Ich
glaube, die jungen Wilden in der Union sind früh geal-
tert, aber das tut nichts zur Sache.
Ich bestreite nicht, daß es bei der doppelten Staats-
bürgerschaft sicherlich ein Vermittlungsproblem in der
Gesellschaft gibt. Ich glaube, es ist das größte im ganzen
Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts. Es gibt Umfra-
gen in der Bevölkerung, die besagen, daß das Geburts-
recht von einem großen Teil der Bevölkerung akzeptiert
wird und daß auch die Verkürzung der Fristen von ei-
nem sehr großen Teil der Bevölkerung akzeptiert wird.
Bei der doppelten Staatsbürgerschaft – das will ich
Ihnen gerne zugestehen – haben viele das Gefühl, daß
Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft mehr Rechte
bekommen als ein Deutscher. Das muß man ernst neh-
men, da muß man argumentieren. Ich glaube aber, man
kann auch argumentieren.
Viele glauben oder gehen davon aus, daß ein Doppel-
staatsbürger sich hier bestimmten Dingen entziehen
kann. Dem ist aber nicht so. Das muß man in aller Deut-
lichkeit klarmachen. Wer hier Doppelstaatsbürger ist, ist
vor deutschen Gerichten deutscher Staatsbürger.
Er ist hier wehrpflichtig, er ist schulpflichtig, für ihn
gelten alle Bestimmungen dieser Republik.
Ich nenne jetzt einmal einen Punkt, der in der Öffent-
lichkeit gar nicht diskutiert wird: Er hat deswegen sogar
praktische Nachteile. Wenn Sie einmal mit Richtern
sprechen, werden sie Ihnen sagen: Bisher mußte sich der
deutsche Richter beim Fall eines türkischen Staatsbür-
gers, der sich hier scheiden lassen will, in das türkische
Scheidungsrecht einarbeiten und muß die Ehe dieses
Mannes nach türkischem Recht scheiden. Wenn ich tür-
kischer Mann wäre und mich scheiden lassen wollte,
würde ich das türkische Scheidungsrecht bevorzugen. Er
wird sich aber zukünftig als deutscher Staatsbürger
– Gott sei Dank, sage ich und unterstreiche das – nach
deutschem Scheidungsrecht scheiden lassen müssen. Es
gibt also auch durchaus viele Nachteile für Menschen
mit doppelter Staatsbürgerschaft.
Für uns gilt: Wer die doppelte Staatsbürgerschaft hat,
wer den deutschen Paß hat, der ist Bürger unseres Lan-
des und unterliegt unseren Gesetzen.
Zum Schluß noch ein Satz. Es war die Ausländerbe-
auftragte der vorherigen Regierung, Frau Schmalz-
Jacobsen, die gesagt hat: Wir haben 1,8 Millionen Dop-
pelstaatsbürger. Sie hat auch gesagt, um welche Grup-
pen es sich handelt. Der größte Teil davon sind Deut-
sche, die Aussiedler, die aus Kasachstan, aus Rußland zu
uns kommen. Der zweitgrößte Teil entfällt auf binatio-
nale Ehen. Jede sechste neu geschlossene Ehe in
Deutschland ist eine binationale. Ich kenne viele in un-
seren Reihen, die in einer binationalen Ehe leben und
die mir nach jeder Rede sagen: Herr Özdemir, wir wis-
sen selber, daß wir in dieser Frage Quatsch erzählen, der
mit der Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun hat. –
Deshalb sollten wir das etwas niedriger hängen. Ich
glaube, die Geschichte wird uns recht geben.