Rede von
Hermann
Bachmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns: Die nach
der deutschen Einheit eingesetzte Gemeinsame Verfas-
sungskommission aus Vertreterinnen und Vertretern des
Bundestages und des Bundesrates hat im Jahre 1994 mit
recht eindeutiger Mehrheit empfohlen, den Tierschutz
als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. In der
Schlußabstimmung des Bundestages am 30. Juni 1994
– ich habe das Protokoll dieser Sitzung nachgelesen –
ist dieses Vorhaben an der CDU/CSU-Fraktion ge-
scheitert.
Statt dessen wurde damals auf Initiative Ihrer Frak-
tion, Herr Geis, eine recht unverbindliche Entschließung
des Bundestages durchgesetzt, in der behauptet wurde,
daß ein wirksamer Tierschutz verfassungsrechtlich von
der Staatszielbestimmung Umweltschutz mit umfaßt sei.
Daß von dieser Entschließung – das wußten Sie damals
genauso gut wie wir – keine rechtliche und erst recht
keine verfassungsrechtliche Wirkung ausgehen konnte,
war allen Beteiligten bewußt und ist mittlerweile durch
die recht eindeutige Rechtsprechung der Gerichte bestä-
tigt worden. Es blieb also dabei, daß dem Tierschutz
weiterhin ein angemessener Platz in unserer Verfas-
sung versagt blieb. Daran hat sich bis heute nichts geän-
dert.
Nur dann, wenn dem Tierschutz Verfassungsrang
eingeräumt wird, kann er sich endlich auch in den oft
schwierigen Abwägungsentscheidungen von Gerichten
und Behörden gegenüber anderen verfassungsrechtlich
geschützten Belangen – dazu gehören zum Beispiel die
Belange der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, der
Berufsfreiheit und des Eigentumsschutzes – wenigstens
einigermaßen behaupten.
Solange aber der Tierschutz als Staatsziel nicht Ein-
gang in das Grundgesetz gefunden hat, so lange wird er
bei diesen sehr schwierigen Abwägungsentscheidungen
gegenüber verfassungsrechtlich geschützten Belangen
immer unter die Räder kommen. Auch dies zeigen etli-
che Gerichtsentscheidungen aus der jüngeren Zeit recht
eindrucksvoll.
Da hilft es auch nicht, Herr Geis, wenn es in § 1
des Tierschutzgesetzes so schön heißt – ich zitiere
wörtlich – :
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwor-
tung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf
dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Nie-
mand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund
Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Viele uns tagtäglich immer wieder vor Augen ge-
führte Beispiele zeigen – seien es Beispiele von Tier-
transporten, unnötigen Tierversuchen oder anderen
Formen unerträglicher Tierquälerei –, daß diesen so
schön formulierten Forderungen des Tierschutzgesetzes
in der tagtäglichen Praxis kaum Rechnung getragen
wird.
– Das ist ein grundlegender Irrtum von Ihnen. Herr
Röttgen, ich traue Ihnen zu, daß Sie wissen, daß Sie in
diesem Punkt die Unwahrheit sagen; ich traue Ihnen zu,
daß Sie die Wahrheit kennen.
Auch die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in
mittlerweile der Hälfte der Landesverfassungen wird
weitgehend folgenlos bleiben, wenn der Tierschutz nicht
endlich auch im Grundgesetz als Staatsziel angemessen
zum Ausdruck kommt.
Herr Geis, in Ihrem schönen Land Bayern hat man
dieses Staatsziel, das in etwa wortgleich mit dem von
uns beantragten Staatsziel ist, sogar mittels Volksab-
stimmung in die bayerische Staatsverfassung aufnehmen
lassen. Warum verweigern Sie dem Tierschutz im
Grundgesetz das, was Sie so ausdrücklich in der bayeri-
schen Staatsverfassung verankert haben?