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ID1402006900

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. nunder: 1
    5. Kollege: 1
    6. Dr.: 1
    7. Rössel,: 1
    8. PDS-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Oswald Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Kollege Schauerte, in der Tat ist es richtig: Die neue
    Koalition hat etwas ausgesetzt, was die Renten ab
    1. Juli dieses Jahres nur um etwa 0,3 Prozent weniger
    hätte steigen lassen als die Bruttolohnsteigerung des
    Vorjahres. Sie wissen, daß wir als Regierungsfraktion
    den demographischen Faktor in unserem Wahlpro-
    gramm vorgesehen hatten; das zum Thema „versprochen
    und gehalten“. Die Aussetzung bietet der neuen Regie-
    rung und auch dem neuen Sozialminister – daß er nach-
    denkt, das merken Sie an seinen Äußerungen; er denkt
    in einer Richtung nach, die ich für begrüßenswert halte –
    die Chance, diese Debatte im Einklang mit dem Koali-
    tionspartner so zu führen, daß eine Begrenzung des
    Wachstums der Ausgaben möglich wird. Daraus mache
    ich hier keinen Hehl: Es gibt eine Gesamtverantwortung.
    Fakten kann man nicht wegdiskutieren. Versicherungs-
    mathematik ist kein Geheimnis. Man braucht nur zwei
    und zwei zusammenzuzählen. Aber man muß es auch
    politisch fundieren.

    Die Rentenreform der alten Koalition hat nämlich
    gleichzeitig die Berufs- und die Erwerbsunfähigkeits-
    renten bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, was eine
    soziale Schieflage bewirkt hat und was wir daher zu
    Recht abgelehnt haben. Trotzdem war der demogra-
    phische Faktor richtig. Sie haben den übrigens auch erst
    nach 16 Jahren Regierung eingeführt. Blüm war
    schließlich der Rentenminister, der über lange Zeit hin-
    weg betont hat: Die Renten sind sicher. – Daß sie es
    nicht waren und sind, merkt die heutige Generation.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Schauen Sie sich die Absetzbewegungen der jungen
    Menschen von der gesetzlichen Rentenversicherung
    doch an. Das ist ein Alarmzeichen.

    Kollege Schauerte, man sollte das Richtige tun, wenn
    man an der Regierung ist, und zwar rechtzeitig. Wir sind
    erst vier Monate an der Regierung. Wenn wir die Bring-
    schuld in zwei Jahren noch immer nicht erfüllt haben,
    dann lasse ich Ihren Vorwurf uneingeschränkt gelten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich werde Sie daran erinnern!)


    Wir haben auch in der Krankenversicherung Re-
    formen vorzunehmen. Zum Stichwort „Generationen-
    verantwortung“ berühre ich in der heutigen Debatte ganz
    bewußt auch solche Themen, bei denen Selbstlügen un-
    serer Generation über lange Zeit hinweg aufrechterhal-
    ten wurden. Auch in der Krankenversicherung gibt es
    keine beliebige Geldvermehrung. Selbst wenn die Kran-

    kenkassen durch den abzuführenden Sozialversiche-
    rungsbeitrag bei den 630-Mark-Jobs mehr Geld bekom-
    men, werden sie unter dem Konsolidierungsdruck lei-
    den.

    Meine Kollegin Andrea Fischer als Gesundheitsmini-
    sterin arbeitet an einem Konzept – auch der Kollege
    Dreßler und andere Gesundheitspolitiker der SPD ar-
    beiten daran –, das auf der Seite der Nachfrager nicht
    den Eindruck erweckt, man verteile nur Budgets zwi-
    schen Zahnärzten, Hausärzten, Krankenkassen, ambu-
    lanter und stationärer Versorgung. Man muß auch bei
    den Leistungsnachfragern, das heißt den Versicherten,
    ansetzen. Eigenverantwortung in einer Gesellschaft ist
    nichts Schlechtes.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich habe den Eindruck, wir müssen diesen Gesichts-
    punkt sozialpolitisch neu diskutieren. Eine Gesellschaft
    kann auch Ansprüche an ihre Bürgerinnen und Bürger
    stellen. Die Haltung, das sei nur eine Einbahnstraße, ist
    nicht richtig.


    (Zuruf des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])

    – Der Zwischenruf kommt zu früh. Haben Sie gehört,
    was der Finanzminister heute früh zu dem Thema „An-
    gebot von Arbeitsplätzen im Bereich des Jugendar-
    beitslosigkeitsprogramms“ gesagt hat, was Herr Zwickel
    von der IG Metall gesagt hat? Leute, die vermeintlich in
    Schützengräben sitzen, denken über den Tellerrand hin-
    aus oder fangen zumindest damit an. Der Finanzminister
    hat gesagt: Wenn der Staat Qualifizierungsmaßnahmen
    und/oder Arbeitsplätze anbietet, kann er dem einzelnen
    Betroffenen auch sagen: Falls du diese Tätigkeit nicht
    annimmst, wird die Leistung gekürzt. – Das ist geltendes
    Gesetz: § 25 Bundessozialhilfegesetz.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Staat kann von seinen Bürgerinnen und Bürgern
    unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten etwas verlangen.
    Sozialstaat heißt nicht, Sozialpolitik so zu betreiben, daß
    Mitnahmeeffekte augenzwinkernd zugelassen werden.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Sehr gut!)

    Vielmehr muß der Staat mit seiner Sozialpolitik Anreize
    bieten. Zum einen dürfen Leute, die unverschuldet in
    Not geraten, nicht in der Gosse landen. Zum anderen
    muß ein Anreiz geschaffen werden, beispielsweise durch
    höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten, die nicht sofort
    mit der Sozialhilfe verrechnet werden, einer Tätigkeit
    nachzugehen. Es muß aber auch das Mittel der sanften
    Peitsche geben, nämlich mögliche Leistungskürzungen.

    Diese Debatte – davon bin ich überzeugt – kann man
    sowohl in der gesellschaftspolitischen Linken dieser Re-
    publik als auch im konservativen Lager führen. Die mei-
    sten Leute haben ein Sensorium dafür entwickelt, daß es
    mit einer uneingeschränkten Anspruchshaltung gegen-
    über dem Staat nicht weiter funktioniert. Sozialstaat der
    Zukunft, sozialer Konsens in einer Gesellschaft, ökolo-
    gische Rücksichtnahme und Nachhaltigkeit verlangen
    der Politik eine Verantwortungsethik ab, die sich nicht

    Hartmut Schauerte






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    mit Beliebigkeitsfloskeln wie „Alles weiter wie bisher“
    begnügen kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der F.D.P.)


    Diese Diskussion, meine Damen und Herren, liebe
    Kolleginnen und Kollegen, müssen wir auch in die Ge-
    sellschaft hineintragen. Schauen Sie sich einmal an – ich
    sehe bewußt auf die sozialdemokratischen Bänke –, wie
    in den Gewerkschaften in den letzten zehn Jahren die
    Debatte zum Thema „Sozialstaat“ läuft! Ich weiß es, ich
    habe einen Freund, der IG-Metall-Sekretär in Ulm ist. In
    seinem Geschäftsbereich haben sich in den letzten Jah-
    ren 30 Prozent und mehr der Mitgliedsfirmen aus dem
    Tarifverband ausgeklinkt. Betriebsräte, die der IG Me-
    tall angehören, haben zum Zwecke der Arbeitsplatz-
    sicherung teilweise über zwei oder drei Jahre Abschläge
    beim Weihnachtsgeld, beim Urlaubsgeld hingenommen,
    haben lange, bevor Öffnungsklauseln in den Flächen-
    tarifverträgen enthalten waren, Flexibilisierungen be-
    schlossen. Die haben eine gesellschaftliche Entwicklung
    antizipiert und dazu beigetragen, daß in den Gewerk-
    schaften insgesamt diese Debatte geführt wird. Im Ar-
    beitgeberlager ist es das gleiche. Sehen Sie sich doch
    einmal an, wie viele Arbeitgeberfunktionäre tatsächlich
    das aussprechen, was ihre Mitgliedsfirmen denken! Es
    sind extrem wenige. Wenn wir als Politiker in den
    Schützengräben bleiben, einander nicht zuhören, sofort
    mit einem pawlowschen Reflex ablehnend auf etwas
    reagieren, was von der falschen Seite kommt, dann wer-
    den wir die Probleme dieser Gesellschaft nicht lösen
    können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir werden viel Hirnschmalz und auch Überzeu-
    gungsarbeit darauf verwenden müssen, diese Vorsätze
    umzusetzen. Aber halten Sie diese Regierung nicht für
    beratungsresistent. Wenn Ihnen vor zwei Monaten je-
    mand gesagt hätte, daß die Mittelstandskomponenten im
    Steuerentlastungsgesetz in der Richtung verändert wür-
    den, wie es jetzt gemacht wurde, so hätte das niemand
    geglaubt. Es sind bei Gott nicht nur Verschlechterungen,
    nach meiner Auffassung gibt es auch Verbesserungen.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo denn?)


    Ich weiß in den Bereichen Teilwertabschreibungen und
    Verlustrücktrag, von was ich rede. Auch im Bereich der
    Betriebsübergaben hat es im Laufe des Gesetzgebungs-
    verfahrens eindeutig Verbesserungen gegeben.


    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Immer noch schlecht genug!)


    Wenn Sie dies als Maßstab für Lernfähigkeit der Re-
    gierung nehmen, für Nicht-im-Glashaus-Sitzen, für Zu-
    hörenkönnen, für eine andere Kultur des gesellschafts-
    politischen Dialogs, dann ist mir nicht bange, daß die
    Regierung auch Wahlen gewinnen wird und Ihre Hoff-
    nung – der Vorredner, Herr Rexrodt, hat es formuliert –,
    daß ein Regierungswechsel in diesem Land buchstäblich
    vor der Tür steht, nicht trägt. Fragen Sie einmal den

    Durchschnittsbürger! Viele sind ganz praktisch veran-
    lagt und sagen: Die anderen waren 16 Jahre dran. – Wir
    sind als Demokraten in unserer Gesellschaft so frei und
    flexibel, daß wir Regierungen auch abstrafen können.
    Das geht absolut in Ordnung.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ihr straft ja die Wähler ab!)


    Ich bekenne mich als Grüner ausdrücklich dazu, obwohl
    wir bei der Hessenwahl eine auf die Mütze bekommen
    haben. Niederlage ist Niederlage, und Niederlagen muß
    man annehmen. Man muß daraus etwas machen, die Po-
    litik praktisch so justieren, daß sie vermittelbar ist. Man
    muß Lösungen für die Probleme der jungen Generation
    anbieten, damit man weiß, für was in der politischen
    Arena gekämpft wird. Aber die Flexibilität der Wähler-
    schaft geht nicht so weit, daß sie einem keine Chance
    einräumt, tatsächlich zu lernen und konzeptionell etwas
    anders zu machen.

    Ich möchte deswegen mit der Aussage, an die Oppo-
    sition gerichtet, schließen: Rechnen Sie mit uns, und
    zwar länger, als Ihnen lieb ist!

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun
der Kollege Dr. Rössel, PDS-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Rössel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Etat-
    entwurf 1999 ist dem Volumen nach der größte, der je
    von einer Bundesregierung vorgelegt wurde. Aber von
    der Einlösung rotgrüner Wahlversprechungen oder gar
    von einem Politikwechsel kann nur in Ansätzen die
    Rede sein. Positiv wird gewertet, daß für die aktive
    Arbeitsmarktpolitik etwa 6 Milliarden DM mehr als
    von der abgewählten Regierung eingestellt worden sind.
    Das ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Rich-
    tung. Jawohl, Herr Lafontaine, auch eine aktive Geld-
    politik mit weiter fallenden Zinsen wäre ein Beitrag zur
    Nachfrageankurbelung und zu mehr Beschäftigung.

    Angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit sind
    aber neue Wege zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
    einzuschlagen. Vorstellbar wäre beispielsweise ein
    öffentlich gefördertes Programm für die Schaffung von
    zukunftsfähigen Arbeitsplätzen gerade im sozialen und
    im soziokulturellen Bereich – also im Non-profit-
    Sektor –, wie es jetzt von der SPD/PDS-Koalitions-
    regierung in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet
    worden ist. Damit könnten in der Tat neue Dauerarbeits-
    plätze geschaffen werden. Auch für die neuen Bundes-
    länder sollen im Haushalt die Mittel aufgestockt werden.
    Es kommt jetzt aber darauf an, diese Mittel so zielge-
    richtet einzusetzen, daß ein selbsttragender Aufschwung
    in Ostdeutschland nicht länger zur bloßen Worthülse
    verkommt. Die Menschen zwischen Kap Arkona und
    dem Thüringer Wald erwarten das.

    Trotz mancher positiver Ansätze ist der vorgelegte
    Budgetentwurf in großen Teilen tatsächlich eine Fort-

    Oswald Metzger






    (A) (C)



    (B) (D)


    schreibung des noch von Waigel erarbeiteten Haus-
    haltsentwurfs. Schon jetzt zeigt sich immer deutlicher,
    daß eine solche Haushaltspolitik in die Sackgasse gerät
    und vor allem in den kommenden Jahren erhebliche
    Risiken birgt. Viele Einnahmen in 1999 basieren auf
    Einmaleffekten – Stichwort Privatisierungserlöse –,
    deren Wiederholung in den nächsten Jahren mehr als
    fraglich ist, die einfach in das Jahr 1999 verschoben
    wurden und die Haushaltsbilanz des Finanzministers
    ohne dessen eigenes Zutun aufbessern.

    Zudem ging die rotgrüne Bundesregierung bei der
    Verabschiedung des 99er Entwurfs im Januar noch von
    einer sehr optimistischen Erwartung hinsichtlich des
    Wirtschaftswachstums sowie des Steueraufkommens
    aus. Seither sind aber neue Unsicherheiten und Proble-
    me aufgetreten, die zur Kenntnis zu nehmen sind. Ich
    erinnere nur an die Konsequenzen aus den jüngsten Ur-
    teilen des Bundesverfassungsgerichts zu den Kinder-
    betreuungskosten sowie zu der Beamtenversorgung.
    Alleine die Umsetzung der Urteile zur Familienbesteue-
    rung wird ab 2000 mit jährlich zirka 22,5 Milliarden
    DM die öffentlichen Haushalte – darunter den Bundes-
    haushalt mit 10,2 Milliarden DM – belasten.

    Für den Haushalt erweist sich aber auch als belastend,
    daß das von der Bundesregierung anvisierte Wirt-
    schaftswachstum von 2 Prozent aller Voraussicht nach
    nicht erreichbar ist. Die anhaltenden Wirtschaftsturbu-
    lenzen in Rußland, Brasilien und in Teilen von Südost-
    asien haben die Konjunkturaussichten hierzulande wei-
    ter eingetrübt. Auch das nach wie vor zügellose Agieren
    globaler Hedge-Funds wirkt sich destabilisierend auf die
    Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem aus. Der In-
    ternationale Währungsfonds hat bei der Abwehr dieser
    Krisen und Finanzspekulationen auf der ganzen Linie
    versagt. Auch das G-7-Treffen der Finanzminister und
    Notenbankchefs am letzten Wochenende in Bonn, an
    dem Herr Lafontaine beteiligt war, hat keine greifbaren
    Ergebnisse zur Eindämmung der Währungs- und Ban-
    kenkrisen gebracht.

    Das weiter eingetrübte wirtschaftliche Umfeld ver-
    anlaßte sogar das regierungsnahe DIW, seine Wachs-
    tumsprognose auf 1,5 Prozent zurückzunehmen. Das
    Problem ist, daß jeder halbe Prozentpunkt weniger
    Wachstum 8 Milliarden DM weniger Steuereinnahmen,
    aber zugleich deutlich höhere Ausgaben zur Finanzie-
    rung der Arbeitslosigkeit bedeutet. All das sind Risiken,
    die zu berücksichtigen sind.

    Im Wahlkampf war von der rotgrünen Koalition
    vollmundig eine umfassende Wohngeldreform ver-
    sprochen worden. Tatsache ist aber, daß die im Haus-
    haltsentwurf veranschlagten Mittel von 4,02 Milliarden
    DM sogar noch um 800 Millionen DM unter dem
    Waigelschen Ansatz liegen. Das ist wirklich ein Skan-
    dal.


    (Beifall bei der PDS)

    Leidtragende sind Hunderttausende einkommens-

    schwache Familien sowie letztlich auch die Kommunen,
    die nämlich für fehlendes Wohngeld mit ihren Sozialhil-
    feetats bluten müssen.

    Die PDS verlangt daher von der Koalition, daß die
    versprochene Wohngeldreform mit dem Haushalt 1999
    endlich auf den Weg gebracht wird.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir erwarten ebenfalls, daß die seit Jahren eingefro-

    renen Mittel für die Städtebauförderung deutlich auf-
    gestockt werden, und zwar gerade deshalb, weil jede
    Mark Städtebaugeld bis zu 7 DM an privaten Investitio-
    nen nach sich zieht, mit denen Arbeitsplätze geschaffen
    werden können. Und das arg gebeutelte Bauwesen
    könnte unterstützt werden.

    Enttäuschend ist im Haushaltsentwurf auch die För-
    derung des Schienenverkehrs sowie des öffentlichen
    Personennahverkehrs. Während auf der einen Seite die
    Bahntarife ständig angehoben werden – in Ostdeutsch-
    land am 1. April um sage und schreibe 14 Prozent, was
    unerhört ist – und gleichzeitig eine Kahlschlagpolitik im
    Hinblick auf das öffentliche Verkehrsnetz betrieben
    wird, die bereits von der Vorgängerregierung begonnen
    wurde, heute aber nicht gebremst wird, schluckt auf der
    anderen Seite das unsägliche Prestigeobjekt Transrapid
    Unsummen von Geldern der Steuerzahlerinnen und
    Steuerzahler. Der Transrapid gehört endlich beerdigt,


    (Beifall bei der PDS)

    ebenso der Eurofighter, der einen politischen Anachro-
    nismus ohnegleichen darstellt.

    Von Nachhaltigkeit in der Ökologie, Herr Kollege
    Metzger, von der Sie sprachen, kann im Haushaltsent-
    wurf leider nicht die Rede sein. Sie selbst haben das ge-
    stern im Berichterstattergespräch von mehreren Kolle-
    gen erfahren.

    Wenn über den Bundeshaushalt diskutiert wird, darf
    der Blick auf die Länder- und auf die Kommunalhaus-
    halte nicht ausbleiben. Die Verschuldung der öffentli-
    chen Haushalte betrug Ende September – das sind die
    neuesten Zahlen – immerhin 2 218 Milliarden DM. Da-
    von entfallen auf den Bund einschließlich der benannten
    Sonder- und Nebenhaushalte 1 437 Milliarden DM –
    eine unvorstellbare Summe. Insgesamt beträgt die Pro-
    Kopf-Verschuldung der öffentlichen Hand in der Bun-
    desrepublik Deutschland sage und schreibe 27 215 DM;
    das ist eine riesige Hypothek für die Zukunft, die den
    Finanzminister wie auch uns alle nicht ruhig schlafen
    lassen kann.

    Die Handlungsfähigkeit der Kommunen wird durch
    mangelnde Finanzen immer mehr eingeschränkt. Anstatt
    die Rahmenbedingungen für die kommunale Selbstver-
    waltung so zu verbessern, wie es notwendig ist, will die
    Koalition offenkundig jetzt sogar die Gewerbesteuer –
    eine traditionell wichtige Steuereinnahme der Städte und
    Gemeinden – abschaffen und damit einer weiteren Aus-
    zehrung der Kommunalfinanzen Vorschub leisten. Das
    lehnen wir ab.


    (Beifall bei der PDS)

    Die PDS fordert in Übereinstimmung mit den kom-

    munalen Spitzenverbänden: Hände weg von der Gewer-
    besteuer! Wer die Gewerbesteuer abschafft, greift nicht
    nur eine jahrelang erhobene Forderung der F.D.P. auf,

    Dr. Uwe-Jens Rössel






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    die die F.D.P. nicht einmal in der Kohl-Regierung
    durchsetzen konnte – das wollen wir an dieser Stelle
    nicht verschweigen –,


    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Eine ungerechte Steuer!)


    sondern zerschlägt, Herr Kollege Koppelin, das Band
    zwischen ortsansässiger Wirtschaft und den Kommunen.
    Die Kommunen brauchen zur Finanzierung ihrer Infra-
    struktur auch die Gelder der Unternehmen, denn diese
    nutzen die Infrastruktur ja auch.

    Die PDS verlangt daher eine Reform der Kommunal-
    finanzierung. Die Städte und Gemeinden brauchen sta-
    bile eigene Steuereinnahmen. Eine kommunale Investi-
    tionspauschale des Bundes könnte in Ostdeutschland,
    aber auch in westdeutschen Regionen, die struktur-
    schwach sind, viel zur Verbesserung der Infrastruktur
    beitragen.

    Ferner muß mit der Praxis Schluß gemacht werden,
    wonach sich zuerst der Bund bzw. die Europäische Uni-
    on und dann die Länder aus den öffentlichen Geldern
    bedienen und nur das wenige, das dann noch übrigbleibt,
    in die kommunalen Kassen fließt. Umgekehrt muß ein
    Schuh daraus werden.


    (Beifall bei der PDS)

    All das zeigt, daß diese und weitere Haushaltspro-

    bleme mittel- und langfristig weder durch Kürzungen im
    sozialen und ökologischen Bereich noch durch umfas-
    sende Privatisierungen gelöst werden können. Notwen-
    dig ist die Mobilisierung neuer, stabiler Einnahmequel-
    len gerade durch Verwirklichung des Grundsatzes der
    Umverteilung von oben nach unten. Die Wiedereinfüh-
    rung der Vermögensteuer gehört ebenso dazu wie die
    konsequente Besteuerung der auswuchernden interna-
    tionalen Finanztransaktionen.

    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der PDS)