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ID1400400300

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  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 16
    1. Herr: 1
    2. Bundesmini-ster,: 1
    3. gestatten: 1
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    6. Frage: 1
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    10. Riester,: 1
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    14. und: 1
    15. So-zialordnung:: 1
    16. Bitte.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 I n h a l t : Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburts- tagen der Abgeordneten Ulrike Mascher, Wolfgang Behrendt und Werner Lensing .... 131 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 131 B Absetzung der Punkte 5 und 8 von der Tages- ordnung............................................................ 131 B Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Bestimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 14/21)......................... 131 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS Einsetzung von Ausschüssen (Drucksa- che 14/22)................................................... 131 C Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 131 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 131 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 135 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU............ 138 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 139 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 141 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU .................144 A, 153 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 146 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD.......................149 B, 153 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 154 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 155 A Johannes Singhammer CDU/CSU................... 156 D Peter Dreßen SPD ...................................... 157 D Adolf Ostertag SPD......................................... 159 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU................. 161 B Tagesordnungspunkt 6 (in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1): Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetz- lichen Krankenversicherung (Drucksache 14/24) ......................................................... 162 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 162 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 163 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 167 B Rudolf Dreßler SPD......................................... 168 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU............................................................ 171 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 172 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 174 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Gudrun Schaich-Walch SPD............................ 175 D Wolfgang Zöller CDU/CSU....................... 176 B Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 178 A Ausschußüberweisung Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 179 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 182 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU............................................................ 182 D Hubert Hüppe CDU/CSU........................... 184 A Ina Lenke F.D.P............................................... 186 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 187 B Petra Bläss PDS............................................... 189 B Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 190 C Hildegard Wester SPD..................................... 192 A Nächste Sitzung ............................................... 194 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 195 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 131 (A) (C) (B) (D) 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Hildegard Wester Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1998 195 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.11.98 Bulling-Schröter, Eva PDS 11.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.98 Hartnagel, Anke SPD 11.11.98 Homburger, Birgit F.D.P. 11.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.11.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 11.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 11.11.98 Nolting, Günther Friedrich F.D.P. 11.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 11.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 11.11.98 Schütze (Berlin), Diethard W. CDU/CSU 11.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 11.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 11.11.98
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das Wort hat der
    Redner, der bereits am Rednerpult steht, der Bundesmi-
    nister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester.


    (Beifall bei der SPD)


    Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
    zialordnung: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-
    men und Herren! Eine kurze Vorbemerkung: Herr
    Dr. Kues, ich habe gemerkt, daß Sie nach 16 Jahren Re-
    gierung sehr schnell in der Opposition angekommen
    sind.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin gerne bereit – ich denke, das ist auch sehr wich-
    tig –, über meine Arbeit zu streiten. Es ist aber etwas
    verfrüht, dies nach 14 Tagen zu machen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Und was soll man in der Debatte machen?)


    Meine sehr geehrten Damen und Herren, die neue
    Bundesregierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt:
    Sie will nicht länger den Mangel der Arbeit verwalten,
    sondern einen neuen Reichtum an Perspektiven schaf-
    fen. Sie will sich daran messen lassen – der Bundes-
    kanzler hat dies gestern nicht zum erstenmal betont –, ob
    es ihr gelingt, durch verläßliche und vernünftige Rah-
    menbedingungen neue Arbeit, neue Ausbildung zu
    mobilisieren. Daran will auch ich meine Arbeit messen
    lassen.

    Ich bin mir wie alle anderen Regierungsmitglieder
    bewußt: Das ist kein leichtes Versprechen, sondern eine
    schwere Aufgabe.

    Rund 4,3 Millionen Menschen, Frauen und Männer,
    Junge und Alte, waren im Jahre 1998 arbeitslos. Die
    Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-
    verhältnisse ist seit 1991 permanent zurückgegangen.
    Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen, die leichte Erholung
    in Westdeutschland dürfen uns nicht zufriedenstellen.
    Wenn jeder zehnte in Deutschland nach Arbeit sucht,
    dann muß das für uns Ansporn sein zu neuen Anstren-
    gungen. Angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosig-
    keit gerade in den neuen Bundesländern ist aktive Ar-
    beitsmarktpolitik weiterhin unverzichtbar, und sie ist
    für viele Arbeitslose die einzige Hoffnung, wieder in re-
    guläre Arbeit zu kommen. Dafür wollen wir sorgen.

    Wir wollen ferner dafür sorgen, daß die Arbeits-
    marktpolitik wieder verläßlich wird. Deshalb werden wir
    die Berg- und Talfahrt in der Arbeitsmarktpolitik been-
    den und eine Verfestigung auf dem notwendig hohen
    Niveau erreichen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Damit werden endlich Kontinuität und Verläßlichkeit in
    die Arbeitsmarktpolitik einkehren. Ich bin mir darüber
    im klaren, daß die Instrumente der aktiven Arbeits-
    marktpolitik nicht immer nur zusätzliche Beschäfti-

    Dr. Hermann Kues






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    gungseffekte auslösen, sondern teilweise auch Mitnah-
    meeffekte. Darum werden wir die arbeitsmarktpoliti-
    schen Instrumente auf ihre Zielgenauigkeit untersuchen
    und auch, wo notwendig, neu justieren.

    Wir müssen uns besonders für die Menschen einset-
    zen, denen schon am Anfang ihres Berufslebens alle
    Chancen verbaut sind. Immer mehr junge Menschen
    finden keine Ausbildung, keinen Arbeitsplatz. Der Ar-
    beitsmarkt übersieht sie; die Straße hält sie fest. Fast ei-
    ne halbe Million junger Menschen sind zwischenzeitlich
    arbeitslos gemeldet. Diese Zahl wird noch größer, wenn
    man die jungen Menschen einbezieht, die erwerbslos
    sind, die sich aber gar nicht mehr als arbeitslos melden.
    Hunderttausende nehmen an Bildungsveranstaltungen
    teil und warten teilweise in Warteschleifen auf den Zu-
    gang zum Arbeitsmarkt. Das macht mir große Sorgen.
    Ich denke, diese Menschen brauchen vor allem Unter-
    stützung. Da reichen keine einfachen Willensbekundun-
    gen. Wir müssen uns mehr einfallen lassen, damit diese
    jungen Frauen und Männer eine Chance in dieser Ge-
    sellschaft haben.

    Eine gute Berufsausbildung ist immer noch der be-
    ste Schutz vor Arbeitslosigkeit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Von den arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren sind
    in Westdeutschland 60 Prozent ohne Berufsausbildung;
    in Ostdeutschland sind es 40 Prozent. Wir tragen Ver-
    antwortung für sie, und wir werden uns dieser Verant-
    wortung stellen. Wir haben uns verpflichtet, ein Sofort-
    programm für 100 000 junge Menschen aufzulegen, und
    zwar für diejenigen, die die geringsten Chancen haben.
    Sie sollen die Möglichkeit haben, ausgebildet zu wer-
    den; sie sollen Arbeit und Beschäftigung finden, und sie
    sollen da, wo es für sie notwendig ist, zusätzliche Mög-
    lichkeiten der Weiterqualifizierung erhalten.

    Wer noch keine Ausbildungsstelle hat, braucht oft-
    mals Orientierung und Training, muß sich zurechtfinden
    lernen. Dabei können wir helfen. Wer dennoch keine
    betriebliche Berufsausbildungsstelle vermittelt be-
    kommt, für den werden wir versuchen, über Ausbil-
    dungsverbünde und außerbetriebliche Ausbildungsplätze
    Überbrückungsmöglichkeiten zu schaffen.

    Wessen Ausbildung nicht ausreicht, um sich auf dem
    Arbeitsmarkt zu bewähren, dem müssen wir eine zu-
    sätzliche Qualifikation ermöglichen. Das müssen wir so
    gestalten, daß die Jugendlichen dieses Angebot auch an-
    nehmen – durch eine vernünftige Kombination von Pra-
    xis und Theorie.

    Demjenigen, der keine Beschäftigung finden kann,
    müssen wir den Weg in die Arbeit erleichtern, wo erfor-
    derlich, auch durch ABM, wo notwendig, zeitlich befri-
    stet über Lohnkostenzuschüsse.

    Der Erfolg eines solchen Programms wird von unse-
    rem gemeinsamen Engagement abhängen, wird von der
    aktiven Mithilfe der Arbeitsämter bestimmt sein und vor
    allem auch von der Bereitschaft der jungen Menschen
    selbst. Dort müssen wir nachhaltig einfordern: Von dem,

    der qualifizierte Angebote bekommt, erwarten wir, daß
    er sie auch annimmt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marita Sehn [F.D.P.])


    Meine Damen und Herren, ich will nach einem Jahr
    Rechenschaft ablegen: was aus diesem Programm ge-
    worden ist, was wir erreicht haben, wo wir Erfolge hat-
    ten – und wo nicht – und wo die Ursachen dafür liegen.
    Politik muß wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Was heißt denn „wieder“?)


    Das setzt Transparenz und Rechenschaft voraus.
    Lassen Sie mich ein weiteres Thema ansprechen, das

    der Transparenz und das der Glaubwürdigkeit bedarf:
    die gesetzliche Rentenversicherung. Sie ist in Mißkre-
    dit geraten, sie hat an Glaubwürdigkeit verloren. Ich
    will, daß die Rentenversicherung wieder zukunftssicher,
    armutsfest und verläßlich wird.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Damit keine Mißverständnisse entstehen: Wir stehen in
    der Rentenversicherung vor großen Herausforderungen.
    Wir kennen die demographische Entwicklung.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Aha!)


    Sie fordert entschlossenes Handeln.
    Zugleich gilt: Die Menschen haben ein Anrecht dar-

    auf, daß wir mit ihrem Vertrauen und ihrer Zukunftsvor-
    sorge verläßlich umgehen. Darum werden wir in einem
    ersten Schritt die Rentenniveauabsenkung der alten
    Bundesregierung bis zum Jahr 2000 aussetzen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Gleiches gilt für diejenigen, die nicht mehr durch eigene
    Kraft ihren Lebensunterhalt verdienen können und auf
    Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten angewiesen
    sind. Menschen, die existentiell auf unser Sicherungs-
    system angewiesen sind, um im Alter in Würde zu
    leben, wären sonst der Gefahr ausgesetzt, in Sozialhilfe
    zu rutschen.

    Natürlich stellt sich dabei die Frage der Gegenfinan-
    zierung. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag ein-
    deutig festgelegt, daß wir den Rentenversicherungsbei-
    trag bei 20,3 Prozentpunkten stabilisieren wollen. Aber
    wir gehen einen Schritt weiter. Wir werden den Renten-
    versicherungsbeitrag spürbar und dauerhaft durch den
    Einstieg in die ökologische Steuer- und Abgabenreform


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Haben Sie doch noch gar nicht!)


    um 0,8 Prozentpunkte senken.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Bundesminister Walter Riester






    (A) (C)



    (B) (D)


    Meine Damen und Herren, ich sichere Ihnen heute zu,
    daß ich dieses Niveau auch im Rahmen der Renten-
    strukturdiskussion verteidigen werden. Jede Mark, die
    aus Ökosteuern eingenommen wird, wird umgesetzt in
    die Absenkung der Lohnnebenkosten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir entlasten mit diesem Schritt, und zwar bereits im
    nächsten Jahr und auf Dauer, Beschäftigte und Betriebe
    um 11 Milliarden DM und fördern Beschäftigung. Wir
    helfen, die Akzeptanz der Rentenversicherung wieder zu
    erhöhen, und sorgen dafür, daß soziale Gerechtigkeit als
    konstitutives Element unseres Sicherungssystems erhal-
    ten bleibt.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was heißt denn das in der Praxis?)


    Wir mildern die Belastungen, die dem Sozialversiche-
    rungssystem durch allgemeine Aufgaben aufgebürdet
    worden sind, indem wir die Kindererziehungszeiten
    dauerhaft neu durch Steuermittel finanzieren. Verspro-
    chen worden ist das oft – wir machen es!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Zugleich wissen wir alle: Wir müssen einen zweiten
    Schritt tun, eine wirkliche Strukturreform der Renten-
    versicherung angehen. Das will ich schon 1999 auf den
    Weg bringen. Geredet worden ist auch darüber in der
    Vergangenheit viel; wir müssen jetzt zukunftsfähige Lö-
    sungen entwickeln, den Wandel in den Erwerbsbiogra-
    phien aufnehmen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ihr macht es doch rückgängig!)


    Nur wenn wir diesen Prozeß aufnehmen, wenn wir uns
    darauf konzentrieren, werden wir die Glaubwürdigkeit
    in der Rentenversicherung wiederherstellen können.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sprüche! Lyrik!)


    Ich sage aber auch: Wir werden dabei nicht mit dem
    Füllhorn durch das Land ziehen können.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nicht alles Wünschenswerte wird machbar sein. Aber
    nur indem wir das Machbare ernsthaft angehen, werden
    wir dem Wünschenswerten näherkommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Der Bundeskanzler hat gestern das Vier-Säulen-
    Modell angesprochen: Betriebliche Altersversorgung,
    stärkere Teilhabe der Beschäftigten am Produktivver-
    mögen und Eigenvorsorge müssen unsere gesetzliche
    Rentenversicherung unterstützen und ergänzen. In die-
    sem Sinne halte ich es für einen konstruktiven und muti-
    gen Vorschlag der Gewerkschaften, einen Tariffonds
    aufzubauen, der es denjenigen, die es wollen, ermög-

    licht, zu akzeptablen Bedingungen früher aus dem Ar-
    beitsleben auszuscheiden.


    (Zuruf von der F.D.P.: Auf Kosten unserer Kinder!)


    Ich begrüße diesen Vorschlag ausdrücklich.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ich biete den Arbeitgebern und Gewerkschaften an: Las-
    sen Sie uns über einen solchen Fonds im Rahmen eines
    Bündnisses für Arbeit und Ausbildung sprechen.

    Dieser Tariffonds kann nicht nur ein Beispiel für ge-
    lebte Subsidiarität sein, sondern er kann darüber hinaus
    auch deutlich machen, daß das Zusammenwirken von
    Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik mehr leisten
    kann als die Entscheidung im Parlament allein.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es war einzusehen, daß aus der Warte der Rentenkas-
    sen – isoliert betrachtet – das Renteneintrittsalter her-
    aufgesetzt werden mußte. Ich verstehe die Zwänge. Aber
    die Entlastung der Rentenkassen hat erhebliche Proble-
    me auf dem Arbeitsmarkt geschaffen, wird das auch
    weiter tun, Probleme, die sich in der betrieblichen
    Wirklichkeit inzwischen deutlich bemerkbar machen:
    für die älteren Beschäftigten, für die jungen Menschen,
    die vor der Türe stehen, und für die Arbeitgeber glei-
    chermaßen. Man hat mit diesem Schritt das Problem nur
    umverteilt.

    Wir werden durch diese Entscheidung in den näch-
    sten fünf Jahren – ich befürchte, daß die Dramatik in der
    Bevölkerung noch gar nicht ganz angekommen ist – eine
    Lebensarbeitszeitverlängerung derjenigen bekommen,
    die im Betrieb sind, und zwar um rund 10 Prozent. Ich
    weise darauf hin: Das Volumen übersteigt die tarifliche
    Arbeitszeitverkürzung der Gewerkschaften in den 80er
    und 90er Jahren. Das löst Probleme aus. Den Problemen
    müssen wir uns stellen.

    Insofern halte ich den Vorschlag der Gewerkschaften,
    mit der Tarifpolitik an dieses Problem heranzugehen und
    Lösungen anzubieten, für exzellent. Das ist – ich wie-
    derhole es – gelebte Subsidiarität.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Ich denke, das ist ein trefflicher Beweis dafür, daß Pro-
    bleme nicht verschoben werden dürfen, sondern ange-
    gangen und gelöst werden müssen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wie bei der Rente!)


    Zweitens. Wenn Regierung, Arbeitgeber und Ge-
    werkschaften zu dieser Lösung beitragen – und zwar
    nicht nur, weil ein gemeinsames Interesse sie eint –,
    dann ist das die beste Grundlage für ein Bündnis für
    Ausbildung und Arbeit.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: So eine schwache Vorstellung!)


    Bundesminister Walter Riester






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Das gilt auch für die Frage der Ausbildung, die sich
    nicht nur in der quantitativen Frage erschöpft. Das gilt
    für attraktive, flexible Arbeitszeiten, die mehr Beschäf-
    tigung ermöglichen, und das gilt für die Mobilisierung
    neuer Beschäftigung.

    Ich will Ihnen ein Beispiel alter Debatten, alter Lö-
    sungsansätze für diesen Bereich notwendiger neuer Be-
    schäftigung für Menschen mit geringer Qualifikation
    nennen. In der alten Debatte, die ich seit 10, 15 Jahren
    kenne, wird so argumentiert: Wir haben Arbeit und Be-
    darf genug – allerdings nicht für 50,50 DM, sondern für
    8,30 DM. In der Hoffnung, Lohn abzusenken, Kombi-
    lohnmodelle anzubieten, liegt das nicht einzulösende
    Versprechen, daß sich dann der Arbeitsmarkt entwickeln
    würde.

    Nun bin auch ich der Auffassung, daß es eine der
    größten Herausforderungen ist, daß wir viele Menschen
    mit geringen Qualifikationen haben – vor allem die
    stecken im Bereich der 1,35 Millionen Langzeitarbeits-
    losen –, für die wir zuwenig Arbeitsplätze haben. Aber
    ich möchte an diese Frage anders herangehen, etwas sy-
    stematischer.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Machen Sie uns keine Angst!)


    Ich möchte, daß wir nicht immer nur die gleichen Bei-
    spiele des Schuhputzers, des Kofferträgers, des Fenster-
    putzers, des Spargelstechers hören, sondern einmal auf-
    listen, welche Bereiche produktionsnaher und persönli-
    cher Dienstleistungen zu entwickeln sind.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Wenn wir das mit Wirtschafts- und Arbeitnehmerver-
    tretern klar aufzeigen, kommt der zweite Schritt: Dann
    müssen wir Angebote zur Qualifizierung entwickeln.

    Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß,
    wenn wir das systematisch angehen, auch die dritte Fra-
    ge, der nicht ausgewichen werden darf, nämlich ob wir
    dafür eigene Lohnniveaus, ob wir dafür eine Kombinati-
    on mit der Sozialversicherung brauchen, von den Tarif-
    vertragsparteien angegangen wird.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundesmini-
ster, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr.
Schäuble?

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Bitte.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Bun-
    desminister, nachdem Sie sich gerade gegen diese Art
    von Beschäftigung ausgesprochen haben – –


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Doch. Sie haben doch gerade gegen Kofferträger,
    Schuhputzer usw. gesagt, diese Art von Beschäftigung
    gebe es nicht. Wo sind denn diese Jobs? – das war Ihre

    Frage. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob mich meine
    Erinnerung trügt wenn ich darauf verweise, daß der Herr
    Bundeskanzler gestern in seiner Regierungserklärung
    unter anderem den Begriff Einpackhilfe gebraucht hat.


    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
    zialordnung: Wenn Sie mir zugehört hätten, Herr Abge-
    ordneter Schäuble,


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    und sich nicht auf Ihren Diskussionsbeitrag vorbereitet
    hätten, dann hätten Sie genau gehört, daß ich exakt das
    gesagt habe: Wir müssen ein breites Spektrum von An-
    geboten für Menschen mit geringer Qualifikation ent-
    wickeln und dürfen sie nicht auf immer wieder die glei-
    chen Beispiele reduzieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das können die Menschen von uns erwarten.

    (Michael Glos [CDU/CSU]:Ihr untergrabt die Autorität dieses Bundeskanzlers schon am ersten Tag!)


    Ich will aber auch klarstellen: Wir werden die Fehl-
    entwicklungen, Ihre Entscheidungen beim Kündigungs-
    schutz und bei der Lohnfortzahlung, innerhalb der näch-
    sten Wochen korrigieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Walter Hirche [F.D.P.]: Auch das kostet wieder Arbeitsplätze!)


    Das gilt auch für die geringfügig Beschäftigten, bei de-
    nen wir uns im übrigen in der Definition des Problems
    mit der ehemaligen Regierung relativ einig waren. Nur,
    man muß dieses Problem auch angehen. Ich weiß, daß
    das nicht bequem ist. Wir werden uns der Herausforde-
    rung stellen, weil wir wissen: Es geht im Kern nicht,
    Herr Abgeordneter Kues, um die Liquiditätsverbesse-
    rung, sondern darum, wieder Ordnung am Arbeitsmarkt
    zu entwickeln.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Es geht aber auch – das ist schon ein ernst zu neh-
    mendes Problem – darum, den Erosionsprozeß in den
    Finanzstrukturen unserer sozialen Sicherungssysteme zu
    stoppen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Denn kein Sicherungssystem der Welt hält es aus, wenn
    die Belastungen steigen und immer mehr Menschen die
    Solidargemeinschaft verlassen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Bundesminister Walter Riester






    (A) (C)



    (B) (D)


    Da wir uns in der Analyse in der Vergangenheit einig
    waren, erwarte ich, daß in diesen Fragen, zumindest
    wenn man es ernst meint mit der Stabilisierung und der
    Sicherung der Systeme, eine Zusammenarbeit möglich
    ist.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden diese Maßnahmen auch mit Blick auf ein

    Bündnis für Ausbildung und Arbeit angehen; denn
    würden wir ein solches Bündnis mit diesen Fragen bela-
    sten, dann bestünde die Gefahr, daß aus solchen Gesprä-
    chen Nebenregierungen entwickelt werden. Genau das
    wollen wir nicht. Wir wollen das Bündnis nicht mit Ent-
    scheidungen überfrachten, die korrigiert werden müssen
    und für die wir einen ganz klaren Wählerauftrag haben.


    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns gemeinsam die Stärken und die Kräf-

    te, die unser Land noch immer hat, wieder zusammen-
    führen und fruchtbar in neue Lösungen einbinden. Ich
    bin fest davon überzeugt: Den Weg ins 21. Jahrhundert
    werden wir nur dann mit den Menschen gehen können,
    wenn wir mit den gesellschaftlichen Kräften fair, kon-
    struktiv und handlungsorientiert bei den Lösungen von
    Problemen zusammenarbeiten. Das setzt allerdings ein
    politisches Grundverständnis voraus, das in den letzten
    Jahren in Vergessenheit geraten schien. Politik muß
    wieder verläßlich sein;


    (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Wo waren denn die Gewerkschaften?)


    Politik muß wieder das Vertrauen der Menschen gewin-
    nen.


    (Beifall bei der SPD)

    Verläßlichkeit und Vertrauen sind der Humus, auf

    dem Reformen gedeihen können, Reformen, die wir
    brauchen, um den Strukturwandel, in dem wir stehen,
    bewältigen und gestalten zu können.


    (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Alles heiße Luft! – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Heiße Luft? Höchstens lauwarme!)


    Die Menschen werden nur bereit sein, den Strukturwan-
    del mutig anzugehen, wenn sie Vertrauen in die Politik
    haben und wenn sie wissen, daß sie sich wieder auf so-
    ziale und gerechte Politik verlassen können.


    (Beifall bei der SPD)

    Folgendes ist wesentlich für unseren Weg in das

    nächste Jahrtausend: Mut zur Innovation, Flexibilität
    und Mobilität sind unverzichtbare Bestandteile einer
    modernen, zukunftsgewandten Gesellschaft und Wirt-
    schaft.


    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    – Hoffnung gibt es vielleicht auch dann, wenn die Op-
    position zuhört, wenn der Minister spricht.


    (Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich denke, daß die Bevölkerung –

    (Unruhe bei der CDU/CSU – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Da hätten Sie sich einmal sehen sollen!)


    – danke; die Vorstellung wird live im Fernsehen über-
    tragen –


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    uns an diesen Grundprinzipien einer verläßlichen Politik
    messen wird. Daran, nämlich an den klaren Aussagen,
    werde auch ich mich in der Zukunft messen lassen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie halt etwas, was zuhörenswert ist!)


    Darüber, Herr Abgeordneter Kues, will ich mit Ihnen in
    Zukunft gerne streitig diskutieren.

    Danke schön.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)