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ID1400407200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 I n h a l t : Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburts- tagen der Abgeordneten Ulrike Mascher, Wolfgang Behrendt und Werner Lensing .... 131 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 131 B Absetzung der Punkte 5 und 8 von der Tages- ordnung............................................................ 131 B Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Bestimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 14/21)......................... 131 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Einsetzung von Ausschüssen (Drucksa- che 14/22)................................................... 131 C Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 131 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 131 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 135 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU............ 138 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 139 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 141 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU .................144 A, 153 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 146 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD.......................149 B, 153 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 154 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 155 A Johannes Singhammer CDU/CSU................... 156 D Peter Dreßen SPD ...................................... 157 D Adolf Ostertag SPD......................................... 159 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU................. 161 B Tagesordnungspunkt 6 (in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1): Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetz- lichen Krankenversicherung (Drucksache 14/24) ......................................................... 162 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 162 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 163 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 167 B Rudolf Dreßler SPD......................................... 168 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU............................................................ 171 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 172 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 174 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Gudrun Schaich-Walch SPD............................ 175 D Wolfgang Zöller CDU/CSU....................... 176 B Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 178 A Ausschußüberweisung Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 179 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 182 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU............................................................ 182 D Hubert Hüppe CDU/CSU........................... 184 A Ina Lenke F.D.P............................................... 186 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 187 B Petra Bläss PDS............................................... 189 B Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 190 C Hildegard Wester SPD..................................... 192 A Nächste Sitzung ............................................... 194 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 195 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 131 (A) (C) (B) (D) 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Hildegard Wester Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 195 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.11.98 Bulling-Schröter, Eva PDS 11.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.98 Hartnagel, Anke SPD 11.11.98 Homburger, Birgit F.D.P. 11.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.11.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 11.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 11.11.98 Nolting, Günther Friedrich F.D.P. 11.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 11.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 11.11.98 Schütze (Berlin), Diethard W. CDU/CSU 11.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 11.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 11.11.98
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulf Fink


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr
    verehrten Damen und Herren! Die Regierungskoalition
    legt heute einen ersten Gesetzentwurf im Gesundheits-
    bereich vor. Es ist anerkanntermaßen nicht die große
    Gesundheitsreform, sondern es ist ein Vorschaltgesetz.

    Warum diese große Eile?

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Weil wir es verspro chen haben!)

    Die Regierungskoalition begründet diese große Eile da-
    mit, daß die Grundlage der gesetzlichen Krankenversi-
    cherung, die Solidarität, auf das schwerste gefährdet sei.
    Ich erinnere mich, daß SPD und Grüne, als wir die Zu-
    zahlungen für Arzneimittel und dergleichen erhöht ha-
    ben, dieses in der Tat als zutiefst unsozial bezeichnet
    haben. Sie haben gesagt: ein Anschlag auf die Grundfe-
    sten unseres Gesundheitswesens.

    Deswegen habe ich in dieses Vorschaltgesetz ge-
    schaut, um festzustellen, was verändert worden ist. Was
    muß ich feststellen? Die Zuzahlungen sind bei den gro-
    ßen Arzneimitteln um 3 DM, bei den mittleren Arznei-
    mitteln um 2 DM und bei den kleinen Arzneimitteln um
    genau 1 DM vermindert worden. Die Zuzahlung im
    Krankenhausbereich ist gar nicht vermindert worden.
    Auch die Zuzahlung im Kurmittelbereich ist nicht ver-
    mindert worden. Die Zuzahlungen für Heilmittel sind
    ebenfalls nicht vermindert worden. Ich habe auch nichts
    davon gelesen, daß Sie die Veränderung beim Kranken-
    geld rückgängig machen wollen.


    (Rudolf Dreßler [SPD]: Chronisch Kranke werden ganz befreit!)


    Es kann sein, daß Sie eine andere Einschätzung des
    Solidaritätsprinzips haben. Sie sagen vielleicht: Das
    Solidaritätsprinzip war doch nicht so stark beeinträch-
    tigt. Vor den Wahlen konnte man bei Ihnen aber etwas
    ganz anderes lesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rudolf Dreßler [SPD]: Falsch!)


    Da haben Sie plakatiert: „Wir machen nicht alles anders,
    aber vieles besser.“ Jetzt muß es, glaube ich, heißen:
    Wir machen nicht alles besser und vieles auch überhaupt
    nicht anders.


    (Zustimmung bei der F.D.P.)

    Eine wichtige Zielsetzung des vorliegenden Gesetz-

    entwurfes ist nach Ihren eigenen Aussagen, daß die Bei-
    tragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung stabil
    bleiben sollen. Diese Zielsetzung ist absolut richtig.
    Auch wir sind der Meinung, daß steigende Beitragssätze
    Gift für Arbeitsplätze wären. Die Frage ist aber: Errei-
    chen Sie dieses Ziel mit Ihrem Gesetzentwurf? Haben
    Sie für die Mehrausgaben und die Mindereinnahmen
    eine echte, seriöse Gegenfinanzierung?

    Wir müssen feststellen, daß nach Ihrer eigenen finan-
    ziellen Begründung im nächsten Jahr fast 2 Milliar-
    den DM an Mindereinnahmen und Mehrausgaben ent-
    stehen werden. Gegenfinanziert wird im wesentlichen
    nur durch die Versicherungspflicht für geringfügige Be-
    schäftigung. Diese Gegenfinanzierung geben Sie in Ih-

    rem eigenen Gesetzentwurf zur gesetzlichen Kranken-
    versicherung mit 1,3 Milliarden DM bis 1,4 Milliar-
    den DM an.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Reine Luftbuchungen!)


    Dazu kann ich nur sagen: Sie wissen ja noch nicht
    einmal, wie Sie diesen Gesetzentwurf für die geringfü-
    gigen Beschäftigungsverhältnisse ausgestalten wollen.
    Das geht zwischen Kanzler und Arbeitsminister offenbar
    noch hin und her: ob Pauschbesteuerung oder nicht, ob
    Rente oder nicht, ob Krankenversicherung oder nicht. In
    diesem Gesetzentwurf aber schreiben Sie: Diese Versi-
    cherungspflicht für geringfügige Beschäftigung bringt
    1,3 Milliarden DM mehr. – Das ist eine Luftnummer
    sondergleichen.

    Ich finde, Heinz Schmitz hat das im „Handelsblatt“
    vom 9. November sehr gut beschrieben:

    Sieht man genauer hin, so fordern Bundeskanzler
    Gerhard Schröder (SPD) und seine Minister nach
    Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer nun eine
    noch größere Autorität der Deutschen heraus:
    Adam Riese, den Altmeister des Rechnungswesens.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    In der Tat: Höhere Sozialleistungen und niedrigere Bei-
    träge gleichzeitig zu beschließen – das geht auch bei ei-
    ner rotgrünen Regierung nicht auf.


    (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] – Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist die Verwechslung von Plus und Minus!)


    Thema Krankenhausnotopfer. Es ist erfreulich,
    wenn die Versicherten nichts mehr bezahlen müssen.
    Die Frage ist aber: Wer bezahlt denn nun die Instand-
    haltungen im Krankenhaus? Wer bezahlt notwendige
    Reparaturen im Operationssaal? Wer bezahlt die In-
    standhaltung des Fahrstuhls? – In Art. 5 Abs. 3 Satz 6
    Ihres Gesetzentwurfes steht die Antwort. Niemand be-
    zahlt mehr, überhaupt niemand. Das heißt, die Instand-
    haltungskosten sollen ab 1999 nicht mehr pflegesatzfä-
    hig sein. Wer bezahlt dann für die Instandhaltungen, für
    die Reparaturen?

    Eine wirkliche Leistung wäre es gewesen, wenn es
    Ihnen im Unterschied zur alten Regierungskoalition ge-
    lungen wäre, die eigentlich Verantwortlichen, nämlich
    die Länder, zur Zahlung dieser Kosten zu veranlassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bayern zahlt ja. Aber die anderen Länder zahlen nicht.
    Manche hatten sogar die Hoffnung, daß Ihnen mit einer
    rotgrünen Mehrheit im Bundestag und einer rotgrünen
    Mehrheit im Bundesrat das möglich würde, was uns
    nicht möglich war.

    Was müssen wir aber nun sehen? Sie versuchen nicht
    einmal, die Länder, wie es sich gehört, zur Finanzierung
    dieser Kosten heranzuziehen. Das läßt nun in der Tat
    wenig Gutes für die angekündigte große Gesundheitsre-
    form erahnen. Wenn Sie sich selbst in einer so eindeuti-
    gen Frage nicht an die Länder heranwagen, wie wollen
    Sie denn dann die Schlüsselfrage des Gesundheitswe-






    (A) (C)



    (B) (D)


    sens lösen, nämlich die Kostenentwicklung im Kranken-
    hausbereich?

    Es ist doch dieser Bereich, der kostenmäßig aus dem
    Ruder gelaufen ist. Es sind nicht, wie Sie immer wieder
    vorgeben, die Kosten für die Ärzte. Denn die hatten frü-
    her einen Anteil von 20 Prozent an den Krankenkassen-
    ausgaben, jetzt nur noch von 18 Prozent. Der von Ihnen
    so viel geschmähte Arzneimittelbereich nahm früher 15
    bis 17 Prozent der Krankenkassenausgaben in Anspruch,
    jetzt nur noch etwas über 13 Prozent. Nein, es ist der
    Krankenhausbereich mit über 34 Prozent der gesamten
    Krankenkassenausgaben, der weit überproportional ge-
    wachsen ist. Ich nenne Ihnen einmal die Vergleichszah-
    len. Anteil des Krankenhausbereichs an den Kranken-
    kassenausgaben 1960: 17,5 Prozent, Anteil des Kran-
    kenhausbereichs an den Krankenkassenausgaben 1970:
    25 Prozent, jetzt – ich wiederhole es – über 34 Prozent.
    Das A und O jeder Gesundheitsreform ist, daß auch der
    Krankenhausbereich seinen Beitrag zur Kostendämp-
    fung leistet.

    An den sektoralen Budgets kann man genau sehen,
    mit wem Sie es gut und mit wem Sie es weniger gut
    meinen. Im Krankenhausbereich sind Sie mit dem Bud-
    get relativ großzügig. Mit dem ärztlichen Bereich mei-
    nen Sie es schon sehr viel weniger gut. Mit den Zahn-
    ärzten meinen Sie es gar nicht gut. Bei den Arzneimit-
    teln schlagen Sie einmal so richtig zu.

    Ob Sie, Frau Fischer, sehr glaubwürdig sein werden,
    will ich bezweifeln. Denn in Ihrem Gesetzentwurf steht,
    was mit denen geschieht, die sich nicht an die Budgetie-
    rung gehalten haben. Was steht nämlich in Art. 14 Ihres
    Gesetzentwurfes? Da steht, daß bei all denjenigen, die
    die Budgets überzogen haben, also denjenigen, die sich
    eben nicht an die Budgets gehalten haben, keine Sank-
    tionen erfolgen. Sie haben eine Generalamnestie in das
    Gesetz geschrieben. Wie sollen sich die Leute daran
    halten, wenn diejenigen, die sich am schlechtesten ver-
    halten haben, am ehesten in den Genuß einer Amnestie
    kommen?


    (Beifall bei der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist eine neue Moral!)


    Frau Fischer, Sie haben am Donnerstag vergangener
    Woche vor Journalisten erklärt, Sie wollten die Akteure
    in der Gesundheitspolitik für einen gemeinwohlorien-
    tierten Reformprozeß gewinnen. Sie haben weiter ge-
    sagt, das Gesundheitssystem sei auf einen fairen Interes-
    senausgleich angewiesen. Ja, Frau Fischer, was Sie sa-
    gen, ist richtig. Genau so sollte man es machen. Aber
    was die Regierungskoalition hier vorgelegt hat, atmet
    einen ganz anderen Geist.

    Frau Ministerin, wenn Sie Erfolg haben wollen, den
    wir Ihnen im Interesse unseres Gesundheitswesens wün-
    schen, dann müssen Sie sehr aufpassen, daß sich in der
    Regierungskoalition nicht die Kräfte durchsetzen, die
    eine uralte Politik verfolgen. Sie müssen sehr aufpassen,
    daß die alten Ressentiments aus der sozialdemokrati-
    schen Mottenkiste nicht fröhliche Urständ feiern. Noch
    haben Sie Zeit dazu.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich
schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetz-
entwurfes auf Drucksache 14/24 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse, jedoch nicht an den
Haushaltsausschuß, vorgeschlagen. Gibt es dazu ander-
weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Wir kommen zum Themenbereich Familie, Senioren,
Frauen und Jugend.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat
die Kollegin Hannelore Rönsch von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hannelore Rönsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr
    Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie-
    be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestern hatten wir die
    Gelegenheit, zwei Stunden lang dem Bundeskanzler bei
    seiner Regierungserklärung zuzuhören.


    (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Sehr anstrengend)


    Natürlich haben diejenigen, die für Familien-, Senioren-,
    Frauen- und Jugendpolitik zuständig sind, mit besonde-
    rem Interesse gehört, welchen Stellenwert dieses Mini-
    sterium für den neuen Bundeskanzler hat: Zwei Stunden
    Beliebigkeit und zwei Stunden wenig zu diesem Thema.


    (Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Haben Sie nicht zugehört?)


    Frau Ministerin Bergmann, ich wünsche Ihnen für die
    nächsten vier Jahre sehr viel Kraft und vor allem Durch-
    setzungsvermögen. Sie werden uns an Ihrer Seite haben,
    wenn es gilt, für den Personenkreis zu kämpfen, für den
    Sie verantwortlich sind. Sie werden uns auch immer
    dann an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, die In-
    teressen Ihres Ministeriums gegenüber denen zu vertre-
    ten, die die Arbeit, die dort geleistet wird, mit „Gedöns“
    abtun. Fragen Sie uns, wir werden Ihnen helfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist heute schon mehrfach gesagt worden, daß in

    den unterschiedlichen Ministerien ein gut bestelltes
    Haus übergeben wird.


    (Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Vor allem in der Frauenpolitik!)


    Ich möchte das auch für das Ministerium für Familie,
    Senioren, Frauen und Jugend ausdrücklich wiederholen.
    Denn man merkt, daß hier die Abrißbirne herausgeholt
    werden soll und daß Leistungen, die in den vergangenen
    Jahren und Jahrzehnten unserer Bevölkerung zugute ge-
    kommen sind, auf einmal gar nicht mehr erwähnt wer-
    den. Da so vieles vergessen wird, will ich Ihnen sagen,
    was dieses Ministerium für die Generationen, die nun
    Ihnen anvertraut sind, in den vergangenen 16 Jahren
    geleistet hat – oft gegen den Widerstand der SPD,
    manchmal auch auf der Grundlage von Gesetzentwürfen

    Ulf Fink






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    der SPD, die sie zwar immer in der Schublade hatte,
    aber nie selbst verwirklichen konnte.


    (Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Und womit wollen Sie den Rest Ihrer Redezeit füllen?)


    Ich nenne als erstes Erziehungsgeld und Erzie-
    hungsurlaub. Wer sich noch ein bißchen erinnern kann,
    wird doch wohl noch wissen, daß die Umsetzung von
    Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub auch immer ein
    Wunsch von Ihnen gewesen ist. Sie hatten dafür nur nie
    eine Mark in der Tasche. Ich werde an anderen Stellen
    noch darauf zurückkommen.

    Ich nenne die Anerkennung der Kindererziehungs-
    und der Pflegezeiten in der Rente, eine Leistung, die
    ganz besonders den Frauen zugute gekommen ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich nenne die Freistellung von der Berufstätigkeit bei
    Krankheit der Kinder, die Verbesserung der Bedingun-
    gen für Teilzeitarbeit, den Rechtsanspruch auf einen
    Kindergartenplatz, den wir gemeinsam erkämpft haben –
    es hat lange genug gedauert – und die Wiedereinführung
    des Kinderfreibetrages sowie die sukzessive Erhöhung
    des Kindergeldes.

    Gestern wurde uns angekündigt – es wurde in der
    Regierungserklärung wirklich nur über Monetäres ge-
    sprochen –: Das Kindergeld wird erhöht, so wie es vor
    der Wahl versprochen wurde. Wir freuen uns mit Ihnen
    für die Familien. Auch hier werden wir an Ihrer Seite
    stehen und dafür kämpfen. Denn wir mußten in diesem
    Hause schon einmal erleben, daß eine Familienministe-
    rin – das war das letzte Mal, als Sie regiert haben –
    nämlich Anke Fuchs, eine Kindergelderhöhung ange-
    kündigt hat, die dann auch tatsächlich unmittelbar vor
    der Wahl umgesetzt wurde. Aber bereits ein Jahr später
    mußte Frau Fuchs die Wahlversprechen wieder einkas-
    sieren.


    (Zuruf von der SPD: Wir haben jetzt 16 Jahre Kohl hinter uns!)


    Die Familien haben das Nachsehen gehabt. Wir werden
    Ihnen, Frau Ministerin, zur Seite stehen, aber Ihnen auch
    sehr auf die Finger schauen, damit die Familien nicht
    wieder betrogen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Familien werden zumindest dann betrogen, wenn

    ich mir Ihre Vorschläge zur Ökosteuerreform betrachte.
    Es ist unglaublich, daß die Familien durch eine Kinder-
    gelderhöhung mehr Geld in die eine Tasche bekom-
    men, was ihnen durch die Ökosteuerreform wieder aus
    der anderen Tasche gezogen wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie aber auch sagen, was sie über die Einkommensteuerreform wieder hereinbekommen!)


    Es ist vollkommen egal, welchen Bereich Sie betrachten,
    ob Strom oder Gas: Es sind immer die Familien, die es
    betrifft.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 2 700 DM pro Familie!)


    Nehmen Sie zum Beispiel das Benzin. Mit Sicherheit
    wird der Schulbus für die Familie teurer werden. Die
    Bäckereien als die energieintensivsten Betriebe werden
    sich auch ihre Gedanken machen und die Energiever-
    teuerung auf die Preise für das Brot umlegen. Das soll
    den Familien an gar keiner Stelle wehtun? Sie haben
    doch hoffentlich auch einmal die Berechnungen ange-
    stellt, über die man momentan in allen großen Tages-
    zeitungen nachlesen kann, bevor Sie an solche Reform-
    vorhaben herangehen; denn hier wird Ihnen ja von den
    Wirtschaftswissenschaftlern vorgerechnet, daß die Kin-
    dergelderhöhung durch die Ökosteuer aufgezehrt wird.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben die Einkommensteuerreform dabei vergessen!)


    Dazu müssen Sie sich – das muß ich Ihnen sagen –
    schon einmal vorher Ihre Gedanken machen.

    Im Bildungsbereich haben wir Programme zur Heran-
    führung von Mädchen und Frauen an moderne Techno-
    logien und weit angelegte Initiativen wie „Frauen in
    Männerberufen“ aufgelegt. Wir haben Art. 3 des Grund-
    gesetzes geändert und die staatliche Verpflichtung fest-
    geschrieben, „die tatsächliche Durchsetzung der Gleich-
    berechtigung von Frauen und Männern“ zu fördern und
    Benachteiligungen zu beseitigen.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie das auch umgesetzt?)


    – Ja, aber selbstverständlich; in allen Lebensbereichen
    haben wir es umgesetzt.


    (Lachen bei der SPD)

    Ich habe vier Jahre ein Ministerium geleitet, und die-

    ses Ministerium für Familie und Senioren war das Mi-
    nisterium, das gerade im höheren Dienst den höchsten
    Frauenanteil hatte. Nun sind Sie gefragt. Liebe Kolle-
    ginnen aus der SPD-Fraktion, ich hätte mir schon ge-
    wünscht, daß Sie Ihrem Kanzler wenigstens etwas mehr
    über Frauenpolitik in sein Redemanuskript geschrieben
    hätten;


    (Zuruf von der SPD: Haben wir!)

    davon stand an keiner Stelle etwas.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Für uns heißt Familienpolitik auch, daß wir die Fa-

    milien mit Preisstabilität in die Lage versetzen, für ihr
    Geld tatsächlich etwas zu bekommen. Im Moment haben
    wir eine Inflationsrate von 0,7 Prozent. Die Familien
    behalten das in der Tasche, was sie tatsächlich erarbei-
    ten. Auch in diesem Punkt werden wir darauf achten,
    daß das in Zukunft so bleibt.

    Frau Kollegin, einige Punkte liegen mir auch noch
    sehr am Herzen. Bisher habe ich Äußerungen von Ihnen

    Hannelore Rönsch (Wiesbaden)







    (A) (C)



    (B) (D)


    dazu immer nur in Presseinterviews gelesen. Deshalb
    will ich doch noch einige Anmerkungen zum Stellen-
    wert der Familien machen. Es mag nämlich sein –
    persönlich habe ich Sie dazu noch nicht gehört –, daß
    Sie verkehrt zitiert worden sind. Ich will Ihnen unsere
    Positionen zum Stellenwert der Familie in der Gesell-
    schaft einmal deutlich darstellen. Für uns bleiben die
    Familien die wichtigste Einheit in unserer Gesellschaft;
    denn sie vermitteln die Werte und die Verhaltensweisen,
    ohne die eine freie und solidarische Gesellschaft nicht
    möglich ist.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Davon hat man aber in den 16 Jahren nicht sehr viel gemerkt!)


    Dazu haben wir über 16 Jahre die Grundlagen geschaf-
    fen, und dazu haben wir über 16 Jahre gestanden.


    (Zuruf von der SPD: Das sehen die Familien aber ganz anders! Sonst hätten Sie die Wahl nicht verloren!)


    Jetzt gibt es aber offensichtlich Auflösungserscheinun-
    gen – auch bei Ihnen in der SPD. Wenn Sie sich einmal
    die Statistiken anschauen, dann sehen Sie, daß immer
    noch 80 Prozent der jungen Männer und Frauen in einer
    Familie leben, heiraten und Kinder haben wollen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hindert sie doch niemand!)


    Für uns gilt es, die Familie weiterhin auch ideell zu
    stärken. Wir stimmen Ihrer Definition im Koalitionsver-
    trag „Familie ist, wo Kinder sind“ nicht zu.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Für uns ist Familie grundsätzlich: Mann, Frau, Kinder.


    (Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der SPD: Das gibt's doch nicht!)


    Alle anderen Lebensformen sind Ausnahmeerscheinun-
    gen, die wir schützen und tolerieren.


    (Lachen und Widerspruch bei der SPD)

    – Warum sind Sie so aufgeregt? Können Sie diese Posi-
    tionen nicht mehr ertragen?


    (Ingrid Holzhüter [SPD]: So verlogen nicht!)

    Wir werden die nächsten vier Jahre sehr ausführlich
    darüber diskutieren. Von uns können Sie Toleranz ge-
    genüber anderen Lebensformen erwarten. Ich erwarte
    aber auch von Ihnen Toleranz.


    (Abg. Christina Schenk [PDS] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


    – Zwischenfragen von der PDS werde ich mit Sicherheit
    nicht zulassen.


    (Zurufe von der PDS: Das ist Toleranz! – Und Sie erwarten Toleranz?)


    – An dieser Stelle verstehe ich Ihre Aufregung nicht.

    (Lachen bei der PDS)


    Es mag sein, daß Ihnen das Wort ,,Toleranz“ fremd ist.
    Sie werden erleben: Wir werden Toleranz in der Oppo-
    sition, also in der Rolle, die wir jetzt haben, immer wie-
    der einfordern.

    Ein Weiteres, sehr verehrte Frau Ministerin, das mir
    in Ihren Interviews aufgefallen ist: Sie haben sich fast
    ausschließlich auf die berufstätige Frau konzentriert. Ich
    erwarte von Ihnen Respekt auch vor anderen Lebens-
    entwürfen. Wenn sich Frauen in der alten Bundesrepu-
    blik dazu entschieden haben, ihre Arbeitsleistung in der
    Familie zu erbringen und Kinder zu erziehen, dann hat
    das auch Ihren Respekt und Ihre Anerkennung verdient.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bitte Sie, in der Zukunft mit Ihren Aussagen hierzu
    ein wenig vorsichtiger zu sein.

    Ich will noch ganz kurz zum seniorenpolitischen Teil
    kommen. Ich habe mir Ihre Koalitionsvereinbarung an-
    geschaut. Es scheint hier wenig Widersprüche zu unse-
    rer Politik zu geben, und darüber bin ich ausgesprochen
    froh. Denn ich denke, gerade unsere ältere Generation
    hat es nicht verdient, in die Mühlen der Politik zu gera-
    ten. Ich empfehle Ihnen – dieser Rat muß gestattet sein –,
    daß Sie den Bundesaltenplan weiter ausbauen. Ich habe
    1993 die Institution der Seniorenbüros ins Leben geru-
    fen, und wir haben mittlerweile 114 in der Bundesre-
    publik Deutschland. Gerade in der letzten Woche hat
    eine große Veranstaltung stattgefunden, an der auch ich
    teilgenommen habe. Die älteren Menschen nutzen die
    114 Seniorenbüros; sie treffen sich dort und bringen ihre
    Fähigkeiten ein. Ich bitte Sie, den Bundesaltenplan fort-
    zuschreiben und die Seniorenbüros zu unterstützen. Bis-
    her waren im Haushalt 30 Millionen DM veranschlagt.
    Ich denke, daß Sie hierfür noch ein Stück mehr einfor-
    dern müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Gerade 1999 – es ist das Internationale Jahr der Se-

    nioren – bietet die beste Gelegenheit, die Solidarität
    zwischen den Generationen verstärkt einzufordern:
    Denn auch durch die von Ihnen mitverursachte Diskus-
    sion um die Rentenversicherung ist ein Stück dieser So-
    lidarität von jungen zu alten Menschen verlorengegan-
    gen. Hier ist es Ihre Aufgabe, zur Versöhnung beizutra-
    gen.

    Für Ihre Arbeit wünsche ich Ihnen Kraft und die
    Standfestigkeit, sich der Männerwelt – das hat sich ge-
    stern in der Regierungserklärung sehr deutlich gezeigt –
    zu widersetzen,


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Aber wir gehören doch auch zur Familie!)


    so daß wir das Wort „Gedöns“ für die Arbeit, die Sie
    leisten, nie mehr hören.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)