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ID1400404900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 I n h a l t : Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburts- tagen der Abgeordneten Ulrike Mascher, Wolfgang Behrendt und Werner Lensing .... 131 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 131 B Absetzung der Punkte 5 und 8 von der Tages- ordnung............................................................ 131 B Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Bestimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 14/21)......................... 131 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Einsetzung von Ausschüssen (Drucksa- che 14/22)................................................... 131 C Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 131 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 131 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 135 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU............ 138 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 139 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 141 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU .................144 A, 153 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 146 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD.......................149 B, 153 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 154 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 155 A Johannes Singhammer CDU/CSU................... 156 D Peter Dreßen SPD ...................................... 157 D Adolf Ostertag SPD......................................... 159 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU................. 161 B Tagesordnungspunkt 6 (in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1): Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetz- lichen Krankenversicherung (Drucksache 14/24) ......................................................... 162 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 162 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 163 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 167 B Rudolf Dreßler SPD......................................... 168 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU............................................................ 171 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 172 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 174 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Gudrun Schaich-Walch SPD............................ 175 D Wolfgang Zöller CDU/CSU....................... 176 B Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 178 A Ausschußüberweisung Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 179 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 182 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU............................................................ 182 D Hubert Hüppe CDU/CSU........................... 184 A Ina Lenke F.D.P............................................... 186 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 187 B Petra Bläss PDS............................................... 189 B Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 190 C Hildegard Wester SPD..................................... 192 A Nächste Sitzung ............................................... 194 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 195 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 131 (A) (C) (B) (D) 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Hildegard Wester Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 195 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.11.98 Bulling-Schröter, Eva PDS 11.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.98 Hartnagel, Anke SPD 11.11.98 Homburger, Birgit F.D.P. 11.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.11.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 11.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 11.11.98 Nolting, Günther Friedrich F.D.P. 11.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 11.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 11.11.98 Schütze (Berlin), Diethard W. CDU/CSU 11.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 11.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 11.11.98
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Thomae


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Mei-
    ne sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzent-
    wurf knebelt sowohl die Patienten als auch die Lei-
    stungserbringer. Das werde ich Ihnen jetzt sehr deutlich
    sagen.


    (Beifall bei der F.D.P. – Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Mit diesem Gesetzentwurf täuschen Sie die Patien-
    ten. Sie glauben, Sie könnten den Patienten mit diesem
    Gesetzentwurf entgegenkommen. Letztlich werden die
    Patienten sehr bald merken, daß sie von Ihnen getäuscht
    werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Denn es müssen 2 Milliarden DM eingespart werden.
    Wo wird eingespart? In verschiedenen Bereichen: bei-
    spielsweise im ambulanten Bereich, im Krankenhausbe-
    reich, im zahnärztlichen Bereich, im Bereich des Arz-
    neimittelbudgets und bei den Heil- und Hilfsmitteln.
    Was bedeutet das? Sie sagen den Bürgern, sie bekämen
    die volle Leistung. Aber das Geld bleibt knapp. Das
    heißt: Das Leistungs- und Qualitätsniveau, mit dem wir
    das Gesundheitswesen bisher organisiert haben, wird

    nicht erhalten bleiben. Es wird zur Rationierung und
    letztlich auch wieder zu Wartezeiten kommen.

    Sie sagen den chronisch Kranken, Sie nähmen sie von
    den Zuzahlungen und den vielen Belastungen aus. Die
    alte Koalition hatte die Ein-Prozent-Regelung. Ihre Ver-
    einbarung ist aber viel brutaler: Sie führen beispielswei-
    se rigoros das Arzneimittelbudget und das Heilmittel-
    budget wieder ein. Wenn Sie das tun, bedeutet das, daß
    chronisch Kranke schlechter behandelt werden, weil bei
    innovativen Produkten gespart wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich sage es sehr deutlich: Beispielsweise die Krebskran-
    ken und die chronisch Kranken wie Aids-Infizierte und
    andere sind durch das Arzneimittelbudget massiv betrof-
    fen. Dies werden Sie den chronisch Kranken recht bald
    deutlich sagen müssen.


    (Zuruf von der SPD)

    – Lesen Sie nach, was Arzneimittelbudget bedeutet. Wir
    hatten den Mut, zu den Richtgrößen überzugehen. Bei
    Richtgrößen können wir die unterschiedlichen Patien-
    tengruppen genau differenzieren. Wir können bei den
    Richtgrößen genau sagen: Hier sind Krebspatienten, hier
    sind Aids-Patienten. Beim Arzneimittelbudget werden
    Sie dies nicht machen.

    Ein anderer entscheidender Punkt beim Arzneimittel-
    budget: Sie führen wieder die Globalhaftung der Ärzte
    ein, und zwar in einem KV-Bereich. Sie treffen diejeni-
    gen, die Arzneimitteltherapie vernünftig betreiben, und
    andere, die großzügig damit umgehen. Halten Sie das in
    einer modernen medizinischen Versorgung für einen
    sinnvollen Weg? Ich kann Ihnen nur sagen: Sie werden
    gegen die Wand laufen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ein weiterer wichtiger Punkt: Sie glauben, Sie könn-
    ten das Arztbudget fixieren. Haben Sie auch darüber
    nachgedacht, wie das Arztbudget in den neuen Bundes-
    ländern aussieht? Haben Sie eine Differenzierung? –
    Nein! Wenn Sie sich um die Situation in den neuen
    Bundesländern wirklich gekümmert hätten, dann hätten
    Sie, Frau Minister, dieses Budget für Ärzte in West und
    Ost nicht in gleichem Umfang fixiert; denn dies ist nicht
    tragbar.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie wollen und werden mit diesem Budget die Freibe-
    ruflichkeit massiv beeinflussen.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Sie werden es schaffen, daß viele Ärzte durch die Fixie-
    rung des Arztbudgets nicht überleben. Vielleicht ist das
    auch gewollt; denn es handelt sich um eine ideologische
    Frage. Vielleicht wollen Sie die Freiberuflichkeit zu-
    rückfahren. Vielleicht wollen Sie das Krankenhaus mas-
    siv stärken. Wenn man die Ausnahmeregelungen, die
    Sie für das Krankenhaus fixiert haben, sieht, dann muß
    man glauben, daß Sie die Freiberuflichkeit zurückfah-
    ren, den freiberuflichen Arzt beseitigen, das Geschehen

    Bundesministerin Andrea Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    stärker in das Krankenhaus verlagern und letztlich das
    Krankenhaus für die ambulante Versorgung öffnen
    wollen. Ich sage Ihnen: Hier werden wir massiven Wi-
    derstand leisten; dies werden wir nicht akzeptieren.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich höre immer – auch in der Erklärung Ihres Kanz-
    lers –: Wir wollen Leistung belohnen. Wenn man die
    Formulierung im Budget der Zahnärzte sieht, so stellt
    man eindeutig fest: Wer fleißig ist, der wird bestraft,
    seine Honorare werden massiv abgesenkt. Entweder Sie
    entscheiden sich und sagen: „Wir wollen, daß Leistung
    belohnt wird“, dann müssen Sie dies auch in allen Be-
    reichen durchziehen, oder Sie müssen sagen: „Wir ma-
    chen Flickwerk“, dann weiß jeder, woran er ist. In der
    Gesundheitspolitik ist Flickwerk auf den Weg gebracht
    worden. Es ist so enttäuschend, daß Sie ein Konzept auf
    den Weg bringen, das uralt ist und aus der Mottenkiste
    kommt. Das ist Planwirtschaft in höchster Potenz.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie werden damit scheitern. Sie glauben, Sie könnten
    mit der Budgetierung die Beitragssatzstabilität sichern.
    Ich sage Ihnen: Sie werden sie nicht sichern. Die Pati-
    enten werden recht bald merken, daß sie von Ihnen nicht
    ehrlich behandelt werden – um mich zurückhaltend aus-
    zudrücken. Sie haben im Wahlkampf in verschiedenen
    Bereichen die Unwahrheit gesagt.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Ich nenne nur ein Thema, den Kur- und Rehabilita-

    tionsbereich.
    Was haben Sie nicht alles versprochen, was Sie in

    diesem Bereich ändern würden! Nichts haben Sie ge-
    macht! Sie sind doch viel zu feige, dies zurückzuneh-
    men, weil Sie es nicht finanzieren können.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich erinnere daran, wie Sie durchs Land gezogen sind
    und in den Kurorten und im Reha-Bereich Versprechun-
    gen gemacht haben, die Sie überhaupt nicht halten kön-
    nen. Wenn ich eine solche Politik machen würde, dann
    würde ich mich als F.D.P.-Mann schämen, weil ich vor
    der Wahl etwas versprochen hätte, was ich nach der
    Wahl überhaupt nicht hätte halten können.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Bernd Reuter [SPD]: Als F.D.P.-Mann würde ich mich auch schämen!)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Rudolf Dreßler.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Dreßler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine
    Damen und Herren! Nichts kennzeichnet glaubwürdige
    Politik erfolgreicher als die auf die Ankündigung un-
    mittelbar folgende politische Maßnahme.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn wir nämlich heute die Regierungserklärung des
    Bundeskanzlers debattieren und zugleich in erster Le-
    sung Gesetzentwürfe einbringen, die die Ankündigun-
    gen aus der Regierungserklärung bereits umsetzen wol-
    len und sollen, dann beweist die neue Koalition damit,
    daß die Glaubwürdigkeit von Regierungsarbeit bei ihr
    wieder einen besonderen Rang erhält, meine Damen und
    Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir demonstrieren ganz einfach: Ankündigungen folgen
    Taten.

    Die Koalitionsfraktionen haben sich für das kom-
    mende Jahr die Durchführung einer grundlegenden Re-
    form unseres Gesundheitswesens, insbesondere der ge-
    setzlichen Krankenversicherung, vorgenommen. Wir
    werden dabei zum ursprünglichen politischen Reform-
    begriff zurückkehren. Während die alte Regierung aus
    CDU/CSU und F.D.P. unter Reformen im wesentlichen
    die Erhöhung von Belastungen für die Menschen nach
    dem Motto „weniger Leistungen für mehr Geld“ ver-
    standen hat,


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Das stimmt doch gar nicht!)


    macht die neue Koalition es wieder richtig: Wir werden
    dafür sorgen, daß es den Menschen nach den Reformen
    besser geht, daß die Systeme besser funktionieren und
    leistungsfähiger werden als zuvor.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Meine Damen und Herren, eine grundlegende Reform
    hat Vorbedingungen, die erfüllt werden müssen. Soll sie
    sorgfältig vorbereitet werden, benötigt sie Zeit. Es ist ja
    geradezu eine Lachpille, Kollege Thomae, wenn Sie hier
    nach 14tägiger Amtszeit der neuen Bundesregierung er-
    klären, wir hätten Ihr Schlachtfeld im Rehabilitationsbe-
    reich noch nicht korrigiert. Seien Sie ganz beruhigt: Das
    wird mit den Betroffenen ordnungsgemäß strukturpoli-
    tisch in dieser Reform auf den Weg gebracht. Dann
    können Sie wieder hier stehen und die Wut über den
    verlorenen Groschen Ihrer Macht im Plenarsaal des
    Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Herr Thomae, nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir mit
    dem Versprechen eines Politikwechsels angetreten sind.
    Diesen Politikwechsel werden wir praktizieren.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Mit diesem Gesetz?)


    Daß das eine Korrektur Ihrer unseligen Gesetze bedeu-
    tet, ist jedem Deutschen, der uns gewählt hat, klar, nur
    Ihnen nicht. Aber uns hat die Mehrheit gewählt! Neh-
    men Sie das einmal zur Kenntnis.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dr. Dieter Thomae






    (A) (C)



    (B) (D)


    Angesichts der dynamischen Problemlage im Ge-
    sundheitswesen ist Politik, wie ich glaube, dazu ver-
    pflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß in der Zeit zwischen
    der Vorbereitung der Reform und dem Inkrafttreten der
    Reform den Krankenkassen die Ausgaben nicht davon-
    laufen, das heißt, die Krankenkassenbeiträge stabil
    bleiben. Das ist eine unserer grundsätzlichen Vorbedin-
    gungen. Zum zweiten müssen die von der alten Koaliti-
    on begangenen politischen Fehler, die zu gravierenden
    Ungerechtigkeiten für die kranken Menschen geführt
    haben, vorab korrigiert werden.

    Die neue Koalition erfüllt beide Vorbedingungen für
    eine Gesundheitsreform. Mit dem heute vorliegenden
    Vorschaltgesetz sorgen wir dafür, daß die Ausga-
    benentwicklung bis zum Wirksamwerden der Strukturre-
    form unter Kontrolle bleibt, das heißt, daß die Ausgaben
    nicht stärker wachsen als die Einnahmen. Die Beitrags-
    sätze zur Krankenversicherung werden also, Kollege
    Thomae und alle anderen Schreier der Opposition, stabil
    bleiben. Ich unterstreiche: stabil bleiben. Anstatt sich
    darüber zu freuen – das ist doch Ihre Forderung –, mä-
    keln Sie hier herum.

    Wir sorgen zweitens dafür, daß die unerträglich ho-
    hen Zuzahlungen erträglicher gestaltet werden. Daß wir
    Ihren ganzen Unsinn nicht auf einmal zurücknehmen
    können, ist ja selbst demjenigen klar, der nur mit einem
    japanischen Taschenrechner arbeitet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber daß hier eine Umkehr Ihrer Politik erfolgt – weg
    von den Erhöhungen, hin zu geringeren Zuzahlungen –,
    das ist das politische Signal, Dieter Thomae. Ich wie-
    derhole: Hier findet ein Politikwechsel statt. Daß er Ih-
    nen nicht paßt, weil Sie die Zuzahlungen weiter erhöhen
    wollten, ist uns klar. Aber wir werden sie herunterdrük-
    ken, wie wir es versprochen haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, der aus dem Amt geschie-
    dene Gesundheitsminister Horst Seehofer hat 1995, also
    vor drei Jahren, in diesem Hause folgendes ausgeführt:
    Ich halte eine höhere Selbstbeteiligung im deutschen
    Gesundheitswesen nicht mehr für verantwortbar und
    möglich. – Herr Seehofer, das, was Sie den Menschen
    vor drei Jahren versprochen, aber nie gehalten haben,
    verwirklicht diese neue Bundesregierung bereits nach
    14 Tagen mit ihrem ersten Gesetz!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Des weiteren korrigieren wir vorweg strukturelle
    Fehlentscheidungen der alten Koalition. Alle Elemente
    der privaten Versicherungswirtschaft, wie zum Beispiel
    Selbstbehalte, Beitragsrückgewähr und Kostenerstat-
    tung, werden ebenso beseitigt wie die Koppelung einer
    Erhöhung der Zuzahlung an Beitragssatzerhöhungen. Es
    gilt: Vor den Wahlen hat die SPD das versprochen; nach
    den Wahlen lösen wir es ein – solide finanziert und bei
    stabilen Beiträgen in der Krankenversicherung. Wir
    hätten gerne etwas weniger umfangreiche Vorschaltge-

    setze vorangestellt, aber es galt: Das Ausmaß der zwin-
    genden Vorabkorrekturen war durch das Ausmaß der
    Fehlentscheidungen der CDU/CSU-F.D.P.-Regierung
    vorgegeben. Zugespitzt formuliert: Hätten die Herren
    Kohl, Seehofer und Gerhardt sich nicht auf den Weg der
    Zertrümmerung der sozialen Krankenversicherung be-
    geben, wäre vieles von dem nicht notwendig gewesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ach du großer Gott!)


    Auch in der Gesundheitspolitik, Herr Lohmann, hat
    die neue Koalition keine gute Erbschaft angetreten.

    Die Regierungserklärung hat deutlich gemacht, an
    welchen Grundsätzen sich SPD und Bündnis 90/Die
    Grünen in ihrer Gesundheits- und Sozialpolitik orientie-
    ren werden. Es heißt dort, daß unsere Sozialsysteme auf
    den Prüfstand gestellt werden müssen. Das bedeutet, sie
    auf ihre solidarischen Wirkungen zu überprüfen, auf
    Wirkungen, die die Vorgängerkoalition nicht nur arg
    strapaziert, sondern sogar Schritt für Schritt ausgehöhlt
    und beseitigt hat. Wir wollen zukünftig wieder eine
    Krankenversicherung, die paritätisch finanziert ist und
    allen unabhängig von ihrer Brieftasche den gleichen
    Schutz im Krankheitsfall bietet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Wir wollen – nun sage ich ein großes Wort – die Ei-
    genverantwortung stärken,


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Wie paßt das zusammen?)


    aber nicht dadurch, daß es, wie CDU/CSU und F.D.P. es
    getan haben, einer immer größeren Anzahl von Men-
    schen erlaubt wird, sich den sozialstaatlichen Ver-
    pflichtungen zu entziehen und sich klammheimlich aus
    den Sozialsystemen zu verabschieden.


    (Zuruf des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU])


    Nein, wir wollen, daß endlich wieder alle, Herr Loh-
    mann, ihre Verantwortung für das gemeinsame Ganze
    wahrnehmen. Nachdem Sie während der Regierungszeit
    Ihrer Partei den Menschen seit Jahren einreden wollten,
    Eigenverantwortung hieße: heraus aus den Systemen,
    wird die neue Koalition wieder zum Normalzustand zu-
    rückkehren, denn Eigenverantwortung heißt für uns:
    hinein in die Systeme.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


    Oder wollen Sie, Herr Lohmann, weiter ernsthaft den
    Leuten einreden, daß der, der 14 000 DM im Jahr zur
    Alterssicherung in die Rentenkasse zahlt, der 10 000
    DM im Jahr zur Sicherung der gesundheitlichen Versor-
    gung in die Krankenkassen zahlt, der 5 000 DM im Jahr
    zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit in die Kassen
    der Bundesanstalt zahlt und 600 DM im Jahr zur Absi-

    Rudolf Dreßler






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    cherung gegen Pflegebedürftigkeit in die Pflegekasse
    zahlt, keine Eigenvorsorge gegen die Wechselfälle des
    Lebens betreibe?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Hat er nie gesagt!)


    In Wahrheit haben Sie das doch auch nie gemeint,
    sondern die Unsinnigkeit Ihrer Forderung sollte nur Ihr
    Bestreben verdecken, den finanziell etwas Besserge-
    stellten zu erlauben, ihre eigenen gruppeninternen Siche-
    rungssysteme aufzubauen, um nicht mehr für die ande-
    ren eintreten zu müssen. Herr Lohmann, Klientelismus
    nennt man so etwas.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das heute eingebrachte Gesetz beweist – die Struk-

    turreform im Gesundheitswesen wird es im nächsten
    Jahr beweisen –, daß wir damit Schluß machen. Nicht
    die Extratour, Herr Lohmann, sondern das Füreinander-
    einstehen wird bei uns wieder zum gesellschaftspoliti-
    schen Normalfall.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])


    Die Regierungserklärung hat deutlich gemacht, daß
    die neue Koalition auch im Gesundheitswesen die
    strukturellen Defizite beseitigen wird.

    Im Gegensatz zu CDU/CSU und F.D.P. verleugnen
    wir das zentrale Strukturproblem der Sozialversicherung
    und damit auch der Krankenversicherung nicht. Wie in
    allen entwickelten Industriestaaten verschiebt sich auch
    in Deutschland das Verhältnis des Einsatzes der volks-
    wirtschaftlichen Produktionsfaktoren Kapital und Ar-
    beit: Der Einsatz von Kapital steigt relativ an, der Ein-
    satz von Arbeit geht relativ zurück. Die Finanzierung
    unserer Sozialsysteme ist aber ausschließlich an den
    Faktor Arbeit, also den schrumpfenden Faktor, gebun-
    den. Ein ständig wachsender Teil unserer Volksein-
    kommen steht also zur Finanzierung der Systeme nicht
    mehr zur Verfügung.

    Das bedeutet im Umkehrschluß, daß auf den
    schrumpfenden Teil eine relativ wachsende Finanzie-
    rungslast entfällt. Nirgendwo wird dies deutlicher als im
    Gesundheitswesen. Der Anteil der Gesundheitsausgaben
    am Volkseinkommen liegt seit Jahren stabil bei zirka 10
    Prozent. Gleichwohl steigen die Krankenversicherungs-
    beiträge.

    Deshalb wiederhole ich die daraus logisch zwingende
    Konsequenz, und zwar so lange, bis es den Damen und
    Herren der heutigen Opposition aus den Ohren heraus-
    kommt: Meine Damen und Herren, unsere Sozialversi-
    cherung hat ein Einnahmeproblem und kein Ausgabe-
    problem.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Die alte Koalition hat mit ihrer Politik den widersin-
    nigen Versuch unternommen, einer schrumpfenden Ein-

    nahmebasis durch Zusammenstreichen der Ausgaben
    hinterherzukürzen, mit dem Erfolg, daß jede Kürzungs-
    runde die Notwendigkeit der nächsten schon in sich trug,
    weil eben die Ursachen nicht ausgeräumt wurden. Man
    stelle sich bitte einen Augenblick ein Automobilunter-
    nehmen vor, dem Monat für Monat weniger Räder zu-
    geliefert werden und das diesem Problem nicht etwa
    damit Herr zu werden versucht, sich neue Räder zu be-
    schaffen, sondern damit, daß es Schritt für Schritt ent-
    sprechend den weniger zugelieferten Rädern die Auto-
    mobilproduktion absenkt, bis dann irgendwann Schluß
    ist.

    Das wäre wohl auch nach Meinung der heutigen Op-
    position absurd. Aber genau diese Absurdität haben Sie
    bei den Gesetzgebungen, die Sie zu verantworten haben,
    praktiziert. Weil eine Politik nach diesem Muster in der
    Tat absurd ist, wird die neue Koalition auch damit
    Schluß machen. Unsere Botschaft lautet daher: Die
    Flucht aus der Sozialversicherung wird gestoppt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir beginnen damit bei der Beseitigung des Mißbrauchs
    der geringfügigen Beschäftigung. Der entsprechende
    Gesetzentwurf wird nächste Woche zur Beratung anste-
    hen.

    Nur ein kleiner Hinweis für die Kolleginnen und
    Kollegen der CDU/CSU und F.D.P., weil Sie immer sa-
    gen, das sei ganz schlimm, der Untergang des Abend-
    landes stehe bevor: Die seit 50 Jahren bekanntlich
    kommunistisch regierte Schweiz und das seit 50 Jahren
    bekanntlich kommunistisch regierte Holland nehmen für
    jede verdiente Mark Sozialbeiträge, und das freie
    Deutschland läßt 6 Millionen geringfügig Beschäftigte
    und über eine Million Scheinselbständige zu. Eine sol-
    che Politik, weiter praktiziert und verstetigt, muß die
    Systeme zur Explosion bringen. Das haben Sie in Kauf
    genommen. Wir tun das nicht, wir beenden diesen Un-
    sinn; so einfach ist das. Auch hier ein Politikwechsel.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Die weiteren besonders für die Krankenversicherung
    in diesem Zusammenhang relevanten Fragen, etwa die
    unterschiedliche Behandlung der Beitragspflicht bei den
    verschiedenen Einkommensarten, werden als Bestandteil
    der Strukturreform beantwortet werden. Denn diese Ko-
    alition hat im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin begriffen,
    daß ohne eine Lösung dieser Probleme die Sozialversi-
    cherung nicht zukunftsfähig gemacht werden kann.


    (Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


    CDU/CSU, vor allem aber die F.D.P. vertreten seit ge-
    raumer Zeit die Auffassung, unsere Sozialsysteme seien
    nicht die Systeme für möglichst viele oder gar für alle,
    sondern für einen definierbaren Kreis der darauf Ange-
    wiesenen.