Rede von
Dr.
Maria
Böhmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herzlichen Dank,
Herr Präsident.
Liebe Frau Schmidt, ich muß sagen: Aus jedem Ihrer
Worte spricht das schlechte Gewissen gegenüber der
vorliegenden Regelung. Ich kann mir gut vorstellen, wie
es in Ihrem Inneren aussieht.
Diese Regelung zu unterschreiben erfordert schon viel
Überwindung. So etwas hätte keine und keiner von uns
unterschrieben.
Das als einen Einstieg, als einen Schritt in die richtige
Richtung zu bezeichnen ist schon mehr als kühn.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode – das ist
im Hause bekannt – heftig um Regelungen im Bereich
der Geringfügigkeit gerungen. Aber wir wollten ver-
nünftige Regelungen, nicht solche Scheinlösungen wie
die Ihren.
– Vielleicht könnten Sie etwas aufmerksam sein.
Sie sind an Ihren eigenen Worten und an den Kriteri-
en, die Sie in der letzten Legislaturperiode aufgestellt
haben, zu messen; das ist der entscheidende Punkt: Von
diesen Kriterien und diesen Worten ist nichts, aber auch
gar nichts übriggeblieben.
Beschämend finde ich, daß der Arbeitgeberbeitrag
zur Sozialversicherung jetzt als die Lösung für die so-
ziale Sicherung der Frauen bezeichnet wird. Das ist er
nicht. Zum einen gibt es auch heute schon die Möglich-
keit, freiwillige Beiträge zu leisten. So viel Neues ist al-
so nicht daran. Zum anderen muß ganz klar gesagt wer-
den: Das, was dabei herauskommt, sind Minilösungen.
Deshalb verstehe ich jede Frau, die das nicht in An-
spruch nimmt.
Wir sind uns darüber einig, daß es letztendlich nicht
darum geht, 7 DM mehr Rente zu bekommen. Es geht
vielmehr um die Chance, mehr reguläre Teilzeitstellen
für Frauen zu schaffen. Das wird aber durch die Fest-
schreibung der Geringfügigkeitsgrenze auf 630 DM – im
Osten wird diese Grenze sogar noch von 530 DM auf
630 DM angehoben – verhindert. Sie müssen sich ein-
mal vorstellen, wie viele Frauen in den neuen Bundes-
ländern durch die neue gesetzliche Regelung seitens der
Bundesregierung nun auf einen Schlag ihre bisherige so-
zialversicherungsrechtliche Absicherung verlieren; sie
fallen aus der Arbeitslosenversicherung heraus.
Wer dort nämlich bisher für ein Einkommen zwischen
530 DM und 630 DM gearbeitet hat, wird jetzt durch die
Anhebung der Grenze auf 630 DM von dieser Absiche-
rung ausgeschlossen. Das finde ich schon bemerkens-
wert.
Das Ergebnis wird daher weniger reguläre Teilzeitar-
beit sein; denn Teilzeitarbeit wird in einem Korridor bis
1 400 DM absolut unattraktiv. Sie sollten etwas anderes
auf den Tisch legen, über das man vernünftig reden
kann.