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ID1402101700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/21 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 I n h a l t : Gedenkworte für den verstorbenen König Hussein von Jordanien .................................. 1489 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Ab- geordneten Adelheid Tröscher, Ilse Schu- mann und Helmut Wieczorek (Duisburg)..... 1489 C Erweiterung der Tagesordnung........................ 1489 D Absetzung des Punktes 2c von der Tagesord- nung ................................................................. 1490 A Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1490 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1490 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 1490 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 1500 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 1505 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1510 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 1514 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 1519 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) ........................................................... 1526 C Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 1533 A Karl Lamers CDU/CSU................................... 1536 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 1538 C Ulrich Irmer F.D.P. ......................................... 1541 D Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 1543 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU ..................... 1544 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 1546 B Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1549 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 1551 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. .................... 1552 C Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 1554 A Peter Zumkley SPD ......................................... 1555 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU .................... 1555 D Dietrich Austermann CDU/CSU ................. 1556 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. ................ 1556 C Paul Breuer CDU/CSU.................................... 1557 C Alfred Hartenbach SPD ................................... 1561 A Hans Jochen Henke CDU/CSU ....................... 1562 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 1563 C Rainer Funke F.D.P. ........................................ 1565 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 1566 D Norbert Geis CDU/CSU ...................... 1567 D, 1570 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................. 1569 D, 1584 B, 1589 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P.............. 1570 B, 1589 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 1571 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1574 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU........................ 1576 A Sebastian Edathy SPD.................................. 1578 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1579 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ..................... 1580 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. ................................. 1581 C Ulla Jelpke PDS............................................... 1583 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/ CSU ................................................................. 1585 A Otto Schily, Bundesminister BMI........ 1586 A, 1589 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ............................................... 1590 C, 1601 A Michael von Schmude CDU/CSU ................... 1592 D Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 1593 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1594 D Joachim Günther (Plauen) F.D.P. ................... 1596 D Carsten Hübner PDS........................................ 1598 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 1599 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 1601 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der militäri- schen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den KOSOVO sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) (Drucksache 14/397) .................................. 1559 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnis- se und für Sachen (Drucksache 14/343)... 1559 C c) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bun- desrepublik Deutschland (Drucksache 14/401) ....................................................... 1559 C d) Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leip- zig), Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie (Drucksache 14/395) .................................. 1559 D Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Zu- ständigkeiten nach dem Sorgerechts- übereinkommens-Ausführungsgesetz (Drucksachen 14/33, 14/338) ..................... 1559 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 3/98 (Drucksache 14/321).......................... 1560 A c) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 15, 16 und 17 zu Petitionen (Drucksachen 14/322, 14/323, 14/324) ...... 1560 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (Zwei- tes Euro-Einführungsgesetz) (Druck- sachen 14/229, 14/406) .............................. 1560 C Nächste Sitzung ............................................... 1603 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 1605 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1489 (A) (C) (B) (D) 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Adelheid Tröscher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1605 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bartsch, Dietmar PDS 24.2.99 Behrendt, Wolfgang SPD 24.2.99 * Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24.2.99 Diemers, Renate CDU/CSU 24.2.99 Ehlert, Heidemarie PDS 24.2.99 Erler, Gernot SPD 24.2.99 Frick, Gisela F.D.P 24.2.99 Fuchs (Köln), Anke SPD 24.2.99 Großmann, Achim SPD 24.2.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 24.2.99 Hartnagel, Anke SPD 24.2.99 Hasenfratz, Klaus SPD 24.2.99 Hempelmann, Rolf SPD 24.2.99 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24.2.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Luther, Michael CDU/CSU 24.2.99 Mascher, Ulrike SPD 24.2.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 24.2.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 24.2.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.2.99 Rupprecht, Marlene SPD 24.2.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 24.2.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 24.2.99 Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie SPD 24.2.99 Verheugen, Günter SPD 24.2.99 Willner, Gert CDU/CSU 24.2.99 Wohlleben, Verena SPD 24.2.99 Dr. Wolf, Winfried PDS 24.2.99 ––––––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, ich
    möchte im Zusammenhang vortragen.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich komme zum nächsten Punkt, meine Damen und

    Herren. Er betrifft die Renten.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)


    – Ich verstehe gar nicht, warum Sie so herumschreien.
    Es ist doch ganz klar: Glauben Sie wirklich, daß aus Ih-
    ren Reihen eine intelligente Zwischenfrage kommen
    könnte?


    (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


    Ich komme zu den Renten. Das hat auch viel mit der
    Freiheit des einzelnen und mit der Frage zu tun, ob es in
    der Gesellschaft ein zureichendes Maß an Solidarität
    gibt oder nicht.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    – Ich verstehe ja, daß Sie ungern über die Rentenfrage
    reden und daß Sie laut lärmen, wenn ich über ältere
    Menschen und deren Schicksal rede. Aber das liegt mir
    am Herzen; Ihnen geht es wohl offenkundig nur darum,
    zu stören. Das sollten Sie sich einmal überlegen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Lassen Sie uns über die Renten und vor allen Dingen
    über die Rentnerinnen und Rentner reden; denn um die-
    se geht es uns, um ihre Freiheit und um ihre Sicherheit.
    Das alles hat sehr viel damit zu tun, wie man mit ihnen
    umgeht. Was haben Sie gemacht? – Sie haben ein pau-
    schales Kürzungsprogramm durchgezogen, das dazu ge-
    führt hätte, daß zumal die Frauen, die von ihren Män-
    nern abgeleitete Erwerbsbiographien haben, sich unter-

    halb der Sozialhilfegrenze wiederfinden, daß sie in den
    Sozialhilfebezug getrieben werden.


    (Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Jawohl!)

    Ich sage Ihnen: Das wird der Lebensleistung dieser
    Menschen, dieser Frauen zumal, in keiner Weise ge-
    recht.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das ist der Grund dafür, daß wir gesagt haben: Refor-
    men mit solchen Wirkungen sind das Gegenteil von Re-
    formen.


    (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: 630 Mark!)

    Wir halten das an und entwickeln ein Rentenreform-

    programm, das nicht eine derartige Form unsozialen
    Eingehens auf das demographische Problem in sich
    trägt.


    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Schauen wir mal!)

    Wir werden dieses Programm ja noch zu beraten haben.
    Aber es war nötig, das zurückzunehmen, was die Men-
    schen bedrückt, was sie in und unter die Sozialhilfe
    treibt. Das haben wir gemacht – nicht weil wir prinzi-
    piell Ihre Politik der letzten 16, 17 Jahre korrigieren
    wollen, sondern weil sie Menschen mit diesen Lebens-
    leistungen bedrückt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Kostenprobleme im Gesundheitssystem und die
    Patientenbelastungen haben doch Sie in den letzten Jah-
    ren verursacht, zumeist jedenfalls. Wer hat denn die
    Politik gemacht? Daß wir das jetzt korrigieren, hat damit
    zu tun, daß Sie das verkehrt gemacht haben.

    Wenn Frau Fischer nun sagt, im Mittelpunkt meiner
    Reformbemühungen stehen nicht irgendwelche Interes-
    sengruppen, sondern stehen – zum erstenmal seit langer
    Zeit – wieder die Patienten, dann ist das genau der rich-
    tige Ansatz, den man nicht dick genug unterstreichen
    kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


    Für ein gewiß kompliziertes System der Gesundheits-
    vorsorge brauchen wir, so Frau Bundesministerin Fi-
    scher, zumal für die älteren Frauen und Männer, so et-
    was wie einen Lotsen, der ihnen bei der Abnahme der
    unterschiedlichsten Leistungen hilft, die für sie richtigen
    auszusuchen. Wenn sie jetzt den guten alten, ich sollte
    besser sagen: den guten jungen Hausarzt als einen sol-
    chen Lotsen stärken will, dann sollten Sie das nicht kri-
    tisieren, sondern unterstützen, weil es ein richtiger An-
    satz ist, der den Patienten hilft.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Darüber hinaus sagt sie, bei 50 000 Medikamenten –
    sind es so viele?; Sie nickt; das muß man sich einmal
    klarmachen – macht es doch Sinn, aus einer Liste, an der

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    man sich orientieren kann, die auszuwählen, die wirk-
    sam sind, die wirklich helfen können und die als ver-
    nünftig zu bezeichnen sind.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Bei Ihnen müßte man etwas verordnen!)


    Jeder draußen, der uns zuhört – wenn er es denn noch
    hören kann, was man angesichts Ihrer Zwischenrufe,
    Herr Glos, bezweifeln mag –, wird doch sagen: Diese
    Art von Hilfe in einem komplizierter gewordenen Sy-
    stem dient dem Patienten, und deswegen ist das unter-
    stützenswert. Das werden die Menschen draußen sagen,
    und das ist gut so. Deswegen wird die Reform ja ge-
    macht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Viel ist über Energiepolitik geredet worden, ein
    schwieriges Feld. Das weiß niemand besser als ich.


    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)

    – Es wird niemand bestreiten, daß ich an einem Punkt
    schon sehr lange arbeite: eine Energiepolitik zu machen,
    die uns Schritt für Schritt wegbringt vom unsinnigen
    Einsatz der Atomenergie in der Grundlast der Versor-
    gung.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer sich mit dem Begriff der Versorgungssicherheit
    nicht ideologisch – auch das gibt es, auf vielen Seiten;
    das gebe ich gerne zu – auseinandersetzt, der wird mir
    im Grundsatz zustimmen. Dabei rede ich gar nicht über
    Deutschland, nicht einmal, was die Sicherheit angeht,
    über Frankreich, sondern über das, was wir in Tscherno-
    byl erleben. – Ich meine nicht nur, was wir erlebt haben,
    sondern auch was wir erleben. – Es wird deutlich, daß
    die internationale Staatengemeinschaft bislang nicht –
    und wenn es gelingen wird, nur unter großen Mühen,
    auch unter großen finanziellen Mühen – in der Lage ist,
    Tschernobyl abgeschaltet zu bekommen. Der Sarko-
    phag, der die gefährlichen Rückstände des Unfalls sicher
    einschließen soll, ist nicht finanziert. Das haben wir bei
    Übernahme der Akten feststellen können. Ich will das
    gar nicht einseitig zuweisen. Das hat auch etwas mit
    einer anderen energiepolitischen Vorstellung in anderen
    Ländern zu tun, keine Frage.

    Aber eins ist doch klar: Zumindest die Kraftwerks-
    typen, die dort am Netz sind und deren Nachrüstung wir
    nicht haben finanzieren können – wir können das nicht
    gegen die Interessen der betroffenen Länder durchsetzen –,
    sind doch eine Gefahr, die auch Sie auf der anderen
    Seite dieses Hauses beschäftigen müßte.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    – Ich komme gleich zu dem, was ich Ihnen klarmachen
    will. – Deswegen macht es doch Sinn, an einer Verände-
    rung der Energieversorgung auch und gerade in
    Deutschland zu arbeiten; denn über eines müssen Sie
    sich im klaren sein – das lehrt die Erfahrung von
    Tschernobyl –: Wenn – gleichgültig, wo in der Welt,
    gleichgültig, aus welchen Ursachen – auf diesem Feld

    etwas passiert, dann ist es aus mit der Versorgungssi-
    cherheit, und zwar auch in Deutschland, auch wenn un-
    sere Kernkraftwerke sicherer sind; denn die Menschen
    werden dann Panik bekommen. Deswegen ist eine Poli-
    tik, die langfristig darauf setzt, Kernenergie zu überwin-
    den, eine Politik, die gleichermaßen den Sicherheitsin-
    teressen und der ökonomisch gerechtfertigten Versor-
    gungssicherheit in Deutschland dient. Zumindest diesen
    Zusammenhang müssen Sie begreifen können, wenn Sie
    schon den anderen nicht begreifen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Eine Energiepolitik, die diese Form der Strompro-
    duktion ersetzen will – was aus den unterschiedlichsten
    Gründen, auch aus ökonomischen, vernünftig ist –, auch
    nur in Ansätzen möglich zu machen, haben Sie die letz-
    ten 17 Jahre systematisch verhindert. Das ist der Punkt!
    Und weil das so ist, bitte ich alle, auch diejenigen in der
    eigenen Partei oder beim Koalitionspartner, die Ergeb-
    nisse auf diesem Sektor früher haben wollen, als ich sie
    für möglich halte, eines zu verstehen: Versorgungssi-
    cherheit hat etwas zu tun mit Sicherheit industrieller
    Produktion. Deswegen müssen wir die Versäumnisse
    aus 17 Jahren nicht stattgefundener Energiepolitik – ein
    Versäumnis ist, daß keine Alternativen entwickelt wor-
    den sind, jedenfalls in der Grundlast – Schritt für Schritt
    aufarbeiten. Da liegt der innere Zusammenhang, den ich
    zu verstehen bitte: daß wir mehr Zeit brauchen, als der
    eine oder andere sich vorstellt. Es ist nicht Unwilligkeit
    auf seiten der Regierung oder auf meiner Seite. Es ist
    Einsicht in die Notwendigkeit, sich dafür Zeit zu lassen.
    Bekanntlich hat Einsicht in die Notwendigkeit auch
    etwas mit Freiheit zu tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS])


    – Von wem stammt das, Herr Fraktionsvorsitzender?

    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Von Friedrich Engels! Aber es ist richtig!)

    – Ich kenne es von Hegel, aber wir werden das nachprü-
    fen lassen. Ich kann aber auch Engels zitieren, damit
    habe ich kein Problem.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Alter Juso!)

    – Da ruft einer „Alter Juso“. Sie müssen sich schon
    überlegen, was Sie mir vorwerfen wollen: Kontinuität
    oder Wechselhaftigkeit. Für eines sollten Sie sich ent-
    scheiden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bevor ich etwas zu Europa und zu den außenpoliti-
    schen Fragen sage, will ich noch etwas zum „Bündnis
    für Arbeit“ sagen. Wir haben vor, gesellschaftlichen
    Konsens für Reformmaßnahmen, die durchgreifender
    Natur sind, herzustellen. Das folgt auch der Erkenntnis,
    daß ein Wahlsieg immer nur eine Momentaufnahme in
    der Gesellschaft ist und daß es insbesondere Aufgabe
    der Sieger ist, dafür zu sorgen, daß die Mehrheiten, die
    sie am Wahltag bekommen haben, als gesellschaftliche

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (A) (C)



    (B) (D)


    Mehrheiten dauerhaft zur Verfügung stehen. Das ist die
    Aufgabe, die sich uns stellt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das „Bündnis für Arbeit“ dient dazu, einen solchen
    Konsens in wichtigen sozialen, ökonomischen und steu-
    erpolitischen Fragen herstellen zu helfen. Es dient dazu,
    den Arbeitgebern wie den Gewerkschaften das Angebot
    zu machen: Laßt uns in dem Bündnis doch über die
    zweite Stufe einer Steuerreform reden! Die Unterneh-
    mensteuerreform muß kommen; das wissen wir doch.
    Laßt uns reden! Das ist ein Angebot, über die Frage zu
    sprechen, wie sie ausgestaltet sein soll. Laßt uns – weil
    das gleichermaßen gemacht werden muß – darüber re-
    den, wie man im Zusammenhang mit der Unternehmen-
    steuerreform den Familienlastenausgleich, den zu regeln
    uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat, an-
    geht!

    Das sind Probleme, zu deren Debatte und zu deren
    Lösung ich insbesondere das „Bündnis für Arbeit“ ein-
    lade. Das ersetzt nicht die Entscheidungsnotwendigkei-
    ten im Parlament – das weiß ich sehr wohl. Es geht aber
    darum, daß diejenigen im Bündnis, die bislang Kritik an
    Vorschlägen üben, an denen sie nicht beteiligt waren,
    die Chance ergreifen, diesmal teilzunehmen. Im übrigen
    geschieht das schon in den Arbeitsgruppen beim Bun-
    desfinanzminister. Das wird vernünftige Ergebnisse ha-
    ben – zu einer Zeit, in der diese Ergebnisse gebraucht
    werden. Hierin liegt der Grund, warum ich den Betei-
    ligten am „Bündnis für Arbeit“ – angesichts vieler Er-
    klärungen, insbesondere auf Arbeitgeberseite – eines
    gerne öffentlich sagen möchte: Das „Bündnis für Ar-
    beit“ wäre falsch interpretiert, wenn man es als eine In-
    stitution betrachtete, der man entweder beitritt oder sie
    wieder verläßt – je nachdem, wie man in der Tages- oder
    Tarifpolitik abgeschnitten hat. Das ist nicht Sinn der Sa-
    che; das muß ich sehr deutlich sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wer ankündigt, nicht zu kommen – und das dann
    vielleicht auch nicht macht –, der darf sich anschließend
    nicht beschweren, wenn sich seine Interessen nicht so
    wiederfinden, wie er es gerne hätte.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Jetzt wird gedroht!)


    – Das ist keine Drohung, das ist eine Feststellung. Dro-
    hen tun andere. Ich denke gar nicht daran, irgend etwas
    zu machen


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    in dieser Richtung.

    Es ist doch klar: Wer gebotene Teilhabemöglichkei-
    ten nicht nutzt, darf sich nicht beschweren, wenn ent-
    schieden wird, ohne daß seine Teilhabemöglichkeiten
    eingerechnet werden. Das ist doch der Punkt, um den es
    geht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])


    Über eins bin ich mir im klaren: Dort wird über viele
    soziale Themen geredet werden. Es ist auch schon gere-
    det und teilweise sogar entschieden worden. Denken Sie
    an die Arbeitnehmerabfindungen! Dort wird auch über
    Arbeitszeit geredet werden. Aber über eins – das klang
    bei Ihnen, Herr Schäuble, ein bißchen an – wird sicher-
    lich nicht geredet werden: über Einschränkungen beim
    Streikrecht. Auch das hat etwas mit einer freien Gesell-
    schaft zu tun, daß die Sozialpartner prinzipiell über
    Kampfmaßnahmen – die ich nicht wollte und an deren
    Verhinderung ich mich beteiligt habe – verfügen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wer das Streikrecht – mit welchen Gründen auch immer
    – einschränken will – ich müßte sagen: weiter ein-
    schränken will –, der legt die Axt an eine Institution, die
    Deutschland stark und erfolgreich gemacht hat, nämlich
    die Tarifautonomie.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Über das, was wir mit der Veränderung des Staats-
    bürgerschaftsrechts verbinden, ist viel geredet worden.
    Ich will nur soviel hinzufügen: Ich finde es richtig, daß
    Deutschland ein Staatsbürgerschaftsrecht bekommt, das
    vom alten Abstammungsprinzip weggeht.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Schwachsinn!)

    Ich finde es richtig, daß Menschen, die in Deutschland
    geboren sind – in welcher Generation auch immer –, und
    die Kinder dieser Menschen eine Chance erhalten, Deut-
    sche zu werden. Das finde ich richtig!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ich weiß sehr wohl, daß wir veränderte Mehrheiten
    im Bundesrat zur Kenntnis nehmen müssen und daß wir
    deswegen – dafür wird der Innenminister sorgen – einen
    Gesetzentwurf vorzulegen haben, der das Ziel der Inte-
    gration, das wir nicht aufgeben werden, und zwar weder
    bei den Kindern noch bei den Erwachsenen,


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Nichts verstanden!)


    mit dem verbindet, was Landesregierungen im Bundes-
    rat zu beschließen bereit sind.


    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Was heißt das?)

    Ich weiß sehr wohl, daß wir das beachten müssen. –
    Was das heißt, bekommen Sie mitgeteilt, wenn Herr
    Schily seinen Gesetzentwurf vorgelegt hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Gnädigerweise!)


    Ich habe jedenfalls nicht vor, diese Debatte mit Leuten
    zu führen, die hier im Deutschen Bundestag über Tole-
    ranz reden und auf den Straßen Deutschlands jeden An-
    satz von Toleranz kaputtmachen.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der PDS – Zurufe von der SPD: Bravo! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Dummes Zeug!)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Wir haben dann Erstaunliches über Europa gehört,
    zum Beispiel ungeheuer Substantielles von Herrn
    Schäuble und noch mehr Substanz von Herrn Gerhardt.
    Das war nun wirklich ein Meisterstück.

    Schauen Sie, was gegenwärtig passiert. Der bayeri-
    sche Ministerpräsident sagt: Herr Bundeskanzler, Sie
    müssen bei den Verhandlungen zur Agenda 2000
    14 Milliarden DM für Deutschland zurückbringen. – Im
    Monat, Herr Stoiber, oder im Jahr?


    (Lachen bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämt!)


    Herr Pflüger – ich glaube, er ist Mitglied Ihrer Frak-
    tion – sagt: besser gar nichts. Herr Lamers – Respekt,
    muß ich sagen – sagte im „Stern“, 1 Milliarde DM wäre
    auch schon eine Leistung. – Irgendwann müssen Sie sich
    einmal entscheiden; denn zwischen 14 Milliarden und 0
    gibt es doch eine Differenz. Das hat etwas mit Substanz
    zu tun, Herr Schäuble. Ich sage das, um das deutlich
    werden zu lassen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Irgendwann müssen Sie entscheiden, was Sie wollen.

    Wollen Sie eine Politik, für die Herr Dr. Kohl stand und
    steht, wirklich auf diese unmögliche Weise verschleu-
    dern, oder wollen Sie das nicht? Das ist die Frage, die
    Sie beantworten müssen und die Sie beantworten kön-
    nen;


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    denn soviel ist klar: Die Nettozahlerposition Deutsch-
    lands – 22 Milliarden DM netto mehr –, Herr Stoiber,
    habe doch nicht ich zu verantworten, sondern Ihre Leu-
    te. Sie haben das im Bundesrat immer feste mitbeschlos-
    sen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von der CDU/CSU: Sie auch!)


    – Ja, klar.
    Jetzt stellen Sie nach dem Motto „Haltet den Dieb!“

    solche Forderungen. Ich bestreite doch gar nicht, daß
    das überall beschlossen worden ist. Das habe ich doch
    auch gesagt. Ich möchte jetzt aber keine Debatte über
    die Verantwortlichkeiten der letzten 16 Jahre führen. Es
    wird jetzt eine demagogische Debatte – eine solche De-
    batte möchte ich nicht – darüber geführt, wie man das,
    was in 16 Jahren aufgehäuft worden ist, in einem halben
    Jahr deutscher Präsidentschaft abschaffen könnte. Das
    ist doch Ihre Forderung, mit der Sie sich auseinanderset-
    zen müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Weil diese Europapolitik – für die es sogar gute
    Gründe gegeben hat – über diesen Zeitraum hinweg im
    Deutschen Bundestag und im Bundesrat fast einhellig
    beschlossen worden ist, läßt sie sich nicht in einem hal-
    ben Jahr ändern. Wenn überhaupt, dann nur unter Ein-
    schluß der Tatsache, daß wir einen einstimmigen Be-

    schluß fassen. Dazu brauchen wir mehr Zeit. Das ist der
    Zusammenhang, den man sehen muß.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es geht doch nicht nach der bayerischen Hauruck-
    Methode. Das ist doch eine Erfahrung, die man zumin-
    dest gemacht haben könnte. Wenn nur über einen länge-
    ren Zeitraum hinweg veränderbar ist, was verändert
    werden muß, dann ist doch das, was ich dazu formuliert
    habe, nur unterstützenswert.

    Ich nehme zur Kenntnis: Vor dem Hintergrund Ihrer
    eigenen Politik – ich nehme Herrn Stoiber aus – sind Sie
    jedenfalls nicht der Auffassung, daß es möglich ist, die
    deutsche Nettozahlerposition, die in 17 Jahren entstan-
    den ist, über Nacht auf Null zu bringen. Es ist im übri-
    gen weder möglich noch vernünftig.


    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Wenn wir uns da einig sind und Sie Herrn Stoiber sa-

    gen, daß seine 14-Milliarden-Forderung genauso Unsinn
    ist, dann haben wir doch schon mal eine Basis für eine
    vernünftige Europapolitik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber bevor Sie ihm das nicht gesagt haben, stellen Sie
    sich nicht hier hin und reden über einen Mangel an Sub-
    stanz bei anderen! Das ist Ihr Mangel an Substanz, der
    da deutlich wird, und kein anderer, Herr Schäuble.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


    Was werden wir bei der Agenda machen, und was
    müssen wir wirklich machen? – Bei der Agenda müssen
    wir zunächst einmal dafür sorgen – auch das geht nur
    einstimmig –, daß die Ausgaben nur noch real wachsen
    dürfen. Reale Ausgabenkonstanz ist das, woran wir
    Deutschen – und nicht nur wir Deutschen – ein Interesse
    haben.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Bauernopfer!)

    – „Bauernopfer“, das höre ich gerne. Das kommt von
    denjenigen, die weniger Mittel nach Europa geben wol-
    len aber gleichzeitig die EU möglichst morgen erweitern
    und gleichzeitig den deutschen Nettobeitrag senken
    wollen. Das ist vielleicht eine Politik; das müssen Sie
    sich wirklich dreimal überlegen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir müssen eine reale Ausgabenkonstanz durchset-
    zen, und das ist schon schwer genug; denn die Länder –
    ich will sie jetzt gar nicht alle nennen –, die zum Bei-
    spiel von den Kohäsionsfonds, von den Strukturfonds
    am meisten profitieren, sind die Länder, die im Zuge der
    Vertretung ihrer nationalen Interessen sagen: Zu Hause
    üben wir Stabilität, aber in Europa ist das nicht ganz so
    wichtig. – Das ist nicht die deutsche Position. Ich wäre
    schon dankbar dafür, wenn das gesamte Haus deutlich
    machen könnte, daß die deutsche Forderung nach realer
    Ausgabenkonstanz im Finanzierungszeitraum von 2000

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (A) (C)



    (B) (D)


    bis 2006 eine gemeinsame Position ist und daß die
    zweite gemeinsame Position ist, die Nettozahlerposition
    nicht über Nacht zu beseitigen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie denn im Wahlkampf erzählt?)


    Das gelingt nicht. Gelingen aber kann, meine Damen
    und Herren, in den jetzt anstehenden Verhandlungen
    durchzusetzen, daß die Kurve der deutschen Nettozah-
    lungen nicht weiter nach oben geht, sondern im Finan-
    zierungszeitraum sinkt. Das ist unser Ziel. Ich bin ganz
    sicher, daß das überall in Europa verstanden wird.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sie hätten es richtig involvieren müssen!)


    Zu Ihnen, Herr Gerhardt – bevor Sie wieder laut wer-
    den –, nur noch soviel: Sie reden ziemlich unverant-
    wortlich davon, daß wir etwas gegen die Osterweiterung
    hätten.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sie sind nicht ambitioniert genug dabei!)


    Es ist falsch, was Sie da sagen. Gerade derjenige, der
    in der eben beschriebenen Weise dafür streitet, daß die
    Finanzierung Europas in der Zeit von 2000 bis 2006 ge-
    sichert bleibt, daß sie rational ist, tut mehr für die
    Osterweiterung als Sie durch Ihre flotten Sprüche.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sie haben das Thema falsch involviert!)


    Denn über eines müssen Sie sich im klaren sein: Die
    Osterweiterung hat sehr viel mit Finanzierbarkeit zu tun.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Genau!)

    Das muß man einmal Herrn Stoiber sagen. Ich höre

    immer wieder die Forderung, die Agenda müsse jetzt gar
    nicht beschlossen werden – das hat er erzählt –, denn das
    schade den deutschen Bauern. Aber auch da müssen Sie
    sich entscheiden: Wenn die Agenda jetzt nicht beschlos-
    sen wird, dann können Sie doch nicht nach Ungarn fah-
    ren und sich da für Ungarns Beitritt zur EU stark ma-
    chen. Das paßt doch nicht zusammen; das ist doch keine
    verantwortliche Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Agenda zustande zu bringen und einen fairen
    Ausgleich der Interessen deutlich werden zu lassen ist
    die Basis dafür, daß die Osterweiterung zügig durchver-
    handelt werden kann, und nicht das Gegenteil. Wer über
    die Agenda schimpft, wer erzählt, mit Rücksicht auf na-
    tionale Einzelinteressen dürfe die Agenda nicht be-
    schlossen werden, der sollte zumindest so ehrlich sein zu
    sagen, daß er der eigentliche Gegner der Osterweiterung
    ist, und den Leuten nichts anderes versprechen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben vor, die Agenda im März abzuschließen,
    was schwer genug ist. Das hat viel damit zu tun, daß wir
    Europa – auch für die Deutschen – bezahlbar halten,

    Europa für neue Mitglieder aufnahmefähig machen und
    Europa solidaritätsfähig halten wollen. Das sind die
    Kernpunkte unserer Politik.

    Nun noch ein Wort zu der Interessenvertretung, die
    mir von Herrn Gerhardt vorgeworfen worden ist. Bei
    dem Vorhaben, die Agenda zustande zu bringen, stellt
    man fest, daß in Portugal und Spanien gesagt wird, bei
    den Kohäsionsfonds dürfe sich nichts verändern. In
    Frankreich sagt man, eine Kofinanzierung in der Land-
    wirtschaft dürfe es auf keinen Fall geben.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Seit Sie da sind!)

    – Nicht erst, seit ich da bin. Das geht schon ein bißchen
    länger so; da können Sie ganz sicher sein. – Die Briten
    sagen, sie wollten den Beitrag, den sie erkämpft hätten –
    Sie kennen Frau Thatcher, Herr Dr. Kohl –, auf jeden
    Fall behalten. Alle anderen haben ähnliche nationale
    Interessen. Als ich Herrn Gerhardt hier gehört habe,
    hatte ich den Eindruck, er verstehe die Interessen aller
    anderen Staaten, nur die deutschen nicht. Aber das ist
    doch nicht unsere Aufgabe, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein, Herr Bundeskanzler!)


    – Natürlich, so haben Sie doch geredet: Sie verstehen
    nur die Interessen der Deutschen nicht.


    (Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


    – Nein, ich habe jetzt wenig Zeit, weil der ägyptische
    Präsident gleich unser Gast ist. – Herr Gerhardt, nur die
    deutschen Interessen haben Sie nicht erwähnt.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein, das ist überhaupt nicht wahr!)


    Dagegen halte ich es für richtig, den Partnern in
    Europa verständlich zu machen, daß auch die Deutschen
    ein Recht auf die Vertretung ihrer Interessen haben.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Dazu gehört aber ein bestimmter Ton!)


    Inhalt meiner Politik ist es, klarzumachen, daß die Deut-
    schen selbstbewußt ihre Interessen vertreten,


    (Zuruf von der CDU/CSU: So wie der Herr Trittin!)


    dabei aber immer wissen – vielleicht sogar mehr als an-
    dere; darüber will ich aber gar nicht rechten –, daß in
    einem einheitlichen Europa die eigenen Interessen nur
    im Respekt vor den Interessen der anderen durchgesetzt
    werden können. Nur darum geht es.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ich möchte abschließend etwas zu dem sagen, was
    uns heute und morgen beschäftigen wird, nämlich zu
    den Veränderungen in der Außenpolitik. Zu Anfang
    möchte ich denjenigen meinen Dank sagen, die in Ram-
    bouillet verhandelt und dafür gesorgt haben, daß die
    Kontaktgruppe unter Einschluß von Rußland – das ist

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    dick zu unterstreichen – eine gemeinsame Position zur
    Schaffung von Frieden in dieser gebeutelten Region her-
    stellen konnte.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich füge mit großem Respekt hinzu: Der deutsche Au-
    ßenminister hat einen großen Anteil daran.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Niemandem in der Regierung und auch niemandem
    hier im Haus – davon gehe ich aus – fällt es leicht, diese
    fundamentale Veränderung deutscher Außenpolitik ein-
    fach so zu beschließen; das wird auch von niemandem
    erwartet. Aber es haben sich nun einmal Veränderungen
    ergeben, auf die wir reagieren müssen. Wir müssen
    partnerschaftsfähig bleiben, und die Partner sehen die
    Veränderungen genauso wie wir. Wir müssen in der La-
    ge sein, über Prinzipien, die uns in den letzten Jahr-
    zehnten wichtig gewesen sind und über die wir alle mit-
    einander, von unterschiedlichen Positionen kommend, in
    den letzten Jahren gestritten haben, unter veränderten
    Bedingungen neu nachzudenken, zumal wir es nicht zu-
    lassen dürfen, daß sich das, was in Bosnien war, im Ko-
    sovo wiederholt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In Bosnien mußten erst Hunderttausende sterben, bevor
    die Staatengemeinschaft die Kraft fand einzugreifen. In-
    halt dessen, was wir heute und morgen – ich hoffe, in
    großer Gemeinsamkeit – beschließen können und wollen
    ist, genau das nicht wiederkehren zu lassen.

    Ich habe großen Respekt vor denjenigen, die fra-
    gen: Ist es angesichts der Geschichte des Zweiten Welt-
    krieges vernünftig, daß die Deutschen dabei sind? Die
    Frage, ob die Deutschen dabeisein sollen, kann man
    stellen, und es ist keine zynische Frage. Aber für mich
    gilt, daß man diesen Satz auch umkehren kann: Gerade
    wenn es historische Schuld in dieser Region gibt, kann
    man sie auch dadurch abtragen, daß man weiteres Mor-
    den verhindern hilft.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, wer die Bilanz zieht und
    wer sie fair zieht, der wird manches zu kritisieren fin-
    den, keine Frage. Aber wer hinter die vordergründige
    Kritik schaut und sich mit den Tatsachen auseinander-
    setzt, der wird sehen, daß bereits in den ersten drei, vier
    Monaten deutlich geworden ist,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie groß das Chaos ist!)


    daß wir dabei sind, Modernität mit sozialer Gerechtig-
    keit zu verbinden,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    daß wir dabei sind, unter völlig neuen und anderen Be-
    dingungen in der Außenpolitik Kontinuität und Partner-
    fähigkeit zu beweisen. Weil das so ist, verehrte Opposi-
    tion: Bellen Sie ruhig, die Karawane zieht weiter.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall bei der PDS – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Herr Ministerpräsident des Freistaates Bayern,
Edmund Stoiber.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine
    sehr verehrten Herren! Diese Regierung ist gut hundert
    Tage im Amt. Ich weiß, daß nach so kurzer Zeit natür-
    lich noch keine umwälzenden konkreten Erfolge zu er-
    warten sind. Doch ich glaube, eines ist in der breiten Öf-
    fentlichkeit sehr deutlich geworden: Der Kurs der Bun-
    desregierung ist unklar, und soweit überhaupt etwas klar
    ist, geht unseres Erachtens der Kurs in die falsche
    Richtung.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich schon einmal

    darüber im klaren sein: Wollen Sie eine gewisse Konti-
    nuität zur Regierung Kohl in verschiedenen Bereichen
    akzeptieren – das tun Sie verbal –, oder wollen Sie im
    Grunde genommen für alle Probleme, die heute vor allen
    Dingen aus der Internationalisierung und der Globalisie-
    rung entstehen, einfach die 16 Jahre Helmut Kohl ver-
    antwortlich erklären? Das geht nicht zusammen.

    Die Probleme, die Sie heute haben – soviel will ich
    nur zur Vergangenheit sagen –, hatten wir in dieser Wei-
    se 1982 natürlich nicht. Ich erinnere mich noch sehr gut
    an das Scheitern der Regierung Schmidt und die be-
    rühmte Rede von Helmut Schmidt in der SPD-Fraktion,
    wo er klarlegte: Die sozialen Sicherungssysteme sind
    zerrüttet; mit euch sind keine Einschränkungen möglich;
    mit mir sind keine weiteren Schuldenerhöhungen mög-
    lich. – Das war das Scheitern der Regierung Schmidt.
    Das hat die Regierung Kohl in der Phase von 1982 bis
    1989 repariert. Das waren gute Jahre für die Bundesre-
    publik Deutschland. Das muß man deutlich sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Danach kamen die spezifischen Probleme der Wie-

    dervereinigung. Ich will darüber nicht mehr sagen, als
    daß sie natürlich die Voraussetzungen für die gesamte
    Politik verändert haben. Wir hätten sicherlich heute an-
    dere Staatsfinanzen, wenn wir die Wiedervereinigung
    nicht gehabt hätten. Ich bin allerdings froh und glücklich
    über diese Wiedervereinigung. Sie verdanken wir nicht
    Ihnen, sondern uns.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wenn Sie sich nunmehr hier hinstellen und sagen:
    „Jetzt reden wir über die Zukunft. Wir haben in den er-
    sten hundert Tagen die soziale Balance wieder herge-
    stellt“, dann muß ich Sie, sehr geehrter Herr Bundes-
    kanzler, fragen, was Sie unter sozialer Balance verste-
    hen. Ich verstehe unter sozialer Balance eine Politik
    – wenn ich Ihre Worte im Wahlkampf und davor als
    Grundlage heranziehe, dann muß ich feststellen, daß wir
    hier gleicher Meinung sind –, die Arbeit schafft. Wie die
    Arbeitslosigkeit bewältigt werden kann, ist neben vielen
    Fragen, die sich uns stellen, die entscheidende gesell-
    schaftspolitische Frage, die wir zu lösen haben.

    Ich muß feststellen, daß der prognostizierte Rückgang
    des Wachstums in den Jahren 1999 und 2000 nicht allei-
    ne auf die Entwicklungen in Asien und in Südamerika
    sowie auf die zu erwartenden Exportprobleme zurückzu-
    führen ist. Die Bundesbank sagt ganz eindeutig, daß
    natürlich auch die hausgemachten Probleme – das nicht
    gelöste Problem der Steuerreform, Attentismus und die
    Tatsache, daß jeden Tag etwas Neues vorgeschlagen
    wird; darüber hat Kollege Schäuble ausführlich gespro-
    chen – dazu führen, daß zum Beispiel 60 Prozent der In-
    vestitionen im privaten Wohnungsbau gegenwärtig ge-
    stoppt worden sind. Auch die Industrie- und Handels-
    kammern in Deutschland gehen davon aus, daß zwi-
    schen 20 und 35 Prozent der für 1998 und 1999 geplan-
    ten Investitionen zunächst nicht stattfinden, weil Ihre
    Steuerreform im Grunde genommen mittelstandsfeind-
    lich ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Deswegen sage ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bun-
    deskanzler: Sie haben – das war für die meisten erstaun-
    lich – im Mai des letzten Jahres in der Sendung „Was
    nun?“ gesagt: Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist
    mein Aufschwung; allein meine Kandidatur bringt so
    viel Optimismus in dieses Land, daß jetzt investiert
    wird.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Diese Sätze muß man sich noch einmal deutlich vor
    Augen halten. Wenn ich jetzt den Anstieg der Arbeits-
    losenzahl sehe – auch wenn ich alle saisonalen Probleme
    herausrechne –, dann muß ich Ihnen sagen, daß der An-
    stieg der Arbeitslosigkeit und der Rückgang des Auf-
    schwungs angeblich Ihr Abschwung sind, Herr Bundes-
    kanzler, genauso wie es 1998 Ihr Aufschwung war.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden uns noch über die Folgewirkungen der

    ökologischen Steuerreform unterhalten. Wir werden uns
    auch noch über die Diskussionen um die Kernenergie
    sowie über die dadurch verursachten Verunsicherungen
    und Verwirrungen unterhalten. Hier erlaube ich mir,
    eine Anmerkung von Ihnen aufzugreifen: Wenn Sie ar-
    gumentieren, daß ein – hoffentlich nie eintretendes –
    zweites Tschernobyl die Energiebasis der westlichen
    Länder zerstören würde, dann ist das ein ernstzuneh-
    mendes Argument, über das wir uns, Herr Bundeskanz-
    ler, auseinandersetzen müssen. Aber ich halte den Weg,
    den Sie eingeschlagen haben, nämlich den Ausstieg aus

    der Kernenergie auf diese Weise in einer zusammen-
    wachsenden Welt – fast kein anderer Industriestaat folgt
    Ihnen in dieser Frage –, für völlig verkehrt. Sie müssen
    sich darum kümmern, daß Mochovce, Temelin und
    Kozloduj nachgerüstet werden. Die Bulgaren und die
    Rumänen steigen nicht aus der Kernenergie aus. Nicht
    einmal die Ukraine kann den Block abschalten, weil sie
    sonst die Energiebasis ihres Landes zerstören würde.
    Vor diesem Hintergrund können Sie sich nicht hier hin-
    stellen und so tun, als würden Sie in einem Nationalstaat
    leben und als wenn es Sie nicht mehr zu interessieren
    hätte, was in der Welt außerhalb Deutschlands passiert.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Daß Sie als Bundeskanzler eines hochentwickelten

    Industrielandes, das in der Sicherheitstechnik von Kern-
    kraftwerken eines der Spitzenländer ist, die Anwendung
    der Kernenergie heute zurückfahren, während andere
    weiterhin Kernenergieanlagen bauen – wir haben 400
    Kernenergieanlagen in der Welt; gegenwärtig werden
    90 weitere geplant und gebaut, und zwar nicht mehr von
    deutschen Firmen, sondern hauptsächlich von den Ame-
    rikanern, von Westinghouse, Framatome und vielen an-
    deren –, ist eine verhängnisvolle, falsche Politik, die uns
    massiv Arbeitsplätze kostet. Sie haben in diesem Punkt
    die Mehrheit der Menschen nicht mehr auf Ihrer Seite.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Die Kernenergie macht nicht einmal 10 Prozent der
    Energiebasis von Rußland aus. Ein solches Land könnte
    viel leichter und schneller als Länder wie Deutschland, das
    mehr als ein Drittel seines Stroms aus der Kernenergie
    bezieht, aus der Kernenergie aussteigen. Sie wissen, daß
    der Süden Deutschlands sogar zwei Drittel seines
    Stroms aus der Kernenergie bezieht. Trotzdem steigt
    Rußland nicht aus der Kernenergie aus; vielmehr baut es
    weitere Kernkraftwerke, weil es ohne diese Basis seinen
    Energiebedarf nicht decken kann.

    Denken Sie an China. Ein Land mit 1,2 Milliarden
    Menschen, das den Sprung zu wirtschaftlichem Wachs-
    tum und Wohlstand schaffen will, baut genauso auf die
    Kernenergie. Und Sie glauben, Deutschland könnte bei-
    spielgebend sein, wenn es aus einer sicher beherrschba-
    ren Energie aussteigt? Sie machen einen ganz entschei-
    denden Fehler für Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    In bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit möchte ich
    Sie an Ihre frühere Verantwortung erinnern. In Ihrer frü-
    heren Verantwortung als Ministerpräsident von Nieder-
    sachsen hatten Sie in den letzten Jahren eine wesentlich
    höhere Jugendarbeitslosigkeit als die süddeutschen Län-
    der zu verzeichnen. Ich habe Ihnen immer vorgeworfen,
    daß Sie mit Ihrer Landespolitik mit dazu beigetragen
    haben.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


    – Wenn Sie „Unsinn“ schreien, dann sage ich Ihnen: Der
    Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß es auch dar-

    Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    um geht, die jungen Leute zu befähigen, einen anständi-
    gen Ausbildungsberuf zu ergreifen. Sie, Herr Bundes-
    kanzler, waren jahrelang Ministerpräsident des Landes
    Niedersachsen. Schauen Sie sich einmal die Bildungs-
    situation in Niedersachsen im Vergleich zu Bayern und
    Baden-Württemberg an!


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Diese Probleme darf man nicht allein aus der ma-
    kroökonomischen Sicht der Bundesregierung sehen.
    Schauen Sie sich einmal an, wieviel Unterricht in Nie-
    dersachsen ausgefallen ist und ausfällt! Erklären Sie
    einmal, warum Sie keine neuen Lehrer mehr eingestellt
    haben! Sie haben nicht einmal mehr alle freiwerdenden
    Planstellen wieder besetzt. Jetzt stellen Sie sich als Bun-
    deskanzler hier hin und sprechen von Chancengerech-
    tigkeit bei Ausbildungsberufen, während Sie in Ihrer
    früheren Verantwortung in diesem Punkte nicht das er-
    reicht haben, was Sie nun als Ihr Ziel vorgeben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Es war ja übrigens nicht ich, sondern Ihr ehemaliger
    Stellvertreter und heutiger Nachfolger, der einmal in
    Hintergrundgesprächen gesagt hat: Zieht ein bayeri-
    sches Kind nach Niedersachsen, dann muß es sich erst
    einmal zwei Jahre lang hängen lassen, damit es den
    niedersächsischen Standard erreicht. Darin steckt, mei-
    ne sehr verehrten Damen und Herren, auch eine Ant-
    wort auf die Forderung, die Jugendarbeitslosigkeit ab-
    zubauen. Dazu brauchen Sie eine exzellente Ausbil-
    dung in den Schulen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wenn Sie sich – das ist mir schon gewaltig aufgesto-
    ßen – hier hinstellen und den Kollegen Schäuble und in
    besonderem Maße mich für europapolitische Positionen
    angreifen, dann stellt sich für mich die Frage: Was wol-
    len Sie jetzt? Auf dem Saarbrücker Parteitag haben Sie
    Bundeskanzler Helmut Kohl massiv angegriffen und ge-
    sagt, er habe im Grunde genommen mit Scheckbuch-
    Diplomatie und mit offenen Kassen die Probleme Euro-
    pas gelöst.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Kohl hat verhandelt und der Waigel!)


    Da seien Milliarden verbraten worden – „verbraten“ ha-
    ben Sie wörtlich gesagt –, und damit müsse endgültig
    Schluß sein. Ein paar Tage später versuchen Sie als
    Nachfolger von Helmut Kohl, mich bei Ihrer Rede beim
    Aschermittwoch in Vilshofen in einen Gegensatz zu ihm
    zu bringen. Sie haben wörtlich gesagt: Man müsse sich
    schon einmal klarwerden, ob man der Politik Kohls folgt
    oder eine neue Politik macht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich frage Sie: Was wollen Sie denn eigentlich für eine
    Politik?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    So leicht, Herr Bundeskanzler, kommen Sie nicht da-
    von. Zu Ihren Ausführungen über die Frage der Agen-
    da 2000


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Der Kohl und der Waigel haben da verhandelt!)


    sage ich Ihnen: Seien Sie nicht so hochmütig; Sie wer-
    den sich sicherlich auch noch daran gewöhnen müssen,
    daß man Ihnen widerspricht. Anscheinend sind Sie gar
    nicht mehr gewöhnt, daß man Ihnen widerspricht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Ausgerechnet Sie sagen das!)


    Wenn Sie hier Wolfgang Schäuble und mir vorwer-
    fen, es sei unredlich,


    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    eine erhebliche Senkung des Nettobeitrags der Bundes-
    republik Deutschland an die EU zu fordern,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Hat er in Saarbrücken selber vorgetragen!)


    dann möchte ich Ihnen darauf deutlich antworten: Sehr
    geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben vorgetragen,
    daß wir einen Nettobeitrag von 22 Milliarden DM lei-
    sten, was ein Skandal wäre, wie Sie selbst sinngemäß
    gesagt haben. Aber Ihr Finanzminister hat sich zu den
    14 Milliarden DM – gemessen am Bruttosozialprodukt
    nach Kaufkraftparität, was im Juni des Jahres 1997 die
    Meßlatte der Finanzminister aller deutschen Länder ein-
    schließlich des niedersächsischen Finanzministers gewe-
    sen ist – selbst bekannt. Damals hatte die Finanzmi-
    nisterkonferenz festgestellt, daß der deutsche Haushalt
    um Zahlungen in Höhe von 14 Milliarden DM, wenn es
    gerecht zuginge, an die EU entlastet werden müßte. Das
    ist nicht meine Zahl, sondern diese Zahl stammt von den
    Finanzministern der Länder. Sehr geehrter Herr Bundes-
    kanzler, der Bundesrat hat sich am 28. November 1997


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


    – Sie waren damals Ministerpräsident – den Finanzmini-
    sterbeschluß zu eigen gemacht. Jetzt können Sie als
    Bundeskanzler mir doch nicht Vorwürfe machen, wenn
    ich an Beschlüssen festhalte, die auch Sie mitgetragen
    haben. Das ist doch unglaubwürdig.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn ich an die geplanten gesetzlichen Regelungen

    zu den 630-Mark-Jobs und an viele Fragen der Atomno-
    velle denke, wird mir Ihr Vorgehen klar: einmal raus,
    einmal rein, wieder raus und wieder rein, aber keiner
    weiß, was los ist. In diesem Zusammenhang muß ich Sie
    daran erinnern, daß wir am 8. Juni letzten Jahres – das
    ist noch kein Jahr her – eine Sonderministerpräsidenten-
    konferenz hatten, bei der Herr Ministerpräsident Lafon-
    taine und Herr Ministerpräsident Schröder dabei waren.
    Auf dieser Konferenz gab es die einstimmige Auffas-
    sung der Ministerpräsidenten, die alten Beschlüsse der
    Finanzministerkonferenz zu bekräftigen. Ich halte es
    – mit Verlaub – für eine Unverfrorenheit, wenn Sie mir
    heute Vorhaltungen über das machen, was Sie selber mit

    Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)







    (A) (C)



    (B) (D)


    beschlossen haben, nämlich daß es am gerechtesten
    wäre, in Europa an unserem Anteil am Bruttosozialpro-
    dukt gemessen zu werden. Diesen Punkt will ich deut-
    lich herausstellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will noch ein weiteres Beispiel für Unredlichkeit

    geben. Bleiben wir beim Thema Europa, dem Sie einen
    großen Teil Ihrer Rede gewidmet haben. In diesem Zu-
    sammenhang haben Sie große Versprechungen gemacht.

    Herr Bundeskanzler, die im Jahre 1991 in Edinburgh
    beschlossene Finanzierung habe ich niemals kritisiert.
    Ich habe die Beschlüsse vielleicht insofern kritisiert


    (Bundesminister Joseph Fischer: Vielleicht!)

    – man wird doch über diese Fragen noch vernünftig mit-
    einander reden können –, daß ein Wohlstandskoeffizient
    zum Maßstab genommen wurde, der im Prinzip dem Zu-
    stand der alten Bundesrepublik Deutschland entsprach.
    Aber im Rahmen der Diskussion der letzten Jahre „Was
    passiert im Jahre 1999, wenn die Beschlüsse von Eding-
    burgh auslaufen?“ haben wir frühzeitig, auch auf der
    Ministerpräsidentenkonferenz, unsere Position darge-
    stellt. Unsere Position war, daß sich unsere Situation
    gemessen am Wohlstandskoeffizienten in den Jahren
    1996 bis 1998 gegenüber anderen Ländern dramatisch
    verändert hat. Wie soll ich denn den Menschen im Lan-
    de erklären, daß Luxemburg, Belgien oder gar Däne-
    mark Finanzausgleichsleistungen von uns bekommen,
    während wir Deutsche Probleme haben, unsere Aufga-
    ben im Inneren zu bewältigen? Unsere Bitte und Auf-
    forderung waren deshalb, daß die anderen Nationen un-
    sere Position akzeptieren.