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ID1400407000

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    Plenarprotokoll 14/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 I n h a l t : Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburts- tagen der Abgeordneten Ulrike Mascher, Wolfgang Behrendt und Werner Lensing .... 131 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 131 B Absetzung der Punkte 5 und 8 von der Tages- ordnung............................................................ 131 B Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Bestimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 14/21)......................... 131 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Einsetzung von Ausschüssen (Drucksa- che 14/22)................................................... 131 C Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 131 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 131 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 135 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU............ 138 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 139 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 141 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU .................144 A, 153 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 146 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD.......................149 B, 153 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 154 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 155 A Johannes Singhammer CDU/CSU................... 156 D Peter Dreßen SPD ...................................... 157 D Adolf Ostertag SPD......................................... 159 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU................. 161 B Tagesordnungspunkt 6 (in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1): Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetz- lichen Krankenversicherung (Drucksache 14/24) ......................................................... 162 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 162 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 163 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 167 B Rudolf Dreßler SPD......................................... 168 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU............................................................ 171 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 172 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 174 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Gudrun Schaich-Walch SPD............................ 175 D Wolfgang Zöller CDU/CSU....................... 176 B Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 178 A Ausschußüberweisung Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 179 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 182 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU............................................................ 182 D Hubert Hüppe CDU/CSU........................... 184 A Ina Lenke F.D.P............................................... 186 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 187 B Petra Bläss PDS............................................... 189 B Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 190 C Hildegard Wester SPD..................................... 192 A Nächste Sitzung ............................................... 194 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 195 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 131 (A) (C) (B) (D) 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Hildegard Wester Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 195 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.11.98 Bulling-Schröter, Eva PDS 11.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.98 Hartnagel, Anke SPD 11.11.98 Homburger, Birgit F.D.P. 11.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.11.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 11.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 11.11.98 Nolting, Günther Friedrich F.D.P. 11.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 11.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 11.11.98 Schütze (Berlin), Diethard W. CDU/CSU 11.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 11.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 11.11.98
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gudrun Schaich-Walch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Erstens einmal muß
    auch schon jetzt Krankengeld gezahlt werden. Zweitens
    möchte ich dazu sagen, daß wir davon ausgehen, daß die
    Mehreinnahmen zur Erhöhung der Krankengeldleistun-
    gen ausreichen, zumal wir ja sehen konnten, daß die
    Zahlen der Krankschreibungen allgemein und auch der
    langfristigen Krankschreibungen in der letzten Zeit
    glücklicherweise sehr stark rückläufig gewesen sind.


    (Zuruf von der F.D.P.: Milchmädchenrechnung!)


    Wir werden ja sehen, wie weit wir kommen.
    Ich denke, es sollte eigentlich möglich sein, daß wir

    uns in diesem Hause darauf verständigen, daß der kran-
    ke Mensch und die für ihn notwendige Hilfe im Mittel-
    punkt der Gesundheitspolitik zu stehen haben und daß
    danach erst das Einkommen der Ärzteschaft und der
    Pharmaindustrie Berücksichtigung finden kann.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir sind im Wahlkampf mit Versprechungen vor-

    sichtig gewesen. Im Gegensatz zu Ihnen sind wir bereit,
    unsere gemachten Versprechungen auch einzulösen, und
    wir tun es sehr schnell. Wir tun es deshalb sehr schnell,
    weil wir verhindern wollen, daß die ungerechten gesetz-
    lichen Maßnahmen, die Sie in der letzten Legislaturperi-
    ode beschlossen haben, die aber clevererweise erst nach
    der Wahl in Kraft treten sollten, die Menschen zusätz-
    lich belasten. Wir verteilen in diesem Land nicht belie-
    big Wohltaten an diejenigen, die sie gar nicht brauchen,
    wie Sie immer suggerieren wollen, sondern wir sorgen
    letztendlich nur dafür, daß Ungerechtigkeiten, die Sie
    verursacht haben und für die Sie die Quittung des Wäh-
    lers bekommen haben, beseitigt werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir machen aus der Krankenversicherung wieder das,
    was sie sein sollte, nämlich Hilfe im Krankheitsfall –
    und das solidarisch finanziert.


    (Beifall bei der SPD)

    Herr Lohmann, Sie haben auf die sechs Jahre erfolg-

    reiche Gesundheitspolitik von Herrn Seehofer verwie-
    sen,


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    die von vielen gebrochenen Versprechungen, was die
    Zuzahlungen betrifft, gekennzeichnet ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Walter Hirche [F.D.P.]: Beitragssatzstabilität!)


    Die Belastung der Patientinnen und Patienten hat sich in
    diesen letzten sechs Jahren verdreifacht. 1998 erreichte
    sie ein Finanzvolumen von 20 Milliarden DM. Allein für
    Arzneimittel zahlen Versicherte heute das Fünffache an
    Zuzahlungen gegenüber den Jahren 1991 und 1992. Bei
    jedem sechsten Arzneimittel zahlen die Versicherten den

    Gudrun Schaich-Walch






    (A) (C)



    (B) (D)


    vollen Apothekenpreis. Was ist das denn anderes als ei-
    ne ausgegrenzte Leistung?, frage ich Sie hier.


    (Beifall bei der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Walter Hirche [F.D.P.]: Sie kommen noch zur Rationierung wie in England!)


    Wir sind jetzt an dem Punkt, daß wir feststellen müs-
    sen, daß ein Rentnerehepaar, das 2 400 DM netto hat
    und chronisch krank wird, nach den jetzigen Regelungen
    etwa einen Zuzahlungsbeitrag von einer gesamten
    Monatsrente zu leisten hat. Dazu sagen wir: Das ist so-
    zial ungerecht; das ist ausschließlich eine Bestrafung
    von kranken und alten Menschen.

    Wir werden das deshalb ändern. Wir streichen für die
    chronisch Kranken, die ein Jahr lang die Grenze der
    Zuzahlungen überschritten haben, die Zuzahlungen im
    zweiten Jahr vollständig. Das Krankenhausnotopfer wird
    wegfallen. Die von Ihnen geplante Dynamisierung der
    Zuzahlungen, die kommen sollte, wird wegfallen, eben-
    so wie die Zuzahlung in Höhe von 10 DM bei jedem
    Arzt für psychisch Kranke.

    Das sind, Frau Fischer, im ersten Ansatz zwar nur 2
    Milliarden DM. Aber wenn wir das weiter seriös finan-
    zieren wollen, dann brauchen wir erst den nächsten
    Schritt, nämlich den der Strukturreform, bevor wir wei-
    tere Zuzahlungen abbauen können. Denn im Gegensatz
    zur Opposition sind wir der Überzeugung, daß es in die-
    sem System durchaus Wirtschaftlichkeitsreserven gibt.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Jetzt möchte ich noch einmal zu dem Bereich des
    Zahnersatzes kommen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich:
    Was die Zahnärzte zur Zeit machen, ist Jammern auf
    hohem Niveau.


    (Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Bei 30 Prozent Umsatzrückgang?)


    – Sie beklagen einen Umsatzrückgang. Aber warum?
    Weil Sie ein Gesetz geschaffen haben, bei dem man zum
    Teil Privatpatient werden konnte.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich kann es Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn ich mit
    meinem Zahnersatz bis zum nächsten Jahr gewartet hät-
    te, statt es dieses Jahr machen zu lassen, hätte ich 600
    DM gespart. Das wird auch bei anderen so sein.

    Hinzu kommt: Die Verunsicherung wird beendet. Die
    Krankenkasse wird sich wieder genau anschauen, was
    abgerechnet wird, nach Qualität und nach Wirtschaft-
    lichkeit. Und auch Jugendliche werden ihren Anspruch
    auf Zahnersatz behalten.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie sagen, uns laufen die Kosten weg. Aber gleich-

    zeitig sind Sie ganz empört darüber, daß wir eine Aus-
    gabenkontrolle einführen. Wir werden diese Ausga-

    benkontrolle brauchen, um für das nächste Jahr ver-
    nünftig planen zu können.

    Es ist ja auch nicht so, daß etwas gestrichen wird. Die
    werden alle nicht des Hungers sterben, sie erfahren alle
    noch Zuwachs aus ihren verschiedensten sektoralen
    Budgets. Das Krankenhaus kommt dabei, Herr Zöller,
    noch relativ gut weg. Sie wissen ganz genau, daß die in
    1998 einen Zuwachs von 5 Prozent verzeichneten. Das
    bleibt ihnen erhalten; auf diesem Budget wird aufge-
    setzt.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Das hat er ja gerade gesagt: Schieflage!)


    – Er hat das Krankenhaus aber bedauert.
    Ein weiterer, ganz wichtiger Punkt, glaube ich, ist,

    daß wir die bisherige Begrenzung aus dem Risikostruk-
    turausgleich zwischen Ost und West aufheben. Ich bin
    der festen Überzeugung, daß das ein guter Beitrag dazu
    ist, die Sozialmauer ein Stück einzureißen, und daß wir
    auf einem guten Weg zu einheitlichen Lebensbedingun-
    gen für uns alle in dieser Bundesrepublik Deutschland
    sind.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Echte Strukturveränderungen in der Leistungserbrin-
    gung, die wir im nächsten Jahr angehen werden, die das
    Ziel der Qualitätsverbesserung und der Wirtschaftlich-
    keit haben, sind allerdings – das muß klar sein – mit Be-
    sitzstandswahrung nicht zu haben. Integrative neue Ver-
    sorgungskonzepte, die für mehr Qualität und Wirt-
    schaftlichkeit sorgen, haben Umverteilungen zur Folge.
    Das Geld wird der Leistung folgen müssen.

    Wenn wir diese Strukturschritte angegangen sind,
    sind natürlich noch nicht alle Probleme der gesetzlichen
    Krankenversicherung gelöst. Das Einnahmeproblem
    muß angegangen werden.

    Letztendlich ist – so sehe ich das – Gesundheitspoli-
    tik mehr als GKV-Politik. Es gilt, sich um den gesund-
    heitlichen Verbraucherschutz zu kümmern, Patienten-
    rechte zu stärken, berufsrechtliche Fragen der Heilberu-
    fe, die Verbesserung der ärztlichen Ausbildung, den Re-
    ha-Bereich, Drogenpolitik und nicht zuletzt die sozial-
    rechtsstaatliche Entwicklung Europas in Angriff zu
    nehmen. Wir hoffen auf kooperative Partnerschaft, und
    wir hoffen, daß sich die, die im Gesundheitswesen tätig
    sind, auch als Anwälte der Patientinnen und Patienten
    verstehen und nicht nur als Sachwalter ihrer eigenen In-
    teressen.

    Auf dieser Basis sind wir jederzeit und immer zu ei-
    nem offenen Dialog bereit, der durchaus auch die Inter-
    essenslagen derer, die im Gesundheitswesen arbeiten
    und dort verdienen, berücksichtigen wird.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächster Redner hat der Kollege Ulf Fink von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Gudrun Schaich-Walch






(B)



(A) (C)



(D)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulf Fink


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr
    verehrten Damen und Herren! Die Regierungskoalition
    legt heute einen ersten Gesetzentwurf im Gesundheits-
    bereich vor. Es ist anerkanntermaßen nicht die große
    Gesundheitsreform, sondern es ist ein Vorschaltgesetz.

    Warum diese große Eile?

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Weil wir es verspro chen haben!)

    Die Regierungskoalition begründet diese große Eile da-
    mit, daß die Grundlage der gesetzlichen Krankenversi-
    cherung, die Solidarität, auf das schwerste gefährdet sei.
    Ich erinnere mich, daß SPD und Grüne, als wir die Zu-
    zahlungen für Arzneimittel und dergleichen erhöht ha-
    ben, dieses in der Tat als zutiefst unsozial bezeichnet
    haben. Sie haben gesagt: ein Anschlag auf die Grundfe-
    sten unseres Gesundheitswesens.

    Deswegen habe ich in dieses Vorschaltgesetz ge-
    schaut, um festzustellen, was verändert worden ist. Was
    muß ich feststellen? Die Zuzahlungen sind bei den gro-
    ßen Arzneimitteln um 3 DM, bei den mittleren Arznei-
    mitteln um 2 DM und bei den kleinen Arzneimitteln um
    genau 1 DM vermindert worden. Die Zuzahlung im
    Krankenhausbereich ist gar nicht vermindert worden.
    Auch die Zuzahlung im Kurmittelbereich ist nicht ver-
    mindert worden. Die Zuzahlungen für Heilmittel sind
    ebenfalls nicht vermindert worden. Ich habe auch nichts
    davon gelesen, daß Sie die Veränderung beim Kranken-
    geld rückgängig machen wollen.


    (Rudolf Dreßler [SPD]: Chronisch Kranke werden ganz befreit!)


    Es kann sein, daß Sie eine andere Einschätzung des
    Solidaritätsprinzips haben. Sie sagen vielleicht: Das
    Solidaritätsprinzip war doch nicht so stark beeinträch-
    tigt. Vor den Wahlen konnte man bei Ihnen aber etwas
    ganz anderes lesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rudolf Dreßler [SPD]: Falsch!)


    Da haben Sie plakatiert: „Wir machen nicht alles anders,
    aber vieles besser.“ Jetzt muß es, glaube ich, heißen:
    Wir machen nicht alles besser und vieles auch überhaupt
    nicht anders.


    (Zustimmung bei der F.D.P.)

    Eine wichtige Zielsetzung des vorliegenden Gesetz-

    entwurfes ist nach Ihren eigenen Aussagen, daß die Bei-
    tragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung stabil
    bleiben sollen. Diese Zielsetzung ist absolut richtig.
    Auch wir sind der Meinung, daß steigende Beitragssätze
    Gift für Arbeitsplätze wären. Die Frage ist aber: Errei-
    chen Sie dieses Ziel mit Ihrem Gesetzentwurf? Haben
    Sie für die Mehrausgaben und die Mindereinnahmen
    eine echte, seriöse Gegenfinanzierung?

    Wir müssen feststellen, daß nach Ihrer eigenen finan-
    ziellen Begründung im nächsten Jahr fast 2 Milliar-
    den DM an Mindereinnahmen und Mehrausgaben ent-
    stehen werden. Gegenfinanziert wird im wesentlichen
    nur durch die Versicherungspflicht für geringfügige Be-
    schäftigung. Diese Gegenfinanzierung geben Sie in Ih-

    rem eigenen Gesetzentwurf zur gesetzlichen Kranken-
    versicherung mit 1,3 Milliarden DM bis 1,4 Milliar-
    den DM an.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Reine Luftbuchungen!)


    Dazu kann ich nur sagen: Sie wissen ja noch nicht
    einmal, wie Sie diesen Gesetzentwurf für die geringfü-
    gigen Beschäftigungsverhältnisse ausgestalten wollen.
    Das geht zwischen Kanzler und Arbeitsminister offenbar
    noch hin und her: ob Pauschbesteuerung oder nicht, ob
    Rente oder nicht, ob Krankenversicherung oder nicht. In
    diesem Gesetzentwurf aber schreiben Sie: Diese Versi-
    cherungspflicht für geringfügige Beschäftigung bringt
    1,3 Milliarden DM mehr. – Das ist eine Luftnummer
    sondergleichen.

    Ich finde, Heinz Schmitz hat das im „Handelsblatt“
    vom 9. November sehr gut beschrieben:

    Sieht man genauer hin, so fordern Bundeskanzler
    Gerhard Schröder (SPD) und seine Minister nach
    Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer nun eine
    noch größere Autorität der Deutschen heraus:
    Adam Riese, den Altmeister des Rechnungswesens.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    In der Tat: Höhere Sozialleistungen und niedrigere Bei-
    träge gleichzeitig zu beschließen – das geht auch bei ei-
    ner rotgrünen Regierung nicht auf.


    (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] – Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist die Verwechslung von Plus und Minus!)


    Thema Krankenhausnotopfer. Es ist erfreulich,
    wenn die Versicherten nichts mehr bezahlen müssen.
    Die Frage ist aber: Wer bezahlt denn nun die Instand-
    haltungen im Krankenhaus? Wer bezahlt notwendige
    Reparaturen im Operationssaal? Wer bezahlt die In-
    standhaltung des Fahrstuhls? – In Art. 5 Abs. 3 Satz 6
    Ihres Gesetzentwurfes steht die Antwort. Niemand be-
    zahlt mehr, überhaupt niemand. Das heißt, die Instand-
    haltungskosten sollen ab 1999 nicht mehr pflegesatzfä-
    hig sein. Wer bezahlt dann für die Instandhaltungen, für
    die Reparaturen?

    Eine wirkliche Leistung wäre es gewesen, wenn es
    Ihnen im Unterschied zur alten Regierungskoalition ge-
    lungen wäre, die eigentlich Verantwortlichen, nämlich
    die Länder, zur Zahlung dieser Kosten zu veranlassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bayern zahlt ja. Aber die anderen Länder zahlen nicht.
    Manche hatten sogar die Hoffnung, daß Ihnen mit einer
    rotgrünen Mehrheit im Bundestag und einer rotgrünen
    Mehrheit im Bundesrat das möglich würde, was uns
    nicht möglich war.

    Was müssen wir aber nun sehen? Sie versuchen nicht
    einmal, die Länder, wie es sich gehört, zur Finanzierung
    dieser Kosten heranzuziehen. Das läßt nun in der Tat
    wenig Gutes für die angekündigte große Gesundheitsre-
    form erahnen. Wenn Sie sich selbst in einer so eindeuti-
    gen Frage nicht an die Länder heranwagen, wie wollen
    Sie denn dann die Schlüsselfrage des Gesundheitswe-






    (A) (C)



    (B) (D)


    sens lösen, nämlich die Kostenentwicklung im Kranken-
    hausbereich?

    Es ist doch dieser Bereich, der kostenmäßig aus dem
    Ruder gelaufen ist. Es sind nicht, wie Sie immer wieder
    vorgeben, die Kosten für die Ärzte. Denn die hatten frü-
    her einen Anteil von 20 Prozent an den Krankenkassen-
    ausgaben, jetzt nur noch von 18 Prozent. Der von Ihnen
    so viel geschmähte Arzneimittelbereich nahm früher 15
    bis 17 Prozent der Krankenkassenausgaben in Anspruch,
    jetzt nur noch etwas über 13 Prozent. Nein, es ist der
    Krankenhausbereich mit über 34 Prozent der gesamten
    Krankenkassenausgaben, der weit überproportional ge-
    wachsen ist. Ich nenne Ihnen einmal die Vergleichszah-
    len. Anteil des Krankenhausbereichs an den Kranken-
    kassenausgaben 1960: 17,5 Prozent, Anteil des Kran-
    kenhausbereichs an den Krankenkassenausgaben 1970:
    25 Prozent, jetzt – ich wiederhole es – über 34 Prozent.
    Das A und O jeder Gesundheitsreform ist, daß auch der
    Krankenhausbereich seinen Beitrag zur Kostendämp-
    fung leistet.

    An den sektoralen Budgets kann man genau sehen,
    mit wem Sie es gut und mit wem Sie es weniger gut
    meinen. Im Krankenhausbereich sind Sie mit dem Bud-
    get relativ großzügig. Mit dem ärztlichen Bereich mei-
    nen Sie es schon sehr viel weniger gut. Mit den Zahn-
    ärzten meinen Sie es gar nicht gut. Bei den Arzneimit-
    teln schlagen Sie einmal so richtig zu.

    Ob Sie, Frau Fischer, sehr glaubwürdig sein werden,
    will ich bezweifeln. Denn in Ihrem Gesetzentwurf steht,
    was mit denen geschieht, die sich nicht an die Budgetie-
    rung gehalten haben. Was steht nämlich in Art. 14 Ihres
    Gesetzentwurfes? Da steht, daß bei all denjenigen, die
    die Budgets überzogen haben, also denjenigen, die sich
    eben nicht an die Budgets gehalten haben, keine Sank-
    tionen erfolgen. Sie haben eine Generalamnestie in das
    Gesetz geschrieben. Wie sollen sich die Leute daran
    halten, wenn diejenigen, die sich am schlechtesten ver-
    halten haben, am ehesten in den Genuß einer Amnestie
    kommen?


    (Beifall bei der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist eine neue Moral!)


    Frau Fischer, Sie haben am Donnerstag vergangener
    Woche vor Journalisten erklärt, Sie wollten die Akteure
    in der Gesundheitspolitik für einen gemeinwohlorien-
    tierten Reformprozeß gewinnen. Sie haben weiter ge-
    sagt, das Gesundheitssystem sei auf einen fairen Interes-
    senausgleich angewiesen. Ja, Frau Fischer, was Sie sa-
    gen, ist richtig. Genau so sollte man es machen. Aber
    was die Regierungskoalition hier vorgelegt hat, atmet
    einen ganz anderen Geist.

    Frau Ministerin, wenn Sie Erfolg haben wollen, den
    wir Ihnen im Interesse unseres Gesundheitswesens wün-
    schen, dann müssen Sie sehr aufpassen, daß sich in der
    Regierungskoalition nicht die Kräfte durchsetzen, die
    eine uralte Politik verfolgen. Sie müssen sehr aufpassen,
    daß die alten Ressentiments aus der sozialdemokrati-
    schen Mottenkiste nicht fröhliche Urständ feiern. Noch
    haben Sie Zeit dazu.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)