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ID1400302900

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    4. derBundesaußenminister: 1
    5. Joseph: 1
    6. Fischer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/3 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer der Naturka- tastrophe in den vier mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Guatemala und Nicaragua ................................................ 47 A Begrüßung des Beauftragten der OSZE für Medienfreiheit, Herrn Freimut Duve.............. 67 C Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Peter Eickenboom ..... 67 C Verabschiedung des Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel ............. 67 C Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache........... 47 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über den Kosovo (Drucksache 14/16)....................... 47 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 47 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 67 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 80 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN............................................. 85 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 91 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 96 D Michael Glos CDU/CSU ................................. 102 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ............ 102 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 103 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 107 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 112 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 115 B Volker Rühe CDU/CSU .................................. 116 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ....................................................... 119 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 121 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 122 D Jürgen Koppelin F.D.P.. .............................. 123 B Gernot Erler SPD............................................. 124 D Rudolf Bindig SPD.......................................... 127 A Nächste Sitzung ............................................... 128 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 129 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 47 (A) (C) (B) (D) 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Rudolf Bindig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 129 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 10.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 10.11.98 Hartnagel, Anke SPD 10.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 10.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 10.11.98 Schulte (Hameln), Brigitte SPD 10.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 10.11.98 Verheugen, Günter SPD 10.11.98 130 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Noch im Wahlkampf haben Sie die Neue Mitte heftig
    umworben. Diese Neue Mitte, die wir auch für Investi-
    tionen in unserem Land brauchen, wird jetzt abkassiert
    und fühlt sich getäuscht.

    Die Gegenfinanzierung dieser Flickschusterei kon-
    zentriert sich überwiegend auf den Unternehmensbe-
    reich. Hieran werden möglicherweise auch die Nachbes-
    serungen, die wir noch nicht kennen, nichts ändern. Ich
    befürchte: Investitionen unterbleiben, Standorte der
    Unternehmen werden ins Ausland verlagert. Ich nenne
    ein paar Beispiele: Opel hat bereits angedroht, auf ge-
    plante Investitionen in Deutschland zu verzichten. Die
    New Yorker Investment-Bank Goldman Sachs warnt
    eindringlich vor Anlagen in Deutschland. Die „Wirt-
    schaftswoche“ berichtet von konkreten Fluchtgedanken
    der mittelständischen Wirtschaft.

    Nun ein Wort zur geplanten Ökosteuer. Bereits heute
    liegen die Energiekosten der deutschen Wirtschaft um

    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    30 Prozent höher als in den USA. Trotzdem wollen Sie
    Bürger und Unternehmen unter dem Deckmantel der
    Ökologie mit einer dreistufigen Steuererhöhung bei
    Benzin, Heizöl, Erdgas und Strom belasten. Ich zitiere
    den Chef der IG Chemie, der unverdächtig ist, ein Mit-
    glied der CSU zu sein. Herr Schmoldt sagt über die neue
    Bundesregierung, „sie würde durch zusätzliche Steuern
    und Steuererhöhungen die Qualität des Standortes
    Deutschland nicht verbessern, sondern Arbeitsplätze ge-
    fährden . . . und Kaufkraft mindern.“

    Deutlich negative Folgen für Arbeitsplätze hat auch
    der von Rotgrün forcierte Ausstieg aus der Kernener-
    gie.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist es!)

    Weil er die Fakten kennt, bitte ich den neuen Wirt-
    schaftsminister Müller, der gegenwärtig im Plenum
    durch seinen Staatssekretär vertreten wird, die Tatsache
    zu bedenken, daß wir heute in Europa 216 Kernkraft-
    werke haben. Ausgerechnet die 19 sichersten sollen ab-
    geschaltet werden. Der Strom, der in Deutschland ver-
    braucht wird, käme nach wie vor aus Kernkraftwerken –
    nur nicht mehr aus sicheren Kernkraftwerken. Er käme
    aus der Tschechischen Republik, der Ukraine, der Slo-
    wakei oder Rußland. All diese Länder stehen für Strom-
    lieferungen nach Deutschland bereit.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Was besonders schlimm ist: Deutschland würde auch
    seinen weltweiten Spitzenplatz in der Sicherheitstech-
    nologie aufgeben. Damit würden allein in der Kernkraft-
    industrie 40 000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren-
    gehen. Sehr qualifizierte und gutbezahlte Arbeitnehmer
    würden davon betroffen sein.

    Es ist illusorisch zu glauben, daß sich ein Drittel der
    Stromerzeugung in Deutschland allein durch Energie-
    sparen oder durch regenerative Energien ersetzen ließe.
    Wenn wir als Ersatz zusätzliche Kohlekraftwerke bauen,
    auch moderne Kohlekraftwerke mit hohem Wirkungs-
    grad, dann bedeutet dies trotzdem eine erhebliche Erhö-
    hung der CO2-Belastung. Das halte ich umweltpolitischfür fatal.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Bundeskanzler, wo bleibt hier eigentlich Ihr

    Vorbehalt für Arbeitsplätze? Ich habe in Ihrer Regie-
    rungserklärung nachgelesen – Sie haben das auch schon
    einmal anderweitig gesagt; ich zitiere Sie –: Ich weiß,
    daß es schwer ist, eine Technologie durchzusetzen, die
    wenig Akzeptanz findet bzw. deren Akzeptanz so ge-
    fährdet ist wie die der Kernkraftindustrie. Aber man
    muß sich natürlich fragen: Warum ist diese Akzeptanz
    so gefährdet, und wer hat letztlich dazu beigetragen, die
    Menschen auf diesem Gebiet zu verunsichern? Hier muß
    man ein Stück weit Ursache und Wirkung mitbedenken.

    Ich habe den Eindruck: Wer marktwirtschaftlich
    denkt, dem bietet die Regierung Schröder wenig Platz.
    Das zeigen die massenhaften Frühpensionierungen, die
    jetzt in den Ministerien anstehen.


    (Lachen bei der SPD)


    Gesichert sind dagegen Arbeitsplätze für Ideologen.
    Wenn das die versprochene soziale Gerechtigkeit in
    Deutschland ist, dann ist es hierum schlecht bestellt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unglaublich! – Ludwig Stiegler [SPD]: Frau Präsidentin, geben Sie ihm ein Taschentuch! Er weint gleich!)


    – Herr Kollege Stiegler, Sie brauchen keine Angst zu
    haben, daß ich zu weinen anfange, obwohl mir an die-
    sem Tag natürlich nicht sehr wohl zumute ist. Ich will
    das gerne zugestehen.

    Vorhin hat Herr Struck gesagt, wir hätten unsere Nie-
    derlage nicht verkraftet. Angesichts der Reden aber, die
    ich heute gehört habe – das betrifft auch die Rede von
    Herrn Struck –, kann ich nur sagen: Die SPD hat ihren
    Sieg nicht verkraftet.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Was sagen Sie eigentlich zum Beispiel den Polizeibe-
    amten oder den Studenten,


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie kümmern sich um Studenten?)


    die von Ihrer Ökosteuererhöhung betroffen sind, von ge-
    ringeren Sozialabgaben aber überhaupt nichts haben?
    Was sagen Sie den Rentnern, denen Sie mehr Rente ver-
    sprochen haben, die Sie jetzt aber mit höheren Strom-
    und Heizungskosten zur Kasse bitten? Was sagen Sie
    vor allen Dingen den vielen Pendlern im ländlichen
    Raum, die tagtäglich auf das Auto angewiesen sind?


    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig! – So ist es!)


    Was sagen Sie den Müttern auf dem Land, die in die
    Stadt zum Einkaufen, zum Kindergarten oder zum Arzt
    fahren?


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Ludwig Stiegler [SPD]: Wer hat denn die Mineralölsteuer erhöht?)


    – Da Sie einen Oberpfälzer Wahlkreis vertreten, sollten
    Sie ganz besonders gut zuhören. Sie sind ja angeblich
    der Interessenvertreter Bayerns mit einem Wächteramt
    innerhalb der Koalition. Ich kann dazu nur sagen: Gute
    Nacht, Bayern! Bayern hat in der Bundesregierung von
    CDU/CSU und F.D.P. vier Minister und fünf Parlamen-
    tarische Staatssekretäre gestellt. Wir haben wichtigste
    Funktionen wahrgenommen. Sie setzen sich hier als so-
    genannter Landesgruppenvertreter der SPD aus Bayern
    hin und krakeelen dazwischen, um von Ihrer Niederlage,
    die Sie im Rahmen der Regierungsbildung in bezug auf
    Bayern erlitten haben, abzulenken.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


    Herr Bundeskanzler, was sagen Sie den kinderreichen
    Familien? Diese haben Sie – wie bei Hänsel und Gretel
    – massiv mit dem Zuckerbrot Kindergeld gelockt, und
    jetzt – gefangen – kommt die Ökopeitsche. Der Famili-
    enbund hat vorgerechnet: Bereits bei einem Dreiperso-
    nenhaushalt mit einem Nettoeinkommen von 70 000

    Michael Glos






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    DM im Jahr sind die Belastungen höher als die Entla-
    stungen.

    Was sagen Sie der bäuerlichen Landwirtschaft? Das
    ist ein Kapitel, das ganz besonders auch den süddeut-
    schen Raum und Bayern angeht. Haben die Familien auf
    den Höfen bei Rotgrün noch eine Zukunft?


    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Haben sie doch bei der CSU auch nicht!)


    Sie haben einen raschen Abschluß der Agenda 2000 an-
    gekündigt. Damit wird der Eindruck erweckt, die rot-
    grün geführte Bundesregierung unterstütze die Vor-
    schläge der EU-Kommission. Ich würde das für fatal
    halten. Ich kann dem neuen Landwirtschaftsminister
    Funk unsere Unterstützung versprechen, falls er gegen
    diese ungerechten Vorschläge ankämpft.


    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Funke!)

    – Vielen Dank. Ich werde mich daran gewöhnen müs-
    sen. Wenn er hiergewesen wäre, wäre es mir vielleicht
    eingefallen.

    Herr Bundeskanzler, was haben Sie mit den Sparern,
    den Häuslebauern und den Inhabern von Lebensversi-
    cherungen vor? Die Politik Ihres Finanzministers und
    seiner Frau läuft offen auf mehr Inflation hinaus. Ein
    Prozent mehr Inflation – dabei wird es nicht bleiben –
    bedeutet einen Vermögensverlust der Sparer und derje-
    nigen, die Lebensversicherungen haben, in Höhe von 50
    Milliarden DM im Jahr.

    Diese Politik gegen die Sparer ist unsozial. Sie geht
    zu Lasten der Schwächeren, und sie benachteiligt die
    kleinen Leute.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen keine südamerikanischen Verhältnisse in
    Deutschland und Europa. Die Inflationswellen dort ha-
    ben immer nur den Besitzern von großen Sachwerten
    und Grundstücksbesitzern geholfen und Arbeitnehmer
    und Mittelstand verelenden lassen.

    Auch bezüglich des Themas Föderalismus ist in der
    rotgrünen Koalitionsvereinbarung von Gerechtigkeit
    keine Spur. Das Koordinatensystem zwischen Bund und
    Ländern soll mehr in Richtung Zentralismus und weni-
    ger in Richtung Föderalismus, in Richtung mehr Staat
    und weniger Wettbewerb ausgerichtet werden.


    (Zuruf des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


    – Stellen Sie Ihre Frage bitte laut! Dann kann ich sie be-
    antworten.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Herr Glos, Sie kämpfen das letzte Gefecht! Das merkt man!)


    – Wir kämpfen nicht das letzte Gefecht. Wir stehen am
    Anfang eines Kampfes, an dessen Ende die Leute erken-
    nen werden, daß Ihr Weg falsch ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist so altbacken, was Sie von sich geben! Das ist ja unglaublich!)


    Wir wollen größere, nicht kleinere Gestaltungsspiel-
    räume für die Bundesländer. Die Früchte größerer An-
    strengungen einer Landesregierung müssen den Men-
    schen in dem jeweiligen Bundesland zugute kommen.
    Dadurch wird der Druck auf Nachahmung erzeugt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Welche gewaltige Erblast der Herr Ministerpräsident

    Lafontaine dem Herrn Finanzminister Lafontaine hin-
    terläßt, weiß er selbst am besten.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Leider muß er als Finanzminister nicht persönlich die
    Zeche zahlen. Das werden die deutschen Steuerzahler
    tun müssen.

    Wir fordern, daß es in diesem Bereich schneller geht.
    Sie wollen eine Enquete-Kommission zur Neuordnung
    des Finanzausgleiches einsetzen. Daß dies im Ergebnis,
    wie angekündigt, auf das Jahr 2005 verschoben wird,
    zeigt deutlich: Sie rechnen damit, daß dann die Union
    schon lange wieder regiert und dieses Problem löst.


    (Lachen bei der SPD)

    Statt die Länderverantwortung zu stärken, will die

    Regierung Schröder offensichtlich entgegengesetzte
    Wege gehen. Ein konkretes Beispiel: Wo bisher vor-
    bildliche Krankenhäuser stehen, sollen die Beitragszah-
    ler vernachlässigte Krankenhäuser in den SPD-Ländern
    mitfinanzieren. Das fördert nicht Effizienz und Spar-
    samkeit, sondern bestraft Länder mit eigenen Anstren-
    gungen.

    Wir brauchen nicht mehr Gleichmacherei. Wir brau-
    chen mehr Wettbewerb. Ich sage es noch einmal: Wett-
    bewerb schafft Höchstleistungen. Das gilt auch für den
    Wettbewerb zwischen Bundesländern.


    (Rudolf Bindig [SPD]: Und auch zwischen Parteien!)


    Lassen Sie mich noch ein anderes Kapitel anspre-
    chen. Vorhin hat sich die Kollegin Müller damit gebrü-
    stet, daß die Grünen in den Koalitionsverhandlungen
    eine Privilegierung des Zusammenlebens vertreten ha-
    ben, die der Privilegierung der Familie gleichkommt.
    Wer das will, stellt die Wertentscheidung des Grundge-
    setzes für den Vorrang der Familie offen in Frage.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Demokratie zu tun, Herr Glos? Gleiche Rechte für alle!)


    Die vorgesehene drastische Einschränkung des Ehe-
    gattensplittings ist nicht nur eine Frage des Geldes. Hier
    geht es letztendlich an die Wurzeln von Ehe und Fami-
    lie. Die Einführung eines Rechtsinstituts der eingetrage-
    nen Partnerschaft mit Rechten und Pflichten läuft auf
    eine offene Entwertung der Familie hinaus. Die rotgrüne
    Gesellschaftspolitik ist deswegen eine Politik gegen die
    Familie, gegen Kinder. Deswegen wird die CSU eine
    solche Politik kategorisch ablehnen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    Die deutsche Staatsbürgerschaft, Herr Fischer, ist
    bislang ein Zeichen der Identifikation mit unserem Staat
    und damit auch mit unserer Werteordnung. Davon will
    man sich offensichtlich verabschieden. Staatsangehö-
    rigkeit soll künftig nur noch eine Frage von Wartezeit
    oder Geburtsort sein. Das führt nicht zu einer besseren
    Integration. Ich befürchte, daß wird eher zu einer Spal-
    tung unserer Gesellschaft führen.

    Wir sind der Meinung: Staatsangehörigkeit darf man
    nicht verschenken. Staatsangehörigkeit muß man sich
    auch ein Stück weit innerlich erwerben. Es ist nicht da-
    mit getan, jedem Ausländer einen deutschen Paß in die
    Tasche zu schieben. Wer Deutscher werden will, muß
    sich zuvor integrieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das bedeutet die Beherrschung der deutschen Sprache
    sowie den Willen, sich in die Gemeinschaft unseres
    deutschen Volkes einzufügen und auch ein Stück weit
    unsere Lebensformen zu übernehmen. Die Staatsbürger-
    schaft kann immer erst am Ende eines erfolgreichen In-
    tegrationsprozesses stehen und nicht an dessen Anfang.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen, daß Deutschland ein ausländerfreundli-

    ches Land bleibt. Das erreicht man nicht durch die gene-
    relle Gewährung eines Privilegs wie der doppelten
    Staatsbürgerschaft. Damit droht man das tolerante Zu-
    sammenleben in Gefahr zu bringen. Es entsteht eine ge-
    fährliche Sogwirkung auch für verstärkte Zuwanderun-
    gen aus anderen Kulturkreisen, und damit sind neue
    Probleme nicht nur für den Arbeitsmarkt verbunden.

    Geteilte Loyalitäten – das ist ja die Crux bei der dop-
    pelten Staatsbürgerschaft – führen nicht zu besserer
    Integration. Deshalb warnen wir vor diesem Weg, und
    deswegen werden wir alles tun, um diesen falschen Weg
    zu verhindern – genau wie wir dagegen ankämpfen, daß
    man in Deutschland lebenden nichtdeutschen Staats-
    angehörigen uneingeschränkt das kommunale Wahlrecht
    verleihen will. Staatsangehörigkeit und Wahlrecht müs-
    sen nach unserer Auffassung eine Einheit bleiben – ge-
    nauso wie Rechte und Pflichten auch künftig zusam-
    mengehören.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über die Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung

    ist heute schon gesprochen worden. Wir sind der Mei-
    nung, daß wir hier bei den bewährten Wegen bleiben
    sollten. Es darf nicht zu einer sogenannten bürokratie-
    armen Bestrafung von Alltagskriminalität kommen, wie
    das Ganze verharmlosend genannt wird. Wer Laden-
    diebstahl mit Falschparken gleichsetzt, der macht Kri-
    minalität kalkulierbar, und dagegen kämpfen wir an.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir kämpfen auch gegen die in der Koalitionsverein-

    barung enthaltene Absicht, die Abgabe von Heroin an
    Süchtige in Zukunft zu ermöglichen. Man will damit
    Rechtssicherheit für Drogenhilfestellen erreichen. Eine
    solche Politik verharmlost mehr und löst keine Proble-
    me.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die „Süd-
    deutsche Zeitung“ belegt das rotgrüne Regierungspro-
    gramm mit dem Ausdruck „Ausflug nach Utopia“. Diese
    Regierung will gesellschaftliche Veränderungen in
    Deutschland – von der Drogenpolitik bis zur Familien-
    politik, von der Sicherheitspolitik bis zur Steuerpolitik,
    von der Ausländerpolitik bis zu einer Schwächung des
    Föderalismus. Das, was Sie angekündigt haben, ist keine
    neue Politik. Das ist höchstens der Marsch in eine ande-
    re Republik. Diesem Marsch werden CDU und CSU ih-
    ren entschiedenen Widerstand entgegensetzen.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der
Bundesaußenminister Joseph Fischer.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten
    Sie mir, mit einer allgemeinpolitischen Bemerkung zu
    beginnen. Mich erinnert vieles, was ich von Ihrer Seite
    gehört habe, namentlich dieser hervorragende Beitrag
    vom Kollegen Glos,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Danke schön!)

    aber auch das, was ich heute vom Kollegen Schäuble
    gehört habe, sehr stark an das Jahr 1983. Da kann ich
    Ihnen nur sagen: Das wird lange dauern, wenn Sie Op-
    positionspolitik so weitermachen, wenn Sie meinen, der
    Wahlkampf sei noch nicht zu Ende.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das lassen Sie mal unsere Sorge sein!)


    Wenn Sie das meinen, erwidere ich: Das können Sie ru-
    hig machen. Uns soll es recht sein. Ich kann Ihnen nur
    sagen: Das wird lange dauern.

    Der Wahlkampf ist zu Ende, und Sie müssen sich
    Klarheit darüber verschaffen, warum Sie nach nur
    14 Tagen, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder
    gewählt wurde und in denen diese Regierung im Amt
    ist, meinen, diese Welt müßte schon verändert sein, was
    Sie aber gleichzeitig beklagen. Sie sollten vor allen Din-
    gen eines nicht tun: die Augen vor den Ursachen des
    großen Vertrauensverlustes, den Sie erlitten haben und
    der die Ursache Ihrer Niederlage ist, verschließen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich kann nur sagen: Machen Sie weiter so!
    Ich möchte zur deutschen Außenpolitik, zur Außen-

    politik der Bundesregierung sprechen. Dabei ist es ganz
    besonders wichtig, festzustellen, daß angesichts der Da-
    ten, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben – gestern
    haben wir den Jahrestag der Reichspogromnacht began-
    gen; es ist zugleich auch der Jahrestag des Falls der
    Mauer; das Ende des ersten Weltkriegs jährt sich jetzt
    zum 80. Mal; mit diesem Datum verbinden sich das
    Furchtbare, das Schreckliche, auch das Schöne, das

    Michael Glos






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Großartige in unserer Geschichte –, weiterhin gilt: Auch
    wenn es jetzt durch den Ablauf Zeit und den Regie-
    rungswechsel einen Wechsel hin zu einer jüngeren Ge-
    neration gegeben hat, die nicht mehr unmittelbar mit der
    Nazi-Barbarei und dem zweiten Weltkrieg zu tun hatte,
    wird unser Land, Deutschland, auch in Zukunft immer
    mit anderen Augen gesehen als andere Länder. Das liegt
    an unserer Geschichte.

    Es liegt an der Lage, an der Geschichte, an dem Po-
    tential unseres Landes, weshalb es so wichtig ist, daß
    man zu Beginn – und dann auch in der praktischen Poli-
    tik – einer neuen Regierung die Kontinuität der
    Grundlagen und die Berechenbarkeit deutscher Außen-
    politik betont.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich möchte dies ganz besonders tun, weil uns die Macht
    der kollektiven Erinnerung in Europa in dem Moment,
    in dem wir das Flackern eines Zweifels aufkommen lie-
    ßen, sofort einholen würde. Wir konnten im Zusammen-
    hang mit dem Raubgold gemeinsam erleben, wie diese
    Erinnerungen auch in Ländern zurückgekommen sind, in
    denen man geglaubt hatte, daß dies nicht möglich sei.

    Kontinuität in den Grundlagen schließt ja nicht aus,
    daß die konkreten Akzentuierungen anders als bisher
    sind. Die Berechenbarkeit der Grundlagen deutscher
    Außenpolitik aber ist ein sehr, sehr hohes Gut, das wir
    von der Bonner Republik in die Berliner Republik nicht
    nur mitnehmen sollten, sondern mitnehmen müssen. Es
    ist insofern sehr wichtig, nochmals daran zu erinnern,
    daß wir an einer Politik der Selbstbeschränkung festhal-
    ten müssen.

    Europa ist für uns die entscheidende Frage. Auf die-
    sem Feld geht es nicht darum, was wir anders machen;
    hier wird es darum gehen, weitere Bauabschnitte dieses
    Hauses Europa zu vollenden. Ich behaupte, das ist die
    wichtigste Herausforderung, der wir uns im Widerstreit
    der Parteien gemeinsam zu stellen haben. Dabei hat es,
    Kollege Glos, überhaupt nichts mit einem „vergifteten
    Lob“ zu tun, wenn wir, bei allen parteipolitischen Unter-
    schieden, bei aller Kritik, die es geben mußte, sagen –
    damit vergeben wir uns überhaupt nichts –: Dort, wo
    Helmut Kohl in der Europapolitik aufgehört hat, beim
    europäischen Integrationsprozeß, wird die neue Bundes-
    regierung weitermachen müssen. Sie wird die Aufgaben
    lösen müssen, die offengeblieben sind.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das sind große Schuhe!)


    – Es sind große Schuhe; deswegen passen sie Ihnen ga-
    rantiert nicht, Herr Haussmann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dort, wo die alte Regierung in wesentlichen Punkten
    des Integrationswerkes nicht zu Ende gekommen ist,
    werden wir, weil es in zentralem Interesse unseres Lan-
    des liegt, bei allen Unterschieden in den Akzenten, bei
    aller Kritik fortfahren müssen. Ich vergebe mir über-
    haupt nichts, wenn ich Ihnen, Herr Altbundeskanzler,

    und Ihnen, als ehemaliger Bundesaußenminister, Herr
    Kinkel, für das Geleistete im Interesse unseres Landes
    danke. Mit einem vergifteten Lob hat das überhaupt
    nichts zu tun.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Vertrauenskapital zu erwerben ist die Voraussetzung
    dafür, daß wir die notwendigen Spielräume für die Neu-
    gestaltung bekommen. Für uns ist Selbstbeschränkung
    geboten; Europa, das transatlantische Bündnis, die feste
    Integration in den Westen und das auf Grund unserer
    Geschichte besondere Verhältnis zu Israel sind die Fel-
    der, in denen wir Kontinuität beweisen wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die praktischen Probleme, vor denen wir heute ste-

    hen, ergeben sich aus dem europäischen Einigungspro-
    zeß. In der Vergangenheit, als die Rollen noch anders
    verteilt waren, gab es in der Frage der Europapolitik ein
    hohes Maß an Übereinstimmung. Ich würde mich freu-
    en, wenn es dieses hohe Maß an Übereinstimmung auch
    in Zukunft, in neuer Konstellation, geben könnte.

    Wir waren uns einig, daß Vertiefung und Erweite-
    rung gleichermaßen wichtig sind. Vertiefung bedeutete
    die Entscheidung für die Wirtschafts- und Währungs-
    union, für den Euro, der zum 1. Januar des nächsten Jah-
    res praktisch wird. Der nächste Schritt, den wir gehen
    müssen, wird die Erweiterung sein. So sehr ich für Rea-
    lismus plädiere, weil wir jetzt in eine Phase eintreten, in
    der Visionen konkretisiert werden müssen, will ich klar-
    stellen: Realismus bedeutet für mich nicht eine Abkehr
    von der Vision, sondern eine bauliche Umsetzung dieser
    Vision.

    Wir haben gestern auf dem Außenministertreffen in
    Brüssel mit der konkreten Erweiterung begonnen. Es
    geht jetzt nicht mehr um abstrakte Zahlen, es geht jetzt
    nicht mehr um eine Vision; es geht jetzt um hartes Brot,
    das geschnitten und gekaut werden muß. Es geht um die
    wirtschaftliche Integration und die Frage der Übernahme
    geltenden Rechtes. Es geht um die Frage der Anpassung
    von Strukturen. All diese Dinge müssen jetzt realistisch
    gesehen werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, genauso bestimmt sage
    ich aber – da sind wir uns völlig einig –: Die Vision, die
    dahintersteckt, gilt, nämlich daß die Grenze – der Bun-
    deskanzler hat es heute morgen in seiner Regierungser-
    klärung betont –, daß der Eiserne Vorhang, daß die Ost-
    grenze Deutschlands nicht die Grenze der EU bleiben
    darf.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Das vereinigte Europa ist ein gesamteuropäisches und
    nicht nur ein westeuropäisches Projekt. Deswegen blei-
    ben wir diesem Einigungswerk verpflichtet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    Die deutsch-französische Freundschaft hat in letzter
    Zeit, ich will nicht sagen, Schaden genommen; aber an-
    gesichts bestimmter Töne und auch angesichts einer be-
    stimmten Politik im Zusammenhang mit dem Euro –
    Stabilitätspakt I, Stabilitätspakt II, „Der Euro spricht
    deutsch“ – wurden selbst die Dinge, die hier gemeinsam
    getragen wurden, mit einer gewissen nationalen Arro-
    ganz rübergebracht, und zwar so, daß sie in Paris nur
    negativ aufgenommen werden konnten.


    (V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Das deutsch-französische Verhältnis ist aus meiner
    Sicht für die Fortentwicklung Europas ohne Alternative.
    Das Verhältnis von Deutschland und Frankreich hat ge-
    rade in seiner Widersprüchlichkeit Großes für Europa
    gebracht. Wenn wir an der Vollendung des europäi-
    schen Integrationsprozesses festhalten wollen, müssen
    wir auf die Erneuerung des deutsch-französischen Ver-
    hältnisses setzen. Ich sage nochmals: Es ist ohne Alter-
    native.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Aber genauso freue ich mich natürlich, wenn ich
    heute mitbekomme, daß die Regierung Blair in Groß-
    britannien entscheidende Schritte hin zur europäischen
    Integration macht. Ich kann dies nur nachdrücklich be-
    grüßen, warne aber davor, in Kategorien des 19. Jahr-
    hunderts zurückzufallen: mit Achsen, mit Dreiecken und
    ähnlichem mehr.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die deutsch-französische Freundschaft, dieser zentrale
    Motor des europäischen Integrationsprozesses, schließt
    niemanden aus und richtet sich gegen niemanden. Wenn
    Großbritannien eine verstärkte europäische Rolle sucht,
    dann sollten wir es erfreut aufnehmen und daraus nicht
    eine Abgrenzung gegen irgend jemanden machen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Je mehr sich am europäischen Einigungswerk aktiv be-
    teiligen, je stärker dieser Motor der europäischen Eini-
    gung wird, desto besser. In diesem Sinne freue ich mich,
    freuen wir uns sehr, daß es zu verbesserten deutsch-
    britischen Beziehungen, zu einer verstärkten Beteiligung
    Großbritanniens am europäischen Einigungsprozeß
    kommt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe des Abg. Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU])


    – Wissen Sie, Herr Kollege Schäuble, ich verstehe ja die
    Not eines Oppositionspolitikers, dem Bundeskanzler
    vorzuwerfen, jedesmal, wenn es um den Inhalt gehe,
    würde er kneifen, während Sie selbst hier im Grunde
    genommen in Ihren Zetteln nur versucht haben, kleine
    oppositionelle Münze daraus zu schlagen, und dann zu
    fragen, wo der Unterschied sei, als wir zu Beginn dieser
    Debatte versucht haben, die Kontinuitäten festzulegen,
    weil das im Ausland sehr aufmerksam verfolgt wird.
    – In der Europapolitik müssen und wollen wir das voll-
    enden, was begonnen wurde. Ich würde mich freuen,

    wenn auch bei der Umsetzung der Agenda 2000 – ich
    habe sehr sorgfältig zugehört, was Herr Glos hier im
    Gegensatz zu Ihnen angeblich im Interesse der bayeri-
    schen Bauern verkündet hat – diese oppositionelle Lei-
    denschaft in der gemeinsamen inhaltlichen Kontinuität
    bei Ihnen erkennbar würde.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das werden Sie schon in den nächsten Monaten zeigen
    müssen.

    Für uns wird es ganz entscheidend sein, daß die Frage
    der Finanzstruktur des kommenden größeren Europas
    jetzt gelöst wird. Es wird unendlich schwierig. Die er-
    sten Gespräche in Brüssel haben gezeigt, daß alle Län-
    der ihre jeweiligen nationalen Interessen vertreten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nichts Neues!)


    – Das Neue ist, daß Sie in der Opposition sind. Das ist
    für mich sehr wichtig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Der entscheidende Punkt ist, daß wir unter deutscher
    Präsidentschaft den Agenda-2000-Prozeß werden ab-
    schließen müssen. Das werden wir nur hinbekommen,
    wenn wir auf der Grundlage dessen, was vorliegt, einen
    entsprechenden Einigungsprozeß schaffen, der bedeuten
    wird, daß alle Länder bereit sind, sich zu bewegen, und
    nicht nur ihre nationalen Egoismen vertreten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ohne einen erfolgreichen Abschluß des Agendaprozes-
    ses werden wir, so fürchte ich, bei der Erweiterung sehr
    große Probleme bekommen.

    Es geht nicht um abstrakte Beitrittsdaten. Es geht
    auch nicht darum, daß Herr Haussmann, der hier ver-
    zweifelt versucht, einen oppositionellen Unterschied
    hinzubekommen, in „dpa“ meldet: Bundeskanzler Ger-
    hard Schröder und Außenminister Joschka Fischer fehl-
    ten in der Europapolitik Visionen. Zögerer und Zauderer
    gebe es in den EU-Partnerstaaten schon genug. – Wie
    arrogant, Herr Haussmann, bei den anderen von Zöge-
    rern und Zauderern zu sprechen!

    Weiter sagt er, es wäre ein Fehler, daß wir – im Ge-
    gensatz zu dem Jahre 2000, das Bundeskanzler Helmut
    Kohl genannt hatte – kein konkretes Datum bei der EU-
    Osterweiterung nennen würden. Nun, Herr Haussmann,
    das ist ein schöner Eiertanz;


    (Zuruf von der CDU/CSU: Den Sie vollführen!)


    denn er sagte hier folgendes: Die Äußerung des früheren
    Kanzlers Helmut Kohl, der Beitritt Polens sei im Jahre
    2000 möglich, sei vielleicht überstürzt gewesen. Jetzt
    kommt Herr Haussmann mit der Zahl 2002. Das ist ge-
    nauso unseriös wie die Zahl 2000.

    Jetzt beginnt der Verhandlungsprozeß. Wir wollen,
    daß er so schnell wie möglich erfolgreich ist. Aber ich

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    halte es für eine fahrlässige Politik, Zahlen, die nicht zu
    halten sind und vor allen Dingen nicht begründet sind,
    jetzt in den Raum zu stellen. Lassen Sie uns bei den
    Verhandlungen erfolgreich zu einem Abschluß kommen.
    Dabei geht es nicht um das Jahr 2000 oder 2002. Wenn
    wir das Jahr 2002 erreichen, dann bin ich mehr als froh.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Kein konkreter Satz!)


    Ein weiterer Punkt, den ich in diesem Zusammenhang
    ansprechen möchte, ist das Verhältnis zur Türkei. Ich
    sehe einen großen Fehler darin, den Türken die Tür vor
    der Nase so zugeschlagen zu haben, wie es die Vorgän-
    ger-Bundesregierung getan hat.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ahnungslos!)

    Ich habe es nie verstanden, warum Bundeskanzler Kohl
    das getan hat. Ich konnte diesen Fehler nur von der
    innenpolitischen Situation des Vorwahlkampfes her be-
    greifen. Es war ein großer Fehler.

    Die Europäische Union ist unserer Meinung nach
    keine Religionsgemeinschaft. Sie gründet sich auf Werte
    und Interessen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Türkei muß, wenn sie zu Europa gehören will, die
    Möglichkeit haben, zu Europa zu gehören, und muß den
    Weg des Beitritts haben. Aber genauso klar muß natür-
    lich sein: Wir sind eine Werte- und Interessengemein-
    schaft. Das heißt, es bedarf dann auch für alle Beitritts-
    kandidaten der Umsetzung dieser Werte, bevor beige-
    treten werden kann.

    Daher wird es im wesentlichen von der Türkei, von
    der inneren Entwicklung, von der Lösung der inneren
    Menschenrechts-, Demokratie- und Minderheitenfragen,
    der ökonomischen, aber auch der äußeren Grenzfragen
    abhängen, daß es zu diesem Beitritt kommt. Aber wir
    werden diese Tür nicht verschließen. Im Gegenteil: Wir
    halten diese Tür offen. Hier gibt es einen klaren Unter-
    schied.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir stehen vor einer schwierigen Situation. Wir wer-
    den bei Gelegenheit in eine detaillierte Debatte über die
    Agenda 2000 einsteigen, auch im Ausschuß. Ich möchte
    das in der Kürze der Zeit nicht vertiefen.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das können Sie doch gar nicht! Davon wissen Sie doch nichts! – Gegenruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein saudummes Geschwätz!)


    – Das ist Opposition vom Feinsten, aber bitte, ihr habt
    viele, viele Jahre Zeit, das zu lernen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Lassen Sie mich in aller gebotenen Kürze – das wer-
    den wir ebenfalls noch zu diskutieren haben – auf die

    aktuelle Situation im Kosovo eingehen. Herr Kollege
    Gysi, ich bin nun weiß Gott nicht derjenige gewesen, der
    eine Bindung an das UN-Sicherheitsratsmandat aufge-
    ben will.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das haben Sie aber!)

    Aber wir können anderrseits die Fakten nicht ignorieren.
    Ich weiß von Ihnen, daß Sie nicht nur Jurist sind, son-
    dern die Dinge durchaus auch politisch sehen können.
    Ich spreche von der Vereinbarung von Holbrooke und
    Milosevic. Man kann das eine nicht gut finden und das
    andere kritisieren. Das wird in der Politik so nicht funk-
    tionieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die zivile Implementierung wird der entscheidende
    Punkt. Die nichtmilitärische Luftraumüberwachung ist
    dafür die Voraussetzung. Wir – der Kollege Scharping
    und ich ganz persönlich, die Bundesregierung und auch
    der Kollege Schily – schicken jeweils 80 zivile Monito-
    ren dort hinunter. Das sind Menschen, die das auf der
    OSZE-Grundlage überwachen. Kollege Schily schickt
    40 mit polizeilichen Aufgaben Betraute. Dies sind Mit-
    arbeiterinnen und Mitarbeiter, die unbewaffnet in einer
    Krisenregion eingesetzt werden. Für den Fall, daß es für
    zivile, unbewaffnete Mitarbeiter zu einer lebensbedroh-
    lichen Situation kommt, muß man dann aber auch die
    Möglichkeit schaffen, und wir müssen ihnen die
    Letztversicherung geben, alles Menschenmögliche zu
    tun, um sie herauszuholen und sie nicht zu Geiseln ma-
    chen zu lassen. Hierbei geht es nicht um die militärische
    Durchsetzung, nicht um die militärische Begleitung des
    Implementierungsprozesses. Dies wäre ein völliger Irr-
    tum. Vielmehr geht es um lebensbedrohliche Situationen
    für die zivilen, unbewaffneten Mitarbeiter und um die
    Sorge für diese Menschen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich finde, das ist eine Selbstverständlichkeit, sozusagen
    eine polizeiliche Letztversicherung. Wenn man sich
    einmal die Aufgabenstruktur anschaut, so hat das nur
    sehr bedingt etwas mit Militär zu tun.

    Ich kann sagen: Ich bin heilfroh, daß der Holbrooke-
    Milosevic-Vertrag – die Berichte zeigen es – funktio-
    niert hat. Herr Gysi, ich bitte auch Sie, die richtigen Ar-
    gumente, die ich ja gar nicht so abwegig finde, was die
    Rechtsstandpunkte betrifft, in die Realität einzupassen
    und einmal darüber nachzudenken. Eine Alternative zum
    Holbrooke-Milosevic-Vertrag gab es nicht, außer Krieg
    und Leid und Tod. Er hat Gott sei Dank funktioniert. Ich
    weiß nicht, wie wir diskutieren würden, wenn er nicht
    funktioniert hätte, und es wäre dort zum Einsatz ge-
    kommen. Aber entscheidend ist doch, daß wir uns jetzt
    in einer klassischen Peace-keeping-Situation befinden,
    mit der OSZE, die dort erstmals in einer historisch
    neuen Dimension zum Einsatz kommt. Das finde ich gut
    und richtig. Voraussetzung dafür war allerdings dieser
    Vertrag, und Voraussetzung ist der begrenzte Einsatz
    militärischer Mittel, unter anderem nichtbewaffneter

    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    militärischer Luftraumüberwachung. Aber das alles wird
    nur funktionieren können, wenn die zivile Implementie-
    rung eines Autonomie-Statuts gelingt, wenn es freie
    Wahlen gibt, wenn es gelingt, eine entsprechend demo-
    kratisch legitimierte Autorität auf kosovo-albanischer
    Seite zu schaffen.

    Das sind meines Erachtens die Dinge, über die Sie
    noch einmal ernsthaft nachdenken sollten. So wichtig
    Rechtsstandpunkte sind – Kriegsverhütung und Kriegs-
    verhinderung in Europa können nicht alleine unter dem
    Gesichtspunkt von Rechtsstandpunkten gesehen werden.
    Darüber, finde ich, sollten wir noch einmal ernsthaft
    nachdenken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, das Verhältnis zu Ruß-
    land bleibt von ganz entscheidender Bedeutung. Aller-
    dings werden wir es auf eine breitere Grundlage stellen
    müssen. Das ist völlig klar. Die Frage, die man sich auch
    stellen muß – ich meine das gar nicht kritisch gegenüber
    der alten Regierung –, die Frage, die sich der Westen
    insgesamt stellen muß, lautet, ob man nicht einen Fehler
    dergestalt gemacht hat, daß man meinte, man könne dort
    Marktwirtschaft einführen, wo die kulturellen Voraus-
    setzungen dafür nur rudimentär oder gar nicht vorhan-
    den sind. Die Frage lautet also, ob man nicht zu schnell
    zu viel wollte. – Ich meine gar nicht die Vorgänger-
    Bundesregierung. Ich beziehe das sozusagen eher auf
    einen bedeutenden Bündnispartner. Dort meinte man
    auch, marktwirtschaftliche Theorien sehr schnell im-
    plementieren zu können, obwohl es kaum einen kultu-
    rellen Background gegeben hat, obwohl die gesell-
    schaftliche Grundlage nicht vorhanden war.

    Ich sehe zur Stabilisierung der Verhältnisse in Ruß-
    land, auch zur ökonomischen Stabilisierung gemeinsam
    mit unseren Partnern, keine Alternative; denn wir kön-
    nen uns eine Versorgungskrise in Rußland nicht erlau-
    ben, und wir können uns auch eine entscheidende politi-
    sche Destabilisierung Rußlands nicht erlauben. Deshalb
    wissen wir uns einem internationalen Stabilisierungs-
    prozeß verpflichtet, der auf Wirtschaftsreform und vor
    allen Dingen auf Demokratie setzt. Auch das ist ein
    wichtiger Punkt, dem wir uns in der Zukunft verpflichtet
    wissen, meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Fortsetzung der transatlantischen Partnerschaft
    werden wir bei Gelegenheit diskutieren können. Meine
    Zeit ist sehr begrenzt. Lassen Sie mich deswegen noch
    zwei andere wichtige Punkte ansprechen.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Schade, es ist ein wichtiger Punkt!)


    – Es ist ein wichtiger Punkt, Herr Haussmann. Wir reden
    bei Gelegenheit darüber.

    Der entscheidende Punkt sind die Menschenrechte.
    Da, finde ich, müssen wir einen neuen Schwerpunkt set-
    zen. Die Asien-Krise hat gezeigt, daß Menschenrechte
    unter den Bedingungen der Globalisierung neu zu dekli-

    nieren sind. Das hat auch Bosnien gezeigt. Die Einrich-
    tung des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag sehe
    ich als einen historischen Schritt nach vorne an, dem wir
    uns als Parlament und Regierung verpflichtet zeigen
    sollten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Gestatten Sie mir ein offenes Wort. Daß Diktatoren
    nicht über dem Recht stehen, sondern daß sie sich, selbst
    wenn viele Jahre vergangen sind, in einem Rechtsstaat
    vor dem Recht verantworten müssen, finde ich gut und
    wichtig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


    Zu der Tatsache, daß eine unabhängige Justiz in Spanien
    einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hat und daß
    eine unabhängige Justiz in unserem Partnerland Groß-
    britannien den Arrest für Pinochet verfügt hat, möchte
    ich Ihnen sagen: Das erfüllt mich mit Genugtuung, und
    das ist mehr als ein Symbol. Es zeigt nämlich, wohin die
    Entwicklung in dieser Welt im 21. Jahrhundert zu gehen
    hat.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und des Abg. Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.])


    Deswegen wollen wir hier einen neuen Schwerpunkt
    setzen. Wir wissen uns den Menschenrechten verpflich-
    tet. Die Asienkrise hat es gezeigt: Nur dort, wo demo-
    kratische Verfassung Realität ist, wo es Gewaltenteilung
    gibt, wo es Regierungswechsel gibt, wo es eine unab-
    hängige, kritische Opposition gibt, wo es eine unabhän-
    gige, kritische Presse gibt, wo Menschenrechts- und wo
    Umweltgruppen arbeiten können, ohne von Gefängnis
    und Geheimpolizei bedroht zu werden, gibt es auch si-
    chere Investitionen. So sehr ich von der Notwendigkeit
    privater Investitionen überzeugt bin, um diese Schwel-
    lenländer und die dritte Welt zu entwickeln, so sehr
    müssen wir dann aber auch in Zukunft auf den Gleich-
    klang von nachhaltiger Entwicklung, von Demokratie,
    von Menschenrechten, von Umwelterhaltung und von
    Investitionssicherheit setzen. Hier werden wir einen
    neuen Schwerpunkt auch während unserer G-8-
    Präsidentschaft setzen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)