Rede von
Dr.
Werner
Hoyer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung fühlt sich den Beschlüssen des Allgemeinen Rates vom 15. September 1997, die maßgeblich von mir selbst mit formuliert wurden, verpflichtet, und sie achtet sorgfältig darauf, daß diese Beschlüsse von allen betroffenen Stellen der Bundesrepublik Deutschland eingehalten werden. Wenn Europa - man muß ja sagen: endlich - in der Außenpolitik handlungsfähig wird, dann dürfen wir die Union und die Wirksamkeit ihrer Außenpolitik nicht durch Alleingänge schwächen.
Es ist der Sinn immer wieder gemachter Überzeugungsversuche, daß wir uns alle an die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union halten sollten.
Zur Lage in Belarus hat die Bundesregierung im August 1997 ausführlich Stellung genommen und damals ihre Besorgnis über die generelle Entwicklung des Landes, über Einschränkungen der Pressefreiheit und über die Behinderung der Nichtregierungsorganisationen zum Ausdruck gebracht. Auf die Frage, welche Möglichkeiten die Bundesregierung für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland sieht, zur Demokratisierung für Belarus beizutragen, haben wir damals gesagt:
Die innerhalb der EU vereinbarte politische Linie, die Beziehungen zu Weißrußland einzuschränken, solange die Regierung nicht konkrete Schritte zur Wiederherstellung von parlamentarischer Demokratie, Gewaltenteilung und Medienfreiheit unternimmt, und das gleichzeitige Angebot seitens der Europäischen Union zur aktiven Unterstützung dieser Schritte stellt aus Sicht der Bundesregierung den am ehesten erfolgversprechenden Weg dar, zur Demokratisierung in Weißrußland beizutragen ...
Die Lage in Belarus gibt unverändert zu großer Besorgnis Anlaß. Die seit 1996 eingeleiteten Maßnahmen des Präsidenten, die dem Ziel der Bündelung der Macht in seiner Hand dienen, haben im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich zu einem tiefgreifenden Umbau des Landes geführt. Die sogenannte Repräsentantenkammer und das Verfassungsgericht erweisen sich als dem Präsidenten willfährige Organe; die Opposition wird in jüngster Zeit, nach Hoffnungszeichen noch im Herbst, wieder verstärkt unter Druck gesetzt und ist vollständig in den außerparlamentarischen Bereich abgedrängt wor-
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
den. Private Universitäten, Studenten, Oppositionelle und Vertreter unabhängiger Medien werden zunehmend unter Druck gesetzt. Verhaftungen und Verurteilungen von Demonstranten nehmen zu. Belarus ist kein demokratisch verfaßtes Land und kein Rechtsstaat mehr.
Dem deprimierenden Bild der politischen Lage entspricht die wirtschaftliche Situation des Landes: Sie hat sich dramatisch verschlechtert. Von einem Prozeß der Reformen in Richtung Marktwirtschaft kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein, im Gegenteil. Private humanitäre Hilfsorganisationen haben übrigens wieder verstärkt unter Beeinträchtigungen ihrer Arbeit zu leiden, obwohl die Hilfe von außen bei zunehmender Not der Bevölkerung immer wichtiger wird.
Es hat in jüngster Zeit auch einen schwachen Hoffnungsschimmer gegeben. Nachdem die belarussische Seite Ende letzten Jahres endlich ihre Blockade gegenüber den Mandatsbedingungen aufgegeben und das weit gefaßte Mandat „Demokratieförderung" akzeptiert hatte, konnte die OSZE-Beratungs-
und Beobachtungsgruppe unter Leitung von Botschafter a.D. Wieck im Februar 1998 ihre Arbeit in Minsk beginnen. Die belarussische Seite ist mit der OSZE-Beratungsgruppe unter anderem übereingekommen, eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes einzurichten. Sollten die Arbeiten zu konkreten Ergebnissen führen, könnte dies einen Fortschritt bedeuten. Ob das genügt, wird die Zukunft zeigen.
In der Europäischen Union herrscht jedenfalls Einigkeit darüber, daß der Beschluß des Allgemeinen Rates vom 15. September 1997 in vollem Umfang wirksam bleibt, bis konkrete Fortschritte erkennbar sind. Der Beschluß ist ja durch fraktionsübergreifende Entscheidungen des Deutschen Bundestages am 14. November 1997 ausdrücklich indossiert worden. Folglich fühlen wir uns den Beschlüssen des Allgemeinen Rats nach wie vor verpflichtet.
In diesem Sinne hat Staatssekretär Hartmann am 21. Januar dieses Jahres die Chefs der Staatskanzleien der Bundesländer „um eine möglichst enge Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt bei allen weißrußland-politischen Fragen" gebeten.
Er bat außerdem darum, von hochrangigen politischen Gesprächen mit dem Präsidenten, die im Widerspruch zu den auch für uns maßgeblichen EU-Beschlüssen stünden, Abstand zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung wiederholt der Landesregierung von Niedersachsen nahegelegt, auf die beabsichtigte Begegnung mit Präsident Lukaschenko zu verzichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich wirft der Umgang mit Repräsentanten eines Regimes wie dem in Weißrußland immer wieder schwierige Fragen auf. Für die Bundesregierung kann es aber keinen Zweifel daran geben, daß der Beschluß der Europäischen Union vom 15. September ein wichtiges Druckmittel bleiben muß, um der Regierung in Minsk und nicht zuletzt Präsident Lukaschenko selber immer wieder deutlich zu machen, daß wir nicht bereit sind, irgendwann zur Tagesordnung überzugehen. Wir müssen weiter darauf drängen, daß Weißrußland, ein wichtiges Nachbarland in Europa - es ist gar nicht so weit von uns entfernt, wie man manchmal glauben könnte, wenn man diese Debatten verfolgt -, zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt.
Herzlichen Dank.