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ID1402002100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
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    Rede von Uta Zapf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und
    Herren! Ich würde mir wirklich wünschen, daß wir in
    dieser sehr komplizierten innen- und außenpolitischen
    Konfliktlage zu einer Besonnenheit zurückfänden, wie
    wir sie in den Jahren 1993, 1994 und 1996 gemeinsam
    aufgebracht haben. Ich bedaure ausdrücklich, daß der
    Konsens, der damals in gemeinsamen Entschließungen
    zu demselben Problem, wie es sich uns heute darstellt,
    möglich war, offensichtlich zerbrochen ist.

    Wir haben damals gemeinsam gegen die Gewaltan-
    wendung von allen Seiten protestiert. Wir haben ge-
    meinsam die PKK und ihre gewalttätigen Aktionen ver-
    urteilt. Wir haben gemeinsam an alle Kurden appelliert,
    zur Gewaltlosigkeit zurückzufinden. Wir haben uns
    gemeinsam darüber gefreut – das könnten wir auch
    heute wieder einmal tun –, daß die demokratischen, ge-
    waltfreien Kurdenorganisationen hier in der Bundesre-
    publik ausdrücklich zu Gewaltfreiheit aufgerufen haben.

    Wir haben an die Türkei appelliert, ihrerseits eine
    gewaltsame Bekämpfung unter dem Siegel der reinen

    Terrorismusbekämpfung nicht als einziges Mittel zur
    Lösung dieses Problems zu betrachten. Wir haben aus-
    drücklich gesagt, daß es keine militärische Lösung ge-
    ben kann, sondern daß es eine politische Lösung des
    Problems geben muß. Ich finde, wir sollten uns die An-
    träge, die wir damals gemeinsam beschlossen haben,
    noch einmal genauer anschauen, um vielleicht doch
    noch gemeinsam zu einer Position zurückzukehren, die
    besser als die derzeitige Diskussion, wie sie Herr Mar-
    schewski hier geführt hat, geeignet ist, das Problem bei
    uns, aber auch generell zu lösen. Es ist ein innen- und
    ein außenpolitisches Problem zugleich. Das macht es so
    unendlich kompliziert.

    Ich finde die Kritik an der jetzigen Bundesregierung,
    die – unter der Güterabwägung, was am besten für den
    Frieden und für die innere Sicherheit dieses Staates ist –
    keine Auslieferung von Öcalan in die Bundesrepublik
    Deutschland beantragt hat, schlicht und ergreifend ver-
    logen, weil ich ganz sicher bin, daß Sie, wenn Sie noch
    auf der Regierungsbank säßen, genauso gehandelt hätten
    wie diese Regierung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben sich nämlich in der Vergangenheit – es ist
    schade, daß ich den Kollegen Schmidbauer nicht mehr
    sehe – genauso verhalten. Die Besonneneren unter Ihnen
    – auch im Auswärtigen Ausschuß – haben diese Politik
    unterstützt; denn es ist eine Güterabwägung, ob man
    sich die Auseinandersetzungen hier auf die Straße holt
    und damit noch eine Eskalationsstufe durch die eigene
    Politik provoziert.

    Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was hier
    schon von zwei Kollegen gesagt worden ist: Die vorhe-
    rige Bundesregierung hat eine ausdrückliche, wenn auch
    stillschweigende Politik der Deeskalation gegen die
    PKK betrieben. Wir haben das gebilligt, wenn auch
    ebenfalls stillschweigend; denn es war in der Tat klug –
    auch unter innenpolitischen Gesichtspunkten –, eine
    Deeskalationspolitik zu betreiben. Ich will jetzt nicht
    weiter darüber reden, wer nun alles nach Damaskus oder
    in die Bekaa-Ebene gewallfahrt ist. Ich appelliere aber
    an Sie, die Verlogenheit in diesem Punkte bitte nicht
    weiterzuführen.


    (Beifall bei der SPD)

    Unter außenpolitischen Gesichtspunkten können wir

    kein Interesse an einer tiefgreifenden Störung der
    deutsch-türkischen oder der europäisch-türkischen Be-
    ziehungen haben. Wir müssen im Gegenteil großes In-
    teresse daran haben, daß die Türkei in die europäische
    Politik integriert wird – nicht nur, weil sie NATO-
    Partner ist, nicht nur, weil wir einen großen Anteil an
    türkischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen in unserer
    Bevölkerung haben, sondern auch, weil es unser eigenes
    Interesse ist, Stabilität in dem betreffenden geographi-
    schen Raum zu unterstützen.

    Dabei sind, wie ich denke, zwei Dinge ausschlagge-
    bend. Auf der einen Seite die Frage: Wie können wir
    helfen, zur Demokratisierung, zum Aufbau der Men-
    schenrechte in der Türkei und zur politischen Lösung

    Petra Pau






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    dieses auch die Türkei enorm belastenden Problems bei-
    zutragen? Das ist uns bisher, auch wenn es Vorschläge
    aller Art gegeben hat, nur sehr mangelhaft gelungen.
    Das liegt zum Beispiel daran, daß die Türkei immer ge-
    leugnet hat, daß es ein solches Problem gibt. Sie hat
    immer gesagt, es gebe kein Kurdenproblem, sondern es
    gebe ein Terrorproblem. Alles könne erst dann geregelt
    werden, wenn der Terror besiegt sei. Daß sich dies als
    falsch erwiesen hat, wissen wir doch mittlerweile. Daß
    es eine politische Lösung geben muß, die auch von den
    europäischen Staaten unterstützt wird, ist uns allen klar.
    Wir sollten uns hier zusammentun und wirklich ernsthaft
    beraten, was wir zu einer solchen politischen Lösung in
    unserem eigenen Interesse beitragen können.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ich stimme dem Kollegen Cem Özdemir ausdrück-
    lich zu, wenn er sagt, daß hier in der Vergangenheit in
    der Tat grobe Fehler in der europäischen Politik ge-
    genüber der Türkei gemacht worden sind. Es ist auch
    eine ganz schwierige Situation, weil wir auf der einen
    Seite mit Recht eine mangelhafte Menschenrechtslage
    und eine mangelhafte Demokratie in der Türkei bekla-
    gen. Darüber hinaus beklagen wir zu Recht, daß dort
    fortlaufend gefoltert wird, Menschen verschwinden
    und massive Menschenrechtsverletzungen zu registrie-
    ren sind.

    Auf der anderen Seite haben wir den möglichen Bei-
    tritt der Türkei zur Europäischen Union nicht konse-
    quent an Kriterien geknüpft wie bei den anderen Bei-
    trittsländern; vielmehr haben wir der Türkei von vorn-
    herein erklärt: Das wird sowieso nichts mit euch. – Da-
    mit wirken wir extrem emotionalisierend. Emotionalisie-
    rung ist im Moment ein Kennzeichen der gesamten Dis-
    kussion, nicht nur bei uns. Wir sollten nicht zusätzlich
    dazu beitragen, indem wir die Debatte innenpolitisch in
    einer Art hochpuschen, die nicht adäquat ist, insbeson-
    dere nicht angesichts der Tatsache, daß in der Türkei im
    April dieses Jahres Wahlen stattfinden sollen. Deshalb
    glaube ich, daß im Moment keine sehr günstige Atmo-
    sphäre herrscht; aber eine solche wird gebraucht, um den
    existierenden Konflikt politisch zu lösen.

    Andererseits gibt es – das sollten wir in der Tat mas-
    siv unterstützen – auch in der türkischen Gesellschaft
    einen Diskurs, in dessen Rahmen durchaus anerkannt
    wird, daß das Terrorproblem nicht notwendigerweise
    militärisch gelöst werden kann, sondern daß es eine
    politische Lösung geben muß, um die Ursachen des
    Konflikts zu bekämpfen. Wir sind gut beraten, wenn wir
    mit viel Fingerspitzengefühl auch internationale Hilfe
    anbieten, um diesen Konflikt politisch zu lösen. Aber es
    muß in der Tat mit Fingerspitzengefühl gemacht werden
    und nicht mit dem Holzhammer.

    Es ist positiv zu beurteilen, daß die EU in der Erklä-
    rung, die Innenminister Schily hier fast in Gänze vorge-
    lesen hat, ihre finanzielle Hilfe angeboten hat. Aber es
    wird nicht ausreichen, zu argumentieren, daß die öko-
    nomischen und sozialen Verhältnisse gerade in Südost-
    anatolien verbessert werden müßten, weil sich damit das

    ganze Problem lösen lasse, wenn man gleichzeitig über-
    haupt nicht bereit ist, zum Beispiel auf die Frage der
    kulturellen Rechte der Kurden einzugehen. Die Re-
    spektierung dieser Rechte – bitte erinnern Sie sich – ha-
    ben wir in der Vergangenheit gemeinsam gefordert. Ich
    empfehle an dieser Stelle die Lektüre unserer gemein-
    samen Erklärungen.

    Ich finde es positiv, wenn die türkische Regierung im
    Moment überlegt, den PKK-Kämpfern eine Art Amne-
    stie – ich weiß nicht, ob dieses Angebot, das im Augen-
    blick im türkischen Parlament verhandelt wird, wirklich
    Amnestie und Straffreiheit bedeutet – und ein Ausbil-
    dungsprogramm anzubieten, um sie wieder in die tür-
    kische Gesellschaft zu integrieren. Wenn ein solches
    Angebot erfolgte, wäre das schon ein Stückchen Ursa-
    chenbekämpfung. Aber ich weiß nicht, ob das Vertrauen
    in ein solches Angebot tatsächlich so groß ist, daß es da-
    zu führen kann, der Gewalt abzuschwören.

    Deshalb möchte ich auch von hier aus ganz aus-
    drücklich an die Führung der PKK appellieren, endlich
    einen ernsthaften Gewaltverzicht anzubieten und zur
    Realisierung der Behauptung beizutragen, daß es eine
    politische Lösung des Problems geben muß. Das wird
    nicht gehen, wenn man der Türkei Krieg androht. Das
    wird nicht gehen, wenn man in Europa den Krieg auf
    den Straßen vorantreibt. Dies wird nicht dazu führen,
    daß die kurdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die
    hier für ihre kulturellen Rechte und für die Respektie-
    rung der Menschenrechte gekämpft haben, weiterhin
    Sympathien bekommen; vielmehr wird es dazu führen,
    daß hier Sympathien verspielt werden. Deshalb ist es be-
    sonders wichtig, daß wir einen Prozeß unterstützen, der
    mit Hilfe von Deeskalation – das sage ich ganz aus-
    drücklich – eine politische und friedliche Lösung des
    Konflikts mit der Türkei ermöglicht.

    Ich glaube, daß wir bis dahin durchaus noch einen
    langen Weg vor uns haben. Es ist ganz sicher nicht
    nützlich, wenn wir jetzt unsererseits, da wir von der
    Türkei verlangen, die Menschenrechte besser einzuhal-
    ten, hier Menschenrechtskonventionen außer Kraft set-
    zen wollen. So vorzugehen wäre eine widersprüchliche
    Handlungsweise.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir dürfen uns das im Sinne einer Befriedung dieses
    Konflikts im Inneren, aber auch im Äußeren nicht lei-
    sten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich danke Ihnen.



Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Ruprecht Polenz, CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ruprecht Polenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Herr Bundesinnenminister,
    Sie haben in Ihrer Regierungserklärung mit einem
    Rückblick und vielen Zitaten früherer Minister und

    Uta Zapf






    (A) (C)



    (B) (D)


    anderer Kollegen begonnen und sind dann ganz schnell
    zu den Ereignissen der letzten Tage gekommen. Sie ha-
    ben weniger darüber gesprochen, was seit dem 12. No-
    vember 1998 geschehen ist, als Öcalan in Rom aufge-
    taucht war und auf Grund eines deutschen Haftbefehls
    festgenommen wurde.

    Ich habe mir bei der ganzen Debatte überlegt: Wie
    hätten Sie wohl die frühere Bundesregierung angegrif-
    fen, wenn sie seit dem 12. November 1998 wie Bundes-
    kanzler Schröder gehandelt hätte? Ich glaube, Sie hätten
    nur Hohn und Spott für diese Bundesregierung übrig ge-
    habt.


    (Beifall des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU])


    Erst verzichtet man aus Sorge um den Rechtsfrieden
    und die innere Sicherheit bei uns auf die Auslieferung
    Öcalans an Deutschland.


    (Uta Zapf [SPD]: Das war doch richtig!)

    Jetzt ist aber der Rechtsfrieden trotzdem massiv gestört,
    und die innere Sicherheit wird durch gewaltsame Aktio-
    nen von PKK-Anhängern gefährdet, auch ohne daß
    Öcalan in Deutschland vor Gericht steht. Gleichzeitig
    verbittet sich die türkische Regierung Belehrungen – et-
    wa von unserer Bundesregierung – darüber, wie ein
    rechtsstaatliches Verfahren auszusehen hätte. Sie tut dies
    mit dem schlichten Hinweis: Regierungen wie die der
    Bundesrepublik Deutschland, die es selber in der Hand
    gehabt hätten, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzu-
    führen, sind die allerletzten, die der Türkei Belehrungen
    erteilen dürften, wie ein Verfahren gegen Öcalan durch-
    zuführen sei.

    Sie, meine Damen und Herren von der Regierung,
    haben es seit dem 12. November 1998 fertiggebracht,
    sich zwischen wirklich alle Stühle zu setzen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist verständlich, daß Sie versuchen, die Opposition

    dafür mitverantwortlich zu machen. Herr Schily, Sie ha-
    ben wiederholt auf Herrn Beckstein und Herrn Lamers
    verwiesen und damit den Eindruck erweckt, die Opposi-
    tion habe Ihre Entscheidung mitgetragen, auf einen
    Auslieferungsantrag zu verzichten. Herr Minister, das
    ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Das entscheidende
    Datum in diesem Zusammenhang ist der 27. November
    1998, als sich Bundeskanzler Schröder mit dem italieni-
    schen Ministerpräsidenten D'Alema in Bonn getroffen
    hat. An diesem Freitag hat der Bundeskanzler dem ita-
    lienischen Ministerpräsidenten mitgeteilt: Die Bundes-
    regierung hat entschieden, auf ein Auslieferungsersu-
    chen zu verzichten.

    Zugegebenermaßen war zum damaligen Zeitpunkt die
    Entscheidung über einen Auslieferungsantrag schwierig.
    Die Entscheidung, Öcalan wegen der besonderen Si-
    cherheitsprobleme – bei uns leben 2,2 Millionen Türken,
    davon sind 500 000 Kurden – nicht in Deutschland vor
    Gericht zu stellen, war insoweit vertretbar. Nur dazu ha-
    ben sich der bayerische Innenminister und auch mein
    Kollege Lamers geäußert. Herr Bundesinnenminister,
    beide sind aber selbstverständlich davon ausgegangen,

    es werde sichergestellt, daß Öcalan vor ein Gericht
    kommt. Das ist doch der Punkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Punkt ist nicht, daß man ihn einfach laufenläßt.

    Für eine solche Strategie der Bundesregierung können
    Sie keinen Oppositionspolitiker in Anspruch nehmen.
    Auch die Justizministerin hat in der „Süddeutschen
    Zeitung“ vom 30. November 1998 festgestellt – sie hatte
    in dem Verfahren eine verfassungsrechtlich besondere
    Stellung –: „Uns in Deutschland gebietet die Rechts-
    staatlichkeit, ihn vor Gericht zu stellen. Dieses muß aber
    nicht in Deutschland geschehen.“ Die Sachlage ist also,
    auch juristisch, ganz klar.

    In der Debatte vom 3. Dezember 1998 wurde noch
    einmal über die Art und Weise debattiert, wie die Bun-
    desregierung die Opposition seinerzeit informiert hatte.
    Am Vorabend des 27. November 1998 war der Infor-
    mationsstand folgender: Die Regierung wolle die Ent-
    scheidung über den Auslieferungsantrag vorläufig offen-
    lassen und wolle sich gleichzeitig bemühen, daß
    Öcalan beispielsweise vor einen internationalen Ge-
    richtshof kommt. In dem Zusammenhang gestatten Sie
    mir den Hinweis, daß ich das für ein vertretbares Vor-
    gehen halte.

    Einen Tag bzw. zwölf Stunden später hat der Bun-
    deskanzler offensichtlich auch diese Angelegenheit wie
    die 630-Mark-Jobs zur Chefsache erklärt und gesagt, auf
    ein Auslieferungsgesuch werde endgültig verzichtet, das
    sei nun definitiv entschieden.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist Rechtsstaat!)


    Hier stelle ich die Frage: War es rechtlich überhaupt
    möglich, in dieser Weise aus dem Legalitätsprinzip ab-
    zuleitende Ansprüche einfach aufzugeben?


    (Uta Zapf [SPD]: Natürlich war das möglich!)

    Zweitens. Schröder hat mit D'Alema auch darüber ge-

    sprochen, daß Öcalan vor ein internationales Gericht
    gestellt werden sollte. Ich frage mich und insbesondere
    auch Sie: Wann war Ihnen klar, daß das mit dem inter-
    nationalen Gerichtshof nicht klappen würde? Warum
    haben Sie dann nicht den Auslieferungsantrag gestellt?
    Warum haben Sie dann in Kauf genommen, daß Öcalan
    auf einmal aus Italien verschwindet?

    Ein Drittes: Der Bundeskanzler und der italienische
    Ministerpräsident haben an diesem 27. November 1998
    eine europäische Initiative angekündigt, um eine politi-
    sche Lösung für die Streitigkeiten zwischen der Türkei
    und den Kurden zu finden. Wenn diesen Worten damals
    erkennbare Taten gefolgt wären, dann wären diese in der
    jetzigen Situation sicherlich außerordentlich hilfreich
    und auch ein Beitrag zur Entspannung der innenpoliti-
    schen Lage in Deutschland gewesen.

    Ich frage die Bundesregierung, Herr Staatsminister:
    Was ist aus der Ankündigung der Bundesregierung vom
    27. November 1998, eine europäische Initiative zu er-
    greifen, geworden? Hat der Bundeskanzler wenigstens
    seit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft eine
    Initiative ergriffen, mit der die EU die Türkei zu einer

    Ruprecht Polenz






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Lösung des Kurdenproblems bewegen könnte? Sind
    die Amerikaner in eine solche Initiative eingebunden
    worden? Es ist doch auch klar, daß ohne eine Konsul-
    tation mit den USA in dieser Frage auf die Türkei
    überhaupt kein Einfluß genommen werden kann. Ich
    denke, Sie werden gleich etwas dazu sagen, Herr
    Staatsminister.

    Ich habe noch eine Frage an Sie: Was haben Sie poli-
    tisch unternommen, um die Fixierung vieler Kurden in
    der Bundesrepublik Deutschland auf die PKK ein Stück
    weit dadurch aufzulockern, daß Sie mit den Vertretern
    der Kurden, der kurdischen Gemeinden usw. sprechen,
    die ihre Ziele gewaltfrei und demokratisch zu erreichen
    versuchen und keinen selbständigen Kurdenstaat anstre-
    ben? Das wären wichtige politische Initiativen gewesen.
    Ich habe nichts davon mitbekommen, daß die Bundesre-
    gierung solche Gespräche geführt hat. Wenn ich nichts
    davon mitbekomme, dann bekommen die Kurden in un-
    serem Land davon auch nichts mit. Der Effekt, durch
    solche Gespräche auch eine Aufwertung gemäßigter
    kurdischer Politiker zu erreichen, ist dann natürlich nicht
    zu erzielen.

    Es ist ja noch einmal darauf hingewiesen worden,
    Frau Zapf, daß überall Kontinuität herrsche, die Bundes-
    regierung es aber in der Türkei-Politik wirklich besser
    machen wolle. Sie haben den Mund in Sachen Türkei-
    Politik außerordentlich voll genommen. Wir werden Sie
    an Ihren Taten messen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)