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    Plenarprotokoll 13/240 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 240. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Juni 1998 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Eisenbahnunglücks in Eschede 22105 A Erweiterung der Tagesordnung 22105 D Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung der Republik Burundi, Herrn Léone Ngendakumana, und seiner Delegation 22132 B Tagesordnungspunkt 1: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der von der NATO geplanten Operation zur weiteren militärischen Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien über den 19. Juni 1998 hinaus (SFOR-Folgeoperation) (Drucksache 13/10977) 22106 A Tagesordnungspunkt 2: Schlußbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SEDDiktatur im Prozeß der deutschen Einheit" (Drucksache 13/11000) . . . . 22106 B Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 22106 B Vera Lengsfeld CDU/CSU 22106 D Siegfried Vergin SPD 22109 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22112 B Dr. Rainer Ortleb F.D.P 22113 D Dr. Ludwig Elm PDS 22115 B Rainer Eppelmann CDU/CSU 22116 C Stephan Hilsberg SPD 22116 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22121 D Reinhold Hiller (Lübeck) SPD 22123 A Harmut Koschyk CDU/CSU 22124 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 22125 C Tilo Braune SPD 22125 D Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 22115 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Wahl von Mitgliedern in den Stiftungsrat der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" (Drucksache 13/10978) 22127 A Tagesordnungspunkt 3: Menschenrechtsdebatte a) Große Anfrage der Fraktionen CDU/ CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Umsetzung des Schlußdokuments der 2. Menschenrechtsweltkonferenz „Wiener Erklärung und Aktionsprogramm" vom Juni 1993 (Drucksachen 13/8254, 13/9595) . . . 22127 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Regina SchmidtZadel, Rudolf Bindig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abge- ordneten Regina Schmidt-Zadel, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Beschneidung von Mädchen und Frauen - Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern und Industrieländern - zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Amke Dietert-Scheuer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Genitalverstümmelungen ächten, Mädchen und Frauen schützen (Drucksachen 13/6937, 13/8281, 13/9401, 13/9335, 13/10682) 22127 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung 4. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen (Drucksachen 13/8861, 13/10688) 22127 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen (Drucksachen 13/6400, 13/9056) . 22127C e) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD Unterstützung der weltweiten Bemühungen um die Abschaffung der Todesstrafe (Drucksachen 13/6060, 13/9055) 22127 D f) Antrag der Abgeordneten Waltraud Schoppe, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Durchsetzung des Fakultativprotokolls zum „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau" (Frauendiskriminierungskonvention) (Drucksache 13/ 10068) 22127 D g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Dr. Edith Niehuis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Frauenrechte weltweit stärken - Reform des auswärtigen Dienstes (Drucksachen 13/3151, 13/7210) 22128 A h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Gruppe der PDS Amt eines/einer Menschenrechtsbeauftragten des Deutschen Bundestages und Einrichtung eines beratenden Gremiums „Rat für Menschenrechte" (Drucksachen 13/4749, 13/7547) . . . 22128 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Adler, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Umsetzung der Aktionsplattform von Peking - Frauenpolitik der Vereinten Nationen stärken (Drucksachen 13/7070, 13/10061) . . . . . . . . . . 22128 B j) Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Errichtung eines Menschenrechtsinstituts (Drucksache 13/10882) 22128 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Einrichtung eines Deutschen Koordinierungsrats für Menschenrechte (Drucksache 13/10975) 22128 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. Verstärkung deutscher Beiträge zur Konfliktverhütung und Friedenserhaltung in Afrika (Drucksache 13/10980) 22128 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. Freilassung aller politischen Häftlinge und Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Nigeria (Drucksache 13/10979) 22128 C Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 22128 C Rudolf Bindig SPD 22130 B Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22132 C Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. 22134 C Steffen Tippach PDS 22136 A Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 22137 B Ilse Falk CDU/CSU 22140 C Heide Mattischeck SPD 22142 C Heinrich Lummer CDU/CSU 22144 A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . 22144 D Hanna Wolf (München) SPD 22146 A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . 22147 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Auswirkungen der Brenner-Blockade auf den deutschen und europäischen Transitverkehr 22149 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22150 A Claus-Peter Grotz CDU/CSU 22151 A Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . 22151 D Horst Friedrich F.D.P. 22152 D Dr. Winfried Wolf PDS 22154 A Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekretär BMV 22155 A Karin Rehbock-Zureich SPD 22157 B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 22158 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22159 C Renate Blank CDU/CSU 22160 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 22161 C Georg Brunnhuber CDU/CSU 22162 C Elke Ferner SPD 22164 A Tagesordnungspunkt 4: Fragestunde (Drucksachen 13/10938 vom 12. Juni 1998 und 13/10954 vom 17. Juni 1998) 22165 A Differenzen zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und dem Bundesminister der Verteidigung betr. die Notwendigkeit eines UNO-Mandats für einen möglichen militärischen Einsatz der NATO im Kosovo Dringl Anfr 1 Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 22165 A ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22165 B Vorbehalt der Notwendigkeit eines Parlamentsbeschlusses vor einer deutschen Beteiligung an einem Militäreinsatz der NATO seitens des Bundesministers der Verteidigung gegenüber den NATO-Verteidigungsministern vor Zustimmung zu den Manövern über Albanien und Mazedonien Dringl Anfr 2 Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw PStSekr Bernd Wilz BMVg . . . . 22165 D ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22166 A Neuakzentuierung deutscher Europapolitik MdlAnfr 8 Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw StMin Bernd Schmidbauer BK . . 22167 A ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22167 A Kontrolle thailändischer Wirtschaftsmanager auf dem Frankfurter Flughafen durch Beamte des BGS MdlAnfr 15, 16 Jürgen Koppelin F.D.P. Antw PStSekr Manfred Carstens BMI . . 22167 D, 22168 B ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. . . 22168 A, 22168 B Nächste Sitzung 22169 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 22171* A Anlage 2 Entsorgung der abgebrannten Brennelemente des Atomkraftwerks Biblis; Rücknahmeverpflichtungen insbesondere in bezug auf die Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague MdlAnfr 5, 6 - Drs 13/10938 - Klaus Hagemann SPD SchrAntw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . 22171* B Anlage 3 Brief des Bundeskanzlers und des französischen Staatspräsidenten im Vorfeld des Europäischen Rates in Cardiff MdlAnfr 7 - Drs 13/10938 - Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SchrAntw StMin Bernd Schmidbauer BK 22171* C Anlage 4 Politisches Konzept zur Lösung des Kosovo-Problems; NATO-Einsatz ohne ein UN- Mandat MdlAnfr 9, 10 - Drs 13/10938 - Gernot Erler SPD SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . . 22171* D Anlage 5 Erlaß einer Verordnung über „Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten"; Regelung der Rentenversicherungsleistungen für Arbeitnehmer MdlAnfr 11 - Drs 13/10938 -Hans Büttner (Ingolstadt) SPD SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA . 22171* C Anlage 6 Zusätzlicher Kostenaufwand für kleine und mittlere Unternehmen durch die Unfallverhütungsvorschriften betr. Betriebsarzt und Arbeitssicherheit MdlAnfr 12, 13 - Drs 13/10938 - Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA . 22171* D Anlage 7 Anzahl der Beförderungen im Bereich der obersten Bundesbehörden im Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 1998 im Vergleich zum Vorjahr MdlAnfr 14 - Drs 13/10938 - Hans Büttner (Ingolstadt) SPD SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMI 22173* B Anlage 8 Einheitliche Verwaltungspraxis bei der Bearbeitung der Anträge nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz hinsichtlich der Ausschlußgründe „Erhalt von Bodenreformland" sowie „Unterbrechung des Wohnsitzes in der DDR" MdlAnfr 19, 20 - Drs 13/10938 - Gisela Schröter SPD SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki BMF 22173* C Anlage 9 Arbeitsverträge für Zivilbeschäftigte bei militärischen Einrichtungen auf fremdem Boden, insbesondere beim Truppenübungsplatz Vogelsang für Belgier MdLAnfr 21, 22 - Drs 13/10938 -Helga Kühn-Mengel SPD SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki BMF 22174* A 240. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Juni 1998 Beginn: 13.00 Uhr (Die Abgeordneten erheben sich)
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 17. 6. 98 Heyne, Kristin BÜNDNIS 17. 6. 98 90/DIE GRÜNEN Hoffmann (Chemnitz), SPD 17. 6. 98 Jelena Hovermann, Eike SPD 17. 6. 98 Kolbe, Manfred CDU/CSU 17. 6. 98 Kramp-Karrenbauer, CDU/CSU 17. 6. 98 Annegret Krautscheid, Andreas CDU/CSU 17. 6. 98 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 17. 6. 98 Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 17. 6. 98 Otto Leidinger, Robert SPD 17. 6. 98 Meckel, Markus SPD 17. 6. 98 Probst, Simone BÜNDNIS 17. 6. 98 90/DIE GRÜNEN Regenspurger, Otto CDU/CSU 17. 6. 98 Rennebach, Renate SPD 17. 6. 98 Rübenkönig, Gerhard SPD 17. 6. 98 Rupprecht, Marlene SPD 17. 6. 98 Schenk, Christina PDS 17. 6. 98 Schlee, Dietmar CDU/CSU 17. 6. 98 Singer, Johannes SPD 17. 6. 98 Verheugen, Günter SPD 17. 6. 98 Welt, Jochen SPD 17. 6. 98 Wester, Hildegard SPD 17. 6. 98 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Klinkert auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 13/10938 Fragen 5 und 6): Wohin wurden bislang die abgebrannten Brennelemente des Atomkraftwerkes Biblis jeweils verbracht, und wohin sollen sie in Zukunft gemäß Entsorgungsvorsorgenachweis verbracht werden? Welche Rücknahmeverpflichtungen bestehen hierbei insbesondere in bezug auf die Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague? Zu Frage 5: Abgebrannte Brennelemente des Kernkraftwerkes Biblis wurden bisher zur Wiederaufarbeitung zur Anlagen zum Stenographischen Bericht COGEMA in La Hague/Frankreich und zur BNFL in Sellafield/Großbritannien verbraucht. Gemäß der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Stichtag 31. Dezember 1997 durchgeführter Entsorgungsumfrage sollen Brennelemente des Kernkraftwerkes Biblis in Zukunft zur Wiederaufbereitung zur COGEMA und zur BNFL sowie zur Zwischenlagerung in die deutschen Zwischenlager Ahaus und Gorleben verbracht werden. Zu Frage 6: Die bei der Wiederaufbereitung anfallenden radioaktiven Abfälle sind in die Bundesrepublik Deutschland vertragsgemäß zurückzuführen. Die Bundesregierung hat sich in einem völkerrechtlich verbindlichen Notenwechsel verpflichtet, der Rückführung der Abfälle keine Hindernisse in den Weg zu legen. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Bernd Schmidbauer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/10938 Frage 7): Spiegelt der Brief des Bundeskanzlers und des Präsidenten der Französischen Republik im Vorfeld des Europäischen Rates in Cardiff insofern eine Wende der deutschen Europapolitik wider, als einerseits die Bundesregierung die bisherige europäische Integration für schon zu weitgehend erachtet, andererseits jetzt von der Bundesregierung die belgisch-französisch-italienische Position für eine - im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union - notwendige baldige Reform der europäischen Institutionen unterstützt wird? Nein. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen des Abgeordneten Gernot Erler (SPD) (Drucksache 13/10938 Fragen 9 und 10). Welches politische Konzept zur Lösung des Kosovo-Problems verfolgt derzeit die Bundesregierung und zwar sowohl gegenüber der Regierung in Belgrad wie gegenüber den Repräsentanten der Kosovo-Albaner in Prischtina? Hält die Bundesregierung einen NATO-Einsatz im Kosovo auch ohne ein Mandat der Vereinten Nationen für politisch sinnvoll, und auf welche Rechtsgrundlage könnte sich ein solcher NATO-Einsatz ohne VN-Mandat berufen? Zu Frage 9: Die Lage im Kosovo hat sich in den letzten Wochen dramatisch zugespitzt. Unter Beteiligung regulärer Einheiten der VJ versuchen die serbischen Sicherheitskräfte eine „Pufferzone" an der Grenze zu Albanien zu schaffen und schrecken dabei nicht vor exzessiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zurück. Belgrad treibt damit die Kosovo-Albaner zunehmend in die Hände der radikalen Kräfte und fördert das Entstehen einer organisierten Guerillabewegung. Es geht für uns deshalb darum, alles zu unternehmen, eine friedliche Lösung des Kosovo-Konfliktes herbeizuführen und die Stabilität und Sicherheit der Nachbarländer, insbesondere Albaniens und Mazedoniens, zu sichern und zu stärken. Oberstes Ziel bleibt für uns und die übrigen Staaten der Kontaktgruppe eine Verhandlungslösung. Die Kontaktgruppe hat am 12. Juni durch Forderungen gegenüber Belgrad den politischen Rahmen hierfür abgesteckt. Der Europäische Rat hat am 15. Juni in Cardiff diese Forderungen bestätigt: - Ende der Aktionen gegen Zivilisten und Rückzug der Sicherheitskräfte; - Internationale Beobachtung, die die Einhaltung des Verzichts auf Gewalt gewährleisten soll; - Rückkehrmöglichkeiten für die Flüchtlinge und freier Zugang für Hilfsorganisationen; - Zügige Fortschritte im Dialog mit der Führung der Kosovo-Albaner. Die von Präsident Milosevic nach seinem Gespräch mit Präsident Jelzin gemachten Zusagen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nun müssen den Worten aber auch Taten folgen. Wir werden genau beobachten müssen, wie die Zusagen umgesetzt werden. Beide Seiten müssen einem kontinuierlichen Dialog mit internationaler Beteiligung zustimmen, um vertrauensbildende Maßnahmen zu diskutieren und eine politische Lösung für die Probleme des Kosovo zu finden. Hierbei muß es einen klaren Zeitplan für rasche Fortschritte geben. Ein politischer Dialog wird aber auch nicht in Gang kommen, wenn weiterhin von Mitgliedern der albanischen Gemeinschaft Gewaltakte verübt werden. Wir erwarten daher von der kosovo-albanischen Führung, daß sie ihre Ablehnung von Gewalt und terroristischen Aktionen unmißverständlich deutlich macht. Es muß eine Statusregelung gefunden werden, die sowohl die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien respektiert als auch die berechtigten Anliegen der Kosovo-Albaner statusrechtlich absichert. Die Menschen- und Bürgerrechte aller Einwohner des Kosovos müssen gewahrt werden. Zu Frage 10: Die Bundesregierung unterstützt die britischen Bemühungen zur Erreichung eines Mandates des VN- Sicherheitsrates. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD) (Drucksache 13/10938 Frage 11): Hat die Bundesregierung inzwischen von ihrer Ermächtigung gemäß § 9 Abs. 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch Gebrauch gemacht und eine Verordnung über „Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten" erlassen und dabei auch Leistungen für Arbeitnehmer entsprechend § 31 Abs. 1 Nr. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Rentenversicherung) geregelt, und wenn nein, warum nicht? Die neu erlassene Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 enthält in § 3 die Regelungen über „Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten" . § 9 Abs. 6 Nr. 1 SGB VII als Ermächtigungsnorm für diese Vorschrift ist die inhaltlich identische Nachfolgevorschrift des § 551 Abs. 4 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung. Dementsprechend enthielten auch die Vorgänger-Verordnungen der geltenden Berufskrankheiten-Verordnung stets diese sog. § 3-Leistungen. Die Vorschrift hat grundsätzlich eine präventive Zielrichtung, nämlich die Vermeidung von Gesundheitsschäden vor Eintritt des Versicherungsfalls „Berufskrankheit". Sie ist nicht anwendbar, wenn eine Erkrankung droht, die nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen ist. Die Unfallversicherungsträger sind durch § 3 BKV verpflichtet, „mit allen geeigneten Mitteln" der Gefahr des Entstehens, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Ihnen steht hierbei nach Rechtsprechung und langjähriger Praxis ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Zu den Leistungen in diesem Zusammenhang zählen selbstverständlich auch alle medizinischen Maßnahmen nach den §§ 26 ff. SGB VII - nämlich vorbeugende ambulante und stationäre Heilbehandlung einschließlich z. B. heilklimatischer Kuraufenthalte. Die von Ihnen angesprochenen „stationären medizinischen Leistungen nach § 31 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte, die eine besonders gesundheitsgefährdende, ihre Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflussende Beschäftigung ausüben", sind nach altem wie nach neuem Recht von der Berufskrankheiten-Verordnung erfaßt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksache 13/10938 Fragen 12 und 13): Ist der Bundesregierung bekannt, welche kostenmäßigen Auswirkungen die Unfallverhütungsvorschrift 123 der Berufsgenossenschaften (VBG 123) hinsichtlich der Inanspruchnahme eines Betriebsarztes auf kleine und mittlere Unternehmen hat, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um eine Entlastung für diese Unternehmen zu erreichen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kleinunternehmer und Freiberufliche nach VBG 122 an Kursen für Arbeitssicherheit teilnehmen müssen und dadurch mit einem zusätzlichen Kostenaufwand belastet werden? Zu Frage 12: Die Kosten aus der Inanspruchnahme eines Betriebsarztes aufgrund der Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte" (VBG 123) hängen davon ab, welches Betreuungsmodell gewählt wird und welches Preis-Leistungsverhältnis sich aus den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen ergibt. Dies hängt von der Ausgestaltung des jeweiligen Einzelfalles ab. Allgemeine Aussagen zu kostenmäßigen Auswirkungen sind daher nicht möglich. Das vorausschauende Einbringen von Sicherheits- und Gesundheitsschutzaspekten als selbstverständlicher Bestandteil in die betrieblichen Abläufe ist jedenfalls immer billiger und für den Arbeitgeber wirtschaftlicher als eine spätere „Reparatur" bereits entstandener Gesundheitsschäden. Zu Frage 13: Es trifft nicht zu, „daß Kleinunternehmer und Freiberufler nach der Unfallverhütungsvorschrift ,Fachkräfte für Arbeitssicherheit' (VBG 122) an Kursen für Arbeitssicherheit teilnehmen müssen". Einige Unfallversicherungsträger bieten als Alternative zur Regelbetreuung das sogenannte „Unternehmermodell" an. Bei diesem Modell hat der Unternehmer die Möglichkeit, in Seminarveranstaltungen einschlägige Arbeitsschutzkenntnisse selbst zu erwerben. Macht er hiervon Gebrauch, kann die im Rahmen der Regelbetreuung vorgesehene Einsatzzeit auf die Hälfte reduziert werden, bzw. muß eine sicherheitstechnische Beratung nur noch im Bedarfsfall in Anspruch genommen werden. Selbstverständlich kann der Unternehmer auch auf andere Betreuungsformen zurückgreifen. Er kann beispielsweise einen eigenen Mitarbeiter zur Fachkraft ausbilden lassen, einen externen sicherheitstechnischen Dienst beauftragen oder sich einem berufsgenossenschaftlichen Dienst anschließen. Denkbar ist auch die Bildung sogenannter ,,pools" von kleineren Betrieben, die über gemeinsame Betreuungsverträge häufig günstigere Konditionen für eine Betreuung erhalten. Welche Alternative der Unternehmer unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten auswählt, liegt allein in seiner Entscheidung. Die kostensenkenden Möglichkeiten sind sicherlich häufig noch nicht ausgeschöpft. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Frage des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD) (Drucksache 13/10938 Frage 14): Wie viele Beförderungen wurden im Bereich der obersten Bundesbehörden - aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ressorts - im Zeitraum zwischen 1. Januar 1998 und 31. Mai 1998 vorgenommen, und wie hoch waren die Vergleichszahlen - aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ressorts - im Vergleichszeitraum des Jahres 1997? Die von Ihnen erbetenen Zahlen werden in den üblichen Statistiken nicht erfaßt. Das Bundesministerium der Finanzen führt jedoch auf Bitten des Haushaltsausschusses eine Erhebung über die Beförderungen/Höhergruppierungen bei den obersten Bundesbehörden (alle Besoldungs- und Vergütungsgruppen) in 1998 durch. Der Bericht wird im Laufe des Monats Juni 1998 dem Haushaltsausschuß zugeleitet. Ich bitte um Verständnis, daß ich wegen des damit verbundenen erheblichen Aufwandes von einer gesonderten Umfrage abgesehen habe. Ich werde Ihnen jedoch unverzüglich einen Abdruck des für den Haushaltsausschuß erarbeiteten Berichts zuleiten. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Fragen der Abgeordneten Gisela Schröter (SPD) (Drucksache 13/10938 Fragen 19 und 20): Wird die Bundesregierung im Nachgang zum Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesministerium der Finanzen, Irmgard Karwatzki, vom 4. Mai 1998 an die zuständigen Minister der neuen Länder Initiativen ergreifen, um eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Bearbeitung der Anträge nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz hinsichtlich der Ausschlußgründe „Erhalt von Bodenreformland" sowie „Unterbrechung des Wohnsitzes in der DDR" sicherzustellen, und wenn ja, welche? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die notwendige einheitliche Verwaltungspraxis einer gesetzlichen Präzisierung der Auslegungsspielräume hinsichtlich der genannten Ausschlußgründe bedarf, und wie begründet sie ihre Auffassung? Zu Frage 19: Auf Initiative des Bundesministeriums der Finanzen haben sich die Vertreter der neuen Bundesländer, denen die Durchführung des Vertriebenenzuwendungsgesetzes obliegt, bei einer Besprechung in Berlin am 10. Juni 1998 auf der Grundlage meines Schreibens vom 4. Mai 1998 auf eine einheitliche Verwaltungspraxis geeinigt. Diese Verwaltungspraxis wird derzeit präzisiert. Die Bundesregierung betrachtet damit die Angelegenheit für erledigt. Zu Frage 20: Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Eine einheitliche Verwaltungspraxis ist gewährleistet. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Fragen der Abgeordneten Helga Kühn-Mengel (SPD) (Drucksache 13/10938 Fragen 21 und 22): Ist die Bundesregierung bereit, sich im Rahmen einer nach § 82 des NATO-Truppenstatuts vorgesehenen Überprüfung desStatus der Beschäftigten dafür einzusetzen, daß Arbeitsverträge für Zivilbeschäftigte bei militärischen Einrichtungen auf fremdem Boden (z. B. Vogelsang) grundsätzlich nur unter dem Recht des jeweiligen Aufnahmestaates abgeschlossen werden können? Trifft es zu, daß beispielsweise beim Truppenübungsplatz Vogelsang durch sog. Belgische Verträge Beschäftigte zu Lasten des deutschen Fiskus Vergünstigungen im Bereich der Mehrwert- und Mineralölsteuer sowie durch bis zu 30 % günstigere Einkaufsmöglichkeiten erhalten und möglicherweise so zu Lasten des deutschen Fiskus ein Anreiz geschaffen wird, das deutsche Tarifrecht zu verlassen und Arbeitsverträge nach belgischem Recht mit deutlich schlechterem sozialen Schutzniveau zu akzeptieren, und sieht die Bundesregierung insoweit Handlungsbedarf? Zu Frage 21: Für die bei den Streitkräften der Entsendestaaten beschäftigten örtlichen Arbeitskräfte gilt nach Artikel IX Absatz 4 NATO-Truppenstatut ausdrücklich, daß sich die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere die Löhne und Gehälter, die Zuschläge und die Arbeitsschutzbedingungen nach dem Recht des Aufenthaltsstaates bestimmen. Nur bei Vorliegen bestimmter, enger Voraussetzungen können die Streitkräfte der Entsendestaaten als sogenanntes ziviles Gefolge auch Zivilpersonen im Sinne von Artikel I Absatz 1 b des NATO-Truppenstatuts beschäftigen, die einen besonderen Status genießen und für die in der Regel das Recht des jeweiligen Entsendestaates gilt. Die Regierungen der Unterzeichnerstaaten des NATO-Truppenstatuts streben keine Revision des NATO-Truppenstatuts an. Zu Frage 22: Davon ausgehend, daß eine Revision des NATO- Truppenstatuts nicht anzustreben ist, sind Lieferungen und sonstige Leistungen nur an in der Bundesrepublik Deutschland stationierte ausländische Truppen oder deren ziviles Gefolge unter bestimmten Voraussetzungen abgabenbegünstigt. Alle übrigen Personen sind nicht berechtigt, Lieferungen und sonstige Leistungen abgabenbegünstigt zu empfangen. Danach besteht für diesen Personenkreis kein Anreiz Arbeitsverträge nach belgischem Recht zu schließen. Darüber hinaus wirkt die Bundesregierung darauf hin, daß die Vergünstigungen nach dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) nur von den dazu berechtigten Personen in Anspruch genommen werden.
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    Rede von Gerd Poppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß diese Debatte nicht für den Wahlkampf genutzt werden sollte.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der F.D.P.)

    Deshalb: Es ist sicher richtig, daß die Kollegin Lengsfeld hier noch einmal an die Opfer erinnert hat. Die Angriffe auf die SPD-Fraktion und auf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jedoch spiegeln in keiner Weise die kollegiale Zusammenarbeit zwischen allen
    Fraktionen wider, auf die hier auch der Kollege Vergin hingewiesen hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Enquete-Kommission hatte die anhaltenden Folgen der SED-Diktatur zu untersuchen, festzustellen, inwieweit der Transformationsprozeß zu ihrer Überwindung beigetragen hat, wo die Defizite liegen und welche Empfehlungen sich daraus für den Gesetzgeber ableiten lassen. Sie hat überwiegend zu gemeinsamen Bewertungen der DDR-Vergangenheit gefunden. Das spricht für die feste Verankerung des Konsenses der demokratischen Parteien, und zwar unabhängig von der Westoder ostdeutschen Herkunft der Beteiligten.
    Gleichwohl wissen wir, daß dies nicht immer für die Gesamtheit der Gesellschaft gilt. Der Erfolg von Parteien, die die demokratischen Grundwerte negieren oder zumindest relativieren, gibt uns Anlaß zur Beunruhigung. Wenn Demagogen aller Schattierungen verflossene Diktaturen schönreden oder erneut den autoritären Staat herbeirufen wollen, so ist das für die Demokraten Grund genug, sich weiter mit der diktatorischen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

    (Beifall des Abg. Reiner Krziskewitz [CDU/ CSU])

    Betrachten wir einmal den Antrag der PDS. Ich finde es schon erstaunlich, daß ausgerechnet die PDS mit ihrer Vorgeschichte der Kommission „Ideologisierung der Geschichtsschreibung" vorwirft. Ebenso fragwürdig ist der Versuch, gleich alle Ostdeutschen zu vereinnahmen, indem die PDS behauptet, daß eine „ausgewogene, differenzierte Geschichtsbewertung, in der sich auch die Bürgerinnen und Bürger der DDR wiederfinden können", in der Kommission nicht möglich gewesen sei. Ganz abgesehen davon, daß Sie wohl meinen, es gäbe sie noch, die Bürgerinnen und Bürger der DDR, frage ich Sie, wie lange Sie Ihren Alleinvertretungsanspruch gegenüber den Ostdeutschen noch aufrechterhalten wollen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)

    Sie sprechen von einer „offensichtlichen Diskrepanz" zwischen den Ergebnissen zahlreicher Expertisen und angeblich „verkürzten oder tendenziös zusammengefaßten Wertungen" der Kommission. Nun gibt es für Politiker und Historiker zweifellos die Möglichkeit, aus vorgelegten Expertisen unterschiedliche Schlußfolgerungen zu ziehen. Wie sollte es auch anders sein, zumal bei einem Forschungsgegenstand, der auch im achten Jahr der deutschen Einheit nicht abschließend zu behandeln ist. Die PDS hatte wie die Fraktionen Gelegenheit, ihre abweichenden Positionen ausführlich darzustellen, was sie auch getan hat. Schon deswegen sind Sie von der PDS im Unrecht, wenn Sie die Schlußfolgerungen der Fraktionen als tendenziös bezeichnen.
    Wir können mit unterschiedlichen Bewertungen historischer Ereignisse und politischer Zusammenhänge gut leben. Es ist nicht unsere Sache, dem Bürger ewige Wahrheiten zu verordnen. Das war der An-

    Gerd Poppe
    spruch der Kommunisten. Er führte zur Unterdrükkung der Meinungsfreiheit und zur Verfolgung der Personen, die die jeweiligen Weisheiten der Parteiführung nicht unwidersprochen hinnehmen wollten.
    Sie beklagen, daß solche DDR-Historiker, die sich mit den Leitbildern und Zielen des Sozialismus identifiziert haben, zuwenig zu Wort kamen. Die Kommission hat allerdings Wert darauf gelegt, die Öffentlichkeit weniger mit der Apologetik der Hofberichterstatter von Ulbrichts und Honeckers Gnaden zu behelligen, als diejenigen unabhängigen ostdeutschen Experten zu Wort kommen zu lassen, denen Ihre Vorgängerpartei damals den Mund verboten oder noch Schlimmeres angetan hat.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)

    Es ist einfach nicht wahr, daß der Osten in der Kommissionsarbeit unterrepräsentiert war. Wie in der vorigen Wahlperiode stammen viele Expertisen von ostdeutschen Autoren, wurde eine große Zahl ostdeutscher Zeitzeugen gehört, waren ostdeutsche Abgeordnete weit überproportional beteiligt.
    Eine letzte Anmerkung an Ihre Adresse, meine Damen und Herren von der PDS: Sie reden von Willkürjustiz bzw. von politischer Strafverfolgung in Ostdeutschland. Aber Sie meinen damit nicht etwa die DDR-Justiz, sondern die heute in Ostdeutschland tätigen Gerichte und Staatsanwaltschaften. Sie verlieren keine Silbe über die Opfer der Diktatur; nein, mit Ihrem Angriff auf den Rechtsstaat verhöhnen Sie die Opfer der Diktatur ein weiteres Mal.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)

    Sie verwischen ganz bewußt den Unterschied zwischen den Entscheidungen der politischen Strafjustiz in der DDR und den Entscheidungen unabhängiger Gerichte in einem demokratischen Staat.
    Sie wollen den Ostdeutschen suggerieren, daß man ihnen ihre Biographien nehmen, ihr damaliges Leben für wertlos erklären, sie sogar kriminalisieren will und daß einzig die PDS sie vor dem drohenden Identitätsverlust bewahren kann. Dabei wissen Sie ganz genau, daß der Kommission nichts ferner lag, als den Wert des individuellen Lebens - auch in einer Diktatur - in Zweifel zu ziehen. Im Gegenteil: Wir haben auch über das Alltagsleben und über die vielen Menschen gesprochen, die trotz solch widriger Umstände ein Leben in Würde und in Wahrheit geführt haben. Diese Tatsache grundsätzlich voraussetzend, haben beide Enquete-Kommissionen in der 12. und in der 13. Wahlperiode die Möglichkeiten des Parlamentes zur Aufarbeitung genutzt und dabei eine breite Öffentlichkeit einbezogen.
    Im Unterschied zur im wesentlichen übereinstimmenden Bewertung der DDR-Vergangenheit sind - bezogen auf den Transformationsprozeß und die Empfehlungen für die heutige Politik - die Kommissionsmitglieder der verschiedenen Fraktionen zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, die sich aus den verschiedenen Sondervoten ablesen lassen. Die Lesbarkeit des Berichts leidet darunter, und ich hätte mir in manchen Fällen gewünscht, daß die eine oder andere große Fraktion es über sich gebracht hätte, auf eine wahlkampfgerechte Zuspitzung der Formulierungen zu verzichten.
    Wenn einerseits die Koalition polemisch gegen die SPD-Entspannungspolitik argumentiert, dagegen den Kanzler und Gorbatschow durchgängig ob ihrer weisen und einsamen Entscheidungen bejubelt, wenn andererseits von der SPD die von der Bundesregierung seit 1990 zweifellos gemachten Fehler schwerer gewogen werden als die traurige Hinterlassenschaft des SED-Staats, dann stellt sich mitunter die Frage, ob nicht manche Berichtsteile nach einem zu groben Muster gestrickt wurden. Aber das ist das politische Geschäft. Wir werden zu manchen Passagen des Berichts die Kritik des sachkundigen Lesers zu Recht ertragen müssen.
    Dennoch bleibt festzustellen, daß das Parlament die selbstgestellte Aufgabe erfüllt hat. Viele mittel- und osteuropäische Parlamentarier haben diesen deutschen Sonderweg der Aufarbeitung mit einer gewissen Verwunderung und mit Respekt kommentiert. Sie haben uns erklärt, daß sie sich wünschten, sich mit ihrer Vergangenheit auf eine ähnliche Weise auseinanderzusetzen, was der demokratischen Erneuerung ihrer Staaten dienen würde. Eine derartige Feststellung sollte uns Mut machen, das erreichte Ergebnis nicht kleinzureden.
    Am Ende des parlamentarischen Großversuchs der Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur liegt - wie schon nach der vorigen Wahlperiode - eine umfangreiche Materialsammlung vor. Wir hoffen auf deren intensive Verwendung durch die Wissenschaft und die demokratische Öffentlichkeit. Eine wesentliche Grundlage dafür hat der Bundestag selbst mit dem Beschluß über die Einrichtung der Stiftung zur Aufarbeitung geschaffen. Das ist eine gelungene Antwort des Parlaments auf die ewigen Schlußstrichzieher und Verharmloser. Schon deswegen hat sich unsere Arbeit gelohnt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mir bleibt nur noch, im Namen meiner Fraktion den vielen Beteiligten zu danken, den sachverständigen Mitgliedern der Kommission, den Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, den Zeitzeugen und Autoren, den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fraktionen und vor allem auch dem Sekretariat der Enquete-Kommission. Ich möchte mich schließlich auch bei Ihnen, Frau Präsidentin, ganz besonders für die Förderung bedanken, die Sie der Arbeit dieser Kommission immer haben zuteil werden lassen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht Professor Dr. Ortleb.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Rainer Ortleb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin in dieser Stunde vermutlich der Dritte, der zu Ihnen im Rahmen seiner letzten

    Dr. Rainer Ortleb
    Rede im Deutschen Bundestag spricht. Ich habe 1990 in der ehemaligen DDR die Aufgabe, Abgeordneter der Volkskammer zu werden, mit Dankbarkeit als Auftrag angenommen. Ich halte es heute genauso wie damals: Ich möchte meine Redezeit nicht überstrapazieren. Die Frau Präsidentin möge mich sonst bitte darauf hinweisen. Ich halte hier nicht etwa mein Redemanuskript in der Hand, sondern ich werde es wie in der alten Volkskammer machen: Ich war bekannt dafür, von einer Briefmarke zu reden. Die habe ich heute nicht mit. Ich habe nur das alte Protokoll der Sitzung der Volkskammer der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 17. Juni 1990.
    Manchmal habe ich den Eindruck, daß mein Leben - ich bin vor wenigen Tagen 54 Jahre alt geworden - nur aus 17. Junis bestanden hat. So will ich meine Rede gliedern. Ich werde einen ersten, einen zweiten und einen dritten 17. Juni schildern: Der 17. Juni 1953 - der eigentliche - war der erste, den es geben konnte. Damals war Rainer Ortleb neun Jahre alt. An diesem Tage wurde in Dresden verbreitet - dort wohnten meine Eltern -, daß es im zentralen Kaufhaus in der Innenstadt Bettwäsche gäbe. Daraufhin bin ich mitgegangen. Denn damals war die Regel: Es wird soviel Bettwäsche ausgeteilt, wie Hände ausgestreckt werden. Also war ich als Kind verpflichtet, dieser Aufgabe nachzukommen. An der Hand meiner Mutter fuhr ich, neunjährig, mit der Straßenbahn in die Innenstadt. Zirka vier, fünf Haltestellen vor der Innenstadt blieb die Straßenbahn stehen. Das waren wir damals gewöhnt: Stromsperre usw. Nur die Kette der Straßenbahnen gab zu denken. Dann kam ein älterer Mann und sagte zu meiner Mutter: „Junge Frau" - das war sie damals -, „gehen Sie mit Ihrem Kind heim! Es wird geschossen." Und dann haben wir schon die Schüsse gehört. Meine Mutter war kriegserfahren; es war ja erst 1953. Sie wußte genau, was man tun muß, wenn so etwas passiert. - Das war mein erster 17. Juni.
    Jetzt rede ich über den zweiten. Ich habe schon angekündigt: Das war Sonntag, der 17. Juni 1990. - Liebe Frau Präsidentin, Sie waren damals Gast der Volkskammer. Das steht jedenfalls so im Protokoll: Begrüßung der Bundestagspräsidentin, Frau Prof. Dr. Süssmuth, und des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Dr. Vogel. - So ist das damals gewesen.
    Ich sehe in die Runde. Ich habe mir die Liste genau angesehen. Leider treffe ich nicht alle Kollegen, die damals geredet haben. Bitte, verzeihen Sie mir: Der einzige von damals, der auch heute hier ist, ist Herr Maleuda. - Nein, jetzt ist er wieder weg. Fürchterlich ärgerlich!
    Dann ist etwas Seltsames passiert. Ich lese vor:
    Die Volkskammer beschließt mit Mehrheit, den Antrag der Fraktion der DSU an den Ausschuß Deutsche Einheit federführend, den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Verfassung und Verwaltungsreform zu überweisen.
    Welcher Antrag war das? - Es war der Antrag, sofort,
    am 17. Juni, nach Art. 23 beizutreten. Damals hat der
    Abgeordnete Rainer Ortleb, damals Fraktionschef,
    anders votiert - Rainer Eppelmann, du warst dabei, du kannst dich gut erinnern -, weil wir damals keine Einheit mit Hast haben wollten. Wir sind damals dieser Überzeugung gewesen. Da gibt es einen Satz von mir, den ich zitieren darf:
    Er ist die Konsequenz aus dem gewesen, daß für lange Nachbesserungen, Veränderungen und andere Dinge nicht mehr die Zeit ist, nachdem die Ereignisse und die Dynamik des Prozesses so gelaufen sind.
    Das war damals die Situation. Und trotzdem! Ich hatte formuliert:
    Vernunft hat uns bisher davon abgehalten, das sofort und unter Ausschaltung des Denkwerkes zu tun.
    Das war eine Formulierung von damals.
    Und dann gab es noch eine etwas ulkige Geschichte. Herr Schulz ist auch hier. Herr Schulz, wir hatten einen kleinen Disput, und der ging wie folgt. Ich hatte formuliert - wegen der Frage Einheit -:
    Drum prüfe, wer sich ewig bindet!

    (Heiterkeit ...)

    Aber ich hatte dann hinzugefügt:
    ... der Spruch heißt nicht:
    Drum prüfe ewig, wer sich bindet.
    Und da haben Sie mich gefragt, ob ich geheiratet hätte, und ich habe wörtlich geantwortet:
    Nein, nein, Herr Schulz, ich hatte schon.
    Das war für mich der 17. Juni Nummer zwei. Es war ein spannender Tag. Herr Schulz, Sie geben mir sicherlich recht - und da unsere Parteien normalerweise total über Kreuz sind: wenn ich Sie als Zeugen benenne, weiß jeder, daß es ehrlich gemeint ist -: Es war eine spannende Zeit, die wir als Laien mühsam gemeinsam bewältigt haben. Ich danke Ihnen auch ganz persönlich dafür. Und unsere Wortspiele waren ja in der Volkskammer bekannt.
    Jetzt komme ich - noch in diesem Teil, ehe ich zu dem anderen übergehe - auf etwas, was mich damals sehr betroffen gemacht hat. Frau Lengsfeld, ich bin - das erkläre ich Ihnen - ein geborener Feigling. Ich habe in der DDR versucht, das Beste aus der Geschichte zu machen, die damals war. Ich habe mich in kein Gefängnis begeben, aber wenn Sie meine Studenten aus Rostock oder Dresden fragen: Ich habe immer ein offenes Ohr für Probleme gehabt und habe immer meine Flügel ausgebreitet, wenn es sein mußte. Trotzdem: Ich bin ein geborener Feigling. Ich erkläre das.
    Warum erkläre ich das jetzt? Weil ich bei aller Aufarbeitung von Vergangenheit eines wohl nicht vergessen werde - ich berufe mich wieder auf das Protokoll -: Ein Abgeordneter Opitz erklärte sich dann: Haben Sie Zweifel, daß eine Wiedervereinigung Deutschlands in Ordnung sei? Damit wurde ein Abgeordneter Modrow angesprochen. Dieser Abgeordnete Opitz hat dann wenige Wochen später ein

    Dr. Rainer Ortleb
    schlimmes Schicksal erfahren: Man hat ihn verdächtigt, Zuträger der Staatssicherheit gewesen zu sein. Weil der Name Opitz in Deutschland nun weiß Gott kein ungewöhnlicher Name ist, hat er Wochen und Monate gebraucht, bis er rehabilitiert war.
    Also, bei aller Aufarbeitung: Gerechtigkeit muß auch sein!

    (Beifall im ganzen Hause)

    Jetzt komme ich zum dritten und letzten 17. Juni, und das ist der heutige. Ich bin dem Schicksal dankbar, daß ich ausgerechnet an diesem Tag, dem 17. Juni, hier in diesem Bundestag reden kann.
    Ich streife das ganze Publikum. Frau Enkelmann, seien Sie mir nicht böse, wenn ich mir jetzt einen Scherz erlaube: Sie sind praktisch das Nationalste, was wir haben; Sie laufen immer in Schwarzrotgold.

    (Heiterkeit)

    Sie wissen, worauf ich angespielt habe.
    Ich gehe die Runde durch: Ich danke Herrn Hilsberg, Herrn Vergin; ich will keine weiteren Namen nennen; Sie wissen alle, daß Sie angesprochen sind.
    Gerd Poppe, wir haben uns zusammengerauft, und das war ziemlich gut; Werner Schulz, Gerald Häfner, auch wir waren nicht schlecht als Truppe.
    Ich darf mich auch gegenüber der CDU verneigen. Mein Verbindungsmann dort ist insbesondere Rainer Eppelmann gewesen, ein Pfarrer, den ich als meinen persönlichen immer gerne gehabt hätte.
    Und dann bedanke ich mich bei meinen eigenen Freunden. Ich darf mich verabschieden.
    Vielen Dank.

    (Beifall im ganzen Hause)