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ID1400403400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 I n h a l t : Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburts- tagen der Abgeordneten Ulrike Mascher, Wolfgang Behrendt und Werner Lensing .... 131 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 131 B Absetzung der Punkte 5 und 8 von der Tages- ordnung............................................................ 131 B Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Bestimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 14/21)......................... 131 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Einsetzung von Ausschüssen (Drucksa- che 14/22)................................................... 131 C Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 131 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 131 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 135 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU............ 138 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 139 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 141 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU .................144 A, 153 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 146 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD.......................149 B, 153 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 154 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 155 A Johannes Singhammer CDU/CSU................... 156 D Peter Dreßen SPD ...................................... 157 D Adolf Ostertag SPD......................................... 159 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU................. 161 B Tagesordnungspunkt 6 (in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1): Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetz- lichen Krankenversicherung (Drucksache 14/24) ......................................................... 162 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 162 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 163 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 167 B Rudolf Dreßler SPD......................................... 168 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU............................................................ 171 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 172 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 174 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Gudrun Schaich-Walch SPD............................ 175 D Wolfgang Zöller CDU/CSU....................... 176 B Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 178 A Ausschußüberweisung Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 179 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 182 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU............................................................ 182 D Hubert Hüppe CDU/CSU........................... 184 A Ina Lenke F.D.P............................................... 186 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 187 B Petra Bläss PDS............................................... 189 B Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 190 C Hildegard Wester SPD..................................... 192 A Nächste Sitzung ............................................... 194 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 195 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 131 (A) (C) (B) (D) 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Hildegard Wester Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 195 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.11.98 Bulling-Schröter, Eva PDS 11.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.98 Hartnagel, Anke SPD 11.11.98 Homburger, Birgit F.D.P. 11.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.11.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 11.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 11.11.98 Nolting, Günther Friedrich F.D.P. 11.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 11.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 11.11.98 Schütze (Berlin), Diethard W. CDU/CSU 11.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 11.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 11.11.98
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Johannes Singhammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich wäre sehr
    froh, wenn ich von seiten der Regierung – der Bundes-
    arbeitsminister und weitere Minister sind ja anwesend –
    erfahren könnte, wie die Pläne nun tatsächlich aussehen.
    Der Bundesfinanzminister verkündet dies, und der Herr
    Bundeskanzler äußert sich mal so und mal so. Es wäre
    sehr interessant, zu erfahren, wie die Meinung tatsäch-
    lich ist. Vielleicht erfahren wir sie heute noch.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Völliges Durcheinander in der Regierung!)


    Die Ankündigungen von Mitgliedern dieser Bundes-
    regierung sind sehr viel weitgehender. Sie kündigen
    nämlich einen Systemwechsel in der Sozialpolitik an:
    Aufkündigung des Versicherungsprinzips und Verkür-
    zung des Sozialstaats auf eine bloße Almosenverteilung
    – Systemfürsorge und Bittsteller.


    (Adolf Ostertag [SPD]: Quatsch!)


    Johannes Singhammer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Genau das wollen wir nicht. Wir wollen, daß der Staat
    auf die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit
    anderer Rücksicht nimmt. Wir verstehen soziale Ge-
    rechtigkeit weitergehend auch als durchgehendes Ord-
    nungsprinzip unserer Gesellschaft mit Eigenverantwor-
    tung und echter Solidarität. Wer dieses Ordnungsprinzip
    jetzt zur Diskussion stellt – und das ist geschehen –, der
    wird die enormen Herausforderungen in der Rentenver-
    sicherung und auf dem Arbeitsmarkt nicht meistern,
    weil er die Solidarität der Leistungsfähigen mit den we-
    niger Leistungsfähigen beschädigt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese rotgrüne Bundesregierung steht unter einem

    ungeheuren Erwartungsdruck, den sie selbst gezielt her-
    beigeführt hat und dem sie jetzt nicht standhalten kann.
    Sie haben den Eindruck erweckt, jeder soll mehr in der
    Tasche haben. Das einzige, was Sie noch nicht verspro-
    chen haben, ist, daß in Deutschland die Zahl der Regen-
    tage verringert wird.

    Die Regierungserklärung hat dabei einen uralten, ver-
    staubten roten Faden wieder aufgenommen. Umvertei-
    lung heißt das Zauberwort statt echter volkswirtschaftli-
    cher Zugewinn. Umverteilung schafft aber nur Arbeits-
    plätze in der Bürokratie und bewegt nichts auf dem Ar-
    beitsmarkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Gegenteil: Umverteilung bedeutet Arbeitsplatzge-
    fährdung. Umverteilung der Arbeit von Älteren auf Jün-
    gere. 60jährige, so wollen Sie es, sollen an ihrem
    Schreibtisch und an der Werkbank Platz machen kön-
    nen. Ohne finanzielle Einbußen soll dies geschehen. Ar-
    beitnehmer und Arbeitgeber sollen bei Beiträgen und
    Lohnzusatzkosten entlastet werden. Das klingt gut. Aber
    wer bezahlt denn das? Das Ausland garantiert nicht!

    Geldquelle Nummer eins soll der Tariffonds werden,
    statt Lohnnebenkosten eine lohnbezogene Umlage. Un-
    ter dem Strich für die Arbeitnehmer und die Betriebe
    keine Entlastung, sondern nur ein anderer Name für die
    gleichen Abzüge. Fragen Sie bei Norbert Blüm nach,
    welche Erfahrungen mit der Frühverrentung in bezug
    auf das Arbeitsplatzthema gemacht wurden! Die Er-
    wartungen, damit neue Arbeitsplätze zu schaffen, wer-
    den sich nicht erfüllen.

    Dafür wird die Ökosteuer, die eine reine Zusatzsteuer
    ist, ebenfalls zur Gegenfinanzierung eingeführt. Das be-
    deutet – darauf ist hingewiesen worden –: Der Arbeit-
    nehmer soll für die tägliche Warmdusche 50 Pfennig
    mehr zahlen, und für Familien mit Kindern und für
    Rentner wird ein warmes Wohnzimmer im Winter teu-
    rer. Nach eigenen Berechnungen des Finanzministeri-
    ums, nicht des „Bayernkurier“


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Der rechnet besser als das Finanzministerium!)


    – der hätte es besser gemacht, richtig –, hat die soge-
    nannte Steuerreform für einen Vierpersonenhaushalt mit
    einem Jahreseinkommen von 70 000 DM brutto folgen-
    de Auswirkungen: Bei der Rentenversicherung ergibt
    sich eine Ersparnis von 280 DM, die Energiesteuer führt

    zu einer Belastung von 301 DM. Soweit das Finanzmi-
    nisterium. Das nenne ich Umverteilung nach unten.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Während sonst überall die Altersgrenze in den Indu-

    strieländern für den Eintritt in die Rente erhöht wird,
    verspricht nun die neue Bundesregierung, den Stein der
    Weisen und die Quadratur des Kreises neu erfunden zu
    haben: Rente zum Nulltarif und das auch noch früher!
    Wer nicht zur Kenntnis nehmen will, daß immer längere
    Ausbildungszeiten, immer kürzere Erwerbsbiographien
    und – Gott sei Dank – ein immer höheres Lebensalter
    bei Gesundheit und Rentenbezug auch bezahlt werden
    müssen, sagt nicht die Wahrheit und handelt intellektuell
    unredlich. Die Wahrheit heißt Umverteilung zu Lasten
    der kommenden Generationen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Die Konsequenz ist doch, daß wir länger arbeiten müssen und nicht weniger!)


    Und das lassen Sie mich auch noch sagen: Wer in
    dieser Diskussion den Eindruck erweckt, ältere Arbeit-
    nehmer seien leichter wegzudrücken, dem fehlt es zu-
    dem an Respekt vor der Lebensleistung und der Lebens-
    erfahrung der Älteren. Mit 60 zählt man nicht zum alten
    Eisen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


    620-DM-Jobs. Es ist interessant, zu sehen, wie sich
    Versprechungen vor der Wahl mit dem, was Sie jetzt in
    Ihrem Regierungsprogramm angekündigt haben, vertra-
    gen. Da gab es zum Beispiel auf dem Innovationskon-
    greß der SPD in Dortmund im Oktober 1997 die Aussa-
    ge des jetzigen Bundeskanzlers, er wolle diese Jobs auf
    höchstens 10 Prozent in einem Unternehmen begrenzen.
    Im gleichen Jahr schrieb Oskar Lafontaine im Informa-
    tionsdienst der SPD „Intern“ – ich zitiere –: „Ein Weg
    wird die Befreiung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
    von Sozialversicherungsbeiträgen für geringbezahlte
    Arbeiten sein.“ Was steht nun in Ihrer Regierungserklä-
    rung? Sie sprechen dort von einer Grenze von 300 DM,
    von der an Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden
    müssen.

    Nun gebe ich zu, daß auch wir uns bei der Diskus-
    sion, wie wir eine optimale Lösung finden, sehr schwer-
    getan haben. Aber eines muß ich hinzufügen: Das, was
    Sie jetzt vorhaben, nämlich daß Sie diese zusätzlichen
    Einnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden DM in Form ei-
    ner Gegenfinanzierung mit anderen Entlastungen ver-
    rechnen wollen, wird nicht aufgehen, weil Sie damit im
    Versicherungsbereich ein Zweiklassensystem schaffen,
    und zwar zum einen eine nur geringe Rentenanwart-
    schaft und zum anderen keinen Schutz im Falle einer
    Erwerbsminderung. Die Folge wird ein massenhaftes
    Abdriften in die Schwarzarbeit sein. Die geplanten
    Mehreinnahmen werden sich als Luftbuchungen erwei-
    sen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr! – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: So wird es sein!)


    Johannes Singhammer






    (A) (C)



    (B) (D)


    Für uns ist der Mensch Mitte und Maß einer zu-
    kunftsgerechten Sozialpolitik. Unter sozialer Gerechtig-
    keit verstehen wir nicht eine unablässige Umverteilung
    als Heilsversprechen, sondern die Befähigung der Men-
    schen in unserem Land, aus eigener Kraft ihre Fähig-
    keiten und Möglichkeiten zu entfalten. Eine sozial ge-
    rechte Politik sollte so eingerichtet sein, daß sie nicht
    das Übel, dem sie begegnen will, verewigt, sondern
    Heilung von den Wurzeln her anstrebt. Deshalb wollen
    wir die Eigenverantwortung fördern. Jeder, der von der
    Gemeinschaft eine Leistung erwartet, muß auch selbst
    im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Leistung für die
    Gemeinschaft erbringen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dabei dürfen wir nicht diejenigen vergessen, denen auf
    Grund von Behinderungen oder Handicaps eine umfas-
    sende Teilhabe nicht möglich ist. Ihnen muß zuallererst
    geholfen werden. Diese Mitmenschen haben unsere ganz
    besondere Solidarität.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Nur Umverteilung von Arbeitsplätzen, Umverteilung
    von Alt auf Jung bzw. von Jung auf Alt, Umverteilung
    von der rechten in die linke Hosentasche, schafft weder
    mehr soziale Gerechtigkeit noch mehr Arbeitsplätze,
    weil die Leistungsbereitschaft auf der Strecke bleibt.


    (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Richtig!)

    Wir brauchen in Deutschland weder eine Koalition

    noch ein Bündnis für Umverteilung, sondern ein Bünd-
    nis für mehr Leistungsbereitschaft, für mehr Ermutigung
    und für mehr echt verstandene Solidarität.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Adolf Ostertag.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Ostertag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr
    verehrten Damen und Herren! Endlich haben wir hier in
    diesem Parlament eine neue Mehrheit, eine neue Regie-
    rung und auch einen neuen Arbeitsminister.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das muß man zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode
    noch einmal deutlich hervorheben, wenn man über Sozi-
    alpolitik spricht.

    Denn ich erinnere mich sehr genau an meinen ersten
    Debattenbeitrag in diesem Parlament vor acht Jahren
    zum Thema Arbeitsmarktpolitik. Das betraf eine Kon-
    troverse mit dem damaligen Arbeitsminister, Herrn
    Blüm.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wo ist denn der?)

    Es ging, wie in den letzten acht Jahren ständig, um Kür-
    zungsabsichten, die auch durchgesetzt wurden, um eine
    Novellierung des Arbeitsförderungsrechts. Ich nehme

    an, wir werden in den nächsten Jahren ganz andere De-
    batten führen müssen. Darauf freue ich mich und – da-
    von gehe ich aus – sicherlich auch die neue Mehrheit in
    diesem Parlament.


    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, gestern hat der neue Op-

    positionsführer – dazu gratuliere ich Herrn Schäuble
    ausdrücklich – in seiner Rede ausgeführt, er und die
    ehemalige Regierung würden ein wohlbestelltes Haus
    hinterlassen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Wo ist denn dieses wohlbestellte Haus? Wenn ich mir
    den sozial- und den finanzpolitischen Bereich anschaue,
    dann muß ich feststellen, daß in den letzten Jahren in die
    Stützmauern unseres sozialen Rechtsstaates erhebliche
    Breschen geschlagen worden sind. Die alte Regierung
    hat ständig in einer einseitigen, neoliberalen Angebots-
    politik soziale Schutzrechte abgebaut und das soziale
    Netz der Bundesrepublik grobmaschiger gemacht. Auf
    die versprochenen Arbeitsplätze, wie Sie das hier im
    Plenum 16 Jahre lang immer wieder beschworen haben,
    haben die Menschen vergeblich gewartet. Die alte Bun-
    desregierung hat die Massenarbeitslosigkeit kurzerhand
    zum Problem der Arbeitslosen erklärt. Sie hat die
    Lohnersatzleistungen zusammengestrichen und kräftig
    an der Zumutbarkeitsschraube gedreht. Als wenn zu-
    sätzlicher Druck auf arbeitslose Bedürftige das zentrale
    Problem von rund 7 Millionen fehlenden Arbeitsplätzen
    lösen könnte! Wir wissen: Es ist durch diese Politik
    nicht gelöst worden.

    Die Folgen der Politik sind überall sichtbar. Seit 1992
    sind rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen
    – auch wenn Sie gegenwärtig davon reden, was im letz-
    ten Jahr im Zusammenhang mit dem Rückgang der Ar-
    beitslosigkeit aufgebaut worden sei;


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Stimmt das denn nicht?)


    darauf komme ich noch zu sprechen. 2,5 Millionen ver-
    lorene Arbeitsplätze seit 1992, und die registrierte Ar-
    beitslosigkeit nahm in den letzten vier Jahren um
    21 Prozent zu. Wo ist denn da ein wohlbestelltes Haus
    hinterlassen worden?


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In dem Zeitraum einer Legislaturperiode sind die
    Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um 24 Prozent
    gekürzt worden. Das, was Sie vor der Wahl noch ge-
    macht haben, war wirklich nur ein ABM-Strohfeuer,
    mehr nicht. Wir sind nicht dagegen gewesen, aber wir
    haben es immer als Strohfeuer gebrandmarkt. Wir wer-
    den die Arbeitsmarktpolitik sowohl finanziell als auch in
    der Umsetzung auf eine solide Basis bringen.

    Gleichzeitig hat die Unordnung auf dem Arbeitsmarkt
    in der Tat katastrophale Ausmaße angenommen. Die
    620-DM-Jobs, die Scheinselbständigkeit und die ille-
    galen Beschäftigungsverhältnisse sind nach wie vor
    auf dem Vormarsch. Hier gibt es die ersten Ansatz-
    punkte für unser konkretes Handeln.

    Johannes Singhammer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Erinnern Sie sich an die Debatten, als es um das
    Schlechtwettergeld auf dem Bau ging, als es um die
    Entsenderegelung ging? Da haben Sie doch ständig
    versucht, nur kleine Reparaturen vorzunehmen, mit der
    Folge, daß die Arbeitslosenversicherung mehr zahlen
    mußte und die Bauarbeiter auf die Straße gesetzt worden
    sind.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr!)

    Sie haben das, was die Opposition damals an Vorschlä-
    gen eingebracht hat, nicht begriffen.

    Die Sozialhilfe, die schon lange nicht mehr allein der
    Überwindung besonderer Notlagen dient, ist zum Le-
    bensschicksal von immer mehr Menschen geworden. In-
    zwischen sind fast 40 Prozent der Menschen, die von
    Sozialhilfe leben, Kinder. Die junge ehemalige Fami-
    lienministerin hat das wohl nur aus den Wolken gese-
    hen, wenn sie mit der Flugbereitschaft unterwegs war.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie wollte nicht wahrhaben, wieviel Armut es bei Kin-
    dern und bei Familien in diesem Land gibt.

    Sie haben nicht einmal – Herr Singhammer, das
    richte ich auch an Sie – die wenigen zwischen Ihrer und
    unserer Partei verabredeten Korrekturen bei der Pflege-
    versicherung in der letzten Legislaturperiode mit
    durchgebracht, weil der Koalitionspartner blockiert hat.
    Daher, glaube ich, ist es sehr scheinheilig, dieses Thema
    heute auf die Tagesordnung zu bringen. Sie haben nicht
    einmal die kleinsten Korrekturen gemacht, und nun
    bringen Sie plötzlich Forderungen ein.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Wir haben gespart, Sie wollen Geld ausgeben!)


    Es ist zu fragen: Wo soll man dieses wohlbestellte
    Haus vorfinden, wenn man insbesondere die Sozialpoli-
    tik in diesem Land betrachtet? Mir scheint, die ehemals
    Regierenden haben die gesellschaftlichen Realitäten aus
    den Augen verloren. Schön reden, schlecht handeln –
    das war doch die Devise von Helmut Kohl und seinen
    Ministern, wenn es um die Sozialpolitik ging.


    (Beifall bei der SPD)

    Als das „Bündnis für Arbeit“ von Klaus Zwickel,

    dem IG-Metall-Vorsitzenden, vorgeschlagen wurde,
    gingen Sie zum Schein darauf ein. Das Ergebnis war ei-
    ne schöne Absichtserklärung, die schon kurze Zeit spä-
    ter, nach der gewonnenen Landtagswahl, nur noch Ma-
    kulatur war. Statt dessen bekamen die Gewerkschaften
    und die Arbeitnehmer das 50-Punkte-Programm serviert
    – deutlicher gesagt: ins Gesicht geschlagen. Auf die
    ausgestreckte Hand wurde in der Tat mit einem Horror-
    katalog geantwortet.

    Die Bündnisvereinbarung vom Januar 1996 diente
    nur dazu, vom ehemaligen Arbeitsminister ständig wie
    eine Monstranz vor sich her getragen zu werden. Sie
    wurde aber nicht umgesetzt, was eigentlich die Aufgabe
    der Regierung gewesen wäre; sie hat es lange genug ver-
    sprochen.

    Ebenso war es mit der Halbierung der Arbeitslosig-
    keit bis zum Jahr 2000. Dieses Thema hat noch bis vor

    gut einem Jahr dieses Parlament ständig bewegt. Der
    Kanzler hat sich als letzter davon verabschiedet, als
    längst niemand, auch aus seiner eigenen Fraktion, mehr
    daran glaubte.

    Mit leeren Sprüchen konnte die Regierung Kohl auch
    bei den Menschen in diesem Land nicht mehr landen.
    Ihre Taten waren etwas anderes als das, was Sie ver-
    sprachen. Deswegen haben Sie am 27. September die
    Quittung bekommen.

    Heute stellen sich die neuen Oppositionsredner hier
    hin und wollen kaum etwas davon wissen, was sie über
    16 Jahre lang getan haben. Das ist schon dreist, das ist
    schon ziemlich unverfroren.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Angela Marquardt [PDS])


    Als Herr Kues hier gesprochen hat, habe ich mir die
    Frage gestellt: Wo ist eigentlich Geißler? Wo ist ein
    Stück Wahrhaftigkeit in der Politik, die man von einer
    christlichen Partei wahrlich verlangen kann?


    (Beifall bei der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Geißler ist in der Verbannung!)


    Herr Kues wirft uns vor, wir wollten abkassieren.
    Wer hat denn in den letzten Jahren abkassiert? Vor allen
    Dingen: Wo ist abkassiert worden in diesem Land? Herr
    Kues sagte, den Zahlungen stünden keine Leistungen
    gegenüber. Wenn Sie die Politik meinen, die Sie betrie-
    ben haben, dann haben Sie allerdings recht; dem muß
    ich voll zustimmen. Sie haben auch gesagt, Ihre Regie-
    rung habe den Mut gehabt, den Arbeitsmarkt nachhaltig
    zu regeln. Wie zu regeln? Was haben Sie denn geregelt?
    Ich habe eben einige Punkte genannt. Sie haben deregu-
    liert und Unordnung geschaffen: Wir haben 5,6 Millio-
    nen 620-DM-Jobs, wir haben 1 Million Scheinselbstän-
    dige, wir haben 100 000 illegal Beschäftigte. Ist es das,
    was Sie geregelt haben in diesem Land? Wildwuchs ist
    entstanden, und gegen den müssen wir angehen.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Heidi Knake-Werner [PDS])


    Frau Schwaetzer hat hier davon gesprochen, daß die
    Interessen der Bürger zum Maßstab der Politik gemacht
    werden sollten. Meinen Sie Ihre Klientelpolitik, die Sie
    bisher betrieben haben? Zu den 620-DM-Jobs ist bereits
    etwas gesagt worden. Sie haben nicht für diese
    5,6 Millionen Menschen, die einen solchen Job haben
    und von denen 70 Prozent Frauen sind, etwas in diesem
    Parlament getan, Sie haben nur für Ihre Klientel, die Ar-
    beitgeber, etwas getan; und diese betreiben durch diese
    Jobs eine wirklich üble Ausbeutung.


    (Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Klassenkämpfer!)


    An Herrn Laumann möchte ich auch noch einige
    Worte richten, denn er hat sich hier zum großen Kämp-
    fer für das Versicherungsprinzip aufgespielt. Herr
    Laumann, ich empfehle Ihnen, die Koalitionsvereinba-
    rung zu lesen. Dann werden Sie erfahren, was darin
    steht.


    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Da haben wir schon nachgeguckt! Da finden wir gar nichts!)


    Adolf Ostertag






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich glaube nicht, daß sich diese Regierung vom Versi-
    cherungsprinzip verabschiedet. Ich empfehle Ihnen also
    noch ein bißchen Lektüre für die nächsten Tage, bevor
    wir im Ausschuß in die Einzelheiten gehen.

    Meine Damen und Herren, diese Regierung und diese
    neue Mehrheit im Parlament treten an, um das angeblich
    wohlbestellte Haus hinsichtlich einer ganzen Reihe von
    Punkten innerhalb der Sozialpolitik instand zu setzen.
    Die wesentlichen Punkte sind hier genannt worden; dar-
    auf möchte ich nicht mehr eingehen.

    Wir haben im Wahlkampf millionenfach Scheckkar-
    ten verteilt und die Menschen gebeten: Heben Sie die
    gut auf! Darauf stehen neun gute Gründe, uns zu wäh-
    len. – Diese sind zum Teil schon genannt worden, zum
    Beispiel das Programm zur Bekämpfung der Jugendar-
    beitslosigkeit, die Rücknahme der sozialen Grausam-
    keiten gegenüber Millionen von Arbeitnehmern beim
    Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung und das
    „Bündnis für Arbeit“. Einen Punkt, den zehnten, haben
    wir sozusagen schon abgehakt.