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ID1401701300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/17 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 17. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Drucksache 14/280) ....................................................... 1143 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktion der CDU/CSU Beschäftigung fördern – soziale Siche- rung verbessern – Flexibilisierung er- halten (Drucksache 14/290)....................... 1143 B Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 1143 C Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 1145 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD ........................ 1146 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1148 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 1151 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 1153 C Silvia Schmidt (Eisleben) SPD ........................ 1155 B Julius Louven CDU/CSU................................. 1157 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 1159 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU................... 1161 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU............... 1162 A, 1167 B Heinz Schemken CDU/CSU............. 1163 B, 1170 A Konrad Gilges SPD........................... 1163 C, 1164 A Dr. Ilja Seifert PDS...................................... 1164 C Ulla Schmidt (Aachen) SPD................. 1165 A, 1166 B Anette Kramme SPD ....................................... 1167 D Johannes Singhammer CDU/CSU................... 1169 B Wolfgang Weiermann SPD ............................. 1170 D Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P..................... 1171 B Margot von Renesse SPD ............................ 1171 D Zusatztagesordnungspunkt 6:1171 D Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu dem Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom 19. Januar 1999 zur steuerlichen Behandlung von Kin- derbetreuungskosten und Haushalts- freibetrag bei Ehepaaren im Zusam- menhang mit der aktuellen Behandlung des Steuerentlastungsgesetzes und seiner haushalterischen Auswirkungen ............... 1173 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1173 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF................................................................. 1174 B Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU........................................................ 1175 D Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN............................................ 1176 D Gisela Frick F.D.P. .......................................... 1177 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 1179 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 1180 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1181 D Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 1183 A Nicolette Kressl SPD ....................................... 1184 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1999 Norbert Barthle CDU/CSU.............................. 1185 B Lydia Westrich SPD ........................................ 1186 C Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU ................ 1187 B Ingrid Matthäus-Maier SPD............................. 1188 B Nächste Sitzung ............................................... 1189 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 1191 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen..................................... 1192 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1999 1143 (A) (C) (B) (D) 17. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20 Bundespräsident Dr. Roman Herzog
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thea Dückert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Guten Morgen! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
    Kollegen! Lieber Herr Dr. Kues, ich muß eingangs eini-
    ge Bemerkungen zu Ihrer Rede machen. Ich freue mich
    schon darüber, daß Sie meinen, daß unsere Gesundheits-
    reform möglicherweise dazu führen kann, daß es dem-
    nächst Arbeitnehmerinnen geben wird, die 150 Jahre
    lang berufstätig gewesen sein werden. Ich glaube aller-
    dings, Herr Dr. Kues, daß diese Ihre Einschätzung etwas
    an der Realität vorbeigeht.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Vielleicht haben Sie nicht zugehört!)


    An der Realität gehen auch andere Wahrnehmungen
    vorbei, die Sie hier vorgetragen haben. Sie sprachen da-
    von, daß wir Löcher in die Sozialkassen gerissen hätten
    und wir sie nun stopfen wollten. Ich muß Sie dann doch
    noch daran erinnern – Ihr Gedächtnis scheint kurz zu
    sein –, daß Sie von der CDU/CSU und F.D.P. es waren,
    die in den letzten Jahren genügend Zeit hatten, genau
    solche Löcher zu reißen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir hingegen haben es in nur drei Monaten zuwege ge-
    bracht, mit der ökologisch-sozialen Steuerreform


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    – ja, meine Damen und Herren – ein Reformprojekt auf
    den Weg zu bringen, mit dem wir in der Lage sein wer-
    den, die Rentenversicherungsbeiträge sogar um 0,8 Pro-
    zent zu senken.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das müssen Sie erst einmal bei sich selber beschließen!)


    Das ist die Realität, und daß die Sie aufregt, kann ich
    allerdings gut verstehen.

    Sie haben recht: Mit diesem Gesetz haben wir uns
    wirklich mitten in ein gesellschaftliches Spannungsfeld

    plaziert. Mindestens 6 Millionen Menschen, vor allen
    Dingen Frauen, arbeiten in diesen geringfügigen Be-
    schäftigungsverhältnissen. Es ist selbstverständlich, daß
    auf Grund der sehr unterschiedlichen Lebenssituationen
    natürlich sehr unterschiedliche Erwartungen und Anfor-
    derungen an unser Gesetzesvorhaben gerichtet werden;
    das erfahren wir in vielen Briefen und Anrufen. Es gibt
    viele Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem
    Land, die natürlich versuchen, die jetzige Lösung bei
    den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu ver-
    teidigen.

    Es gibt viele Grüne, viele SPDlerinnen und SPDler
    und viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter,
    aber insbesondere Frauenpolitikerinnen und -politiker
    quer durch die Reihen, die erwarten, daß die sozial un-
    gesicherten Arbeitsverhältnisse kurz und schmerzlos ab-
    geschafft werden.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


    Meine Damen und Herren, genau zwischen diesen
    Polen – damit umreiße ich das Feld – befinden wir uns
    in einer sehr engagierten Diskussion.


    (Aribert Wolf [CDU/CSU]: Im BermudaDreieck befinden Sie sich!)


    Das Engagement möchte ich Ihnen von der CDU nicht
    absprechen, aber genau in dieser Auseinandersetzung
    schwingen Sie sich mit Ihrem Antrag zum Moralapostel
    auf. Das steht Ihnen nicht zu.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Sie fordern ein Konzept gegen den Mißbrauch, den
    Sie in den letzten Jahren zu verantworten hatten.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Ich glaube – das ist auch in der Rede von Herrn Dr.
    Kues deutlich geworden –, daß Sie dieses Konzept nur
    deshalb fordern können, weil Sie unseres nicht verstan-
    den haben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Verstehen Sie es selber? – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Wenn wir Ihre Ideologie nicht teilen, sind wir noch lange nicht dumm!)


    Ich will Ihnen das an zwei Punkten, die Sie vorgetragen
    haben, exemplarisch vorführen:

    Sie behaupten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
    nehmern würde mit diesem Gesetz „schamlos“ – ich zi-
    tiere Sie – in die Taschen gegriffen. Das ist schlichtweg
    eine Lüge.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen keine
    müde Mark. Die Arbeitgeber werden – das ist ein Fort-
    schritt – von der ersten Mark an bei jedem Beschäfti-

    Dr. Hermann Kues






    (A) (C)



    (B) (D)


    gungsverhältnis in die Sozialkassen zahlen. Das ist die
    Realität.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie wissen offenbar auch nicht, was Sie gut und
    schlecht finden. Auf der einen Seite beklagen Sie, der
    freiwillige Mindestbeitrag für den Erwerb eines Renten-
    anspruchs sei zu hoch. Drei Minuten später sagen Sie,
    die Leistungen, die erworben werden können, nämlich
    Reha-Maßnahmen, BU- und EU-Renten, seien zu hoch.
    Wie wollen Sie es denn gern haben, Herr Dr. Kues? So
    jedenfalls geht es nicht.

    Realität ist, daß Sie in den letzten Jahren dem Druck
    der Wirtschaft, übrigens auch dem Druck der F.D.P.,
    selbstverständlich nachgegeben haben und der grenzen-
    losen Ausweitung der Billigjobs Tor und Tür geöffnet
    haben. Deswegen sind wir in diese Situation gekommen.

    Wir wollen tatsächlich versuchen, den Mißbrauch
    einzudämmen. Ich glaube, daß wir mit diesem Gesetz
    einen guten Schritt vorankommen, den Mißbrauch ein-
    zudämmen, den Arbeitnehmerinnen eine freiwillige Op-
    tion auf einen Rentenanspruch zu eröffnen und die So-
    zialkassen zu stabilisieren. Diesen Weg wollen und wer-
    den wir mit unserem Gesetz gehen. Ich glaube, meine
    Damen und Herren von der CDU, Herr Blüm hätte si-
    cher Tränen in die Augen bekommen, wenn er so ein
    Angebot erhalten hätte. Ihnen ist das jedoch in den letz-
    ten Jahren nicht einmal im Traum eingefallen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Er hätte bitterlich geweint!)


    Das große Ziel, zum Beispiel die Billigjobs mit einem
    Federstrich abzuschaffen oder in normale Arbeitsver-
    hältnisse zu überführen, schaffen wir nicht. Aber trotz
    all dieser Wünsche und vieler Kritik, die vorgetragen
    wird, müssen wir eines deutlich feststellen: Es gibt mit
    diesem Gesetz eindeutige Verbesserungen gegenüber
    dem ursprünglichen, dem jetzigen Zustand.

    Wir werden die Sozialversicherung mit diesen Bei-
    trägen stabilisieren. Das ist der erste Punkt. Wir werden
    die Möglichkeit für einen freiwilligen Rentenanspruch
    für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den klein-
    sten Arbeitsverhältnissen eröffnen. Das ist ein Fort-
    schritt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Nebenjobs werden steuerpflichtig werden, das heißt,
    auch hier schaffen wir eine Steuerungerechtigkeit ab. Es
    wird auch so sein, daß die Grenze der Geringfügigkeit
    auf 630 DM festgelegt wird; sie wird gedeckelt. Den
    Aufwuchs, den Sie in den letzten Jahren zugelassen ha-
    ben, wird es nicht mehr geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Mitbestimmungsrechte in den Betrieben werden er-
    weitert. Wir werden mit der Meldepflicht, mit der Ein-
    tragung auf die Lohnsteuerkarte endlich die Grauzone

    auf diesem Arbeitsmarkt ein wenig mehr ins Licht brin-
    gen. Wir werden die Möglichkeit haben, die Entwick-
    lung zu beurteilen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, die Zahl der geringfügi-
    gen Beschäftigungsverhältnisse ist in den letzten Jah-
    ren wirklich exorbitant gestiegen. Sie haben vorhin die
    Zahlen vom Minister gehört: etwa sechs Millionen. Die
    CDU behauptet heute in ihrem Antrag immer noch, daß
    diese Jobs eingerichtet worden wären, um im Mittel-
    stand die Auftragsspitzen abzufedern. Das mag am An-
    fang so gewesen sein. Aber die Zeit hat Sie überholt,
    und Sie haben das zugelassen. Die Zahlen, die real vor-
    liegen, zeigen doch ganz eindeutig: Es kann hier über-
    haupt nicht mehr ums Abfedern von Auftragsspitzen ge-
    hen. Wir haben Betriebe, in denen die Minijobs nicht die
    Ausnahme, sondern die Regel sind.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]:Sie machen sie für alle kaputt!)


    Wir haben nichts gegen Auftragsspitzen im Mittelstand;
    die müssen abgefedert werden, überhaupt keine Frage.
    Aber wir haben eindeutig etwas dagegen, daß Arbeitge-
    berinnen und Arbeitgeber sich immer mehr aus der Soli-
    darität des Sozialstaates verabschieden können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die vorliegenden Zahlen belegen: Es hat diese Um-
    wandlung von Normalarbeitsverhältnissen in geringfü-
    gige Beschäftigungsverhältnisse stattgefunden. Das hat
    zu Ausfällen in der Sozialversicherung in Milliardenhö-
    he und zu dem geführt, was gerade Sie beispielsweise
    von der F.D.P. nicht gut finden können: daß Arbeitgebe-
    rinnen und Arbeitgeber, die diese Beschäftigungsver-
    hältnisse nicht einrichten wollen, zum Beispiel bei den
    Gebäudereinigern, bei den Handelsketten, gezwungen
    sind, das zu tun, weil sie sonst einen Wettbewerbsnach-
    teil hätten. Das ist eine Situation, die wir nicht akzeptie-
    ren können.

    Wir haben Verbesserungen erzielt. Ich habe das gera-
    de angesprochen. Wir haben die Beitragspflicht ab der
    ersten Mark für den Arbeitgeber in diesem Gesetz vor-
    gesehen. Da kommen Sie und viele andere daher und
    sprechen von einer schnöden Bereicherung der Sozial-
    kassen


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Richtig!)

    – „Richtig!“ rufen Sie jetzt auch noch dazwischen;


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Jede private Versicherung bietet bessere Konditionen fürs Alter!)


    ich sage gleich etwas dazu – und davon, daß hier Gelder
    von der einen in die andere Tasche gesteckt werden, und
    das wäre es dann. Nein, meine Damen und Herren, um-
    gekehrt wird ein Schuh daraus. Die finanzielle Basis der
    Sozialkassen ist bedroht, und dazu haben Sie in den
    letzten Jahren Ihren Beitrag geleistet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dr. Thea Dückert






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme ist aber
    nun einmal an Erwerbsarbeit gebunden. Die Solidarge-
    meinschaft braucht eben genau diese Beiträge, um dem
    sozialstaatlichen Auftrag der Sicherung gegen Lebensri-
    siken überhaupt nachkommen zu können.

    Frau Schwaetzer, ich finde es sehr entlarvend für die
    F.D.P., wenn Sie bei der notwendigen Stabilisierung des
    Sozialsystems von einem Abkassiermodell sprechen.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Wenn es doch stimmt!)


    – „Wenn es doch stimmt!“ rufen Sie auch noch dazwi-
    schen. Ich sage Ihnen: Genau daran wird Ihre Haltung
    gegenüber den sozialen Sicherungssystemen deutlich;
    daran wird deutlich, daß Sie sich auf eine Klientel be-
    ziehen, die dicke Taschen hat und eher in die Privatver-
    sicherung geht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist doch Unsinn!)


    Wir machen hier eine Politik für eine andere Klientel,
    nämlich für kleine Einkommen und für Frauen.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Das Gegenteil!)

    Meine Damen und Herren, ich verstehe, daß die Wirt-

    schaft sich über dieses Gesetz ärgert, jedenfalls viele,
    und zwar diejenigen, die die Pauschalsteuer auf die Ar-
    beitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt haben.
    Diejenigen, die abgewälzt haben, haben jetzt in der Tat
    höhere Ausgaben. Das ist klar. Aber ich sage Ihnen
    auch: Ich kann überhaupt keine Trauer darüber empfin-
    den, daß diejenigen auf der Arbeitgeberseite, die sich
    aus der Verantwortung gestohlen haben, jetzt in die Ver-
    antwortung gezwungen werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das wird nebenbei auch dazu führen, daß viele Beschäf-
    tigte gerade im tariflich abgesicherten Bereich nach die-
    ser Reform möglicherweise höhere Einkommen haben
    werden oder aber ihre Arbeitszeit verkürzen können.

    Ich habe eingangs gesagt: Wir versuchen – und
    kommen dabei auch voran –, den Mißbrauch zu be-
    kämpfen. Auf diesem unübersichtlichen Markt ist das
    aber ungeheuer schwer. Mit dem Eintrag auf die Lohn-
    steuerkarte und der Meldung bei den Sozialkassen wer-
    den wir überhaupt erst einen Überblick über diese Ver-
    hältnisse bekommen.

    Es wird uns auch möglich sein, verschleierte Doppel-
    beschäftigung aufzudecken, zum Beispiel wenn sich
    einzelne nicht gemeldet haben. Wir werden auch ganz
    moderne Formen der Schwarzarbeit aufdecken können,
    die Sie, Frau Schwaetzer, ja eindämmen wollen. Frau
    Schwaetzer, die modernen Formen der Schwarzarbeit
    bestehen doch darin, daß Arbeitgeber einen Beschäftig-
    ten für einen 630-Mark-Job anmelden, ihn aber voll ar-
    beiten lassen und schwarz entlohnen oder Arbeitslohn an
    fiktive Beschäftigte auszahlen. Das ist eine moderne

    Form der Schwarzarbeit, die an dieser Stelle beendet
    wird.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Dazu gehören immer zwei!)


    Genau da gehören Vollzeitarbeitsplätze hin.
    Auch die Entdynamisierung ist eine Maßnahme, die

    Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhält-
    nisse einzudämmen. Eine andere Maßnahme, den Miß-
    brauch dieser Beschäftigungsverhältnisse zu verhindern,
    sind die erweiterten Mitbestimmungsrechte der Betriebs-
    räte. Das allein wird nicht reichen; das weiß ich auch.
    Aber wir sind auf dem richtigen Weg.

    Meine Damen und Herren von der CDU, Sie werfen
    uns vor – und haben das hier eben wieder getan –, daß
    dem Beitrag, den die Arbeitgeber an die Krankenversi-
    cherung zahlen, angeblich keine Gegenleistung gegen-
    übersteht.


    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    – Das ist richtig: Es erfolgt keine direkte Gegenleistung.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Na also!)

    – Hören Sie doch zu! – Aber in diesem Bereich gibt es
    schon Gegenleistungen. Diejenigen, die in solchen Be-
    schäftigungsverhältnissen sind – das gilt auch für alle
    anderen –, bekommen schon heute Sachleistungen aus
    der Krankenversicherung, das volle Paket. Anders ist
    jetzt nur, daß die Leistungen, die vorher über Mitversi-
    cherung kostenlos zu erlangen waren, nun mit einem
    Beitrag belegt werden.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wenn man behauptet, es gebe da keine Gegenleistung,
    ist das schlichtweg falsch. Ich denke, unser Vorschlag
    ist eine faire Lösung. Man kann da noch weitergehen;
    das ist wahr.

    Die Rentenversicherung ist anders strukturiert. Hier
    können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tat-
    sächlich eine Option bekommen. Natürlich müssen sie
    einen Mindestbeitrag zahlen; das ist bei jeder Versiche-
    rung so. Für den Erwerb des Rentenanspruchs muß ein
    Mindestbeitrag von 300 DM gezahlt werden.

    Diese Option ist besonders für Frauen mit ganz be-
    stimmten Erwerbsbiographien interessant, nämlich für
    diejenigen, die – das ist für gebrochene Erwerbsbiogra-
    phien normal – schon an anderer Stelle Rentenbeiträge
    gezahlt, aber noch keine Rentenansprüche erworben ha-
    ben, weil die Mindestzeiten der Beitragszahlung nicht
    eingehalten wurden. Diese Frauen haben sicherlich ein
    großes Interesse daran – und auch die Möglichkeit –, in
    diese Rentenversicherung einzusteigen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dr. Thea Dückert






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das ist ein Vorteil. Den können sie wählen. Sie können
    sich einen Einstieg in eine wirklich eigenständige Absi-
    cherung eröffnen.

    Ich weiß, daß viele lieber eine Pflichtversicherung
    hätten. Ich weiß aber auch, daß diese Pflichtversiche-
    rung für viele Frauen nicht günstig wäre, und zwar dann,
    wenn es in Zukunft möglicherweise zu einer Senkung
    der Ansprüche käme, die sie sich schon erarbeitet haben.
    Das ist natürlich ein schwieriges Feld. Deswegen denke
    ich, daß dieser erste Schritt, diese freiwillige Option für
    Frauen, in diese Arbeitsverhältnisse zu gehen, sinnvoll
    ist. Damit erreichen sie in der Tat einen geringen An-
    stieg ihres Anspruchs auf Altersrente.

    Aber das ist, wie Sie schon richtig gesagt haben, nicht
    der zentrale Punkt. Der zentrale Punkt ist, daß es ein
    Vollpaket mit Rente, Reha-Leistungen sowie BU- und
    EU-Leistungen gibt. Das ist ein gutes Angebot.

    Sie wissen aber auch, daß die spannende und kontro-
    verse Diskussion in der letzten Zeit insbesondere um die
    Steuerfrage ging. Wir haben besonders in diese Steuer-
    frage unser Herzblut hineingesteckt, weil uns von An-
    fang an die Ankündigung, daß die Nebenjobs nicht ver-
    steuert werden sollen, überhaupt nicht gepaßt hat, und
    zwar aus Steuergerechtigkeitsgründen. Wir haben an
    dieser Stelle erreicht, daß die Nebenjobs besteuert wer-
    den. Es wird so sein, daß Arbeitsverhältnisse zusam-
    mengezählt werden. Es wird so sein, daß kleine Arbeits-
    verhältnisse, also eine Vielzahl von Nebenjobs, zusam-
    mengezählt werden. Wir erreichen damit, daß all dieje-
    nigen dann – wo immer sie auch arbeiten –, wenn sie in
    der Summe ihrer Arbeitsverhältnisse die Grenze der Be-
    steuerbarkeit überschreiten, besteuert werden. Ne-
    benjobs werden besteuert. Das war in der Debatte vom
    letzten Herbst hier noch anders angekündigt wor-
    den. Wir sehen es als einen großen grünen Erfolg an,
    an dieser Stelle eine Ungerechtigkeit verhindert zu ha-
    ben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dennoch, meine Damen und Herren: Auch wenn wir
    erfolgreich in diesem Punkt waren, muß man feststellen,
    daß die Regelung zur Besteuerung einen Schönheits-
    fehler hat. Sie hat den Schönheitsfehler – das sage ich
    hier ganz deutlich; da konnten wir uns auch nicht durch-
    setzen –, daß Ehefrauen ihr Einkommen aus geringfügi-
    gen Beschäftigungsverhältnissen bis 630 DM nicht der
    Besteuerung zuführen müssen. Ihr Einkommen wird
    nicht der gemeinsamen Besteuerung mit dem Ehepartner
    zugerechnet. Das empfinden wir als Ungerechtigkeit.
    Das empfinden wir auch als ungut gegenüber anderen
    Personengruppen, zum Beispiel gegenüber Alleinerzie-
    henden. Aber ich sage auch: Wir konnten uns hier nicht
    durchsetzen. Aber es ist eine Aufforderung an uns, dafür
    zu sorgen, daß zum Beispiel das Ehegattensplitting ab-
    geschafft wird.

    Alles in allem: Es gibt Schattenseiten, aber die guten
    Seiten des Gesetzentwurfs überwiegen. Die Sozialkas-
    sen werden gestärkt; der Mißbrauch wird eingeschränkt;
    die Rentenoption wird eröffnet, und die Nebenjobs wer-

    den besteuert. Wenn ich das alles zusammennehme, muß
    ich das Fazit ziehen: Gar nicht schlecht, Herr Specht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun die
Kollegin Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige von Ihnen ha-
    ben es selber zugegeben, daß sie in der Steuer- und So-
    zialpolitik einen Fehlstart hingelegt haben. Einige haben
    auch dazu gesagt, daß sie jetzt einmal eine Denkpause
    nehmen wollten. Leider – das zeigen die vorliegenden
    Seiten – haben Sie diese Denkpause für die 630-Mark-
    Verträge nur dazu genutzt, Regelungen vorzuschlagen,
    die aufs höchste verfassungsrechtlich bedenklich sind,
    sozialpolitisch nicht zu den Effekten führen, die Sie da-
    mit im Auge haben, und arbeitsmarktpolitisch ausge-
    sprochen negativ wirken.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben einen Gesetzentwurf zusammengeschu-
    stert, der in seiner Widersprüchlichkeit und Kompli-
    ziertheit wirklich nicht zu überbieten ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es gibt 57 Druckseiten – das muß man sich einmal vor-
    stellen – für die Regulierung der geringfügigen Be-
    schäftigung. Das ist wirklich eine Höchstleistung. Sie
    wird zu nichts anderem führen als zu mehr Schwarzar-
    beit und nichts sonst.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es beginnt schon mit dem Festschreiben der Versi-
    cherungsfreigrenze. Verbal wollen Sie Arbeitnehmern
    und Betrieben die notwendige Flexibilität erhalten. Das
    hat schließlich Ihr Kanzler versprochen. Herr Riester hat
    es heute morgen wiederholt. Aber tatsächlich frieren Sie
    diese Flexibilität ein. Das ist nichts anderes als der Tod
    auf Raten für den sich schon heute in einem engen
    Rahmen bewegenden Rest an individueller Gestaltung
    auf dem Arbeitsmarkt. – Nein, Sie können diese Be-
    schäftigungsverhältnisse nicht abschaffen. Aber Sie
    würgen sie ab. Das ist auch so gewollt; denn das ist der
    Kompromiß zwischen den Versprechen Ihres Kanzlers
    und der Ideologie von Rotgrün.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie vernichten weitere Arbeitsplätze; denn mit der
    Zusammenlegung von Haupt- und Nebenbeschäfti-
    gung und der Abschaffung der individuellen Freigrenze
    wird natürlich das Arbeitsverhältnis auch für den Ar-
    beitgeber teurer.

    Daß es Ihnen, meine Damen und Herren, nur um
    schlichtes Abkassieren geht, das zeigt doch – Frau Dük-
    kert, da müssen Sie irgend etwas nicht richtig mitbe-

    Dr. Thea Dückert






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    kommen haben –, daß Sie Beiträge von den Arbeitge-
    bern erheben, aber die Arbeitnehmer im Regelfall kei-
    nerlei zusätzliche Ansprüche haben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Da können Sie auch nicht mit Ihrer etwas schiefen Ar-
    gumentation kommen, sie seien über die Familienmit-
    versicherung krankenversichert. Bei den Beamten kas-
    sieren Sie genauso ab, und die erhalten nichts aus der
    gesetzlichen Krankenversicherung. In der Rentenversi-
    cherung entstehen regelmäßig keine Ansprüche. Genau-
    sowenig wie die ausschließlich geringfügig Beschäftig-
    ten, für die Sie Pauschalbeiträge einführen, die vom Ar-
    beitgeber zu zahlen sind, bekommen diejenigen, die eine
    Nebenbeschäftigung haben, eine Gegenleistung für diese
    Beiträge.

    Ich muß schon sagen: Im Abkassieren haben Sie in
    den ersten 100 Tagen Ihrer Regierung schon beachtliche
    Kreativität entwickelt.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Darauf muß man ja erst einmal kommen. Ich versuche,
    mir vorzustellen, was Sie uns gesagt hätten, wenn wir in
    der vergangenen Legislaturperiode an irgendeiner Stelle
    eine solche Regelung vorgeschlagen hätten.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, Frauenverbände und Ge-

    werkschaften haben Sie damit auch auf die Palme ge-
    bracht. Wenn ich mir heute morgen die Fraktion der
    Grünen anschaue, frage ich mich, warum eigentlich kei-
    ne Frauenpolitikerin redet und warum sich die Begeiste-
    rung für die Rede der Kollegin Dückert, die sich ja
    wirklich große Mühe gegeben hat, sehr in Grenzen hielt.
    Das zeigt doch schon, daß Sie mit den vorliegenden Re-
    gelungen selber nicht im reinen sind.

    Sie sind lautstark ausgezogen, den Sozialversiche-
    rungsschutz zu verbessern. Dabei wirkt das schlechte
    Gewissen richtig menschlich, das Sie bei Ihrem Pau-
    schalbeitrag plagt; denn nichts anderes hat dazu geführt,
    daß Sie die Optionsmöglichkeit erfunden haben. Die be-
    schränkt sich nun allerdings auf die Rentenversicherung,
    bei der man dann für 58,60 DM im Monat den Anspruch
    auf die Kur, auf die Invalidenversorgung und auf die
    spätere Berechnung der Rente nach Mindesteinkommen
    erwerben kann. Wir geben zu, daß Sie mit dem Schlie-
    ßen von möglichen Beitragslücken einen richtigen Punkt
    zu fassen versucht haben. Aber was sagen Sie eigentlich
    der Krankenschwester, die Monat für Monat eine große
    Leistung erbringen muß, um einen solchen Versiche-
    rungsschutz zu bekommen? Ist das wirklich gerecht?
    Entspricht das Ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit
    gegenüber den Krankenschwestern und denjenigen, die
    sich sehr mühsam durchs Leben schlagen müssen? Ich
    kann mir das nicht vorstellen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Im übrigen gehe ich davon aus, daß Sie nicht damit
    rechnen, später die Veränderungen in der gesetzlichen
    Rentenversicherung vornehmen zu müssen, wenn die

    Beitragszahler diese zusätzlichen Ansprüche bezahlen
    müssen.

    Auch im Betriebsverfassungsrecht schrecken Sie
    nicht vor Verfassungsverstößen zurück. Sie haben zwar
    mühsam eingesehen, daß Sie die ungeliebten 630-DM-
    Verträge nicht verbieten können. Dem steht ja schließ-
    lich das Grundrecht auf Berufsfreiheit entgegen. Des-
    halb verbietet Ihnen Art. 12 des Grundgesetzes aber
    auch, den Abschluß dieser Verträge durch die Hintertür
    des Betriebsverfassungsgesetzes zu erschweren. Der Ar-
    beitgeber entscheidet auf Grund seiner unternehmeri-
    schen Entscheidungsfreiheit, die von der Verfassung her
    mitbestimmungsfrei ist – das wissen Sie ganz genau –,
    in welchem Umfang er solche Verträge anbietet. Der
    Arbeitnehmer entscheidet auf Grund seiner Vertrags-
    freiheit – in gleicher Weise verfassungsrechtlich ge-
    schützt –, ob er ein solches Angebot annimmt. Ein Veto-
    recht des Betriebsrats ist deshalb mit Art. 12 des Grund-
    gesetzes nicht zu vereinbaren.


    (Beifall bei der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


    Sie winken da jetzt so ab. Ich bin ganz sicher, daß Ih-
    nen das die Sachverständigen bei der Anhörung noch
    sagen werden. Und wir werden ganz bestimmt gerade
    darüber bei den Ausschußberatungen noch zu reden ha-
    ben. Ich hoffe zumindest, daß Sie dieses Mal mit uns ei-
    ne sachliche Debatte dazu führen und es nicht so wie bei
    dem letzten Gesetzentwurf machen, wo auf unsere Fra-
    gen von Ihrer Fraktion nicht einmal geantwortet wurde,
    geschweige denn irgendein Beitrag zur Auflösung von
    Widersprüchlichkeiten geliefert wurde. Ich bitte darum,
    auf unsere Fragen doch ein wenig mehr Antwort zu ge-
    ben.

    Kommen wir zum Steuerrecht. Sie wollen schließ-
    lich das Wort Ihres Kanzlers einhalten und die 630-DM-
    Verträge von der Lohnsteuer ausnehmen. Dies muß
    mißlingen. Ihr Entwurf zeigt das auch. Es ist wirklich
    Krampf, was Sie dazu in Ihren Gesetzentwurf hineinge-
    schrieben haben. In Ihrer Ausschlußklausel steht: Wenn
    zu den 630 DM weitere Einkünfte kommen, gleichgültig
    in welcher Höhe und woher, fällt die Lohnsteuerfreiheit
    wieder weg.

    Schauen wir uns doch einmal an, welche Einkünfte
    das sein können: Zinseinnahmen aus Bausparverträgen –
    Lohnsteuerfreiheit weg; Einnahmen aus Vermietung und
    Verpachtung des selbstgenutzten Eigenheims – Lohn-
    steuerfreiheit weg. Für diesen Teil des Gesetzentwurfes
    trägt niemand sonst die politische Verantwortung als Ihr
    Spitzenmann, der SPD-Vorsitzende und Finanzminister
    Oskar Lafontaine.

    Das Nächste ist nun wirklich ein tolles Stück – ich
    bin deswegen ganz sicher, daß Sie sich auch das noch
    einmal anschauen müssen –: Nach Ihrem Vorschlag
    bleibt die verheiratete Arbeitnehmerin mit einem 630-
    DM-Vertrag ohne eigenes Haus, ohne Bausparvertrag –
    für diese Arbeitnehmerin leistet im übrigen der Ehe-
    mann Unterhalt – lohnsteuerfrei. Die geschiedene Ar-
    beitnehmerin, der der Exehemann wegen Kindererzie-
    hung Unterhalt zahlen muß, hat dadurch weitere Ein-
    künfte. Sie wird mit ihren 630 DM lohnsteuerpflichtig.

    Dr. Irmgard Schwaetzer






    (A) (C)



    (B) (D)


    Halten Sie das eigentlich für gerecht? Halten Sie das für
    eine von irgend jemandem überhaupt noch nachvoll-
    ziehbare Regelung?


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Anscheinend!)


    Stellen Sie sich vor, meine Partei hätte eine solche
    Klausel vorgeschlagen. Sie hätten uns sofort die Privile-
    gierung der Millionärsgattin und die Bestrafung der Ar-
    beiterfrau unterstellt.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Aber Sie wischen das alles mit einer Handbewegung so
    weg. Diese Regelungen werden die von Ihnen so gelobte
    Steuerfreiheit zu einem Märchen werden lassen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Dies wird keine Brücke zurück in den Arbeitsmarkt für
    Frauen nach der Erziehungsphase. Denn wer sollte sol-
    che Arbeitsplätze noch anbieten? Außer einem Großbe-
    trieb verfügt wirklich niemand über die personellen Ka-
    pazitäten, um Ihre komplizierten Regelungen umzuset-
    zen. Sie führen die Frauen hinters Licht.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie sind in dieser Legislaturperiode mit dem Willen

    und dem Versprechen angetreten, Ordnung auf dem Ar-
    beitsmarkt zu schaffen. Aber Ordnung um welchen
    Preis? Um den Preis der Todregulierung des letzten biß-
    chen Flexibilität, das es bis heute überhaupt noch gege-
    ben hat.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben so eine Art unglückliche Liebe zu dem Be-
    griff der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Sie kennen
    Flexibilität und Transparenz nur in den Reden Ihres Ar-
    beitsministers, aber nicht wirklich in Ihren Regeln.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ziehen Sie deshalb die notwendige Konsequenz, und
    verzichten Sie auf dieses Gesetz! Es ist nicht frauen-
    freundlich, es führt in die Schwarzarbeit, und deswegen
    ist es überflüssig.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Auch Ihre eigenen Wähler würden Ihnen den Ab-
    schied von diesem Gesetz sicherlich danken. Sie schik-
    ken nämlich Kopien der Protestschreiben, die an Sie ge-
    hen, auch an uns. Nachdem Sie die Handelsvertreter und
    die übrigen Selbständigen schon bisher mit Ihren Ge-
    setzgebungskünsten auf die Palme gebracht haben, krie-
    gen wir jetzt auch noch die Briefe all derer aus den Ge-
    werkschaften, die diese Ihre Regelungen nicht haben
    wollen.


    (Konrad Gilges [SPD]: Das kann ich mir nicht vorstellen, daß anständige Gewerkschafter Ihnen einen Brief schreiben! Nein, das glaube ich nicht!)


    Diese Briefflut hat die Opposition nun wirklich nicht
    verdient.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Konrad Gilges [SPD]: Höchstens vom CGB und vom Beamtenbund!)


    Eine Anhörung zu Ihrem Meisterwerk werden wir Ih-
    nen natürlich nicht ersparen. Über die Bewertung durch
    unabhängige Sachverständige sollten Sie sich keine Illu-
    sionen machen. Deswegen appelliere ich schon heute an
    Sie: Entwickeln Sie die Fähigkeit zur Selbstkritik!

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU)