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ID1402100600

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/21 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 I n h a l t : Gedenkworte für den verstorbenen König Hussein von Jordanien .................................. 1489 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Ab- geordneten Adelheid Tröscher, Ilse Schu- mann und Helmut Wieczorek (Duisburg)..... 1489 C Erweiterung der Tagesordnung........................ 1489 D Absetzung des Punktes 2c von der Tagesord- nung ................................................................. 1490 A Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1490 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1490 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 1490 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 1500 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 1505 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1510 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 1514 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 1519 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) ........................................................... 1526 C Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 1533 A Karl Lamers CDU/CSU................................... 1536 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 1538 C Ulrich Irmer F.D.P. ......................................... 1541 D Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 1543 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU ..................... 1544 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 1546 B Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1549 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 1551 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. .................... 1552 C Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 1554 A Peter Zumkley SPD ......................................... 1555 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU .................... 1555 D Dietrich Austermann CDU/CSU ................. 1556 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. ................ 1556 C Paul Breuer CDU/CSU.................................... 1557 C Alfred Hartenbach SPD ................................... 1561 A Hans Jochen Henke CDU/CSU ....................... 1562 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 1563 C Rainer Funke F.D.P. ........................................ 1565 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 1566 D Norbert Geis CDU/CSU ...................... 1567 D, 1570 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................. 1569 D, 1584 B, 1589 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P.............. 1570 B, 1589 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 1571 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1574 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU........................ 1576 A Sebastian Edathy SPD.................................. 1578 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1579 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ..................... 1580 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. ................................. 1581 C Ulla Jelpke PDS............................................... 1583 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/ CSU ................................................................. 1585 A Otto Schily, Bundesminister BMI........ 1586 A, 1589 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ............................................... 1590 C, 1601 A Michael von Schmude CDU/CSU ................... 1592 D Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 1593 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1594 D Joachim Günther (Plauen) F.D.P. ................... 1596 D Carsten Hübner PDS........................................ 1598 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 1599 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 1601 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der militäri- schen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den KOSOVO sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) (Drucksache 14/397) .................................. 1559 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnis- se und für Sachen (Drucksache 14/343)... 1559 C c) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bun- desrepublik Deutschland (Drucksache 14/401) ....................................................... 1559 C d) Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leip- zig), Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie (Drucksache 14/395) .................................. 1559 D Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Zu- ständigkeiten nach dem Sorgerechts- übereinkommens-Ausführungsgesetz (Drucksachen 14/33, 14/338) ..................... 1559 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 3/98 (Drucksache 14/321).......................... 1560 A c) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 15, 16 und 17 zu Petitionen (Drucksachen 14/322, 14/323, 14/324) ...... 1560 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (Zwei- tes Euro-Einführungsgesetz) (Druck- sachen 14/229, 14/406) .............................. 1560 C Nächste Sitzung ............................................... 1603 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 1605 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1489 (A) (C) (B) (D) 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Adelheid Tröscher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1605 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bartsch, Dietmar PDS 24.2.99 Behrendt, Wolfgang SPD 24.2.99 * Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24.2.99 Diemers, Renate CDU/CSU 24.2.99 Ehlert, Heidemarie PDS 24.2.99 Erler, Gernot SPD 24.2.99 Frick, Gisela F.D.P 24.2.99 Fuchs (Köln), Anke SPD 24.2.99 Großmann, Achim SPD 24.2.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 24.2.99 Hartnagel, Anke SPD 24.2.99 Hasenfratz, Klaus SPD 24.2.99 Hempelmann, Rolf SPD 24.2.99 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24.2.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Luther, Michael CDU/CSU 24.2.99 Mascher, Ulrike SPD 24.2.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 24.2.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 24.2.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.2.99 Rupprecht, Marlene SPD 24.2.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 24.2.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 24.2.99 Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie SPD 24.2.99 Verheugen, Günter SPD 24.2.99 Willner, Gert CDU/CSU 24.2.99 Wohlleben, Verena SPD 24.2.99 Dr. Wolf, Winfried PDS 24.2.99 ––––––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Wer die Presse in der letz-
    ten Zeit aufmerksam verfolgt hat – also nicht nur wäh-
    rend der ersten hundert Tage der Regierung –, der
    braucht nicht gläubiges Mitglied in einer der Oppositi-
    onsparteien zu sein, um klar sagen zu können: Der
    Start war miserabel. Die Regierung hat nie deutlich
    machen können, was sie eigentlich will; sie hat bisher
    nur deutlich gemacht, was sie nicht will. Das geht in
    die falsche Richtung los. Das gibt mehr Arbeitslose,
    das kostet Deutschland Zeit und die junge Generation
    die Zukunft.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Bundesregierung hat bisher gesagt, Herr Kollege
    Struck, sie wolle keine Kürzungen im Sozialbereich, sie
    wolle keine Einschnitte im Gesundheitswesen, sie wolle
    keine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt und sie wolle
    keine Rentenreform, wie von der alten Koalition be-
    schlossen. Aber allmählich dämmert es Herrn Riester,
    daß das kein Konzept für die Zukunft sein kann. Sie
    werden eine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt brauchen,
    Sie werden eine Rentenreform machen müssen, Sie
    müssen Wahlmöglichkeiten im Gesundheitswesen
    schaffen, Sie müssen deregulieren und flexibilisieren,
    und Sie müssen eine Steuerreform mit deutlichen Steu-
    ersenkungen vorlegen, weil Sie sonst keine ökonomi-
    sche Stabilität in Deutschland schaffen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ob es noch einige Tage dauert, bis Sie sich zu diesen
    Erkenntnissen durchringen, mag dahingestellt bleiben.
    Die Unglaubwürdigkeit Ihrer kompletten Wahlaussage
    steht Ihnen schon heute auf die Stirn geschrieben, weil
    Sie nichts von dem halten können, was Sie den Men-
    schen versprochen haben. Sie haben die „Neue Mitte“
    gröblich enttäuscht. Ihre Steuerreform richtet sich genau
    auf die als Zielscheibe, die Sie im Wahlkampf als Ihre
    Zielgruppe ausgemacht haben.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Das ist nicht nur ein Thema des Neigungsökonomen

    aus dem Saarland, Herr Bundeskanzler, sondern das ist
    auch Ihr Thema. Sie haben der „Neuen Mitte“ im Wahl-
    kampf Jost Stollmann vorgezeigt. Er hat dann, als er die
    Koalitionsvereinbarungen gesehen hat, einen Rückzieher
    gemacht. Nun betreiben Sie eine Politik, die glatter
    Wählerbetrug an der von Ihnen ausgerufenen „Neuen

    Mitte“ ist. Das ist der Sachverhalt in der Bundesrepublik
    Deutschland.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Für Sie gelten die schlichten Grundrechenarten wie

    für mich auch. Wenn Sie die Rente auf dem jetzigen
    Niveau halten wollen, müssen Sie entweder Steuern
    oder Beiträge erhöhen. Dies hat Herrn Riester in den
    letzten Tagen gedämmert. Aber den Wahlkampf haben
    Sie mit den übelsten Vorwürfen, auch gegen meine Par-
    tei, die F.D.P., geführt: Wir seien drauf und dran, den
    Rentnern ans Portemonnaie zu gehen. Wir waren drauf
    und dran, eine neue Fairneß zwischen den Generationen
    in Deutschland herzustellen, die Sie mutwillig zerstört
    haben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben im Wahlkampf angekündigt, daß es im Ge-
    sundheitswesen keine Zuzahlungen mehr geben solle.
    Nachdem Sie die Regierungsverantwortung übernom-
    men hatten, haben Sie festgestellt, daß Sie diese Wahl-
    kampfzusage nicht halten können. Dann haben Sie eine
    minimale Absenkung der Beiträge, je nach Packungs-
    größe um 1, 2 oder 3 DM, vorgenommen und die
    Wahlmöglichkeiten in den Krankenversicherungssyste-
    men beseitigt. Wenn Sie den Kostensteigerungen so be-
    gegnen wollen, ist das ungefähr so, als wenn Sie drei
    Kanonenkugeln in einen Kochtopf legen, den Deckel
    draufhalten und warten, bis es knallt. Die Kostensteige-
    rungen im Gesundheitssystem kommen, entweder über
    weitere Mehrwertsteuererhöhungen, Zuzahlungen, oder
    Sie müssen die Beiträge erhöhen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie mogeln sich jetzt vielleicht noch durch einige

    Landtagswahlen. Aber für die zweite Hälfte dieses Jah-
    res sage ich voraus, daß Sie vor deutlichen Beitrags-
    oder Steuererhöhungen stehen und dies sagen müssen,
    weil zwei mal zwei in Deutschland vier bleibt, auch
    wenn Schröder regiert. Das müssen wir ganz deutlich
    machen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich muß jetzt, bevor ich mich äußere, erst einmal fra-

    gen: Gibt es einen neuen Stand bei den 630-DM-
    Verträgen seit gestern?


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Ja, seit gestern! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sehr berechtigte Frage!)


    Ich muß ja neue Mitarbeiter beschäftigen, damit alle
    Wasserstandsmeldungen entgegengenommen werden
    können!


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kann die F.D.P. aber nicht mehr zahlen! Die sind doch pleite!)


    Wenn es noch der Stand von gestern ist, dann möchte
    ich Sie auffordern, mir, wenn Sie nachher reden, zu er-
    klären, was es sozialpolitisch für einen Sinn macht, die
    Ehefrau eines gutverdienenden Ehemannes nicht zur
    Zahlungspflicht zu veranlassen, wohl aber die alleiner-

    Dr. Peter Struck






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    ziehende Mutter, die einen Job hat und sich etwas dazu-
    verdient.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn das sozialpolitisch für mich überzeugend begrün-
    det werden kann, dann spende ich Ihnen einen namhaf-
    ten Betrag.


    (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das wird niemand können.

    Nirgendwo zeigt sich besser als an diesem Beispiel,
    daß die Sozialpolitik der SPD erstarrt, reguliert, kollek-
    tiv, einheitlich ist. Sie haben keine andere sozialpoli-
    tische Antwort in Deutschland als große Systeme: kol-
    lektiv abbuchen, kollektiv zuteilen. Das aber ist nicht die
    Sozialpolitik der Zukunft. Dies wird an diesem kleinen
    Beispiel, den 630-DM-Verträgen, auf die Hunderttau-
    sende von Menschen angewiesen sind, ganz deutlich.

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, vorher nicht Mi-
    nisterpräsident gewesen wären, wenn Sie keine politi-
    sche Erfahrung gehabt hätten, wenn Sie nicht wie auch
    der Finanzminister die Haushalte gekannt hätten, dann
    könnte man noch sagen: Na ja, der Mann muß sich in
    diesem Amt erst einmal informieren. Sie aber wußten,
    was 630-DM-Verträge sind, und kannten die Situation
    bei der Rente. Sie kannten die Finanzierungsprobleme
    im deutschen Gesundheitswesen. Sie kannten den
    Attentismus in der Wirtschaft und wußten, daß eine
    Steuerreform notwendig ist. Sie sind doch nicht in dieses
    Amt gewählt worden, um darin erst ausgebildet zu wer-
    den. Sie mußten vorher wissen, um was es in der Bun-
    desrepublik Deutschland geht.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb können Sie nicht von einem Tag auf den an-

    deren die 630-DM-Verträge abzuhandeln versuchen und
    dann immer neue Versionen in die Welt setzen. Es gibt
    einige Millionen Menschen, die auf diese Einkommen
    dringend angewiesen sind. Wir sind ihre Partner. Sie
    sind ihre Gegner; Sie beeinträchtigen ihre Chancen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Herr Kollege Struck, es kann doch niemand mehr be-

    haupten, daß die Ökosteuer irgend etwas mit Ökologie
    zu tun habe. Sie haben vorhin gesagt, Sie machten die
    größte Steuerreform seit 1945. Sie betreiben das größte
    Abkassieren der Bürger Deutschlands seit 1945.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen, wo Sie abkassieren. Sie kassieren

    auch bei denen ab, die Sie im Wahlkampf als Ihre
    Schützlinge ausgegeben haben: Rentner und Arbeitslose
    sind die Leidtragenden der Ökosteuer. Sie bezahlen dies.
    Sie haben nur die vage Zusage, sie würden im Jahr 2002
    steuerlich um 15 Milliarden DM entlastet, müssen aber
    vorher deutlich mehr als 15 Milliarden DM an den Fi-
    nanzminister der Bundesrepublik Deutschland zahlen.
    Die Entlastungszusage von 15 Milliarden DM durch die
    Steuerreform ist ein Wählerbetrug. Das ist eine Politik,
    die weder etwas mit sozial noch mit ökologisch, noch
    mit gerecht, noch mit solidarisch, noch mit menschlich
    zu tun hat. Das ist die Politik, von der die deutsche Sozi-

    aldemokratie als konservativste Truppe in Europa
    glaubt, daß sie damit die Bundesrepublik Deutschland
    beglücken wird. Sie beglückt unser Land nicht, sie wirft
    es um Jahre zurück. Das zeigen Ihnen auch die öffent-
    lichen Reaktionen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Nehmen Sie nur die Innenpolitik, Herr Kollege

    Struck.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Warum schreien Sie so?)

    Was habe ich dazu noch vor einigen Wochen von

    Ihnen gehört? Wir brauchen die Opposition nicht, haben
    Sie gesagt, wir haben allein die Mehrheit. Ich werfe
    Ihnen nicht vor, daß Sie nun zu anderen Erkenntnissen
    kommen mußten. Freiwillig aber ist dies nicht gesche-
    hen.

    Herr Schlauch, da ich Sie sitzen sehe, sage ich Ihnen:
    Klären Sie einmal in Ihrer Bundestagsfraktion ab, daß,
    wenn die Sozialdemokratische Partei auf unser Op-
    tionsmodell zugeht, die Koalition in der Abstimmung
    zusammenbleibt. Sie werden nicht umhinkommen, von
    Ihrem Modell der Staatsangehörigkeit Abschied zu
    nehmen. Wenn Sie wie wir anfangen, an die Kinder zu
    denken und die doppelte Staatsangehörigkeit nicht als
    Regelfall sehen, führt kein Weg an der Gesetzesinitiati-
    ve des Landes Rheinland-Pfalz und an dem Gesetzes-
    vorschlag der F.D.P.-Bundestagsfraktion vorbei,


    (Beifall bei der F.D.P.)

    und zwar aus folgendem Grund: Es kommt nicht nur
    darauf an, zum Staatsangehörigkeitsrecht einen ver-
    nünftigen Vorschlag zu machen, sondern auch darauf,
    daß es gesellschaftlich verankert wird, daß es also die
    Gesellschaft akzeptiert. Das ist es, was Sie sträflichst
    vernachlässigt haben.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Uns hilft doch die hehre Absicht nichts, wenn Sie ein

    neues Staatsangehörigkeitsrecht vorlegen, das in Ihren
    eigenen Reihen umstritten ist, auf Grund dessen Ihnen
    die eigenen Wähler davonlaufen und das von der Gesell-
    schaft nicht akzeptiert wird. Das nutzt weder Ausländern
    noch der deutschen Bevölkerung. Deshalb müssen wir
    uns jetzt entscheiden. Vor allem Sie müssen sich ent-
    scheiden. Gehen Sie von Ihren Vorstellungen weg in
    Richtung einer Modifizierung! Es entscheidet nicht die
    Höhe des Wahlergebnisses, verehrte Kolleginnen und
    Kollegen, es entscheidet die Qualität des Vorschlags.
    Und wir haben den qualitativ besten Vorschlag dazu
    gemacht.


    (Beifall bei der F.D.P.] In der Innenpolitik können Sie sich ansonsten auf ein recht moderates Vorgehen berufen. Aber in dem Bereich, in dem Kontinuität am meisten erforderlich ist, und zwar in der deutschen Außenund Europapolitik, haben Sie einen Scherbenhaufen angerichtet, der seinesgleichen sucht. Es reicht doch nicht, daß der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in Person, in Kleidung, in Manieren und in Art und Weise Kontinuität Dr. Wolfgang Gerhardt symbolisiert. Während des halben Jahres der deutschen Ratspräsidentschaft hat Herr Trittin durch sein überhebliches Auftreten, besonders in unserem Nachbarland Frankreich, so viel Porzellan zerschlagen, daß Sie alle Ihre Kräfte mobilisieren müssen, um die Ratspräsidentschaft einigermaßen zum Erfolg zu führen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





    (A) (C)


    (B) (D)


    In der gleichen Zeit hat der Bundesfinanzminister, der
    ja glaubt, die Weisheit in dieser Welt gepachtet zu ha-
    ben, seinen Kollegen unendlich lange Volkshochschul-
    vorträge gehalten, die sie nahezu ermüdet haben und die
    auf dem Petersberg dazu geführt haben, daß der ameri-
    kanische Finanzminister endlich einmal gefragt hat:
    Glaubt ihr denn, am deutschen Wesen des sozialdemo-
    kratischen Finanzministers könnte die Welt genesen?
    Die glatte Bauchlandung in seiner Zielzone, das Her-
    ummäkeln an der Unabhängigkeit der Bundesbank und
    das Herummäkeln an der Europäischen Zentralbank, das
    bringt doch unsere Nachbarländer geradezu in Verwir-
    rung. Die Europapolitik beinhaltet doch derzeit: Give
    me my money back, keine schnelle Osterweiterung,
    Wechselkurszielzonen, ein bißchen Herumkritisieren an
    der EZB – das ist eine ganz neue deutsche Art – und an-
    sonsten die Erwartung, daß wir von allen profitieren und
    daß das alles gut läuft.

    Es gab noch keine deutsche Bundesregierung, die
    eine so wenig ambitionierte Europapolitik gemacht hat
    wie die unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich will Ihnen das an einem Punkt, der für meine
    Partei wichtig ist, ganz emotional vorhalten.


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So emotional, wie Sie sein können!)


    Ich weiß, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Herr
    Schlauch, Herr Fischer und übrigens auch Herr Lafon-
    taine, mit der deutschen Wiedervereinigung Probleme
    hatten. Man kann Ihnen Ihre entsprechenden Aussagen
    vorhalten, die damals von Ihnen zitierfähig vorgebracht
    wurden. Aber daß ausgerechnet Sie als Bundeskanzler
    und als Bundesaußenminister die Länder vertrösten, die
    die Wiedervereinigung Deutschlands befördert haben,
    dafür sollten Sie sich schämen. Das halten wir für uner-
    träglich.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie vernachlässigen mit Ihrer Europapolitik ein Kon-

    stituens deutscher Politik, das genau zu den Grundsäulen
    der Bundesrepublik Deutschland geführt hat, die uns aus
    der größten Katastrophe der deutschen Geschichte her-
    ausgeführt haben. Vergessen Sie jetzt meine kritischen
    Einwände zu den 630-DM-Verträgen, zu Ihren dilettan-
    tischen Versuchen, die Rente doch noch zu reformieren,
    und zu Ihren Versuchen – die Sie wahrscheinlich im
    Herbst machen werden – zurückgenommene Reformen
    doch wieder einigermaßen nach vorne zu bringen. Das
    mag unseren innenpolitischen Streitigkeiten unterliegen.
    Aber die Unverläßlichkeit, die Sprunghaftigkeit und die

    unhistorische Dimension Ihrer Europapolitik sind es, die
    unsere Nachbarn bestürzen und mich besorgt machen.

    Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,
    hier auch vertreten durch den Sprecher der SPD-
    Fraktion, mag – mit kleiner innenpolitischer Münze –
    mit uns einen Schlagabtausch über das führen, was wir
    früher gemacht oder nicht gemacht haben und was Sie
    jetzt machen wollen, aber noch nicht gemacht haben.
    Aber im Kernpunkt der deutschen Außen-, Sicherheits-
    und Europapolitik zieht die Opposition nicht nur das
    Florett. Für den Fall, daß Sie Ihre Politik so fortsetzen,
    indem Sie keine Ambitionen auf die Osterweiterung ha-
    ben, nur mit der nationalen Karte – das heißt mit der
    Forderung nach Rückgabe von zuviel gezahltem Geld
    und dem Vorwurf an Herrn Stoiber, er ziehe die natio-
    nale Karte, obwohl Sie sie dauernd ziehen – arbeiten
    und unseren Nachbarn sagen, man wolle aus der Kern-
    energie aussteigen, völkerrechtliche Verträge bzw.
    Euratom interessierten uns einen Dreck, Entschädi-
    gungszahlungen würden nicht geleistet, aber ansonsten
    wolle man alles so haben, daß es deutschen Interessen
    diene, sage ich Ihnen voraus, daß Sie am Ende mit lee-
    ren Händen dastehen werden.

    Es ist nicht nur eine nationale Frage, ob Sie mit lee-
    ren Händen dastehen werden. Sie werden am Ende der
    Ratspräsidentschaft internationales Vertrauen zerstört
    haben, und das kann uns in der Bundesrepublik
    Deutschland nicht gleichgültig sein.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Bildungsministerin – das haben Sie im Wahl-

    kampf doch auch angekündigt – hat der jungen Genera-
    tion erklärt: Wir sind eure Vertreter; wir sind für ein
    Verbot von Studiengebühren; wir verdoppeln den Bil-
    dungsetat. Es war gestern schon Gegenstand der Aus-
    sprache, daß die Sozialdemokraten mit den Grundre-
    chenarten ihre Schwierigkeiten haben. Auch wenn Sie es
    noch so sehr umrechnen: 1 Milliarde DM stellt in die-
    sem Jahr keine Verdoppelung dar; wenn Sie bei den
    Steigerungsraten bleiben, ist das auch in vier Jahren kei-
    ne Verdoppelung.

    Mich interessiert nicht nur das, mich interessiert die
    Glaubwürdigkeit Ihrer Aussage – Sie waren Minister-
    präsident in Niedersachsen –, für ein Verbot von Studi-
    engebühren eintreten zu wollen. In Ihrem Land ist eine
    Art von Studiengebühren eingeführt worden; ob man sie
    „Verwaltungskosten“ nennen kann, mag dahingestellt
    bleiben. Der Gesetzentwurf zum Verbot von Studienge-
    bühren, den Sie der jungen Generation versprochen ha-
    ben – das war aus meiner Sicht völlig falsch –, wird
    nicht eingebracht. Ihre Bundesbildungsministerin ringt
    um ein Verwaltungsabkommen. Das hätten Sie schon in
    der letzten Legislaturperiode haben können; das war der
    Vorschlag von CDU/CSU und F.D.P. im Vermittlungs-
    ausschuß.

    Das zeigt aber die Struktur Ihres Denkens. Sie wollen
    – so denken Sie – alles flächendeckend, einheitlich und
    kollektiv in Deutschland regeln.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Zentralistisch!)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Warum überlassen Sie den Hochschulen nicht die
    Entscheidung über ihre Finanzierung? Sie könnten sich
    doch dann ruhig zurücklehnen, wenn alle so denken wie
    Sie: Dann werden doch die Studenten diese teuren Lehr-
    anstalten verlassen und zu den kostenfreien der SPD ge-
    hen. Nur, ich sage Ihnen: Sie haben keine junge Genera-
    tion vom Schlage der 68er vor sich. Diese Generation
    legt Wert auf die Qualität des Angebots; sie ist eher be-
    reit, Gebühren zu zahlen, wenn sie dafür zeitig zum Ab-
    schluß geführt wird.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb ist Ihr Denken so falsch.
    Da Sie immer nach den Alternativen fragen, nenne

    ich Ihnen sie auch: Vielfalt, Wettbewerb, kürzere Studi-
    enzeiten, Autonomie der Hochschulen, Grundhaushalt,
    Eigenmittelwerbung, Drittmittel, eigene Finanzierungs-
    vorstellungen. Wir sind gegen staatlich regulierte, vom
    öffentlichen Dienstrecht überwölbte Hochschulen, deren
    Haushalt von einer zentralen Instanz abgesegnet wurde
    und die eine einheitliche und kollektive Hochschulland-
    schaft darstellen.

    Sie haben weiterhin gefragt, welche denn unsere Vor-
    stellungen sind. Ich will sie Ihnen nennen. In bezug auf
    das Staatsangehörigkeitsrecht kennen Sie unsere Vor-
    stellungen. Der Gesetzentwurf liegt vor. Sie werden sich
    auf ihn zubewegen müssen. Ansonsten haben Sie keine
    Alternative.

    Weil der Bundesinnenminister immer darüber redet
    und das mit dem Satz belegt „Das Boot ist voll“, haben
    wir einen Gesetzentwurf zur Einwanderungsbegrenzung
    in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Er ist be-
    ratungsfähig. Er sieht Mechanismen vor. Ihm können
    Sie so zustimmen. Es ist ein guter Entwurf.

    Sie haben eine Ökosteuer vorgelegt. Wir haben in un-
    serem Gesetzentwurf ein anderes Steuermodell vorge-
    legt. Schaffen Sie die Kraftfahrzeugsteuer ab, und legen
    Sie das, was Sie dadurch eingenommen haben, auf die
    Mineralölsteuer um. Sie können dem Gesetzentwurf zu-
    stimmen; er hat eine ökologische Lenkungswirkung: Er
    läßt die Menschen selbst entscheiden, wann sie Auto
    fahren. Durch ihn soll nicht einfach nur abkassiert wer-
    den.

    Sie fragen nach weiteren Alternativen. Im Mai, glau-
    be ich, Herr Bundesfinanzminister, steht eine Steuer-
    schätzung bevor. Wir sind bereit, den Entwurf eines
    Steuergesetzes einzubringen, der eine Nettoentlastung
    für alle vorsieht, Investitionsimpulse setzt und die Be-
    schäftigung anregt.


    (Georg Pfannenstein [SPD]: Ausgerechnet ihr!)

    Ich schlage Ihnen vor: Stellen Sie Ihren Gesetzent-

    wurf so lange zurück, beraten Sie lieber auf der Grund-
    lage unseres Entwurfs! Wenn für ihn eine Mehrheit ge-
    funden werden könnte, würde das eine wesentlich besse-
    re Steuerpolitik für Deutschland bedeuten.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir können auf allen Feldern eine Alternative zu Ihrer
    Politik aufzeigen. Wir sind in der Lage, in den Kernfra-

    gen deutscher Politik, ob Europapolitik, Außenpolitik
    oder Sicherheitspolitik, unsere Konturen aufzuzeigen,
    und sind bereit, das, wo nötig, hier gemeinsam zu be-
    schließen.

    In Fragen des Arbeitsmarktes setzen Sie auf kollek-
    tive Systeme; Sie sind gegen eine Flexibilisierung des
    Arbeitsmarktes, den Sie verriegeln und verrammeln
    wollen. Wir dagegen können Gesetzentwürfe einbrin-
    gen, die gerade eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
    vorsehen. Das berühmte „Bündnis für Arbeit“ ist nicht
    allein deshalb schon eine wichtige Veranstaltung, weil
    es von Fernsehkameras festgehalten wird, Herr Bundes-
    kanzler. Das „Bündnis für Arbeit“ hat nur dann einen
    Sinn, wenn diejenigen, die am Tisch sitzen, in ihrem je-
    weiligen Bereich auch ihre Verantwortung wahrnehmen.


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist richtig! Die Arbeitgeber!)


    Die IG-Metall hat mit ihrer 6,5-Prozent-Lohn-
    forderung – nach den entsprechenden Bemerkungen des
    Finanzministers über das Ende der Bescheidenheit – ihre
    Verantwortung nicht wahrgenommen, und jeder hier im
    Haus weiß das. Der Schlichterspruch geht über den Pro-
    duktivitätsfortschritt der deutschen Volkswirtschaft hin-
    aus. Dieser Abschluß ist damit ein Abschluß für Ar-
    beitsplatzbesitzer und gegen Arbeitslose.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn man ein Bündnis für Arbeit will, dann muß
    man diejenigen, die am Tisch sitzen, in ihren jeweiligen
    Bereichen zur Verantwortung bringen. Da Sie, Herr
    Bundeskanzler, mit am Tisch sitzen, ist es Ihre Aufgabe,
    den Beteiligten deutlich zu machen, wie Sie die Rah-
    menbedingungen als verantwortlicher Bundeskanzler
    setzen. Die Rahmenbedingungen eines Landes, das sich
    im weltweiten Wettbewerb befindet, können nicht sein:
    Ökosteuern, Mehrwertsteuererhöhung, Umschichtungen,
    kleines Umverteilungsglück. Vielmehr können sie nur
    lauten: deutliche Steuersenkungen, Beschäftigungsim-
    pulse, Vertrauen in die Aktivität und Verantwortungsbe-
    reitschaft der Menschen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie bieten keine vernünftigen Rahmenbedingungen, und
    die Tarifvertragsparteien machen Abschlüsse, die der
    Produktivität nicht gerecht werden, die Arbeitslosigkeit
    eher erhöhen.

    Das, was sich in diesem Frühjahr in bezug auf das,
    worauf Sie Wert legen, vollzieht, zeigt es ja auch: Die
    Arbeitslosenzahlen gehen nicht zurück, sondern steigen
    an; Attentismus macht sich breit; wir warten zu, wir ha-
    ben keine Traute. Das alles zeigt doch, daß Sie nicht –
    wie der Kollege Struck sagt – glänzende Gesetzentwürfe
    vorgelegt haben. Die erhöhte Arbeitslosigkeit ist einge-
    treten, weil sich in Deutschland niemand mehr im klaren
    darüber ist, was Sie als Bundesregierung eigentlich
    wollen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das haben Sie mit Ihrem Start erreicht.

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Herr Bundeskanzler, Sie – und zwar Sie als Person –
    tragen Verantwortung für die Politik. Sie verantworten
    die Koalitionsvereinbarung, Sie verantworten die inter-
    nationalen Belehrungsvorträge Ihres Finanzministers,
    Sie verantworten den Elefanten im internationalen Por-
    zellanladen Trittin, Sie verantworten die kümmerliche
    Erhöhung des Bildungsetats,


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Wie wäre es denn bei Ihnen?)


    das komplette Scheitern abgegebener Erklärungen.
    Sie verantworten einen Zug von Politik, den sich eine

    Mehrheit nicht erlauben kann: Es begann damit, daß der
    Finanzminister leise Forderungen nach Umbesetzungen
    im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt-
    wirtschaftlichen Entwicklung vortrug. Es war doch nicht
    so, daß man sich Sorgen machte, weil jemand aus Al-
    tersgründen ausschied.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Gleichschaltung war das!)


    Vielmehr hat dem Finanzminister dessen Position
    nicht gepaßt. Er begann damit, die personelle Zusam-
    mensetzung langsam zu verändern, weil er sich über das
    Herbstgutachten natürlich nicht freuen konnte.

    Die Gesundheitsministerin veränderte die Zusam-
    mensetzung des Sachverständigenrats im Gesundheits-
    wesen – doch nicht, weil jemand die Pensionsgrenze er-
    reicht hätte, sondern weil ihr das Votum zu der einge-
    leiteten Politik nicht gefiel. Herr Trittin löste die Reak-
    torsicherheitskommission auf. Die Kritik, die aus dem
    Kanzleramt kam – das sei nicht mit dem Bundeskanzler
    abgesprochen gewesen –, mögen sie unter sich ausma-
    chen. Das ist nicht mein Interesse, ob das mit Ihnen ab-
    gesprochen war. Mich interessiert die Art und Weise.
    Und mich interessiert, daß die Koalitionsvereinbarung
    dazu führt, daß Sie im Zusammenhang mit der Wahl des
    Bundespräsidenten den Grünen, damit sie an Ihrer Seite
    bleiben, einen Vorschlag zur Besetzung der EU-Kom-
    mission gegönnt haben.


    (V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Eine Mehrheit kann nicht alles, und eine Mehrheit

    darf nicht alles. Wer drauf und dran ist – durch Auflö-
    sung von Gremien –, sachverständige Kritiker mundtot
    zu machen, der trifft auf unseren entschiedensten Wider-
    stand im Deutschen Bundestag.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dieser Vorgang ist bemerkenswert, weil Sie doch

    immer auftreten als Verfechter der Vielfalt, der Refor-
    men, des Fortschritts, der kritischen Stimmen. Sie be-
    trachten sich doch geradezu als Anwalt einer kritischen
    Öffentlichkeit. Ihnen hat doch sonst noch nicht einmal
    das Prädikat Wissenschaftler gereicht. Nein, es mußte
    ein „kritischer“ Wissenschaftler sein – so, als sei das
    noch etwas besonders Bemerkenswertes. Da, wo Ihnen
    jetzt Kritiker entgegentreten – die Ihnen beispielsweise
    sagen, die globale Budgetierung im Gesundheitswesen
    führe zu nichts –, nehmen Sie sich das nicht zu Herzen
    und überlegen noch einmal, sondern schaffen die Kriti-

    ker ab. Da, wo Ihnen der Sachverständigenrat sagt, Sie
    gehen einen völlig falschen Weg – in einer globalisier-
    ten Welt kann sich Deutschland nicht als Insel betrach-
    ten und nur auf Nachfrageimpulse setzen –, nehmen Sie
    sich das nicht zu Herzen, sondern verändern dessen per-
    sonelle Zusammensetzung. Da, wo eine Reaktorsicher-
    heitskommission – die im übrigen, ob es sich um Kern-
    energiegegner oder -befürworter handelte, allein auf die
    Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke verpflichtet
    war – Ihnen etwas anderes sagt, als Sie meinen, lösen
    Sie diese Kommission auf.

    Das ist ein Stil, der in Deutschland nicht einreißen
    darf. Die Opposition hat auch ein Wächteramt für die,
    die nicht mit Ihrer Politik einverstanden sind, und diese
    müssen wir vertreten.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das ist auch mehr als eine Stilfrage; das ist ein Verlust
    an Souveränität. Das ist absolut engstirnig, ein ganz
    kleines Karo.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Pepita! – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Eine Schmierenkomödie ist das!)


    Aber so habe ich Sie eingeschätzt. Mich überrascht das
    nicht. Das ist das Denken, das aus der alten 68er Gene-
    ration kommt, die meint, sie hätte die Wahrheit gepach-
    tet, könnte das Bildungssystem mit ihren kollektiven
    Vorstellungen reformieren, könnte Gerechtigkeit in der
    Welt durch staatliche Verteilungsmaßnahmen herstellen,
    bräuchte nur genügend große kollektive Solidargemein-
    schaften und die soziale Sicherheit wäre gegeben. Das
    ist nicht die Zukunft unseres Landes.

    Ludwig Erhard hat 1953, als er seine revolutionären
    Entscheidungen traf, in bemerkenswerter Weise im
    „Bulletin“ der Bundesregierung geschrieben, damals
    seien ihm viele entgegengetreten, die ihm gesagt hätten,
    er könne so nicht entscheiden, er könne die Preisbindung
    nicht aufheben, er könne nicht so schnell in eine freie
    marktwirtschaftliche Ordnung führen. Man habe ihm
    Rohstoffbilanzen und Außenhandelsbilanzen vorgelegt,
    man habe ihm vorgetragen, das ginge alles so nicht.
    Ludwig Erhard hat dann geschrieben, das, was man ihm
    vortrage, sei „strukturell sklerotisches Denken“; denn
    diese Persönlichkeiten – dazu gehört ihr Neigungsöko-
    nom aus dem Saarland – hätten niemals begriffen, daß
    Menschen, denen man Entscheidungen überläßt, und vor
    allem Menschen, denen man mehr vom Ertrag ihrer Lei-
    stung beläßt, volkswirtschaftlich und sozial für ein Land
    durch eigene Anstrengungen mehr zustande bringen als
    der Staat mit vorher bei den Menschen abkassiertem und
    über seine Kanäle umverteiltem Geld.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das ist das Denkmodell, das ich Ihnen entgegenstelle.
    So einfach ist die Alternative.

    Sie regieren mit der Vorstellung des Umverteilungs-
    glücks und mit der Vorstellung von Gerechtigkeit, die
    durch den Staat und große kollektive Solidargemein-
    schaften hergestellt werden soll. Wir glauben, daß ein

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    freiheitliches Land wieder wissen muß, wo die Quellen
    seiner freiheitlichen Verfassung liegen. Da führt kein
    Weg an eigener Verantwortungs- und Leistungsbe-
    reitschaft vorbei.

    Ich meine, man soll auch seine eigene Regierungszeit
    kritisch und in Verantwortung beleuchten. Daher muß
    ich feststellen: Wir waren zu langsam. Wir hätten zügi-
    ger entscheiden müssen. Wir hätten schneller den Durch-
    bruch zu Reformvorhaben schaffen müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir waren zu zögerlich. Wir waren manchmal zu ängst-
    lich. Aber nur couragierte Entscheidungen führen wei-
    ter. Das ist die Lehre aus langer, gemeinsamer Verant-
    wortung, die offen ausgesprochen werden muß.

    Aber diese Lehre ist für Deutschland immer noch
    besser gewesen als der komplette Rückmarsch, den Sie
    jetzt antreten, im übrigen als einzige sozialdemokrati-
    sche Partei in Europa. Es ist ein Jammer, daß ausgerech-
    net Deutschland die strukturkonservativste Sozialdemo-
    kratie am Hals hat, die es in Europa gibt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dagegen anzugehen ist die Aufgabe der Opposition.
    Ich sehe das mit großer Gelassenheit. Ich sage Ihnen

    hier voraus: Sie werden nicht aus eigenen Wünschen
    und selbst, wenn Sie das Parteiprogramm der SPD än-
    dern – dazu haben Sie gar keine Kraft, Herr Bundes-
    kanzler –, die Rückkehr antreten müssen, weil die The-
    men der Zeit gegen Sie gerichtet sein werden. Der The-
    mendruck der Zeit läuft in die Richtung meiner Vor-
    stellungen, die ich hier vorgetragen habe. Wir begegnen
    uns ein zweites Mal – das sage ich Ihnen voraus –,


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: O Gott!)


    und zwar dann, wenn Sie die Rente reformieren und die
    Gesundheitsreform wieder flexibler gestalten müssen,
    wenn Sie vor Steuererhöhungen stehen und marode Sy-
    steme finanzieren müssen, die Sie nicht reformiert ha-
    ben, wenn Sie im Laufe der EU-Ratspräsidentschaft er-
    fahren, daß Sie jetzt den Kessel unter Dampf halten
    müssen, und wenn Sie am Ende eine Regierungserklä-
    rung abgeben müssen, die lautet: „Wir haben einen Irr-
    weg eingeschlagen. Ich bitte die Mitglieder des Bun-
    destages, eine neue Regierungserklärung entgegenzu-
    nehmen. Wir haben uns jetzt zu mutiger Reformpolitik
    entschlossen. Mit dem Althergebrachten geht das nicht
    mehr so. Auf zu neuen Ufern!“ – Das werden Sie ma-
    chen. Sie können das; das wissen wir. Aber bis dahin
    haben wir zuviel Zeit verloren. Je schneller Sie es ma-
    chen, desto besser für Deutschland.

    Danke.

    (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grü-
nen, Rezzo Schlauch.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rezzo Schlauch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
    lege Gerhardt, mich überraschen Sie und Ihre F.D.P.
    nicht. In Rheinland-Pfalz sind Sie für die erleichterte
    Einbürgerung – 3 000 Stimmen über den Durst in Hes-
    sen, dann schmeißen Sie sich ohne zu Zögern an die
    Seite von Stoibers Sendboten, der auf übelste Weise ge-
    gen jede Form von Doppelstaatlichkeit polemisiert hat
    und der Ihnen in Hessen jede Reform versagt. In Bonn
    schließlich sind Sie für ein starkes Sowohl-Als-auch.
    Herr Gerhardt, eine Partei, die für alles offen ist, ist für
    mich nicht ganz dicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Ich verstehe Ihren Ärger!)


    Ich kann Ihnen ja Ihre 5,1 Prozent gönnen. Aus meiner
    Erfahrung mit 6,7 Prozent wünsche ich Ihnen viel Spaß
    in Hessen!


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Wir sehen uns ja bei der Beratung wieder!)


    Wir haben in Hessen verloren – das ist richtig –, und
    zwar an diesem im wahrsten Sinne schwarzen Sonntag.
    Wir nehmen diesen Warnschuß ernst, wir nehmen ihn
    nicht auf die leichte Schulter, und wir haben die Bürge-
    rinnen und Bürger an diesem Punkt verstanden. Wir als
    Grüne sollten als allererste davon lernen; wir müssen
    insgesamt lernen, unsere Arbeit in Bonn besser zu tun.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Eines werden wir mit Sicherheit nicht: Wir werden nie
    so langweilig, nie so statisch und nie so rückwärtsge-
    wandt werden wie die alte Regierung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Bundeskanzler, Sie haben neulich gesagt, Sie
    seien der „Kanzler aller Autos“. Wenn Sie der „Kanzler
    aller Autos“ sind, dann sind wir Grünen der ADAC. Wir
    werden mithelfen, den Reformstau aufzulösen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Bulldozer!)


    Meine Damen und Herren, wo gehobelt wird, da fal-
    len Späne; das wissen wir alle. Das ist allemal besser,
    als wenn die Regierungswerkstatt nur ab und zu von
    dem Regierungsvorsteher besucht wird und dann ge-
    schaut wird, ob alle noch gut schlafen, der Staub des
    Stillstands aber liegenbleibt.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Das war das System von Schwarzgelb. Die Regierung
    Fischer und Schröder geht die Probleme an.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden – und wir haben es schon – den Staub des
    Stillstands wegfegen und werden die Regierungswerk-
    statt wieder in Fahrt bringen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Genießen Sie also Ihren hessischen Triumph, solange
    Sie noch können. Denn eins ist sicher: Diese Regierung
    ist nicht am Ende; wir fangen erst an!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Michael Glos [CDU/CSU]: Armes Deutschland! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ein Fehlstart nach dem anderen!)


    Herr Schäuble, Sie lachen. Bündnis 90/Die Grünen
    war nicht der einzige Verlierer der Hessenwahl. Die
    Wahl hatte noch einen Verlierer, und das sind Sie, Herr
    Schäuble. Am Wahlabend frohlockten Sie noch, Sie sei-
    en noch nie so stark gewesen. Das sei Ihnen an diesem
    Abend gegönnt! Schaut man aber genauer hin, so haben
    nicht Sie, sondern hat Stoibers Sendbote die Wahl in
    Hessen gewonnen.


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


    Die Wahl hatte ein eindeutiges Ergebnis, das wir heute
    besichtigen können: Künftig gibt es bei Ihnen mehr
    Stoiber und weniger Schäuble.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Leider!)


    Herr Schäuble, wer mit Herrn Stoiber zusammen in der
    ersten Reihe sitzt, der sitzt – das kann Ihnen Herr Wai-
    gel gut erzählen – sehr bald in der zweiten Reihe.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Ausgesprochen dummes Zeug!)


    Vorbei sind die Zeiten, in denen Sie, Herr Schäuble,
    in der Rolle des dialogoffenen Konservativen glänzen
    konnten. Ihre Unterschriftenkampagne hat die Bevöl-
    kerung gespalten, und der Riß geht mitten durch Ihre ei-
    genen Reihen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das würden Sie sich wünschen!)


    Herr Schäuble weiß aus Baden-Württemberg, daß dort
    die Unterschriftenlisten in den Kreisgeschäftsstellen der
    CDU vergammeln. Sie haben eine Lawine losgetreten,
    die donnernd zwischen Ihnen und der „Neuen Mitte“
    niedergegangen ist.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Sie haben sich rechts davon gestellt, und dort sitzen Sie
    fest.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie werden sie auch nicht zurückgewinnen, wenn Sie
    die Kurdenkrawalle instrumentalisieren, wie Sie es in
    der letzten Woche getan haben. Sie werden sie insbe-
    sondere nicht vor dem scheinheiligen Hintergrund zu-
    rückgewinnen, daß Ihre Regierung mit der PKK paktiert
    hat und sich Abgeordnete von Ihnen mit Herrn Öcalan
    haben ablichten lassen.


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, echt? – Weiterer Zuruf von der SPD: Wer war das?)


    – Herr Lummer hat sich mit Herrn Öcalan getroffen und
    mit ihm paktiert.

    Wir Grünen erteilen jeglicher Form von Gewalt eine
    klare Absage, und unser Rechtsstaat hat alle Mittel, um
    der Gewalt Herr zu werden. Diese werden wir anwenden.
    Nur ein souveräner Staat ist ein starker Staat und nicht
    derjenige, der immer nach schärferen Gesetzen ruft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir werden die Kluft, die in den letzten Jahren zwi-
    schen Staat und Gesellschaft entstanden ist, wieder
    schließen. Wir setzen auf Gesellschaftspolitik statt auf
    puren Machterhalt und pure Machtpolitik.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein!)

    Gesellschaftliche Diskussionen haben wieder Platz in
    diesem Parlament, und das zeigt auch die Diskussion
    über die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die
    Sie 16 Jahre lang verschlafen haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ein Staat, der große Teile seiner Bevölkerung von der

    Partizipation ausschließt, hat sich ein Problem geschaf-
    fen. Meine Damen und Herren, Sie hatten bisher vier
    Jahre lang Gelegenheit, beispielsweise mit unserem
    Kollegen Herrn Özdemir zu sprechen und ihn zu erle-
    ben. Ich kann nur sagen: Die Menschen, die hier gebo-
    ren sind und dauerhaft hier leben, sind doch ein Gewinn
    für diese Gesellschaft und dieses Parlament. Wir sollten
    sie in diesem Land willkommen heißen und ihre Einbür-
    gerung erleichtern, statt sie wegzudrücken. Vielleicht
    verdrängen Sie das aber nur deshalb, weil es mehr Men-
    schen wie Herrn Özdemir gibt


    (Zuruf von der CDU/CSU: Hat er einen zweiten Paß?)


    und Sie vor solchen Menschen möglicherweise Angst
    haben.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Welches Modell wollen Sie?)


    Dabei ist doch die doppelte Staatsbürgerschaft –
    Herr Gerhardt, das wissen Sie doch ganz genau – nie ein
    Ziel für uns gewesen,


    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    sondern nur eine Übergangsform. Sie war doch kein
    Selbstzweck. Ich gebe Ihnen ein gutes Beispiel, das Sie
    wahrscheinlich kennen.

    Ich komme aus Stuttgart, und dort gibt es eine Firma,
    die früher Daimler-Benz hieß. Heute heißt diese Firma
    Daimler-Chrysler. Ist das jetzt eine deutsche Firma, ist
    es eine amerikanische Firma? In der Wirtschaft interes-
    siert der Status dieser Firma keinen Menschen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Was sind die Beschäftigten?)


    Rezzo Schlauch






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Was für die Wirtschaft gilt, muß doch erst recht für die
    Menschen gelten. Wir werden unsere Politik für die
    Menschen machen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Welches Modell?)


    Jetzt frage ich Sie: Was ist für das außenpolitische
    Ansehen unseres Landes besser: eine Regierung, die
    nach außen immer Weltoffenheit gepredigt und im In-
    nern nichts, aber auch gar nichts dafür getan hat, oder
    eine Regierung, in der Innen- und Außenpolitik im Ein-
    klang stehen? Ich sehe es Ihnen an, Herr Gerhardt, und
    merke es, wenn Sie hier reden, wie es Sie jeden Tag in-
    nerlich zerfrißt, daß nach nur 120 Tagen die ganze Welt
    das F.D.P.-geführte Außenamt längst vergessen hat. Fi-
    scher ist frischer, Deutschland hat endlich wieder einen
    Außenminister, der nicht nur redet, sondern auch weiß,
    wovon er spricht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Herr Schäuble, das kann man von Ihrer Fraktion leider
    nicht sagen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das ist alter Wein im neuen Schlauch!)


    Herr Rühe, der ja nicht irgendwer, sondern Ihr Stell-
    vertreter ist, sagt in der „Saarbrücker Zeitung“ vom 20.
    Januar dieses Jahres: Fischer schielt auf die eigene Basis
    anstatt auf die Toten im Kosovo. Das ist auf dem Hin-
    tergrund des Engagements unseres Außenministers ein
    unglaublicher Vorgang, der an Schäbigkeit, Verlogen-
    heit und Anstandslosigkeit nicht zu überbieten ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich fordere Sie auf – entweder ihn selbst oder Sie –,
    sich für diese Aussage zu entschuldigen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zeigen Sie so, daß die CDU wieder zur außenpolitischen
    Verantwortung unseres Landes steht und sich nicht da-
    von verabschiedet. Ob Sie es wollen oder nicht – ich zi-
    tiere jetzt den geschätzten Kollegen Struck, der dies
    sagte; dem ist nichts hinzuzufügen –: Fischer ist der be-
    ste Außenminister seit Willy Brandt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


    – Ich weiß, daß Ihnen das weh tut.
    Aber auch in einem anderen Bereich ist die Gesell-

    schaft weiter als die Politik. Es ist der Bereich der dy-
    namischen Beschäftigungsverhältnisse. Mit der Neure-
    gelung der 630-DM-Jobs – das ist doch keine Frage –
    hatten wir Schwierigkeiten. Aber diese Diskussion hat
    uns gezeigt, daß diese 630-Mark-Regelung eben noch
    viel zu statisch ist. Was wir nicht wollen, ist ein Entwe-
    der-Oder: Entweder keine soziale Sicherheit oder volle
    Abgabenlast.

    Angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen müssen wir
    alles daransetzen, um Arbeitskraft zu mobilisieren. Der
    Arbeitswille der Menschen darf nicht an unflexiblen
    rechtlichen Lösungen scheitern. Wir stellen uns dieser
    Herausforderung. Wir wollen dabei mehrere Fliegen mit
    einer Klappe schlagen: Wir wollen neue Impulse für den
    Arbeitsmarkt, neue Chancen für Niedrigqualifizierte und
    neue Möglichkeiten für Eltern, Familie und Beruf mit-
    einander vereinbaren. Die dynamischen Beschäftigungs-
    verhältnisse müssen Sprungbrett in den statt Rutschbahn
    aus dem Arbeitsmarkt werden.

    Bislang gibt es dazu viele Modelle und viele Tabus.
    Es gilt, die Modelle auf ihre Praxistauglichkeit zu über-
    prüfen und die Tabus zu überwinden. Arbeit statt Ar-
    beitslosigkeit finanzieren, haben wir im Wahlkampf ge-
    sagt. Diese Leitlinie haben wir noch nicht ganz ausge-
    füllt. Im Bereich der dynamischen Beschäftigungsver-
    hältnisse haben wir die Chance und stehen wir in der
    Pflicht, diesen Anspruch auf der Grundlage europäischer
    Arbeitskultur auch zu verwirklichen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Noch an einem anderen Thema zeigt sich, warum die
    Regierung von gestern die Opposition von heute ist. Ich
    spreche von der Energiepolitik. Über Jahre haben CDU
    und F.D.P. eine Energiepolitik gegen die Interessen der
    Bevölkerung betrieben. Sie, Frau Merkel – ich sehe sie
    gerade nicht, sie war vorhin da –, haben die Castortrans-
    porte regelrecht inszeniert, um die Gesellschaft zu spal-
    ten, um den starken Staat mit Tausenden von Polizeibe-
    amten zu exekutieren, ohne Not und ohne Notwendig-
    keit.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Mit dieser Politik ist Schluß. Wir setzen auf eine neue
    Energiepolitik, die nicht gegen, sondern für die und mit
    der Gesellschaft betrieben wird. Die neue Bundesregie-
    rung wird die Nutzung der Atomkraft beenden. Es ist
    nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch die Frage,
    wie ausgestiegen wird. Dabei gibt es auf der Seite der
    Atomindustrie, die keineswegs nur mit einer Stimme
    spricht, sowohl Falken als auch Tauben. Dieser Teil des
    Hauses scheint sich offensichtlich mit den Falken ver-
    binden zu wollen. Wir sind allerdings verläßliche Part-
    ner, Herr Bundeskanzler, gemeinsam mit unserem Um-
    weltminister Trittin.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    – Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn wir mit den
    reformwilligen Menschen in der Atomwirtschaft Kon-
    sensgespräche führen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wir jedenfalls wollen mit diesen reformwilligen Kräften
    in der Frage der Restlaufzeiten und der Wiederaufbe-
    reitung zu akzeptablen Ergebnissen kommen. Allerdings
    erwarten wir dann genauso die Unterstützung, wenn wir
    an den Falken wie Ihnen scheitern sollten und im Bun-
    destag eine gesetzliche Regelung beraten und verab-
    schieden müßten.

    Rezzo Schlauch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich appelliere an alle, die in den letzten Jahren mit
    uns für den Ausstieg aus der Atomkraft gekämpft haben:
    Auch wenn wir einen längeren Weg gehen müssen, wer-
    den wir am Ziel ankommen. Bei uns wird der Castor
    nämlich aufs Abstellgleis gestellt.

    Die Atomkraft ist ja nicht nur gesellschaftlich, sondern
    auch wirtschaftlich gescheitert. Sie von der Opposition
    tragen die Verantwortung beispielsweise dafür, daß die
    Menschen in den neuen Ländern von den Strommonopo-
    listen abgezockt werden. Es ist doch kein Grund ersicht-
    lich, daß die Menschen in den neuen Ländern 20 Prozent
    mehr für ihren Strom zahlen als im Westen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Ängste der Beschäftigten in der Atomindustrie
    und deren Familien lassen uns nicht kalt. Durch die För-
    derung neuer Energietechnologien werden wir ungleich
    mehr zukunftssichere Jobs schaffen. Wir schaffen das
    weltweit eindrucksvollste Programm zur Förderung der
    Sonnenenergie. Wo war denn da der Herr Rexrodt? Er
    hat doch in dieser Frage acht oder zehn Jahre lang ge-
    schlafen. Wir schaffen damit neue Anreize für Zu-
    kunftsmärkte und Jobs.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Diese neue Energiepolitik hat einen klaren Gewinner
    in der Wirtschaft: den Mittelstand und das Handwerk in
    allen Regionen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


    An den Grünen scheitert eine Wirtschaftspolitik für die-
    se „Neue Mitte“ nicht. Wir wissen um die Bedeutung
    der kleinen und mittleren Unternehmen für die Schaf-
    fung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Deshalb re-
    det die neue rotgrüne Regierung nicht von Mittel-
    standspolitik, sondern sie macht sie. Das heißt in harten
    Zahlen: Der Mittelstand wird im neuen Haushalt gegen-
    über den Ansätzen der Vorgängerregierung um 3,5 Mil-
    liarden DM entlastet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zum erstenmal seit Jahren sinken wieder die Lohnne-
    benkosten. Menschliche Arbeit wird für die Unterneh-
    men endlich wieder billiger. Neue Beschäftigungsanrei-
    ze entstehen.

    Herr Schäuble und meine Damen und Herren von der
    Opposition, vielleicht werden Sie sich in den nächsten
    Tagen und Wochen schwarz ärgern, wenn Sie Anzeigen
    mit der Überschrift „Unsere Antwort auf die Ökosteuer –
    die Benzinsparmodelle“ in den Illustrierten lesen. Interes-
    sant ist dabei, daß diese Anzeigen nicht von einem deut-
    schen, sondern von einem ausländischen Autokonzern ge-
    schaltet werden. Im Ausland hat man offensichtlich be-
    griffen, was wir mit der Ökosteuer wollen. Sie haben es
    nicht begriffen, oder Sie wollen es nicht begreifen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Einkommensteuerreform entlastet kleine und
    mittlere Einkommen. Die Verlierer Ihrer Politik erhalten
    so endlich einen gerechten Ausgleich.

    All dies schultern wir trotz der angespannten Haus-
    haltslage, trotz der hohen Verschuldung und trotz des
    Erbes der Vorgängerregierung. Wir haben in diesem
    Haushalt auch erreicht, daß die Neuverschuldung sinkt.
    Unser Ziel ist ein Haushalt im Gleichgewicht.

    Die eigentliche Herausforderung liegt mit dem Haus-
    halt 2000 allerdings noch vor uns. Mit diesem Haushalt
    werden wir all das anpacken, was sie haben liegenlas-
    sen. Wir werden die Staatsfinanzen konsolidieren. Wir
    werden die Unternehmensteuerreform endlich anpacken.
    Wir werden die Renten auch für die jüngeren Generatio-
    nen sichern. Wir werden die Gesundheitsreform auf den
    Weg bringen.

    Nicht zuletzt, sondern zuvorderst werden wir – jetzt
    komme ich zu Ihnen, Herr Schäuble – das Urteil des
    Bundesverfassungsgerichts in Sachen Familie umset-
    zen.


    (Zurufe von der CDU/CSU – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]: Verfassungsbrecher sind Sie!)


    Wer für ein Urteil verantwortlich ist, das besagt, daß
    Familien in den letzten Jahren 22 Milliarden DM vor-
    enthalten worden sind – dieses Urteil ist an Sie und nicht
    an uns gegangen –, der sollte für meine Begriffe vom
    Wert der Familie ganz bescheiden reden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Diesen Beschluß haben wir Ihrer Politik zu verdan-
    ken, die über Jahre hinweg die materiellen und damit
    auch die ideellen Grundlagen der Familien hat erodieren
    lassen. Sie haben die Familie im Munde geführt, aber in
    Ihrer praktischen Politik nichts anderes getan, als die
    Deregulierung, die Globalisierung und Materialisierung
    unserer Gesellschaft auf dem Rücken der Menschen und
    ihrer Familien zu betreiben.


    (Beifall bei der SPD)

    Die neue rotgrüne Politik wird mit dieser Politik zu La-
    sten der Menschen und der Familien Schluß machen.

    Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zeigt
    uns aber auch, wie tief das Mißtrauen in die Handlungs-
    fähigkeit der alten Politik war. Das hohe Gericht schreibt
    bis ins Detail vor, wie die finanziellen Verhältnisse von
    Familien zu verbessern sind. Diesen Auftrag nehmen
    wir an. Familie ist dabei für uns im Gegensatz zu Ihnen
    allerdings nicht durch Ideologie verengt. Auch ohne
    Trauschein gibt es, ob es die CDU will oder nicht,
    am Ende des 20. Jahrhunderts Lebensgemeinschaften
    mit Kindern, und auch die Alleinerziehenden sind
    Familien.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


    Wir wollen jede Form von Familie fördern. Für uns
    steht des Leben mit Kindern im Mittelpunkt und nicht
    die juristisch wie auch immer geartete Lebensgemein-

    Rezzo Schlauch






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    schaft der Eltern. Wir sind nicht nur in diesem Punkt
    das, meine Damen wnd Herren Kollegen von der
    F.D.P., was Sie einmal waren: In diesem Punkt sind wir
    liberal.


    (Widerspruch bei der F.D.P.)

    Heute ordnet die F.D.P. dem Primat des schlanken

    Staates alles unter. Sie sind verliebt in ein Mißverständ-
    nis der Idee von Adam Smith, nämlich den Nacht-
    wächterstaat. Es ist kein Zufall, Herr Gerhardt, daß das
    Thema Kinder in Ihrer gesamten Rede nicht vorgekom-
    men ist.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Doch!)

    Ihre Politik ist ohne Herz, ist ohne Rationalität, sie ist
    einfach nur kalt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir vollziehen den Kurswechsel zugunsten der Fa-
    milien. Dazu gehört, daß in der Haushalts- und Renten-
    politik die Lasten nicht weiter den kommenden Genera-
    tionen aufgebürdet werden. Wir wollen einen neuen Ge-
    nerationenvertrag, der diesen Namen auch wieder ver-
    dient. Wir wollen einen Generationenvertrag, dessen
    Grundlage die Generationengerechtigkeit ist.

    Hier sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir
    uns alle einmal an die eigene Brust klopfen sollten.
    Wenn der Bundespräsident Herzog in Berlin davon re-
    det, es müsse ein Ruck durch diese Gesellschaft gehen,
    dann gibt es Beifall durch alle Reihen. Wenn aber nur
    ein Rückle angekündigt wird, wie beispielsweise von
    Herrn Riester, dann sagen alle: So haben wir es aber
    nicht gewollt. Das wollen wir nicht. – Das ist unglaub-
    würdig. Wenn wir diesen Punkt wollen und brauchen,
    dann sollten wir ihn auch gestalten


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sprechen sie bitte in Richtung der Sozialdemokraten!)


    und in diesem Punkt zusammenarbeiten. Das biete ich
    Ihnen in der Frage der Rentenstrukturreform aus-
    drücklich an.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Da bin ich gespannt!)


    Zu einer Politik zugunsten der Familien gehört auch,
    daß wir die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
    ermöglichen. Im „Bündnis für Arbeit“ setzen wir uns
    für flexible Arbeitszeitmodelle ein, denn sie bringen
    nicht nur mehr Menschen in Arbeit, sie erleichtern auch
    für junge Väter und Mütter den Einstieg in das Berufsle-
    ben. Unsere Ministerin Andrea Fischer wird in diesem
    „Bündnis für Arbeit“ dafür sorgen, daß diese Punkte mit
    behandelt werden und die grüne Stimme nicht verloren-
    geht.

    Die Bundesregierung hat der Jugendarbeitslosigkeit
    den Kampf angesagt. Herr Schäuble, wer das Programm
    zur Schaffung von 100 000 Arbeitsplätzen so abhandelt
    wie Sie, wer sagt, daß wir damit die Jugendlichen ruhig-
    stellen,


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich!)


    der nimmt eine menschenunwürdige Haltung gegenüber
    diesen Jugendlichen ein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


    Zu dieser Haltung kann ich nur sagen: Wir kümmern
    uns um die, die unten sind. Sie mögen sich um die
    kümmern, die oben sind, obwohl die selber durchkom-
    men. Unsere Solidarität gilt denen, die hier Schwierig-
    keiten haben, und nicht denjenigen, die sowieso schon
    oben auf der Karriereleiter sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir wollen wieder allen Jugendlichen einen Einstieg
    in das Arbeitsleben ermöglichen. Qualifikation ist hier-
    für die zentrale Bedingung. Bildung ist, wie Bundesprä-
    sident Herzog es ausgedrückt hat, das Megathema der
    Zukunft. Dem tragen wir bereits im Haushalt 1999
    Rechnung. 1 Milliarde DM mehr wird in die Bildung
    unserer Kinder investiert. Unser Ziel ist die Verdoppe-
    lung der Investitionen für Bildung und Forschung. Dafür
    haben Sie in den letzten Jahren nichts anderes als Kür-
    zungen übriggehabt. Die jungen Menschen in unserem
    Land sind leistungsbereit. Sie sind fit für die Globalisie-
    rung. Unser Bildungssystem ist es nicht. Das werden wir
    ändern, indem wir eine zweite Bildungsreform auf den
    Weg bringen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir greifen heute das auf, was Kollege Geißler lange
    zurück in der Vergangenheit begonnen hat. Kollege
    Geißler war damals schon auf dem richtigen Weg. Wäre
    seine Partei Herrn Geißler gefolgt, ginge es den Famili-
    en heute bei weitem besser, und das Bundesverfas-
    sungsgericht hätte sein Urteil in dieser Form nicht ge-
    fällt. Die Besserstellung der Familien wird d a s Pro-
    jekt der rotgrünen Regierung sein. Das treibt uns um.
    Hieran haben wir bereits gearbeitet. Ich nenne nur die
    Stichwörter „Kindergeld“, „Entlastung der kleinen und
    mittleren Einkommen“ sowie „Erhöhung der Freibeträ-
    ge“. Hieran werden wir die nächsten Monate und Jahre
    mit Hochdruck arbeiten. Wir machen Haushaltspolitik
    nicht zum Selbstzweck. Wir machen Haushaltspolitik
    für die Familien und die Menschen in unserem Land.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)