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ID1400908200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/9 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 9. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. November 1998 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 487 A Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuer- reform (Drucksache 14/40) ....................... 487 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Entlastung durch Einführung einer ökologischen und sozialen Steuerreform (Drucksache 14/66 (neu))........................... 487 B Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 487 C Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 490 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 494 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 496 B Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 499 B Detlev von Larcher SPD .................................. 500 D Walter Hirche F.D.P............................ 501 C, 508 A Cornelia Pieper F.D.P. ............................... 502 D Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 504 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 506 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P.......................... 509 C Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 510 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 511 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 512 D Hans Martin Bury SPD.................................... 515 B Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi... 516 B, 517 D Walter Hirche F.D.P. ....................................... 517 B Gunnar Uldall CDU/CSU................................ 518 A Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Enwurfs eines Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmer- rechte (Drucksache 14/45) ........................ 518 D b) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsreform- gesetzes 1998 (Drucksache 14/46)............. 519 A c) Erste Beratung des von der Abgeord- neten Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Korrektur von Fehlentwicklungen im Recht der Ar- beitslosenhilfe (Erstes Arbeitslosenhilfe- Korrekturgesetz) (Drucksache 14/15)...... 519 A d) Erste Beratung des von der Abgeord- neten Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ar- beitszeitgesetzes und des Euro-Einfüh- rungsgesetzes (Drucksache 14/13)............ 519 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 e) Erste Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Wiedereinführung des Schlecht- wettergeldes – Schlechtwettergeld-Ge- setz (Drucksache 14/39)............................. 519 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur beschäftigungswirksamen Änderung des Kündigungsschutzgeset- zes (Drucksache 14/44) .............................. 519 B Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 519 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU ............... 522 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 525 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 528 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 530 C Angelika Krüger-Leißner SPD ........................ 532 C Dr. Ilja Seifert PDS .................................... 533 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU................... 535 A Hubertus Heil SPD..................................... 536 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ............................ 537 C Olaf Scholz SPD.............................................. 538 B Johannes Singhammer CDU/CSU................... 540 C Peter Dreßen SPD ...................................... 541 A Kurt Bodewig SPD .......................................... 542 A Meinrad Belle CDU/CSU................................ 544 A Nächste Sitzung ............................................... 545 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 547 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 487 (A) (C) (B) (D) 9. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Vizepräsident Rudolf Seiters Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 547 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andres, Gerd SPD 20.11.98 Austermann, Dietrich CDU/CSU 20.11.98 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Blank, Renate CDU/CSU 20.11.98 Braun (Augsburg), Hildebrecht F.D.P. 20.11.98 Breuer, Paul CDU/CSU 20.11.98 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 20.11.98 * Bulling-Schröter, Eva-Maria PDS 20.11.98 Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 20.11.98 Caspers-Merk, Marion SPD 20.11.98 Dr. Däubler-Gmelin, Herta SPD 20.11.98 Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 20.11.98 Fink, Ulf CDU/CSU 20.11.98 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Frick, Gisela F.D.P. 20.11.98 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 20.11.98 Gebhard, Fred PDS 20.11.98 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 20.11.98 Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 20.11.98 Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev CDU/CSU 20.11.98 Hartnagel, Anke SPD 20.11.98 Hintze, Peter CDU/CSU 20.11.98 Irmer, Ulrich F.D.P. 20.11.98 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Jacoby, Peter CDU/CSU 20.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 20.11.98 Kahrs, Johannes SPD 20.11.98 Kolbe, Manfred CDU/CSU 20.11.98 Kolbow, Walter SPD 20.11.98 Lehn, Waltraud SPD 20.11.98 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 20.11.98 Michels, Meinolf CDU/CSU 20.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 20.11.98 Dr. Pfaff, Martin SPD 20.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 20.11.98 Reiche, Katherina CDU/CSU 20.11.98 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 20.11.98 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 20.11.98 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 20.11.98 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 20.11.98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 20.11.98 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 20.11.98 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 20.11.98 Schmitz (Baesweiler), Hans-Peter CDU/CSU 20.11.98 von Schmude, Michael CDU/CSU 20.11.98 Thönnes, Franz SPD 20.11.98 Wimmer (Karlsruhe), Brigitte SPD 20.11.98 Wissmann, Matthias CDU/CSU 20.11.98 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.11.98 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 20.11.98 —————— *) für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 548 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 (A) (C) (B) (D) Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn sellschaft mbH, Postfach 1320, 53003 Bonn, Telefon: 0228/3820840, Telefax: 0228/3820844 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich L. Kolb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Ich kann zwar durchaus
    nachvollziehen, daß die Regierungskoalition in der
    Pflicht ist, sich für die massive Unterstützung durch di-
    verse Gewerkschaftsfunktionäre im Wahlkampf zu re-
    vanchieren. Aber auch nach fortgeschrittener Debatte
    kann ich nicht anders, als das, was Sie hier heute vorle-
    gen, als beschäftigungspolitisch falsch und volkswirt-
    schaftlich blanken Unsinn zu bezeichnen. Es ist deswe-
    gen Unsinn, weil SPD und Grüne wichtige und richtige
    beschäftigungsfördernde Reformansätze einfach wieder
    abschaffen wollen, bevor diese ihre Wirkung überhaupt
    voll entfalten konnten.


    (Beifall bei der F.D.P. – Dr. Heidi KnakeWerner [PDS]: Das sind Sie ja nun schuldig geblieben!)


    Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, Ihre
    Rolle rückwärts in Sachen Kündigungsschutz, bei der
    Entgeltfortzahlung wie auch beim Betriebsverfassungs-
    gesetz und beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann nur
    entweder als trostloses Resultat ideologischer Verblen-
    dung oder als Dokumentation Ihres blanken Unwissens
    darüber gewertet werden, wie Arbeitsplätze neu entste-
    hen.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ich glaube, beides! – Hubertus Heil [SPD]: Das sagt die F.D.P.!)


    – Herr Kollege, Arbeitsplätze entstehen nicht dadurch,
    daß man pathetisch Empörung vorträgt oder aufwendige
    Kundgebungen inszeniert, schon gar nicht durch Partei-
    tagsbeschlüsse, sondern Arbeitsplätze entstehen da-
    durch, daß Menschen bereit sind, als Arbeitgeber Ver-
    antwortung für andere zu übernehmen. Sie tun dies –
    wer wollte es ihnen verdenken? – nach reiflicher Über-
    legung und der Abwägung von Chancen und Risiken.

    Hier muß man deutlich feststellen, daß insbesondere
    im Arbeitsrecht, das ja in wichtigen Bereichen Richter-
    recht ist, über die Jahre eine Verschiebung von Lasten
    auf die Arbeitgeber stattgefunden hat. Dies gilt auch und
    gerade für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
    Das war der Hintergrund – ich will mich hier auf den
    Kündigungsschutz konzentrieren –, warum wir im Jah-
    re 1996 Klarstellungen im Kündigungsschutzgesetz
    vorgenommen haben und warum wir vor allem kleine
    Unternehmen durch eine Herausnahme aus dem Gel-
    tungsbereich des Lohnfortzahlungsgesetzes entlastet ha-
    ben. Unsere Reform war damals das Ergebnis eines

    Wolfgang Meckelburg






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    sorgfältigen Abwägungsprozesses. Sie dürfen mir glau-
    ben: Wir haben uns das Ganze nicht leichtgemacht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Nein, wir glauben Ihnen gar nichts!)


    Allerdings, meine Damen und Herren, darf der Ge-
    setzgeber nicht untätig bleiben, wenn sich ein Gesetz in
    der betrieblichen Praxis gerade des Mittelstandes als Be-
    schäftigungshemmnis erweist. Das gilt um so mehr in
    Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Es ist nun einmal kein
    Zufall, daß im Jahr 1996, also zum Zeitpunkt der Ände-
    rung, 75 Prozent der Unternehmen in Deutschland fünf
    oder weniger als fünf Beschäftigte hatten. Der Schwel-
    lenwert des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Sperre,
    die Arbeitslosen den Zugang zu einer Beschäftigung
    verwehrt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Niemand – das möchte ich dem Herrn Arbeitsmi-
    nister Riester sagen, den ich im Moment nicht sehe –


    (Zuruf von der SPD: Da ist er doch!)

    begründet ein Arbeitsverhältnis, um es zu kündigen.
    Aber getreu dem lateinischen Motto „respice finem“
    muß jeder verantwortliche Unternehmensleiter, auch um
    bestehende Arbeitsplätze nicht zu gefährden, die Mög-
    lichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses schon
    beim Vertragsschluß vor Augen haben. Deswegen ist
    das, was Sie hier vorlegen, vielleicht gutgemeint; aber
    gutgemeint ist nicht nur hier das Gegenteil von gut.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich sage Ihnen voraus: Dieser Schnellschuß geht nach

    hinten los. Statt mehr Beschäftigung werden Sie den
    Abbau von Arbeitsplätzen ernten. Das gilt insbesondere
    für den Bereich mittelständischer Unternehmen, denen
    Sie vor der Wahl plakativ Entlastungen versprochen ha-
    ben, die aber auch mit diesem Gesetz wie mit anderen,
    die Sie in den letzten Wochen vorgelegt haben, zusätz-
    lich belastet werden und letztlich die Zeche zahlen müs-
    sen.


    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: So ist es! Nur Widersprüche!)


    Mit der Verdoppelung des Schwellenwertes von fünf
    auf zehn Mitarbeiter haben wir in der letzten Legislatur-
    periode dazu beigetragen, den kleinen Unternehmen die
    Angst vor Neueinstellungen zu nehmen. Wir haben da-
    für gesorgt, daß die Kriterien bei der Sozialauswahl prä-
    zisiert und transparenter gestaltet wurden. Auch dafür
    gab es gute Gründe, die jedermann nachvollziehen kann,
    der sich ernsthaft mit dieser komplizierten Materie be-
    faßt hat.

    Nun tönen die Bundesregierung und die Koalitions-
    fraktionen im Chor – auch Herr Riester hat es heute so
    gesagt –, die Novellierung des Kündigungsschutzgeset-
    zes habe nicht zu mehr Beschäftigung geführt und müs-
    se deswegen revidiert werden. Da muß ich Sie wirklich
    fragen, woher Sie diese Weisheit nehmen. Der DIHT
    und der ZDH kommen zu ganz anderen Ergebnissen.


    (Beifall bei der F.D.P.)


    Der ZDH spricht von einem Plus von 20 000 Arbeits-
    plätzen in der Perspektive von 100 000. Der DIHT hat
    ermittelt, daß 11 Prozent der Unternehmen, die seit 1996
    nicht mehr unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, be-
    reits auf Grund dieser Neuregelung Einstellungen vor-
    genommen haben; weitere 14 Prozent planen dies für
    den Fall einer verbesserten Auftragslage. Das sind dann
    wahrscheinlich weitere 30 000 Arbeitsplätze. Insgesamt
    sind es also 50 000 Arbeitsplätze. Das sind, meine Da-
    men und Herren, keine Peanuts; darüber darf man nicht
    hinweggehen.


    (Beifall bei der F.D.P. – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das hat nichts gekostet!)


    – Richtig.
    Das zeigt: Das Klima für die Schaffung zusätzlicher

    Arbeitsplätze hat sich bei den Unternehmen zwischen
    fünf und zehn Beschäftigten entscheidend verändert.
    Deswegen, auch wenn wir erst wenige Zahlen über be-
    schäftigungswirksame Effekte des Kündigungsschutzge-
    setzes vorliegen haben, was auf Grund des kurzen Zeit-
    raumes auch nicht verwundern kann: Geben Sie diesen
    Reformen noch etwas Zeit. Strukturelle Veränderungen
    der Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirt-
    schaft greifen in der Regel erst mittelfristig. Nur in einer
    Planwirtschaft läßt sich kurzfristig per Knopfdruck steu-
    ern.

    Wir von der F.D.P.-Fraktion sind sogar bereit, den
    von uns als richtig erkannten Weg noch ein Stück weiter
    zu beschreiten. Deswegen schlagen wir vor, die Wir-
    kung der Novelle noch zu verstärken und den Schwel-
    lenwert von 10 auf 20 Arbeitnehmer anzuheben. Meine
    Fraktion hatte das schon 1996 für richtig gehalten, aber
    gegen den Widerstand großer Teile der CDU/CSU da-
    mals nicht durchsetzen können.

    Ich fordere hiermit alle hier im Hause, die immer
    wieder das Hohelied des Mittelstandes singen, auf, ge-
    meinsam mit uns durch dieses Gesetz dem Mittelstand
    den Freiraum zu geben, den er braucht, um neue Ar-
    beitsplätze zu schaffen. Ich bitte Sie, diesen Gesetzent-
    wurf zu unterstützen.


    (Beifall bei der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Olaf Scholz von der SPD-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Olaf Scholz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Am Anfang dieser Bundes-
    republik – sehr zu Anfang dieser Bundesrepublik – hat
    es schon einmal so etwas wie ein Bündnis für Arbeit
    gegeben. Die wesentlichen Grundlagen unserer Arbeits-
    verfassung, der Zusammenarbeit von Arbeitnehmern
    und Arbeitgebern, sind nämlich zwischen Gewerk-
    schaften und Arbeitgebern unmittelbar ausgehandelt
    worden.

    Im Januar 1950 haben sich im Ort Hattenheim die
    Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer getrof-
    fen und haben die „Hattenheimer Entschließungen“ ge-
    faßt, die noch bis heute wesentliche Grundlagen unseres
    Arbeitsrechts bilden. In diesem Bündnis für Arbeit ist

    Dr. Heinrich L. Kolb






    (A) (C)



    (B) (D)


    der Gesetzentwurf für ein Kündigungsschutzgesetz
    entstanden. Der Gesetzentwurf, der damals entworfen
    wurde und der dann im Januar 1950 dem Gesetzgeber
    und allen anderen zugeleitet worden ist, beinhaltete das
    Einsetzen des Kündigungsschutzes ab drei Arbeitneh-
    mern.

    Später, im August 1951, also gleich zu Anfang unse-
    rer Republik, hat der Bundestag das Kündigungsschutz-
    gesetz beschlossen, das dem Gesetzentwurf sehr ähnlich
    war und das Einsetzen des Kündigungsschutzes in Be-
    trieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern vorgesehen hat.

    Seitdem ist das so. In der Zeit danach ist der wirt-
    schaftliche Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland
    vonstatten gegangen. In der Zeit danach hat es das Wirt-
    schaftswunder gegeben. In der Zeit danach ist die ganze
    Prosperität der Bundesrepublik Deutschland entstanden.

    Es kann also nicht am Kündigungsschutz gelegen ha-
    ben, wenn der soziale Konsens, der damals Maßstab der
    Politik und auch der wirtschaftlichen Arbeit in unserem
    Lande gewesen ist, die ganze Zeit funktioniert und ge-
    tragen hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Was in den letzten 16 Jahren eingetreten ist, ist ein
    ganz merkwürdiger Paradigmenwechsel. Es ist nämlich
    das Konsensmodell als Bestandteil unserer Arbeitsver-
    fassung aufgekündigt worden. Es ist irgendwie der Ver-
    dacht entstanden, daß es die wirtschaftliche Entwicklung
    behindere, wenn Arbeitnehmer nicht schnell und einfach
    genug entlassen werden können. Es ist überhaupt insge-
    samt – wie wir bei verschiedenen Gesetzen sehen kön-
    nen – der Verdacht entstanden, daß ein maximaler
    Druck auf Arbeitnehmer die Voraussetzung dafür ist,
    daß es wirtschaftlich funktionierende Betriebe gibt.

    Das ist aber nicht die Erfahrung des Wachstums der
    Bundesrepublik Deutschland. Das ist gewissermaßen ei-
    ne Abkehr vom Konsensmodell gewesen.

    Mit dem ersten Schritt, den Sie gemacht haben, näm-
    lich den Kündigungsschutz erst bei zehn Arbeitnehmern
    einsetzen zu lassen, und mit dem Schritt, den Sie jetzt
    folgerichtig – weil in der Systematik liegend – gefordert
    haben, nämlich daß der Kündigungsschutz erst ab 20
    Arbeitnehmer eintreten soll, haben Sie etwas anderes als
    die soziale Marktwirtschaft, etwas anderes als den so-
    zialen Konsens, der unser Land getragen hat, im Auge.
    Es ist eine Art von wirtschaftsliberalem Extremismus,
    der, so glaube ich, nicht in Ordnung ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Blödsinn!)


    Ich glaube, daß es für diese Diskussion auch sehr hilf-
    reich ist, wenn man die Stichworte, die hier immer fal-
    len, einmal hinterfragt. Eines dieser Stichworte ist, daß
    die Betriebe dringend die Veränderung des Kündigungs-
    schutzes benötigten, weil sie sich sonst nur so mühselig
    und schwer von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
    trennen könnten. Das sagen viele Verbandsfunktionäre,
    das sagen viele andere, aber das sagen wenige Men-

    schen, die eine wirkliche Ahnung von der Situation von
    Kündigungsschutzprozessen haben.

    Von denjenigen Menschen, die in diesem Lande ge-
    kündigt werden, gehen etwa 8 Prozent zum Arbeitsge-
    richt. Das ist eine Zahl, die die ganze Diskussion, die
    hier geführt wird, absurd macht und deutlich zeigt, daß
    es sich dabei um eine tief ideologische Veranstaltung
    handelt, die überhaupt keinen Bezug zur Wirklichkeit
    hat.

    Ähnlich groß ist die Zahl der obsiegenden Entschei-
    dungen in diesen Prozessen.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Sie wissen ja gar nicht, was vorher alles verhandelt worden ist!)


    Zwar ist es so, daß die Termine vor den Arbeitsgerichten
    in Wirklichkeit Vergleichsverhandlungen sind, aber
    streitige obsiegende Urteile sind nur in einer Größen-
    ordnung von 7 bis 8 Prozent üblich. Im übrigen verläßt
    kaum ein Arbeitnehmer das Arbeitsgericht und kehrt
    wieder auf seinen Arbeitsplatz zurück. Insofern ist das,
    was Sie gemacht haben, eine ideologische Abkehr von
    dem Konsensmodell der sozialen Marktwirtschaft. Wir
    kehren wieder dahin zurück.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Das zweite, was Sie tun, ist, daß Sie ein richtiges
    Stichwort mit einem falschen Sachverhalt zusammenfü-
    gen und glauben, das mache dann einen Sinn. Sie disku-
    tieren über Flexibilität. Das ist in der Tat eine der wich-
    tigen Diskussionen, die wir für die Arbeitsentwicklung
    in unserem Lande führen müssen. Wir brauchen mehr
    Flexibilität am Arbeitsplatz; wir brauchen mehr Flexibi-
    lität in den Betrieben; und es braucht neue Arbeitszeit-
    modelle, die einen effektiveren Einsatz von Arbeitneh-
    merinnen und Arbeitnehmern ermöglichen und gleich-
    zeitig die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ver-
    mehren. Aber was hat Flexibilität damit zu tun, daß man
    begründungslos kündigen kann? Das hat mir nicht ein-
    geleuchtet. Da ist überhaupt kein Zusammenhang, auch
    wenn Sie ihn durch ständiges Wiederholen herzustellen
    versuchen.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich glaube, es ist richtig, daß wir jetzt, 50 Jahre spä-

    ter, zu den „Hattenheimer Entschließungen“ zurückkeh-
    ren und daß das Jubiläum, das man in Hattenheim An-
    fang des Jahres 2000 feiern kann, kein beschämendes
    ist. Vielleicht kann der Arbeitsminister dort im Januar
    des Jahres 2000 ein Treffen des Bündnisses für Arbeit
    veranstalten, um die Rückkehr zum sozialen Konsens in
    unserem Lande zu dokumentieren.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Menschen brauchen keinen Druck in Form von
    Angst, wenn sie zur Arbeit gehen – was im übrigen nicht
    bedeutet, daß man seine Pflichten nicht erfüllen solle.
    Auch das ist eine der typischen Verwechslungen, von
    denen Sie in den letzten Jahren erzählt haben.


    (Beifall bei der SPD)


    Olaf Scholz






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Daß wir hier – anders, als Sie behaupten – nicht
    Ideologie betreiben, ist deutlich daran zu erkennen, daß
    wir bei diesem Gesetzesteil wie bei weiteren Gesetzes-
    teilen das, was wir vernünftig finden, auch belassen. Ich
    weise nur darauf hin, daß zum Beispiel die Anrechnung
    von Teilzeitarbeitsverhältnissen nach der bisherigen
    Berechnungsmethode bestehenbleibt. Insofern ist das,
    was wir machen, etwas sehr Vernünftiges. Wir handeln
    nicht ideologisch, sondern versuchen, eine vernünftige
    Regelung zustande zu bringen.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auf einen weiteren Komplex des Gesetzes zu

    sprechen kommen. Dort ist geregelt, daß die Zeitbefri-
    stung für Interessenausgleichsverhandlungen bei gro-
    ßen Betriebsänderungen aufgehoben wird. Sie haben in
    das Gesetz geschrieben, daß es nach zwei Monaten – mit
    einer Verlängerung nach drei Monaten – ein Ende damit
    haben soll, daß sich Betriebsräte und Arbeitgeber mit-
    einander einigen müssen. Das hat etwas damit zu tun,
    daß Sie – glaube ich jedenfalls – nie verstanden haben,
    was das System der Betriebsänderung im Betriebsver-
    fassungsgesetz soll. Es regelt den Komplex, welche Ab-
    findung Arbeitnehmer bekommen können, als erzwing-
    bare Mitbestimmung. Wenn man sich nicht einigt, ent-
    scheidet die Einigungsstelle. Und es regelt als Rederecht
    zwischen Arbeitnehmern, Betriebsräten und den Arbeit-
    gebern, was passieren soll, wenn zum Beispiel eine
    Massenentlassung geplant ist.

    In dem Gesetz steht nicht drin – das wäre in der Tat
    eine ganz andere Wirtschaftsordnung –, daß es in dieser
    Frage ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer gebe.
    Und es steht nicht drin, daß ein Einigungsstellenvorsit-
    zender entscheidet, ob eine ganze Betriebsschließung
    stattfindet oder nicht. Aber es steht da drin, daß man
    miteinander reden muß, daß man versucht, Konsensmo-
    delle zu finden, und daß man sich Zeit nehmen soll, bis
    man mit dem Reden zu Ende ist. Sie haben sich auf die
    Seite derjenigen geschlagen, die dieses Miteinanderre-
    den für eine überflüssige Zeitverschwendung halten.
    Denen haben Sie gesagt: Ihr braucht nur zwei Monate
    nichts zu tun, dann könnt ihr endlich kündigen. Das
    wollen wir rückgängig machen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Die übrigen Regelungen, die wir aufheben, sind ähn-
    lich. Auch bei ihnen wird gewissermaßen der Konsens
    wiederhergestellt, der unsere Republik so lange getragen
    hat. Das ist die Abkehr von der Vermutung, mit der Sie
    die Gesetze gemacht haben. Ich meine die Vermutung,
    daß Druck notwendig sei und daß man den Arbeitneh-
    mern nicht über den Weg trauen könne. Das steckt näm-
    lich in der Kürzung der Entgeltfortzahlung, weil man
    durch die Kürzung Druck zum Arbeiten macht, und das
    steckt auch in den Regelungen über die Anrechnung von
    Urlaub für die Rehabilitation. Wir werden das rückgän-
    gig machen.

    Ich glaube, wir stellen das Modell der sozialen
    Marktwirtschaft wieder her und schaffen damit die Basis
    für eine Politik der Neuen Mitte.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)