Rede von
Peter
Keller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich trotz mancher Polemik mit einer ganz persönlichen Bemerkung beginnen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren politisch mit der Vermögensbildung, besonders mit dem Investivlohn. Deshalb - das möchte ich öffentlich feststellen - freue ich mich, daß wir heute mit dem Dritten Vermögensbeteiligungsgesetz ein weiteres Stück deutscher Sozialgeschichte schreiben.
Ich möchte an eine der geschichtlichen Wurzeln der Vermögensbildung erinnern. Der Gedanke der Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand ist eine uralte Idee der christlichen Soziallehre. Schon der Arbeiterbischof Ketteler hatte der entstehenden christlichen Arbeiterbewegung in der Mitte des letzten Jahrhunderts diese Idee mit auf den Weg gegeben. Er stellte einen Zusammenhang zwischen der Beteiligungsidee, Fragen der Lohnpolitik und der sozialen Gerechtigkeit her. Ketteler sagte, es sei „unbillig", wenn das Ergebnis des Zusammenwirkens von Kapital und Arbeit „ausschließlich dem toten Kapitale und nicht auch dem verwendeten Fleisch und Blute "- ich bitte das als Ausdrucksweise der damaligen Sprache zu verstehen -, das heißt dem Arbeiter zufalle, denn er „verarbeitet täglich gleichsam ein Stück seines Lebens", meinte der Bischof im Jahre 1864.
Auch der Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, bündelte seine Zielvorstellung in der
Kurzformel: Eigentum für jeden mit dem Ziel einer Gesellschaft von Teilhabern.
Wir haben aber alle erfahren, daß die Vermögensbildung seit der Wiedervereinigung in nahezu dramatischer Weise an Aktualität gewonnen hat. Die Konzentration des Produktivkapitals in den Händen weniger hat sich leider weiter verstärkt.
: Wer hat denn dafür
gesorgt?)
Das vorliegende Gesetz ist für mich auch ein Beweis dafür, daß es sich lohnt, nicht nur aktuelle Tagespolitik zu machen. Ich meine, für die Fortentwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft als Gesellschaftsordnung sind auch langfristige Visionen möglich, und heute wird eine solche Vision Wirklichkeit.
In aller Bescheidenheit möchte ich auch auf die Kampagne 1997 „Investivlohn jetzt" der Aktionsgemeinschaft christlich-sozialer Verbände eingehen. Ich danke ihnen, Kolping, KAB, den christlich-sozialen Gewerkschaften und unseren eigenen Organisationen, CDA und CSA, daß sie damit einen wichtigen Beitrag zur Bildung eines öffentlichen Bewußtseins für diese Maßnahme geleistet haben.
Das vorliegende Gesetz ist ein Meilenstein in der Fortentwicklung der sozialen Partnerschaft,
von der heute viel die Rede war, zu einer Kapitalpartnerschaft. Ich halte diese Frage für ungemein wichtig. Denn nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts meinten 1997 gegenüber 1980 - der Wandel ist also innerhalb von 17 Jahren eingetreten - mehr als doppelt so viele der Befragten, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Grunde völlig unvereinbare Interessen hätten und daß es daher richtig sei, von Klassenkampf zu sprechen. Diese Umfrage, die gezeigt hat, daß heute das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern mehrheitlich nicht mehr partnerschaftlich, sondern klassenkämpferisch gesehen wird, hat mich nachdenklich gemacht. Diese Einschätzung spiegelt eine gefährliche Polarisierung wider, die sozialen Sprengstoff in sich birgt.
Wir müssen daher alles daransetzen, dieses „böse Bild" des Kapitalismus zu durchbrechen. Wir müssen bewußtmachen, daß in der sozialen Marktwirtschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer durchaus eine umfassende und ausbaufähige Interessenverbundenheit besteht. Deshalb meine ich, daß gerade eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ein geeignetes Mittel ist, diesem Trend entgegenzuwirken.
Denn wer am Unternehmenserfolg beteiligt ist, zum
Beispiel durch Aktien, hat ähnliche Interessen wie
Peter Keller
der Arbeitgeber. Diese Erfahrung - die mir genauso wichtig ist, wie dicke Bücher zu lesen - habe ich als Arbeitnehmer vor über 30 Jahren in einem großen Betrieb selbst machen können.
- Das ist ja fast eine Beleidigung.
Der Durchbruch in der Vermögensbildung entspricht auch dem heutigen Selbstverständnis der Arbeitnehmer. Wer als Arbeitgeber die Identifikation der Arbeitnehmer will, muß neue Formen der Zusammenarbeit, der Mitwirkung und vor allem auch der Beteiligung am Unternehmenserfolg schaffen.
Es ließen sich weitere große Vorteile nennen. Ich nenne bloß ein paar Schlagworte: Die Verteilungskonflikte werden entschärft; das ist ein Beitrag zum sozialen Frieden. Das tarifpolitische Spektrum wird qualitativ erweitert, und die Flexibilisierungsspielräume für den Flächentarifvertrag werden vergrößert.
Reinhard Mohn, der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, hat dieser Tage in einem Artikel die These vertreten - so wörtlich -,
daß die Leistungsverbesserung eines Betriebes durch Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Unternehmenskultur zu finanziellen Vorteilen führen wird, welche den entstehenden Aufwand um ein Vielfaches übertreffen.
Anders ausgedrückt: Mitarbeiterbeteiligung lohnt sich, auch für den Gewinn des Unternehmers. Beide haben etwas davon.
Ich stelle dazu fest: Nicht nur die Vertreter der Arbeitnehmerinteressen sehen in der Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer Vorteile. Es kommt nicht immer vor, aber in diesem Fall ist es so: Wenn beide Seiten einen Vorteil haben, dann ist es um so besser.
Ich möchte von den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die schon genannt worden sind, nur einen einzigen Punkt noch einmal gesondert hervorheben: Obgleich es im Gesetzentwurf nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist die tarifvertragliche Vereinbarung investiver Lohnbestandteile grundsätzlich möglich; sie ist von uns auch politisch gewollt. Dies haben uns die Experten in der öffentlichen Anhörung, gerade die Arbeitsrechtler, eindeutig bestätigt. Das ist auch ein neuer Qualitätssprung für die Tarifvereinbarungen.
Nun, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in bezug auf die Haltung der Opposition zu diesem Gesetzentwurf ist festzustellen, daß es an sich keine eindeutigen Antworten gibt. Unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD in den Ausschüssen für Arbeit und Sozialordnung und für das Bauwesen haben sich enthalten. Tatsächlich haben sie sich also nicht für diese Verbesserungen zugunsten der Arbeitnehmer ausgesprochen. Die Kollegen in den Ausschüssen für
Wirtschaft, Finanzen und Haushalt stemmten sich sogar ausdrücklich dagegen, angeblich, weil es zu teuer sei, obwohl der eigene SPD-Antrag mehr gekostet hätte als der unsrige.
- So habe ich es gelesen.
Ich frage mich daher: Wird der Bundesrat - das ist die spannende Frage - das Gesetz gegen die Wand fahren? Heißt das, daß die Arbeitnehmer von der SPD in Sachen Vermögensbeteiligung keine Unterstützung zu erwarten haben? Oder, so frage ich weiter, geht es wieder einmal nur um Wahlkampf, lieber Kollege Schreiner?
Ich möchte die SPD vor einer durchsichtigen Blockadetaktik nur warnen. Dies wäre gerade vor dem 1. Mai ein Verrat an den Interessen der Arbeitnehmer und auch der Arbeitslosen.
Das Gesetz sollte und muß jetzt umgehend verabschiedet werden, damit es bereits für die 99er Tarifrunden genutzt werden kann. Es öffnet neue Wege und Türen in der Tarifpolitik, die dringend notwendig sind. Wir setzen jedenfalls alles daran, daß dieses Gesetz schnell Wirklichkeit werden kann.
Was die SPD bezweckt, wisen wir nicht, das weiß nur sie allein. Was wir wollen,
ist, daß die Arbeitnehmer endlich mehr am Produktivkapital beteiligt werden. Dazu leisten wir hier und jetzt einen ganz konkreten Beitrag. Deshalb bitten wir um Ihre Unterstützung.