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ID1400303600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/3 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer der Naturka- tastrophe in den vier mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Guatemala und Nicaragua ................................................ 47 A Begrüßung des Beauftragten der OSZE für Medienfreiheit, Herrn Freimut Duve.............. 67 C Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Peter Eickenboom ..... 67 C Verabschiedung des Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel ............. 67 C Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache........... 47 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über den Kosovo (Drucksache 14/16)....................... 47 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 47 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 67 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 80 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN............................................. 85 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 91 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 96 D Michael Glos CDU/CSU ................................. 102 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ............ 102 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 103 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 107 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 112 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 115 B Volker Rühe CDU/CSU .................................. 116 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ....................................................... 119 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 121 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 122 D Jürgen Koppelin F.D.P.. .............................. 123 B Gernot Erler SPD............................................. 124 D Rudolf Bindig SPD.......................................... 127 A Nächste Sitzung ............................................... 128 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 129 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 47 (A) (C) (B) (D) 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Rudolf Bindig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 129 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 10.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 10.11.98 Hartnagel, Anke SPD 10.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 10.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 10.11.98 Schulte (Hameln), Brigitte SPD 10.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 10.11.98 Verheugen, Günter SPD 10.11.98 130 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das
    Wort hat der Bundesminister Rudolf Scharping.

    Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidi-
    gung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
    Antrag der Bundesregierung dient der Verwirklichung
    und der Überwachung eines Abkommens, von dem der
    Kollege Fischer schon gesprochen hat. Aber ich will zu-
    nächst sagen, daß die Entscheidung des Deutschen Bun-
    destages in einer schwierigen Übergangssituation dazu
    beigetragen hat – ich bitte das nicht geringzuschätzen –,
    daß 50 000 Menschen aus den Wäldern in ihre Dörfer
    zurückkehren konnten, daß 50 000 Menschen der un-
    mittelbaren Bedrohung durch Hunger, Seuchen, Krank-
    heiten und Schlimmeres entkommen konnten, und daß

    das entschlossene Handeln der internationalen Staaten-
    gemeinschaft dazu geführt hat, daß zunächst einmal ein
    Zustand – mit einigen Ausnahmen und Unsicherheiten,
    die nach wie vor da sind – erreicht wurde, in dem die di-
    rekte Bedrohung durch Mord, Vertreibung und Tod für
    viele tausend Menschen verhindert worden ist. Wer das
    geringschätzt, hat keine Ahnung von dem, was wir in-
    ternational an Verantwortung zu tragen haben.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Angelika Köster-Loßack [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Auf der Grundlage des Abkommens geschehen meh-
    rere Dinge. Das eine ist Gegenstand des Antrages der
    Bundesregierung, nämlich die Luftüberwachung ent-
    sprechend dem Abkommen und der Resolution 1203 der
    Vereinten Nationen sicherzustellen. Das dient nicht nur
    dazu, das Abkommen zu sichern und seine Überwa-
    chung zu gewährleisten, sondern dient auch dem Schutz
    derjenigen, die im Auftrag der OSZE und im Interesse
    der Stärkung der OSZE eine zivile, nichtmilitärische
    Überwachung dieses Abkommens am Boden gewährlei-
    sten sollen.

    Vermutlich kommt in der nächsten Woche – das
    hängt aber von den weiteren Diskussionen innerhalb der
    NATO ab – noch eine weitere Entscheidung auf die
    Bundesregierung und den Deutschen Bundestag zu,
    nämlich eine entsprechende Vorsorge für den nicht ge-
    wünschten, aber auch nicht ausschließbaren Notfall zu
    treffen. Wer das alles im Zusammenhang mit militäri-
    scher Intervention betrachtet, der argumentiert in meinen
    Augen unverantwortlich und närrisch.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Richtig!)

    Wir wollen eine Stärkung der OSZE erreichen. Das be-
    deutet aber, 2 000 Menschen in ein immer noch mit
    Scharmützeln, mit Schwierigkeiten und mit Schußwech-
    seln belastetes Gebiet zu schicken, also in eine Situation,
    die nicht gesichert ist. Es wäre ganz und gar unverant-
    wortlich für die Glaubwürdigkeit der OSZE und – was
    viel schlimmer ist – ganz und gar unverantwortlich für
    die Sicherheit dieser 2 000 Menschen, wenn wir sie in
    eine Lage bringen würden wie UNPROFOR 1995 in
    Bosnien-Herzegowina. Das darf man nicht tun.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Deshalb dienen alle diese Entscheidungen dazu, eine
    friedliche Entwicklung in diesem Teil des Balkans zu
    ermöglichen. Der Antrag der Bundesregierung ist Aus-
    druck von Verläßlichkeit, von Berechenbarkeit und von
    Kontinuität in den Grundlagen deutscher Außenpoli-
    tik. Er ist Ausdruck dafür, daß wir uns im Rahmen der
    internationalen Staatengemeinschaft in Europa und im
    Bündnis der NATO bewegen, unsere Verantwortung
    wahrnehmen und unseren Teil zur friedlichen Entwick-
    lung beitragen.

    Dieses Bündnis hat uns in Deutschland – zunächst im
    Westen und dann bei der deutschen Einheit – ungeheuer
    viel geholfen. Es hat uns Freiheit, es hat uns Frieden,

    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    und es hat uns am Ende die Einbindung in die Gemein-
    schaft der westlichen Demokratien ermöglicht.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Und da waren Sie dagegen!)


    Das macht das Verdienst dieser Integration überdeutlich.
    Angesichts veränderter und neuer Herausforderungen

    für unsere Sicherheit und für die unseres Kontinents, für
    die Sicherheit Deutschlands und für die Sicherheit Euro-
    pas müssen wir uns allerdings auch auf neue Entwick-
    lungen einstellen. Die Entscheidungen, die wir im Zu-
    sammenhang mit Bosnien-Herzegowina getroffen haben
    und jetzt – hoffentlich einmütig – im Zusammenhang
    mit dem Kosovo treffen werden, sind ein Hinweis dar-
    auf, welche veränderten Herausforderungen auf uns zu-
    kommen. Die Sicherheit unseres Landes und die Sicher-
    heit unseres Kontinents sind nicht voneinander zu tren-
    nen – im Gegenteil: Sie bedingen sich gegenseitig. Mit
    wachsender Verflechtung, mit wachsender Integration
    wächst auch unsere Verantwortung. Deshalb ist
    Deutschland engagiert und wird es bleiben.

    Ich will Ihnen das mit einigen wenigen Hinweisen
    noch erläutern. In Bosnien-Herzegowina sind zur Zeit
    Angehörige der Bundeswehr regelmäßig in der Stärke
    von etwa 2 000 Mann und vorübergehend sogar – im
    Zuge des Übergangs in eine neue Aufteilung und Statio-
    nierung der entsprechenden Gruppenteile – in der Stärke
    von etwa 2 600 Mann im Einsatz. Mit den 200 nicht-
    militärischen, zivilen Beobachtern, die wir als Teil die-
    ser 2 000 Mann starken Beobachtermission stellen,
    wächst unsere Verantwortung und unser Anteil im Han-
    deln der internationalen Staatengemeinschaft. Wenn der
    Deutsche Bundestag – wie ich hoffe – am Freitag die
    Entscheidung getroffen haben wird, daß wir uns auch an
    der Luftüberwachung eines verbindlichen Abkommens
    und der darauf fußenden, darauf Bezug nehmenden Re-
    solution des Weltsicherheitsrates beteiligen, wird unsere
    Beteiligung noch einmal um 350 Personen zunehmen.

    Ich will Ihnen heute schon sagen, daß zur Vorsorge
    vor einem nicht gewünschten, aber nicht ausschließba-
    ren Notfall wahrscheinlich noch einmal eine deutsche
    Beteiligung – etwa in Kompaniestärke – erforderlich
    wird. Das ist alles andere als eine militärische Interven-
    tion. Was die Soldaten – unsere wie die der anderen
    Länder – dort tun, ist: Sie sichern Gewaltfreiheit, sie
    unterstützen den zivilen Aufbau – zum Beispiel dadurch,
    daß sie mit einer Beratertätigkeit helfen, das Ergebnis
    der Wahlen zu implementieren und die Konstituierung
    von Parlamenten und lokalen Autoritäten voranzubrin-
    gen –, sie helfen bei der Rückkehr von Flüchtlingen,
    zum Beispiel in einer sehr ausgeprägten zivil-militä-
    rischen Kooperation, indem sie Häuser wiederherrich-
    ten, Infrastruktur wiederherrichten und den Flüchtlingen
    die Rückkehr überhaupt erst ermöglichen, und sie er-
    gänzen nicht zuletzt die Arbeit der zivilen Hilfsorgani-
    sationen, von denen ich hier nur stellvertretend für alle
    anderen die Organisation „Schüler helfen leben“ nenne.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.])


    An diesem SFOR-Einsatz, der zugleich auch gewisse
    Belastungen hier in Deutschland bedeutet, haben jetzt
    schon über 20 000 Soldaten der Bundeswehr teilge-
    nommen. Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, daß diese
    Soldaten im Interesse unseres Landes, im Interesse ge-
    meinsamer Sicherheit, im Interesse der Stabilität unseres
    Kontinents, nicht zuletzt vielleicht auch im Interesse der
    Verhinderung immer stärkerer Flüchtlingsbewegungen
    ein hohes Risiko eingehen und daß sie deshalb auch mit
    Blick auf ihre Familien die Unterstützung des Deutschen
    Bundestages und übrigens der ganzen Bevölkerung ver-
    dient haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Freilich, diese Unterstützung muß auch noch auf an-
    dere Weise gewährleistet werden, nämlich indem wir in
    Deutschland als Bundesregierung und als Parlament
    auch dazu beitragen, daß ein klares politisches Ziel ver-
    folgt und erreicht werden kann. Wir haben dafür nur
    wenig Zeit. Es gibt leider auch Anzeichen dafür, daß in
    dieser Periode der Gewaltfreiheit Vorbereitungen für
    neue Ausbrüche von Gewalt getroffen werden könnten.
    Der Winter wird das wahrscheinlich eine Zeitlang ver-
    hindern.

    Ich will damit deutlich machen, daß wir für die politi-
    schen Bemühungen um die Lösung dieses Konfliktes
    mit dem Ziel einer Autonomie des Kosovo im jugosla-
    wischen Staatsverband nur ein sehr enges Zeitfenster
    haben werden und daß es ganz und gar nicht vertretbar
    ist, wenn man sowohl zivile Beobachter im Auftrage der
    OSZE wie auch ihren militärischen Schutz in eine Ge-
    fahr bringen würde, die man durch entsprechend klaren
    Druck sowohl auf Milosevic als auch auf die kosovo-
    albanische Seite, insbesondere auf die UCK, vermeiden
    kann.

    Die Abwesenheit von Krieg und Gewalt bedeutet
    noch lange nicht Frieden. Wir sehen das in Bosnien und
    Herzegowina. Ich fürchte, wir werden es eine längere
    Zeit auch im Kosovo sehen. Also will ich darauf auf-
    merksam machen, daß die Beteiligung Deutschlands an
    ziviler Überwachung und ihrem Schutz, an all den Maß-
    nahmen, die ich genannt habe, auf Dauer genauso wie
    die Sicherheit, die von der internationalen Staatenge-
    meinschaft ausgeht, nur dann sinnvoll geleistet werden
    kann, wenn die internationale Staatengemeinschaft den
    Konfliktparteien die Notwendigkeit klarmacht und am
    Ende dabei hilft, zivile Entwicklungen auf eine stabile
    Grundlage zu stellen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das entspricht der Politik der Bundesregierung, die
    das Ziel umfassender Sicherheit verfolgt. Ich will das an
    drei Elementen verdeutlichen.

    Erstens kommt es darauf an, Ursachen für Krisen in
    Zukunft früher zu erkennen und entschlossener zu han-
    deln als in der Vergangenheit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Bundesminister Rudolf Scharping






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Gerade das Thema, mit dem sich der Antrag der Bun-
    desregierung beschäftigt, ist ein sehr nachdrücklicher
    Hinweis darauf, wohin es führen kann, wenn man über
    Jahre hinweg deutliche Hinweise auf eine sich immer
    stärker verschärfende krisenhafte Entwicklung ignoriert.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So einfach ist das nicht! – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt wird es unverschämt! Gucken Sie mal in Ihre eigenen Reihen!)


    Es hat diese Hinweise gegeben. Allerdings ist es auch
    eindeutig so, daß die Europäische Union, die Westeuro-
    päische Union und andere Organisationen der interna-
    tionalen Staatengemeinschaft Krisenursachen häufig
    zwar früh erkennen können – es mag auch vorkommen,
    daß sie sie nicht erkennen –, daß uns aber oft genug die
    entsprechenden Mittel und Institutionen fehlen, die Kon-
    sequenzen aus der frühzeitigen Erkenntnis von Krisen-
    ursachen zu ziehen. Also wird es nicht nur darauf an-
    kommen, den Mangel in der frühzeitigen Erkennung von
    Krisenursachen und ihrer gemeinsamen Bewertung zu
    beklagen, sondern auch darauf, die notwendigen Institu-
    tionen zu schaffen, die wir im Rahmen der europäischen
    Integration dringend brauchen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es kommt darauf an, aus dieser Vorstellung umfas-
    sender Sicherheit, die auch Krisenursachen wie Hunger,
    Unterentwicklung, Terror und Haß zwischen Bevölke-
    rungsgruppen mit einschließen muß, die notwendigen
    Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt auf der Hand, daß
    diese Schlußfolgerungen nicht allein in den Kategorien
    eines militärischen Bündnisses geleistet werden können.
    Ich erinnere mich sehr gut, daß Willy Brandt davon
    sprach, er habe zweimal erlebt, wie aus Krieg Hunger
    geworden sei, und er hoffe, nie erleben zu müssen, daß
    aus Hunger Krieg werde. Das aber ist eine Gefahr, mit
    der wir uns heute auch auseinandersetzen müssen.

    Das zweite Element beinhaltet, daß wir, die interna-
    tionale Staatengemeinschaft, im Bereich der Krisen-
    prävention wesentlich besser werden müssen, als wir es
    derzeit sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich mache darauf aufmerksam, daß hier für die deutsche
    Außen- und Sicherheitspolitik ein wesentliches Thema
    liegt. In der Sondersitzung des Bundestages der
    13. Wahlperiode hat eine Rolle gespielt, daß wir ange-
    sichts veränderter Krisenursachen, Bedrohungsursachen
    und Risiken für die internationale Sicherheit und Stabi-
    lität in die Lage kommen müssen, die Instrumente neu
    zu justieren; denn die Instrumente stammen aus der Zeit
    nach dem Zweiten Weltkrieg, aus der Zeit des kalten
    Krieges und der Blockkonfrontation und sind oft genug
    nicht tauglich genug, mit dem fertig zu werden, was sich
    heute an veränderter weltpolitischer Lage und auch an
    veränderten Ursachen für internationale Krisen auf unse-
    rem Kontinent und weit darüber hinaus – in anderen Re-
    gionen der Welt ist es noch viel schlimmer – darstellt.

    Als drittes Element nenne ich, daß diese Politik nur
    erfolgreich sein kann, wenn deutsche Außen- und Si-
    cherheitspolitik konsequent demokratische und zivile
    Entwicklungsprozesse fördert und gleichzeitig zur
    Achtung der Menschenrechte beiträgt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, wie schwierig dies ist,
    sieht man wieder am Beispiel des Kosovo. So hatten wir
    zum Beispiel große Schwierigkeiten, im Rahmen des
    Auftrags an die OSZE sicherzustellen – bisher konnte es
    wegen einer Weigerung Rußlands nicht sichergestellt
    werden – , daß der Zugang von Journalisten in das Ge-
    biet des Kosovo ermöglicht und wieder unabhängige Be-
    richterstattung erlaubt wird. Wenn wir aber demokrati-
    sche, auf Menschenrechte orientierte Entwicklung för-
    dern und zivile Entwicklungen voranbringen wollen,
    dann wird das ohne entsprechende Institutionen ein-
    schließlich einer unabhängigen und freien Presse, ein-
    schließlich freier und unabhängiger Gewerkschaften, so-
    zialer Organisationen, lokaler Selbstverwaltung und
    dergleichen nicht gehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die eigentliche Bedeutung des Beitrages der Bun-
    deswehr auf dem Balkan liegt darin, daß diese beiden
    Seiten der gleichen Medaille zur Zeit in einer guten
    Weise gewährleistet sind, wobei ich beklage, daß die
    zweite Seite oft genug in der Öffentlichkeit nicht so
    wahrgenommen wird, wie ich es mir wünsche: neben
    der Sicherung einer gewaltfreien Entwicklung durch
    entsprechende militärische Präsenz die sehr vielen zivi-
    len Elemente in diesem Engagement, die ich Ihnen zu
    nennen versucht habe.

    Meine Damen und Herren, all diese Fragen haben
    Bedeutung für die Entwicklung auch der internationalen
    Organisationen. Die NATO wird sich erweitern, und das
    ist gut so. Sie wird nach dieser Erweiterung eine Zeit der
    Konsolidierung brauchen und zugleich für weitere neue
    Mitglieder die Tür offenhalten. Die NATO wird sich
    eine neue Strategie geben. Es wird für die Europäer dar-
    auf ankommen, ihre eigenen Schwächen zu überwinden
    und nicht immer ein gewisses Gefälle im Bündnis zu
    beklagen, sondern selbst etwas dagegen zu tun, daß es
    dieses Gefälle hier und da gibt. Das Stichwort dafür
    heißt: europäische Identität für Verteidigung und Si-
    cherheit.


    (Beifall bei der SPD)

    Dazu gehört übrigens auch die Integration der WEU-
    Aufgaben in die Europäische Union, wie es ja im Ver-
    trag von Amsterdam vorgesehen ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich sage Ihnen das, um etwas anderes noch verständ-

    licher zu machen: Es ist unser gutes Recht – andernfalls
    würden uns alle anderen mit guten Gründen, wie ich
    denke, skeptisch betrachten –, unsere Interessen klar zu
    definieren und zu vertreten. Uns in Deutschland muß
    allerdings klar sein, daß Deutschland seine außen- und

    Bundesminister Rudolf Scharping






    (A) (C)



    (B) (D)


    sicherheitspolitischen Interessen nur noch in Europa
    und in internationalen Organisationen wirksam verfol-
    gen kann.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Deutschland kann mit Blick auf seine Streitkräfte in Zu-
    kunft nur das sinnvoll vorbereiten und entscheiden, was
    mit den europäischen Interessen im Einklang steht und
    mit den Interessen des Bündnisses kompatibel ist.


    (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Der ist ja noch langweiliger als der Fischer!)


    Auch in Zukunft ist die wesentliche Aufgabe der
    Bundeswehr die Landesverteidigung. So wie wir Lan-
    desverteidigung derzeit wahrnehmen, ist sie der beste
    Ausdruck dafür, daß wir uns der gemeinsamen Verant-
    wortung und Verpflichtung stellen. Über die Landes-
    verteidigung hinaus sind wir im Bündnis für die Sicher-
    heit seiner Mitglieder mitverantwortlich. Man kann es
    an den Entscheidungen der letzten Jahre ablesen, daß
    Deutschland stärkere Beiträge zur internationalen Frie-
    denssicherung leistet. Vor diesem Hintergrund und mit
    Blick auf diese neuen Aufgaben muß die interne Be-
    standsaufnahme der Bundeswehr so vorangetrieben
    werden, daß sie im März des nächsten Jahres abge-
    schlossen sein wird. Dann wird unter Beteiligung des
    außen-, sicherheits- und friedenspolitischen Sachver-
    stands, den wir dafür dringend brauchen,


    (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Jawohl! Sehr gut!)


    und auf der Grundlage von Erfahrungen vieler Men-
    schen in Deutschland darüber zu reden sein, welche Fä-
    higkeiten unser Land in die internationalen Organisatio-
    nen einbringen und wie es mit Hilfe dieser Fähigkeiten
    zu internationaler Sicherheit und zu friedlicher, ziviler
    und, wo immer es geht, demokratischer Entwicklung
    beitragen kann.

    Meine Damen und Herren, ich sprach davon, daß wir,
    insbesondere aber die Soldaten und ihre Familien, dar-
    auf angewiesen sind, im Deutschen Bundestag und im
    deutschen Volke eine breite Unterstützung zu erhalten.
    Verstehen Sie das bitte als eine Einladung an alle Seiten
    des Hauses – bei allem Streit auf anderen Feldern –, den
    Konsens in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zu
    bewahren und diesen auf der Basis dessen, was wir er-
    reicht haben, weiterzuentwickeln.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das
Wort hat der Kollege Dr. Helmut Haussmann.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zwischenbilanz
    der bisherigen Diskussion ist klar: Deutschland hat die
    Abwahl eines international anerkannten Staatsmannes
    und eines hervorragenden Bundeskanzlers, eines exzel-
    lenten Außenministers und eines anerkannten Finanz-
    ministers nicht verdient.

    Was haben wir heute erlebt? Einen Bundeskanzler,
    für den Außen- und Europapolitik eben keine Herzens-
    angelegenheit ist. Ich will nur einmal zwei Belege nen-
    nen, wie Herr Schröder denkt: Vor seiner Wahl war er
    gegen den Euro und vertrat in bezug auf die Osterweite-
    rung die Auffassung, daß sie nicht mehr im nächsten
    Jahrzehnt stattfinden werde. Das sind Tatsachen.


    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Genau das ist es!)

    Wir haben einen Außenminister, der sich nicht nur äu-
    ßerlich, sondern auch innerlich schnell umgestellt hat,
    hochflexibel ohne politische Tradition in der grünen
    Partei, ohne Basis in Krisenzeiten. Wir haben einen Fi-
    nanzminister, der eigentlich der heimliche Vizekanzler
    und Außenminister ist und beginnt, den Euro schwach
    zu machen. Und wir haben einen Verteidigungsminister
    wider Willen, weil er das gar nicht werden wollte; aber
    die Rede von Herrn Struck weckte nicht nur bei uns,
    sondern auch in der Opposition die Sehnsucht nach ei-
    nem Fraktionsvorsitzenden Scharping.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Außenminister Fischer, Sie sollten sich – Sie

    werden noch darauf zurückkommen müssen – am An-
    fang einer solchen Debatte nicht nur förmlich bei Herrn
    Kohl oder bei Herrn Kinkel bedanken, sondern Sie soll-
    ten sich auch darüber im klaren sein, daß Sie nur deshalb
    einen guten Start hatten, über den ich mich im Interesse
    Deutschlands freue, weil Sie auf eine exzellente Außen-,
    Europa- und Sicherheitspolitik aufbauen konnten,


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    zu der Ihre eigenen Leute bisher überhaupt nichts bei-
    getragen haben.

    Sie haben es wohl vergessen: Sie waren gegen die
    Nachrüstung, gegen den Euro und gegen den Vertrag
    von Maastricht. Es gab Stimmenthaltungen zum Vertrag
    von Amsterdam und vor kurzem noch gegen friedenser-
    haltende Einsätze. Das ist die Ausgangsbasis, und inso-
    fern, Herrr Fischer, sollten Sie sich über eines im klaren
    sein: Ein guter Start bedeutet noch nicht belastbare Au-
    ßenpolitik. Deshalb sollten Sie sich mit der Opposition
    sehr gut stellen, Sie werden uns noch brauchen. Das sa-
    ge ich Ihnen voraus.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Aus unserer Sicht gibt es drei große konzeptionelle

    Fragen, an denen wir Sie und Herrn Schröder messen
    wollen. Die erste betrifft die globale Verantwortung.
    Sie sind dem Thema, das Herr Kinkel für uns exzellent
    vorbereitet hat – Beteiligung an friedensschaffenden
    Maßnahmen und Sitz im UN-Sicherheitsrat –, ausgewi-
    chen. Sie haben hier nichts dazu gesagt. Vor Journali-
    sten haben Sie gesagt, das sei jetzt nicht so wichtig, der-
    zeit kein Thema, um dem Konflikt mit Ihrer Fraktion
    auszuweichen. Wenn jetzt nach einer so guten Vorarbeit
    vom deutschen Außenminister das Signal gegeben wird,
    das ist nicht vorrangig, nicht wichtig, verliert damit ein
    wichtiges Symbol der gestiegenen globalen Mitverant-
    wortung bei der Lösung von Krisen an Bedeutung.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundesminister Rudolf Scharping






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Die zweite Frage – wir werden noch darüber diskutie-
    ren – betrifft das Verhältnis zu den Vereinigten Staa-
    ten von Amerika. Es ist interessant, daß Sie dieses
    Thema in Ihrer Rede am kürzesten abgehandelt haben.
    Das ist zuwenig. Das, was Herr Schröder heute morgen
    vorgetragen hat, ist natürlich ein latenter Protektionis-
    mus. Ich kann nur sagen: Die wichtigste Frage im Ver-
    hältnis zu den Vereinigten Staaten wird sein: Wie wird
    Deutschland als führendes Land in Europa so wettbe-
    werbsfähig, daß es den Wettbewerb mit den Vereinigten
    Staaten von Amerika durchhält?

    Herr Außenminister Fischer, alle Konflikte in der
    Vergangenheit waren nicht so sehr außenpolitische Kon-
    flikte, sondern es waren Konflikte, die in der Handels-
    politik begannen. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen.
    Erstens. Sie haben in die Koalitionsvereinbarung locker
    hineingeschrieben, die WTO müsse dringend mit Um-
    welt- und Sozialstandards angereichert werden. Sie ste-
    hen damit einsam in der Landschaft.


    (Zurufe bei der SPD: Nein!)

    Das gehört nicht in die WTO. Das gehört in die ILO,
    meine Damen und Herren. Sie werden isoliert sein.


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Ich sage Ihnen die Diskussion mit den Vereinigten
    Staaten von Amerika voraus. Sie werden sich isolieren.

    Zweitens. Mit diesem Reformrückschritt – keine
    echte Steuerreform, keine Arbeitsmarktreform, Schwä-
    chung des Euro – werden Sie Deutschland und damit
    Gesamteuropa im Wettbewerb schwächen.


    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])


    Sie werden erleben, daß am Ende Ihrer Politik – im
    Verein mit Herrn Jospin – ein latenter Protektionismus,
    ein Festungsdenken in Europa herrschen wird. Das wird
    zu einem der ganz großen Konflikte, wenn Sie nicht
    zumindest die Politik von Herrn Blair verfolgen, wozu
    Sie nicht bereit sind. Herr Blair hat vor kurzem auf einer
    Konferenz der Sozialisten gesagt: Meine sehr verehrten
    Parteigenossen, Amerikanismus und Globalisierung dür-
    fen keine Fremdworte bei uns werden.

    Wie wird darüber bei uns diskutiert? Wie wird über
    die Unabhängigkeit der Zentralbank diskutiert? Wie
    wird über die Zielzonen debattiert? Reden Sie einmal
    mit einem Amerikaner über Wechselkurszielzonen. Sie
    laufen völlig ins Leere und begeben sich in die Gefahr,
    daß Sie das entscheidend wichtige Verhältnis zu den
    Vereinigten Staaten von Amerika von der falschen Seite
    her – durch Protektionismus, falsche Währungszusam-
    menarbeit und ein fehlendes klares Bekenntnis zur Un-
    abhängigkeit von Notenbanken – schwächen.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die dritte Frage betrifft die Europapolitik, Herr Fi-

    scher. Sie ist nicht nur Baustein einer Vision, sondern in
    der Europapolitik braucht man Visionen, man muß
    Emotionen haben. Ich sehe weder bei Herrn Schröder
    noch bei Ihnen jemanden, der in der Lage wäre, hier
    nicht nur gute Reden zu halten, sondern die eigene Par-

    tei, die Bevölkerung in große Projekte mitzunehmen.
    Meine Damen und Herren, wer hat denn die Debatte
    über die Währungsunion geführt? Wo war denn Rot-
    grün?


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Jetzt lehnt man sich zurück und profitiert von unserer

    Arbeit. Aber in der Europapolitik bedarf es der Visionen
    und eines langen Atems sowie der Unterstützung durch
    die eigene Partei, die eigene Fraktion. Meine Damen
    und Herren, die haben Sie nicht. Insofern ist es zwar
    schön, wenn Sie gute Reden halten, wenn Sie gut ange-
    zogen sind, wenn Sie im Ausland gut ankommen. Nur,
    die Bewährungsprobe – mehr Emotion, mehr Vision,
    mehr Überzeugung in der Bevölkerung – müssen Sie
    erst noch bestehen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Etwas mehr Emotion bitte, Herr Fischer!)