wirklichkeit geht es Ihnen doch darum, die Pflegeversicherung lang- fristig in ein anderes System zu überführen. Das ist doch der Kern dieser Initiative. Dafür packen Sie ihren schlecht durchgerechneten und unausgegorenen Plänen zur Kapitalstockbildung schnell ein paar Verbesserun- gen für die Demenzkranken bei. Das ist durchsichtige Bauernfängerei und wird den Problemen nicht gerecht. Dabei gibt es in der Pflegeversicherung eine Reihe von Problemen, die noch angepackt werden müssen. Die Versorgung von Demenzkranken gehört ganz zweifellos dazu. Schnellschüsse und Alibi-Regelungen sind hier aber nicht angebracht. Darüber müssen wir in Ruhe sprechen und solide Lösungen erarbeiten. Nun gilt es, erst einmal die vorliegenden Verbesse- rungen auf den Weg zu bringen, auf die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen seit langem warten. Da ist vor al- lem die Neuregelung bei der Anrechnung von Pflege- geld auf Unterhaltsansprüche oder -verpflichtungen zu nennen. Pflegegeld wird künftig unter bestimmten Vor- aussetzungen nicht auf die Unterhaltsansprüche pflegen- der Personen angerechnet. Damit beendet die Koalition die ungerechte Regelung, daß einer geschiedenen Frau der Unterhaltsanspruch gemindert wird, wenn sie für die Pflege des gemeinsamen behinderten Kindes Pflegegeld bekommt. Die Koalition stärkt die häusliche Pflege weiter, in- dem sie den pflegenden Angehörigen die Inanspruch- nahme der Kurzzeitpflege erheblich erleichtert. Hat eine Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2081 (A) (C) (B) (D) Pflegeperson zum Beispiel einen Unfall erlitten oder konnte aufgrund anderer Ereignisse kurzfristig die Pfle- ge nicht gewährleisten, scheiterte die Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege bislang oft am Nein der Pflegekas- sen. Begründung: Die Pflegeperson muß erst mindestens ein Jahr die Pflege erbracht haben, um diese Leistung erhalten zu können. Künftig ist eine solche Ersatzpflege vom ersten Tag an möglich. Eine ähnliche Stärkung erhält auch die Verhinde- rungspflege bzw. Urlaubspflege. Hier wird klargestellt, in welchen Fällen der Ersatzpflege der Höchstbetrag von 2 800 Mark ausgeschöpft werden kann. Damit wird es für die Betroffenen erheblich leichter, für ihren Urlaub eine Ersatzpflegekraft aus der weiteren Verwandtschaft oder der Nachbarschaft zu finden. Eine Regelung, die die Bereitschaft zur Pflege im direkten und vertrauten häuslichen Umfeld der Pflegebedürftigen erheblich ver- bessern wird. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie drin- gend Pflegepersonen ihren Urlaub brauchen, um einfach mal Abstand zu der oft doch sehr schweren und bela- stenden Pflegearbeit zu bekommen. Wenn dann sicher- gestellt ist, daß die Ihnen anvertrauten Pflegebedürftigen in guten Händen sind, dann wird dieser Urlaub umso leichter anzutreten sein. Einen weiteren wichtigen Punkt des vorliegenden Re- formgesetzes möchte ich noch anführen: Es war ein be- schämender und taktloser Tatbestand, daß die Pflegekas- sen bei Tod des Pflegebedürftigen das für den Sterbe- monat zuviel gezahlte Geld zurückfordern mußten. Hier ist der Bescheid der Kassen oft genug noch in die Trauer der Angehörigen geplatzt. Die haben sich dann zu Recht gefragt, warum sie nach oft jahrelanger aufopfernder Pflege, die den Pflegekassen erhebliche Beträge im Ver- gleich zur stationären Pflege einsparte, für ein paar we- nige Tage das bereits überwiesene Geld zurückzahlen müssen. Die Neuregelung spart Verwaltungskosten ein, die das Zurückfordern erforderte. Sie ist aber auch ein Akt des Respektes vor der Pflegeleistung der Angehörigen. In Zukunft wird das Pflegegeld, in dem Monat, in dem der Pflegebedürftige stirbt, von den Angehörigen nicht mehr zurückgefordert. Allein wegen dieser längst über- fälligen Regelung finde ich es beschämend, daß diese Novellierung erst jetzt zustande kommt. Wie viele dieser unwürdigen Rückforderungsbescheide hätten vermieden werden können, wenn die Änderungsgesetze bereits im letzten Jahr den Bundestag passiert hätten. Der Gesetzentwurf enthält noch eine Reihe anderer Regelungen wie die Erhöhung des Pflegegeldes im teil- stationären Bereich und die Übernahme der Kosten für die Pflichtpflegeeinsätze durch die Pflegekassen. Auch das wird den Vorrang der häuslichen Pflege spürbar stärken und zugleich die Qualität der Pflege sichern hel- fen. Die von der Koalition vorgelegten Änderungen in XI. Sozialgesetzbuch sind ein weiterer Schritt zur Verbesse- rung der Pflegeversicherung. Vieles wird praxisgerech- ter, einfacher zu handhaben und bringt vor allem im Be- reich der häuslichen Pflege spürbare Erleichterungen. Die Kosten von ca. 260 Millionen Mark sind, gemessen am Gesamtvolumen der Pflegeversicherung, vertretbar. Weitere Schritte zur Verbesserung in der Pflegeversi- cherung müssen folgen. Ich bin bereits kurz darauf ein- gegangen. Vielen der 1,7 Millionen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen wäre aber schon entscheidend geholfen, wenn die vorgelegten Änderungen zum Som- mer beschlossen werden. Ich lade daher die Kolleginnen und Kollegen der Union und der F.D.P. herzlich ein: Machen Sie Ihren Fehler vom vergangenen Jahr wieder gut, kommen Sie zurück ins Boot und lassen Sie uns gemeinsam die Pflegeversicherung weiterentwickeln. Das 4. SGB-XI-Änderungsgesetz ist dazu ein guter An- fang. Eva-Maria Kors (CDU/CSU): Es ist unbestritten, die Pflegeversicherung hat sich als Instrument zur Absiche- rung des Risikos der Pflegebedürftigkeit im Rahmen un- serer sozialen Sicherungssysteme bewährt. Die Zahl von über 1,7 Mio. Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, die in der Zwischenzeit Leistungen durch die Pflegever- sicherung erhalten, spricht für sich. Es ist auch unbe- stritten, daß ein solch umfassendes Reformwerk nach einer gewissen Zeit der praktischen Anwendung über- prüft werden muß und daß dann auf festgestellte Defi- zite durch die Politik reagiert werden muß und Lösun- gen auf den Weg gebracht werden müssen. Aus dieser Sicht ist der vorgelegte Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt, den wir, die CDU/CSU-Fraktion, in der vergangenen Legislaturperi- ode ja bereits teilweise zusammen mit Ihnen gegangen sind. Aber dennoch: Der Entwurf ist mit seinen Ände- rungen für die CDU/CSU-Fraktion schlicht und einfach nicht ausreichend! Der Gesetzentwurf gibt zunächst einmal keine Antwort auf die Frage, was mit den Bei- tragsüberschüssen in der Pflegeversicherung in Höhe von fast 10 Milliarden DM geschehen soll – geschweige denn, daß er entsprechende Lösungsansätze zu bieten hat. Diese Lösungsansätze hätte die Bundesregierung durch einen Blick in die Bundesratsinitiative Bayerns, Baden-Württembergs und Sachsens finden können. Nach diesem Entwurf sollen die Überschüsse in der Pflegeversicherung in eine Generationenreserve einge- stellt werden und später zur Abfederung der demogra- phischen Entwicklung verwandt werden. Sichergestellt werden müßte jedoch noch zusätzlich – und dies möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich be- tonen –, daß eine Möglichkeit geschaffen wird, wie diese Generationenreserve unter gewissen Umständen auch vor dem angestrebten Jahr 2025 in Anspruch ge- nommen werden kann, um so mögliche Beitragserhö- hungen vermeiden zu können. Ich bedauere sehr, daß die Bundesregierung in ihrem Entwurf dieser wichtigen Frage ausgewichen ist und die konstruktiven Lösungs- ansätze der CDU-geführten Bundesländer nicht aufge- griffen hat. Der Regierungsentwurf läßt ein weiteres wichtiges Problem völlig unangesprochen und ungelöst, denn er enthält keine Ausführungen zur Absicherung und Be- rücksichtigung des allgemeinen Betreuungsaufwandes für Menschen mit geistigen Behinderungen und psychi- schen Erkrankungen, insbesondere altersverwirrter Men- 2082 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) schen. Kein Wort, keine Vorschrift über die Berück- sichtung der Pflegebedürftigkeit von Demenzkranken im System der Pflegeversicherung – und das in einem Ent- wurf, der groß Verbesserungen ankündigt. Dies ist für die Betroffenen und deren Betreuer, aber darüber hinaus auch für die betreuenden Einrichtungen überaus unbe- friedigend. Wir, die Mitglieder der CDU/CSU-Bun- destagsfraktion, sind der Auffassung, daß auf die zu- nehmende Zahl Demenzkranker – nach Auskünften der Verbände zur Zeit etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland – schnellstens reagiert werden muß und auch reagiert werden kann, zumal auf der Grundlage der Bundesratsinitiative der Länder Bayern, Baden- Württemberg und Sachsen ein praktikabler und finan- zierbarer Weg beschritten werden kann. Der Regierungsentwurf entspricht aber noch nicht einmal den Forderungen der grünen Regierungspartei, namentlich den Forderungen der Bundesarbeitsgemein- schaft Behindertenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen. Diese Arbeitsgemeinschaft spricht die von mir gerade dargelegte Thematik in einem Positionspapier mit dem Titel „Reform der Pflegeversicherung“ vom November 1998 ausdrücklich an und fordert in diesem Bereich weitreichende Verbesserungen. Wenn die Betroffenen – (Anm.: damit sind behin- derte und altersverwirrte Menschen gemeint) – zur Vermeidung von Eigengefährdungen die fast stän- dige Anwesenheit einer Person zur Beaufsichtigung benötigen, belastet dies sowohl die Familien als auch im Falle der stationären Pflege das Heimper- sonal überproportional. Bei den Leistungen der Pflegeversicherung wird dies aber überhaupt nicht berücksichtigt. Dieser Ausschluß ist willkürlich und ungerecht. Ein Bedarf an Anleitung und Beaufsichtigung muß daher bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit und der Einstufung in die einzelnen Pflegestufen Berücksichtigung finden. Das gleiche gilt für Hil- fen bei der Kommunikation. Angesichts der großen und stetig wachsenden Zahl altersverwirrter Menschen und den damit verbundenen Problemen für Familienangehörige und Pflegepersonen reicht es eben nicht aus – wie im Koalitionsvertrag oder in zahlreichen Interviews immer wieder angekündigt –, eine bessere Berücksichtigung des allgemeinen Betreu- ungsbedarfs dieser Personen prüfen zu wollen. Im Ge- genteil, hier müssen dann auch Taten folgen. Es ist ebenfalls nicht ausreichend, nur darauf hinzuweisen, daß der Diskussionsprozeß zum Pflegeversicherungsgesetz noch nicht abgeschlossen sei – so zuletzt die Kollegin Schaich-Walch. Oder sind diese Ankündigungen so zu verstehen, daß die SPD-Fraktion die Pläne von Bundesfinanzmi- nister Lafontaine, die Pflegeversicherung auf eine Steuerfinanzierung umzustellen, doch noch nicht zu den Akten gelegt hat? Äußerungen des Kollegen Struck, wonach er sich jedenfalls die Umsetzung eines steuerfinanzierten Modells mit Blick auf die Belastungen der öffentlichen Haushalte aktuell nicht vorstellen könne, haben hier auch keine Klarheit her- beiführen können. Die Bundesregierung muß sich schon die Frage ge- fallen lassen, wie sie denn nun die zukünftige Finanzie- rung der Pflegeversicherung in Wirklichkeit gestalten will. Steuerfinanziert und damit den Vorstellungen des jeweiligen Bundesfinanzministers unterstellt, der ent- scheidet, wann Pflegebedürftigkeit vorliegt und wann diese finanzierbar ist oder nicht, oder eben, wie derzeit praktiziert und bewährt, beitragsfinanziert im Gefüge der sozialen Sicherungssysteme und damit für die Be- troffenen abschätzbar und verläßlich? Eine Antwort auf diese Frage, meine Damen und Herren der Regierungs- koalition, steht noch aus. Insgesamt ist Ihr Regierungs- entwurf aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion halbherzig und unzureichend, denn er läßt zum Beispiel das große und überaus wichtige Thema der Altersverwirrten völ- lig unberücksichtigt und ungelöst. Es liegt nun an Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle- gen von den Regierungsfraktionen, ob im Rahmen der weiteren Beratungen dieses Gesetzentwurfs doch noch die notwendigen Verbesserungen durchgesetzt werden oder ob es wieder einmal bei den Gesetzesberatungen – wie seit dem Beginn dieser Legislaturperiode bei Ihnen ja so üblich – nur nach dem Motto gehandelt werden soll: „Augen zu und durch!“ Detlef Parr (F.D.P.): Der heute vorgelegte Gesetz- entwurf sieht die Beseitigung einiger Ungereimtheiten vor, die bei Abfassung des Gesetzes nicht so deutlich erkennbar waren. Das ist sinnvoll. Darüber hinaus sind Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und ihre An- gehörigen bei der Finanzierung der Pflegekontrolleinsät- ze vorgesehen. Auch das ist akzeptabel. Es war den Be- troffenen immer nur schwer zu vermitteln, daß sie die Kosten für Kontrollbesuche, die nicht sie, sondern die Pflegeversicherungsgemeinschaft für notwendig hält, aus eigener Tasche zahlen sollten. Über die Anhebung der Pauschalen für die teilsta- tionäre Pflege müssen wir im Gesundheitsausschuß noch einmal intensiv diskutieren, ob sie nicht nur den Einrichtungen nutzt, nicht jedoch den Pflegebedürfti- gen selbst. Tages- oder Nachtpflege bedeutet, daß der Pflegebedürftige nur am Tag oder nur in der Nacht in dieser Einrichtung versorgt wird. Die jeweils andere Zeit des Tages muß er anderweitig betreut werden. Bisher ist es so, daß der Pflegebedürftige zum Beispiel in Pflegestufe III maximal 2 100 DM für die teilstatio- näre Pflege erhält plus bis zu 700 DM für die häusliche Pflege, nämlich bis zum Höchstbetrag von 2 800 DM für die Pflegesachleistung. Wenn nun für die teilstatio- näre Pflege ein Betrag von bis zu 2 800 DM vorgese- hen wird, bedeutet das im Regelfall, daß die Unterstüt- zung für die häusliche Pflegekraft wegfällt, weil sich erfahrungsgemäß die Sätze der Einrichtungen an den Höchstsätzen ausrichten. Die größte Notwendigkeit, etwas zu ändern, scheint mir jedoch nicht im gesetzgeberischen Bereich zu lie- gen, sondern in der konkreten Umsetzung vor Ort. Es kann nicht angehen, daß Pflegebedürftigen notwendige Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 2083 (A) (C) (B) (D) Leistungen verweigert werden, wie das immer wieder vorkommt. Das gilt ganz besonders für die Demenz- kranken. Wir brauchen eine Gleichbehandlung von Menschen, die aus physischen Gründen pflegebedürftig sind, und solchen, die aus psychischen Gründen Hilfe bei der Pflege benötigen. Hier liegt zur Zeit einiges im argen. Ob die Situation für Demenzkranke durch eine andere Form der Begutachtung verbessert werden kann oder ob dafür eine Gesetzesänderung notwendig ist, sollten wir gemeinsam im Ausschuß sorgfältig erörtern. Viele Mißstände werden auch dadurch verursacht, daß Pflegeversicherung und Krankenversicherung getrennt laufen und es in der Pflegeversicherung im Gegensatz zur Krankenversicherung einen vollständigen Ausga- benausgleich zwischen den Kassenarten gibt. Das setzt zum Teil falsche Anreize. Wir sollten deshalb noch ein- mal gründlich darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, Pflege- und Krankenversicherung zusammenzufas- sen, zumal es manchmal äußerst schwierig ist, zu beur- teilen, ob ein Mensch lediglich Pflege braucht, weil er alt und gebrechlich ist, oder ob er Unterstützung braucht, weil er krank ist. Das Thema „Rehabilitation vor Pflege“, das zur Zeit auch noch völlig unbefriedi- gend gelöst ist, weil die Krankenversicherung hierfür zuständig ist und nicht die Pflegeversicherung, die von einer erfolgreichen Rehabilitation profitiert, wäre damit automatisch vom Tisch. Unterhalten müssen wir uns auch über die Über- schüsse, die die Pflegeversicherung angesammelt hat. Ende 1998 lagen knapp 10 Milliarden DM auf den Konten der gesetzlichen Pflegekassen. Davon sind le- diglich 4 Milliarden DM gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen. Es gibt einen schönen Spruch eines Finanzwissenschaftlers: „Kasse macht sinnlich.“ Inso- fern wundert es mich nicht, daß zur Zeit alle mögli- chen Vorschläge in der Diskussion sind, was man mit den Überschüssen über das im Gesetzentwurf nicht Vorgesehene hinaus anfangen soll. Für mich gibt es darauf nur eine Antwort: Wir müssen dafür sorgen, daß man in diese Versuchung nicht mehr kommt. Am besten wäre es, das Geld an diejenigen zurückzuge- ben, die es angesammelt haben: die Versicherten und Arbeitgeber. Möglich wäre auch die Anlage in Form eines Kapitalstocks. Dies bringt allerdings gewisse Probleme mit sich, so daß man hinter einen solchen Vorschlag zumindest ein großes Fragezeichen setzen muß. Problematisch wäre eine Hortung der Über- schüsse bei den Pflegekassen, weil das Begehrlich- keiten weckt, die angesichts der Alterspyramide unse- rer Bevölkerung in ein paar Jahren nicht mehr finan- zierbar sind. Andrea Fischer, Bundesministerin für Gesundheit: Mit dem heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf zur Änderung des Pflegeversicherungsgesetzes setzen wir um, was uns die abgewählte Bundesregierung und frühere Koalition als unerledigtes Versprechen hinterlas- sen haben. Über die Regelungen des Gesetzentwurfes besteht fachpolitisch weitestgehend Einvernehmen, und er hätte in der letzten Legislaturperiode auch fraktionsübergrei- fend beschlossen werden können. Taktische Überlegun- gen auf Ihrer Seite haben damals dazu geführt, daß diese sinnvollen Regelungen zugunsten der Pflegebedürftigen auf der Strecke blieben. Unser Gesetzentwurf ist ein abgestimmter Entwurf, der frühere Versprechen endlich erfüllt. Er sieht im ,wesentlichen leistungsrechtliche Veränderungen in der Tages- und Nachtpflege, den offeneren Zugang zur Kurzzeitpflege sowie die Kostenübernahme bei den Pflegepflichteinsätzen vor. Das Finanzvolumen beträgt, wenn die Leistungen in einigen Jahren voll in An- spruch genommen werden, rund 260 Millionen DM jährlich. Was besonders wichtig ist, diese Leistungsverbesse- rungen kommen vor allem Frauen bei der Bewältigung ihres schwierigen Pflegealltags zugute. Denn sie sind es, die die Pflege zu Hause organisieren und durchführen und die durch die Leistungsverbesserungen entlastet werden. Dies ist auch ein wichtiger Beitrag für die Familie. Um so unverständlicher wäre es für die Pflegebe- dürftigen, wenn auch wir diese Verbesserungen hinaus- schieben würden. Hier arbeiten wir zügig ab, was wir sogleich erledigen können. Deshalb haben wir den un- veränderten Gesetzentwurf hier eingebracht, in der Er- wartung, daß er rasch in den parlamentarischen Bera- tungen verabschiedet werden kann, da er zwischen den Fraktionen unstrittig sein dürfte. Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen würden nicht verstehen, wenn wir die jetzt anstehenden Änderungen erst vornähmen, wenn weiterer Änderungsbedarf abschließend geprüft, festge- stellt, mit allen Beteiligten diskutiert und politisch mehrheitsfähig ist. Das bedeutet nicht, daß wir den anderen Änderungs- bedarf nicht ernst nähmen oder auf die lange Bank schö- ben. Wir prüfen sorgfältig und gewissenhaft. Dies schließt ein, daß Auswirkungen möglicher Änderungen auf die Finanzen der Pflegeversicherung sowie auf deren Funktions- und Leistungsfähigkeit sehr sorgsam bedacht werden müssen. Mit einem Beitragssatz von 1,7 Prozent ist der Finanzrahmen der sozialen Pflegeversicherung vorgege- ben. Aber schon heute wissen wir, daß allein die demo- graphische Entwicklung mit einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen um bis zu 350 000 bis zum Jahr 2010 zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Pflege- versicherung führt. Darauf müssen wir uns schon heute einstellen, wenn wir solide und verantwortlich wirt- schaften wollen. Das heißt im Klartext: Der am Ende des Jahres 1998 bestehende Überschuß der Pflegeversi- cherung von 9,7 Milliarden DM ist für die demographi- sche Entwicklung da und sichert die Stabilität des Bei- tragssatzes in der Pflegeversicherung. Nachdem der Jahresüberschuß in den Jahren 1996 2,3 Milliarden DM und 1997 1,6 Milliarden DM betrug, gibt ein Überschuß von nur noch 0,25 Milliarden DM für das Jahr 1998 allen Anlaß zur finanziellen Vorsicht. Die Auswirkungen neuer gesetzlicher Regelungen auf die Finanzen der Pflegeversicherung sowie auf deren Funktions- und Leistungsfähigkeit müssen sehr sorgfäl- 2084 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. März 1999 (A) (C) (B) (D) tig bedacht werden. Verbesserungen und Weiterent- wicklungen, die Ausgabensteigerungen zur Folge haben, müssen aus den laufenden Einnahmen der Pflegeversi- cherung finanziert werden. Es kann deshalb leider nicht alles, was wünschenswert ist, auch tatsächlich realisiert werden. Die finanzielle Solidität der Pflegeversicherung, die Verläßlichkeit der Leistungsgewährung und die Stabi- lität des Beitragssatzes sind nicht nur eine Frage der Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Gerade die Stabilität des Beitragssatzes hat im Hinblick auf die Lohnnebenkosten höchste Priorität. Wer also streng auf die Finanzierbarkeit und die Stabilität der Pflegeversi- cherung achtet, handelt nicht nur zum Wohl der Versi- cherten, sondern hat auch Beschäftigung und Wirt- schaft im Blick. Dies kennzeichnet eine solide Sozial- politik. Ganz anders der Gesetzentwurf der Länder Bayern und Baden-Württemberg. In ihm werden Verbesserun- gen versprochen, die nicht finanzierbar sind. Diese Vor- schläge untergraben das solide Fundament der Pflege- versicherung und setzen sie leichtfertig aufs Spiel. An die Opposition im Bund und in den Ländern möchte ich angesichts dieses Gesetzentwurfs aus Bayern und Baden-Württemberg, aber auch im Hinblick auf manche Forderung nach weitreichenden Änderungen bei der Pflegeversicherung appellieren, mehr Sorgfalt und Seriosität bei Forderungen zum Thema „Pflegeversiche- rung“ walten zu lassen. Es nutzt niemandem, insbeson- dere nicht den Pflegebedürftigen, ihren Familien und den Beitragszahlern, wenn das solide finanzielle Fun- dament der Pflegeversicherung untergraben und leicht- fertig aufs Spiel gesetzt wird. Wir haben uns mit dem vorgelegten Gesetzentwurf daran gehalten. Und da sein Inhalt noch in der letzten Legislaturperiode unstrittig war, hoffe ich auf eine frak- tionsübergreifende Mehrheit. Anlage 13 Erklärung des Abgeordneten Rainer Funke (F.D.P.) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlußempfehlung des Auswärtigen Ausschus- ses zu dem Antrag der Bundesregierung Deut- sche Beteiligung an der militärischen Umset- zung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rah- men der Notfalltruppe (Extraction Force) (Drucksachen 14/397, 14/414) am 25. Februar 1999 (22. Sitzung, Seite 1715 B) Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- führt. Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt habe. Anlage 14 Erklärung des Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offen- bach) (CDU/CSU) zur namentlichen Schlußab- stimmung über den Entwurf eines von den Frak- tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzes zum Einstieg in die ökolo- gische Steuerreform (Drucksachen 14/40, 14/408) am 3. März 1999 (24. Sitzung, Seite 1851 A) Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- führt. Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt habe. Anlage 15 Erklärung der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentli- chen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU zu dem Entwurf eines von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform (Drucksachen 14/40, 14/408, 14/424) am 3. März 1999 (24. Sit- zung, Seite 1842 A) Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- führt. Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt habe. Anlage 16 Erklärung der Abgeordneten Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion PDS zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuer- reform (Drucksachen 14/40, 14/408 und 14/423) am 3. März 1999 (24. Sitzung, Seite 1862 D) An der namentlichen Abstimmung habe ich – entge- gen der Angabe im Stenographischen Protokoll – teilge- nommen und mit Nein abgestimmt. Anlage 17 Amtliche Mitteilung Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit- geteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Ausschuß für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den geänderten Vor-schlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriftender Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlenbehandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile – Drucksachen 13/11284, 14/69 Nr. 1.7 – Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Stephan Hilsberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsi-
    dent! Meine Damen und Herren! Als ich das Thema für
    diese Aktuelle Stunde das erste Mal las, habe ich mich
    erst ein bißchen gewundert und dann geärgert, geärgert
    in zweierlei Hinsicht: zum einen darüber, daß die Situa-
    tion vieler Menschen im Osten Deutschlands, gemessen
    an den westdeutschen Verhältnissen, in der Tat misera-
    bel, hundsmiserabel ist, und über manchen sozialen
    Mißstand, den wir noch nicht haben ändern können, zum
    anderen aber noch mehr über die billige und demagogi-
    sche Tour, mit der Sie hier wieder versuchen, für sich
    daraus Nutzen zu ziehen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Mit Betroffenheitspathos in der Stimme wird darüber
    hergezogen, daß ein UNO-Ausschuß die Bundesrepublik
    Deutschland an den Pranger stellt. Man hat manchmal
    das Gefühl, Sie ziehen einen richtigen Genuß daraus,
    daß Sie plötzlich von dieser Seite Unterstützung erhalten
    in Ihrer Art, immer nur – was Sie am besten können –
    auf die miese Tour, ohne jeden konstruktiven Ansatz
    Nutzen daraus zu ziehen, wie schlecht es den Menschen
    an den verschiedensten Orten geht.


    (Zuruf von der PDS: Nutzen?)

    Um demagogischen Tricks entgegenzutreten und der

    Wahrheit die Ehre zu geben, muß man ein bißchen auf-
    klären. Da reicht das, was Sie hier gesagt haben, Frau
    Böttcher, nicht aus. Es ist richtig: Es gibt einen Aus-
    schuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
    in der UNO. Das ist gut; das haben wir übrigens mit er-
    kämpft. Er überprüft regelmäßig die Einhaltung des So-
    zialpaktes, den die Bundesrepublik übrigens unter-
    schrieben hat, als die DDR noch lange nicht bereit war,
    einen internationalen Pakt über Menschenrechte, den sie
    zwar unterschrieben hatte, in der DDR rechtsgültig um-
    zusetzen. Das ist die Wahrheit über die Situation.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


    Dieser Ausschuß verlangt von seinen Mitgliedstaaten,
    die diesen Pakt unterschrieben haben und ihn einzuhal-
    ten gedenken, regelmäßig Berichte über die Lage in dem
    jeweiligen Land. Dann wird darüber Rechenschaft abge-
    geben, wieweit das entsprechende Land den Pakt tat-
    sächlich einhält oder wo noch Differenzen bestehen. Der
    Bericht, der hier vorlag, ist über zweieinhalb Jahre alt.
    Er stammt also noch aus der Zeit der alten Koalition von

    Maritta Böttcher






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    CDU/CSU und F.D.P. Daß es daran viel zu kritisieren
    gibt, ist ja wohl selbstverständlich.

    Sie vergessen, dabei gleichzeitig zu erwähnen, daß in
    demselben Ausschußbericht die Koalitionsvereinbarung
    der neuen Bundesregierung positiv und sehr lobend her-
    ausgestellt wird.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das hat sie doch gesagt!)


    Darauf sollte man einmal hinweisen. Sie vergessen, zu
    erwähnen, daß wir ein Projekt zur Bekämpfung der Ju-
    gendarbeitslosigkeit beschlossen haben und daß wir in
    dieses Projekt 2 Milliarden DM hineinstecken. Sie ver-
    gessen, zu erwähnen, daß wir die Arbeitsbeschaffungs-
    maßnahmen, und zwar die Maßnahmen im Bereich der
    Qualifizierung und der Weiterbildung, insbesondere in
    Ostdeutschland, verstetigt haben und weiter verstetigen
    müssen, was auch richtig ist.

    Man kann ja zum Beispiel über die Einführung von
    Studiengebühren sprechen. Niemand in diesem Hause
    will sie einführen. Das sage ich jetzt einfach einmal so;
    denn das weiß ich auch von vielen Kollegen aus der
    CDU. Aber wenn man schon in dieser anprangerischen
    Art und Weise über Studiengebühren spricht, dann soll-
    ten Sie nicht vergessen, daß solch bewährte Sozialstaa-
    ten wie Dänemark oder Holland, wo es den Menschen
    wirklich nicht schlechtgeht, Studiengebühren haben, oh-
    ne daß das große soziale Miseren hervorruft.


    (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

    Das ist kein Plädoyer für die Einführung von Studienge-
    bühren. Aber Sie sollten doch wenigstens der Wahrheit
    die Ehre geben.

    Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen: Es ist
    richtig, daß insbesondere Ostdeutschland eine ehrlichere
    Bestandsaufnahme braucht, als das in den letzten Jahren
    von hier aus erfolgt ist. Das ist nämlich die Vorausset-
    zung dafür, daß man die Menschen dazu bringt, an dem
    Aufbau unseres Landes konstruktiv mitzuarbeiten. Die-
    ser wird sehr lange dauern.

    Aber in Veranstaltungen in Ostdeutschland, in denen
    über die jetzige Situation gejammert wird, erlebe ich es
    immer häufiger, daß Jugendliche fragen: „Wo leben wir
    eigentlich?“ und sagen: „Ich kann inzwischen studieren,
    wo ich will, und ich tue das auch. Ich reise durch Euro-
    pa, was ich vorher nicht konnte. Ich habe eine phantasti-
    sche Perspektive. Mir macht das Leben Spaß.“

    Das ist etwas, was wir für Ostdeutschland erkämpft
    haben, was Sie von der PDS ihnen nie hätten geben
    können. Darauf können wir stolz sein. Das sind die Zu-
    kunftsaussichten, die wir haben. Deren Realisierung
    wollen wir für alle erreichen. Ich sage Ihnen: Wir wer-
    den sie auch für alle erreichen.

    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der
Kollege Manfred Grund, CDU/CSU.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manfred Grund


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Falls wirklich einmal
    ein deutscher Steuerzahler auf die Idee käme, zu fragen,
    was aus seinen Steuern wird, die in den Beitrag einflie-
    ßen, den die Bundesrepublik an die UNO leistet – das
    sind pro Jahr 200 Millionen Dollar, also 300 Millionen
    DM –, dann sollte man ihm den Bericht der UNO-
    Kommission, über den wir heute debattieren, nicht zei-
    gen. Denn es könnte sein, daß er auf die Idee käme, sei-
    ne Steuerlast anteilig um den Betrag zu mindern, der
    bisher an die UNO gezahlt wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der PDS: Oh!)


    Denn in diesem Bericht – Kollege Hilsberg hat so-
    eben davon gesprochen, daß eine Art Staatenranking
    durchgeführt wird – wird ein Zerrbild von Deutschland
    gezeichnet, und zwar ein Bild des häßlichen Deutsch-
    lands in der Welt. Man sollte ihn der Steuerzahlerin
    bzw. dem Steuerzahler wirklich nicht zu lesen geben.


    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber auch übertrieben!)


    Man fragt sich, wie dieser Bericht zustande gekom-
    men ist. Man fragt sich, was unsere Delegation bei der
    UNO im Vorfeld der Abfasssung dieses Berichtes ei-
    gentlich getan hat. Man fragt sich: Wenn die Bundesre-
    publik Deutschland – ich komme noch auf Beispiele zu
    sprechen – in diesem Bericht derart schlecht abschnei-
    det, wie dann Länder wie Nordkorea oder Kuba ab-
    schneiden würden?

    Es geht um den internationalen Pakt für wirtschaftli-
    che, soziale und kulturelle Rechte. Grundlage für den
    hier debattierten Bericht ist der dritte periodische Be-
    richt, der übrigens nicht zweieinhalb Jahre alt ist, son-
    dern maximal ein halbes oder ein Dreivierteljahr, Herr
    Kollege Hilsberg. Grundlage des Berichtes vom
    11. Februar 1999 sind Antworten auf Fragen, die von
    der UNO gestellt worden sind und die die jetzige Bun-
    desregierung sehr ordentlich beantwortet hat.

    Im Vorfeld der Abfassung dieses Berichtes ist eine
    hochrangige Delegation der jetzigen Regierung bei der
    UNO gewesen und hat Rede und Antwort gestanden.
    Frau Kollegin Mascher, ich nehme an, daß Sie an dieser
    hochrangigen Delegation teilgenommen haben. Es ist
    mir ein Rätsel, wie auf der Grundlage der Gespräche, die
    Sie geführt haben, dieser Bericht zustande gekommen
    ist.

    Ich will einige Beispiele vortragen – über die Ar-
    beitslosigkeit wurde bereits gesprochen –: Der Ausschuß
    bemerkt mit Bestürzung, daß nur 12 Prozent der Ange-
    stellten des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet von
    Wissenschaft und Technik der ehemaligen DDR ein-
    schließlich Lehrern, Wissenschaftlern und anderen
    Fachleuten weiterbeschäftigt worden seien und daß die
    übrigen ohne Arbeit oder angemessene Entschädigung

    Stephan Hilsberg






    (A) (C)



    (B) (D)


    oder eine zufriedenstellende Rentenregelung auskom-
    men müssen.


    (Dr. Christa Luft [PDS]: Das ist der größte Skandal!)


    In dem Bericht äußert man sich besorgt über den
    Status der Asylbewerber und über die mißliche Lage der
    Roma und Sinti in Deutschland. Es wird bemerkt, daß
    Beamte kein Streikrecht haben; man ist besonders be-
    sorgt über die Gewalt gegen Frauen in Deutschland, ist
    bestürzt über den fortgesetzten Mißbrauch und die sexu-
    elle Ausbeutung von Kindern in Deutschland. Auf die
    Besorgnis über Studiengebühren ist hingewiesen wor-
    den. Der Bericht macht ebenso auf die alarmierende An-
    zahl von HIV- und Aidsopfern, auf die Notlage von Ob-
    dachlosen in Deutschland und auf die besonders schwie-
    rige Situation von Hausbesetzungen in Deutschland
    aufmerksam. So geht es dann noch weiter.

    Der Bericht kommt zu einigen Stellungnahmen. Ich
    will nur einmal einige Dinge herausgreifen, die auch die
    Kollegin von der PDS angesprochen hat. Ich möchte
    einmal mit dem Staatsdienst beginnen: Ich habe vorgele-
    sen, daß in dem Bericht davon ausgegangen wird, daß
    12 Prozent der ehemaligen Staatsbediensteten ein-
    schließlich Lehrern im Staatsdienst verblieben sind. Die
    anderen sind also ohne adäquate Rechte.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: In Wissenschaft und Technik!)


    – Das steht in dem Bericht: einschließlich Lehrern. Die-
    ser Eindruck wird ja auch permanent vermittelt.

    Ich habe mir einmal die Zahlen des Thüringer Kul-
    tusministeriums besorgt. Dort hat es, wie in allen Kul-
    tusministerien der neuen Länder, eine Überprüfung auf
    persönliche Eignung gegeben. Von 40 500 Bediensteten,
    die sich 1990/91 auf persönliche Eignung haben über-
    prüfen lassen, sind ganze 1 400 wegen mangelnder per-
    sönlicher Eignung gekündigt worden, davon 1 300 Leh-
    rer, deren Mitarbeit in der Staatssicherheit nachgewiesen
    worden ist. Diese 1 300 Lehrer sind aber nicht aus dem
    Schuldienst gegangen: 350 waren zum Zeitpunkt der
    Überprüfung wegen Vorruhestand – Altersübergangsre-
    gelung – schon ausgeschieden, 310 wurden weiterbe-
    schäftigt, 250 schieden durch Auflösungsverträge aus.
    270 Kündigungen mußten ausgesprochen werden, die
    dann im Wege der Abfindung im wesentlichen auch
    durchgeführt worden sind. Ganze 120 Lehrer sind dann
    tatsächlich im Wege des Vergleiches ausgeschieden.
    Das heißt: 120 von 40 000 Lehrern – dazu kann man
    sich einmal die Prozentzahl ausrechnen. Wir alle wissen
    ganz genau, wie groß die Anzahl derer ist, die weiterbe-
    schäftigt werden.

    Herr Präsident, ich sehe, daß meine Redezeit abgelau-
    fen ist. Ich komme noch einmal wieder; ich habe mich
    für eine weitere Rede eingetragen. Ich habe noch einiges
    zu sagen. Also bis dahin.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)