Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Herrn Bun-
desaußenminister in Erinnerung rufen, daß er an sich be-
ste Voraussetzungen dafür hatte, etwas umzusetzen, was
im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Um einige
Stichworte zu nennen: Völkerrecht, Menschenrechte,
Dialogbereitschaft, Gewaltverzicht, Vertrauensbildung
und die kategorische Feststellung, daß deutsche Außen-
politik Friedenspolitik ist. Ich glaube, daß es viele Mög-
lichkeiten gab, dies unter Beweis zu stellen. Die Aus-
gangsbedingungen waren außerordentlich günstig: ein
überzeugender Wahlsieg, ein Umfeld in Europa mit
einer Mehrheit von sozialdemokratisch und sozialistisch
regierten Ländern und die EU-Ratspräsidentschaft. All
dies hat Chancen geboten.
Das, was die Regierung daraus gemacht hat, ist mei-
nes Erachtens nicht überzeugend. Ich sage das ohne
Häme. Eigentlich tut es mir sogar leid, weil ich kein In-
teresse daran habe, daß diese rotgrüne Bundesregierung
scheitert. Die Alternativen dazu – davon konnte man
sich heute an Hand der Debatte in diesem Hause auch
sinnlich überzeugen – sind gräulich.
Es ist aber auch keine Lösung, über die Probleme
hinwegzureden. Das ist eher peinlich; denn so löst man
keine Probleme. Insofern fand ich die engagierte Rede
des Kollegen Schlauch zu der Tätigkeit des Außenmi-
nisters doch etwas lobhudelnd. Ich weiß nicht, ob es
dem Kollegen Fischer nicht auch ein bißchen peinlich
gewesen ist.
Ich möchte versuchen, meine Position an einigen Bei-
spielen deutlich zu machen, wo die Regierung meiner
Meinung nach erhebliche Defizite zugelassen hat.
Beispiel Nummer eins ist das Völkerrecht. Ich finde,
die Regierung hat, anstatt für die Verrechtlichung der
internationalen Beziehungen einzutreten, mit dazu bei-
getragen, daß das Völkerrecht ausgehöhlt wird. Um nur
einige Punkte zu nennen: Ohne ein Mandat des Sicher-
heitsrates der UNO wurden noch vom alten Bundestag
in fragwürdiger Weise die Militärschläge gegen die
Bundesrepublik Jugoslawien beschlossen. Was damals
noch Ausnahme und Erblast der alten Regierung war,
scheint leider der Normalfall zu werden. Als die USA
und Großbritannien den Irak bombardierten mit dem be-
kannten Ergebnis, daß nun überhaupt keine UNO-
Inspektionen mehr stattfinden, hat die Regierung eilig
und deutlich Beifall geklatscht. In Mazedonien haben
wir ohne jegliche rechtliche Absicherung als Drohkulis-
se an einem militärischen Aufmarsch teilgenommen.
Statt an einem Völkerrecht, so ist mein Eindruck,
schreibt die Regierung mit an einem Interventionsrecht.
Beispiel Nummer zwei: die neue NATO. Die Selbst-
mandatierung der NATO, die von dieser Regierung mit-
getragen wird und in der neuen NATO-Strategie fixiert
werden soll, ist ein Zurück von der Dominanz des
Rechtes zum Recht des Stärkeren. Sie nutzt nicht nur die
gegenwärtige Schwäche Rußlands, sondern sie unter-
gräbt auch die bestehende Weltordnung. Aber genau
dies ist gefährlich und höchst destabilisierend, wenn
man keine neue, keine bessere hat. Der Außenminister
redet nach meinem Geschmack zuwenig der OSZE das
Wort.
Er spricht unter der Losung der Selbständigkeit Europas
als militärischer Arm der Europäischen Union zuviel
über die WEU.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin sehr
dafür, mehr eigenständige Akzente auf europäischer
Ebene in der Außen- und Sicherheitspolitik zu setzen.
Aber sie sollten friedlich, zivil und völkerrechtlich gesi-
chert sein.
Ich bin auch für die Entfaltung der transatlantischen
Beziehungen, aber nicht für eine offenkundig unkriti-
sche Unterordnung unter die Interessen der USA. Was
Frau Albright im Namen der USA zum Beispiel gegen-
über Jugoslawien durchzusetzen versucht, erinnert mich
sehr an die Breschnew-Doktrin von der begrenzten
Souveränität. Ich finde, das sollte eine deutsche Regie-
rung nicht mittragen.
Beispiel drei: Abrüstung. Von Abrüstung, Atomwaf-
fenabbau, ja selbst vom Vorschlag des Verzichtes auf
den Ersteinsatz von Nuklearwaffen ist immer weniger zu
hören. Ich sehe eine besondere Tragik darin, daß eine
rotgrüne Regierung bereit war, ja zu sagen zur deutschen
Beteiligung an Bombenabwürfen und Truppeneinsätzen
in Jugoslawien.
Obwohl es mir ausgesprochen peinlich ist, finde ich
die formale und die rechtliche Argumentation von Herrn
Lamers zu dem, was hier vorliegt und was dem Bun-
destag abgefordert wird, nämlich Rahmenbedingungen
für einen Vertrag mitzuschaffen, der überhaupt noch
nicht abgeschlossen ist, wobei es außerordentlich frag-
lich ist, ob er in dieser Form abgeschlossen wird – denn
sonst wäre er bereits abgeschlossen worden –, korrekt,
das Ansinnen der Bundesregierung hingegen eine Zu-
mutung. Zur inhaltlichen Seite habe ich natürlich eine
völlig andere Position als die, die Herr Lamers hier vor-
getragen hat.
Ich finde, das Ganze spiegelt sich – das ist Beispiel
vier – auch im Haushalt wider. Allein für Auslandsein-
sätze der Bundeswehr sieht die Planung bis jetzt einen
Beitrag von 1 Milliarde DM vor. Welche Einsätze im
Rahmen der NATO-Strategie noch erfolgen, ist offen.
Diesem Betrag von vorläufig 1 Milliarde DM stehen
Beträge von geplanten 68 Millionen DM für humanitäre
Leistungen, 10 Millionen DM für friedenserhaltende
Maßnahmen der UNO und 16 Millionen DM für das
weltweite Minenräumen gegenüber. Das sind noch nicht
einmal 100 Millionen DM für friedenspolitische Akti-
vitäten.