Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zunächst einmal dem Kollegen Vogt meinen Respekt für seine jahrelange Arbeit im Bereich der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen aussprechen. Wir haben heute von Ihnen gehört, daß Sie bereits 1970 Ihre erste Rede zu diesem Thema gehalten haben. Ich verstehe daher um so weniger, warum heute von seiten der Opposition der Vorwurf gemacht wird, es handele sich bei dem vorliegenden Entwurf um ein billiges wahltaktisches Manöver.
Genau das zeigt doch, daß wir uns in der Koalition schon seit langer Zeit ernsthaft um dieses Thema bemühen. Wenn Sie sich die Koalitionsvereinbarungen vom Herbst 1994 ansehen, dann sehen Sie, daß das damals schon ein wesentliches Thema war, das wir in dieser Legislaturperiode angehen wollten. Das 50Punkte-Aktionsprogramm der Bundesregierung stammt aus dem Winter 1996.
Man kann doch nicht, wie es Frau Wolf gerade getan hat, sagen: Das ist ein Thema, das nur zu Wahlkampfzwecken hochgezoomt wird. Wir haben uns die ganze Legislaturperiode darum bemüht, und wir haben jetzt zum Ende der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Vermögensbeteiligung vorgelegt, der natürlich noch nicht die Lösung aller Probleme ist.
Wir als F.D.P. - das brauche ich nicht zu betonen - setzen natürlich auf das Eigentum als Grundlage der persönlichen Freiheit und der Altersvorsorge. Wir sind mit der derzeitigen Verteilung des Vermögens und des Einkommens keineswegs zufrieden. Von daher sind wir nicht der Meinung, daß der heute vorgelegte Gesetzentwurf schon die Lösung aller Dinge ist. Er ist aber ein guter Einstieg, und das ist von allen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung am 1. April bestätigt worden.
Natürlich könnten auch wir uns mehr vorstellen. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, daß die Berechtigung nicht nur auf die Arbeitnehmer konzentriert wird, sondern auf alle Bürger unseres Staates.
Gisela Frick
Wir könnten uns einen höheren Förderbetrag als 800 DM bzw. 1000 DM in den neuen Ländern vorstellen. Wir könnten uns durchaus auch eine höhere Sparzulage vorstellen. All das ist vorstellbar. Aber es muß in der derzeitigen Haushaltssituation auch machbar sein. Wir haben eben vom Kollegen Vogt schon gehört, daß das, was wir heute vorlegen, ein Volumen von ungefähr 1,1 Milliarden DM hat. Das ist wirklich mehr als nichts. Das ist in der heutigen Situation ein deutliches Zeichen dafür, wo wir unsere Prioritäten setzen wollen.
Von daher glaube ich, daß wir sehr gut beraten sind, wenn wir dem heute vorgelegten Entwurf zustimmen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich an die beiden Oppositionsparteien SPD und Grüne appellieren, dies als ersten Einstieg schon einmal mitzutragen und hier jetzt keineswegs Maximalforderungen zu erheben.
Zunächst möchte ich aus Sicht der F.D.P. noch einmal auf die Steuerreform eingehen, weil die eigentlich vorher hätte kommen müssen. Wir haben es auch vorher gemacht. Wir haben im Sommer letzten Jahres vor der Sommerpause hier im Bundestag die große Steuerreform auf der Basis der Petersberger Beschlüsse beschlossen. Nur an der Blockadehaltung, insbesondere der SPD-Mehrheit im Bundesrat, ist es dann leider gescheitert, daß diese Steuerreform mit einer geplanten Nettoentlastung von 30 Milliarden DM und einer Absenkung des Tarifs über den gesamten Verlauf letztendlich im Gesetzblatt stand.
Es ist nicht wahr, wenn Sie immer sagen, wir wollten nur die hohen Einkommen entlasten. Unser Tarifverlauf sah einen Eingangssteuersatz nach dem steuerfreien Existenzminimum von 15 Prozent vor. Sie haben sich nicht getraut, diesen Satz vorzulegen, meine Damen und Herren von der SPD. Es wäre eine Entlastung gerade auch für die schwachen Einkommensgruppen gewesen. Das war für uns ganz entscheidend.
- Sie meinen das ironisch, aber wir meinen das ganz ernst. Eine echte Entlastung durch eine große Steuerreform schafft überhaupt erst die Spielräume für Vermögensbildung. Sie ist die Voraussetzung. Deshalb hätte die Steuerreform vorher kommen müssen. Aber, wie gesagt, es war mit Ihnen nun leider nicht zu machen.
Wir müssen das ganze Projekt jetzt auf die nächste Legislaturperiode verschieben, in der wir hoffentlich wieder die Regierungsverantwortung bekommen.
Wir sind da ganz optimistisch; denn die Wahl am 27. September wird unter anderem auch eine Entscheidung des Wahlbürgers über die vorgelegten Steuerpläne sein. Wir werden sehen, wie am 27. September letztendlich entschieden wird. Das werden wir nachher besprechen.
Jedenfalls werden wir, wenn wir die Regierungsverantwortung haben, diese Steuerreform am 28. September wieder vorlegen, weil wir von der Richtigkeit dieser Reform, der Richtigkeit der Nettoentlastung und des Tarifverlaufs, gerade auch im unteren Bereich mit den geringen Eingangsteuersätzen, überzeugt sind und weil wir überzeugt sind, daß dies die Voraussetzung für eine echte Vermögensbildung bei weiten Teilen der Bevölkerung ist.
Wenn Sie die Regierungsverantwortung bekommen sollten, was ich natürlich nicht hoffe, dann wird auch Ihnen nichts anderes übrigbleiben, als eine Steuerreform in etwa dem Sinne zu machen, wie wir sie jetzt vorgelegt haben. Die Weltbedingungen erfordern eine solche Reform. Nur durch sie ist ein gewisser Selbstfinanzierungseffekt zu erreichen, der letztendlich - davon bin ich fest überzeugt und auch meine Fraktion - sehr viel mehr Geld in die öffentlichen Kassen spülen wird, obwohl die Bürger und die Unternehmen eine Nettoentlastung erhalten werden. Sie werden sich daran nicht vorbeidrücken können. Da bin ich ganz sicher. Wir hätten die Steuerreform gerne zuerst gehabt, um überhaupt Spielräume für die Vermögensbildung zu schaffen.
Der Gesetzentwurf, den wir jetzt vorliegen haben, ist, wie ich eben schon gesagt habe, ein erster Einstieg. Aber - das hat auch die öffentliche Anhörung gezeigt - es ist ein Einstieg, der durchaus Sinn macht und uns voranbringt. Ich habe eben schon das Volumen von 1,1 Milliarden DM genannt. Ich komme noch ganz kurz zum Inhalt. Leider haben wir auf Grund der finanziellen Möglichkeiten den Kreis der Berechtigten nach wie vor auf die Arbeitnehmer beschränken müssen. Wir hätten es gerne anders gemacht. Aber an den Variablen konnten wir nur im Zuge des finanziell Machbaren schrauben. Wir haben, wie wir gehört haben, einen zweiten Förderbetrag von 800 DM in den alten und 1000 DM in den neuen Ländern. Wir haben die Anlagemöglichkeiten erweitert. Das ist eine indirekte Folge des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, mit dem wir neue Anlageformen in das Kapitalanlagegesellschaftengesetz aufgenommen haben. Neue, moderne Anlageformen werden jetzt mit einbezogen - Stichwort: gemischte Fonds und Dachfonds. Wir haben also auch in diesem Bereich einiges getan.
Wir haben die entsprechende Förderzulage auf 20 Prozent erhöht. Wir haben - das ist für uns Liberale besonders wichtig - das Bausparen dadurch gestärkt, daß der erste Förderkorb mit einem Förderbetrag von 936 DM ausschließlich für das Bausparen reserviert wird. Das ist neu. Insofern handelt es sich um eine Stärkung und nicht um eine Schwächung des Bausparens.
Die Beteiligung am Produktivvermögen kommt als ein sogenannter zweiter Korb hinzu. Das ist in unseren Augen ein ganz wesentlicher Aspekt. Diese Regelung wird sicherlich angenommen werden. Die Sachverständigen haben uns in der Anhörung gesagt, daß hier genug Anreize gegeben sind, um davon Gebrauch zu machen.
Gisela Frick
Weiterhin haben wir § 19 a EStG erhalten. Ich habe in einem anderen Debattenbeitrag schon darauf hingewiesen, daß § 19a EStG nicht gerade eine sehr geglückte Vorschrift ist. Auch Professor Bareis kritisiert immer wieder, daß diese Norm trotz ihres Umfangs - ich habe einmal nachzählen lassen; es waren 2397 Wörter - letztendlich nur eine steuerliche Wirkung im Gegenwert einer Schachtel Zigaretten pro Monat produziert. Insofern ist § 19a EStG sicher nicht gerade ein Ruhmesblatt für unsere Gesetzgebung.
Wir haben aber schon gesagt, daß wir diese Regelung im Rahmen einer großen Steuerreform korrigieren werden. Wir wollen diesen Paragraphen nicht ersatzlos abschaffen - darauf hat der Kollege Vogt schon hingewiesen -, sondern wir werden uns eine andere Förderung einfallen lassen. Denn es ist natürlich sinnvoll, Mitarbeiter am eigenen Unternehmen zu beteiligen, weil dadurch die Verzahnung von Kapital und Arbeit sehr viel besser erfolgen kann und das Interesse der Mitarbeiter am Erfolg ihres eigenen Unternehmens noch einmal gestärkt und unterstützt wird. Der Sinn dieser Regelung wird daher von uns nicht bestritten. Aber die Regelung selbst könnte durch einfachere und bessere Lösungen ersetzt werden. Aber das behalten wir ausdrücklich der großen Steuerreform vor. Wir haben deshalb im Zusammenhang mit dem Dritten Vermögensbeteiligungsgesetz § 19 a EStG unangetastet gelassen. Das ist ein wichtiger Punkt.
Die zwei Punkte, auf die Sie, Herr Schreiner, hingewiesen haben und bei denen es noch einen offenen Dissens gibt, sind uns sehr wichtig. Ich glaube, daß wir nicht so nahe zusammenliegen, wie Sie das vermuten.
Der erste Punkt, den Sie erwähnt haben, behandelt die Einrichtung von Tariffonds. Wir sind der Meinung, daß solche tariflichen Einrichtungen, wenn sie auch dann - wie Sie es vorschlagen - gefördert werden sollen, wenn sie in obligatorischen Tarifverträgen vereinbart werden, ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit unserer Bürger und auch der Unternehmer sind. Das ist mit unserer Vorstellung von Wahlfreiheit und Freiwilligkeit im Bereich der Vermögensbildung nicht zu vereinbaren. Für uns ist es ganz wichtig, die Wahlfreiheit zu erhalten. Vermögensbildung kann man nicht sozusagen mit der Peitsche erzwingen, sondern sie muß freiwillig geschehen. Deshalb ist der Grundsatz der Dispositionsfreiheit, der Wahlfreiheit, zu achten.
Der zweite Punkt ist die Insolvenzsicherung. Sie haben dazu aus Gutachten im Rahmen der öffentlichen Anhörung zitiert. Sie haben aber nur einen Teil zitiert. Sehr viel mehr Sachverständige haben darauf hingewiesen - das ist auch die Meinung der Liberalen -, daß eine Beteiligung am Unternehmenskapital immer eine Beteiligung am Risikokapital ist. Das ist gerade das Wesen einer solchen Beteiligung. Man kann sich selbstverständlich Gedanken über eine Absicherung der Insolvenz machen. Das doppelte Risiko wird von uns nicht geleugnet, insbesondere wenn es sich um eine Beteiligung der Mitarbeiter am eigenen Unternehmen handelt. Aber ich gebe grundsätzlich zu bedenken: Es handelt sich um eine Beteiligung am Risikokapital. Risiko bedeutet immer auch
Chance. Das hat sich gerade in den letzten Jahren gezeigt. Wenn Sie sich die Entwicklung der Aktienkurse ansehen, dann stellen Sie fest, daß in der Beteiligung sehr viele Chancen stecken. Jeder sagt, wenn wir beispielsweise eine Altersversorgung geschaffen hätten, die auf solchen Beteiligungsmodellen fußt - wir haben heute dazu schon Zahlen gehört -, dann wäre der Wert dieser Altersbeteiligung in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Insofern sollten wir vielleicht nicht so sehr das Risiko der Insolvenz betonen, sondern mehr die Chance, die sich aus solchen Beteiligungsmodellen ergibt.
Entscheidend war für mich auch der Hinweis, daß solche Insolvenzsicherungen - Sie haben zum Beispiel die Vorstellung, so eine Art Pensionssicherungsfonds oder ähnliches zu schaffen - natürlich Geld kosten. Das heißt, dies schmälert dann wieder die gewünschten Erträge aus diesen Beteiligungen. Man muß dies sehr, sehr sorgfältig gegeneinander abwägen. Ich bin also von der Idee der Insolvenzsicherung nicht so überzeugt. Deshalb steht sie in unserem Gesetzentwurf im Moment auch nicht drin. Es handelt sich nur um einen verhältnismäßig kleinen Teilbetrag des Lohns, der in solche Beteiligungsmodelle fließen soll. Ich meine, daß man, wenn man Chancen und Risiken gegeneinander abwägt, durchaus die Chancen in den Vordergrund stellen kann und die Risiken nicht unbedingt absichern muß.
Die F.D.P. hätte sich allerdings gewünscht, daß in dem Dritten Vermögensbeteiligungsgesetz mehr Gewicht auf die Altersvorsorge gelegt worden wäre. Das war aber leider nicht mehr zu machen. Wir haben die Vermögensbeteiligung in den Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfs gestellt. In der Anhörung haben wir gehört, daß Beteiligung am Produktivkapital, am Produktivvermögen, gleichzeitig immer auch Sicherheit bedeutet und damit auch ein Teil Altersvorsorge sein kann. Aber es ist eben nicht genug abgesichert, auch nicht durch entsprechend lange Bindungsfristen und ähnliches. Dazu hätten wir uns mehr gewünscht. Aber nachdem wir sagen, daß der heute vorliegende Gesetzentwurf nur ein Einstieg ist, sind wir guten Mutes, daß wir das Vorhaben zu Beginn der nächsten Legislaturperiode dann weiter ausbauen werden. Dabei wird für uns die Altersvorsorge ganz eindeutig im Mittelpunkt stehen.
Wir wissen alle, daß unser gesetzliches Alterssicherungssystem an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen ist. Die betriebliche Altersversorgung, die sogenannte zweite Säule, wird auch nicht mehr in dem Maße in Anspruch genommen, wie es wünschenswert wäre. Wir wollen - das habe ich schon im Plenum vorgetragen - insbesondere noch eine Erweiterung der Altersvorsorgemöglichkeit durch die Einrichtung von Pension funds nach angelsächsischem Vorbild. Wir haben darauf hingewiesen, daß das sowohl für die Risikokapitalbeteiligung als auch für die Sicherung für das Alter eine gute Sache wäre. Es wäre aber auch eine sehr gute Einrichtung, was den Finanzplatz Deutschland angeht. Denn dann könnten wir sehr viel Kapital sammeln, das auch in risikobehaftete Unternehmen investiert wer-
Gisela Frick
den könnte und dürfte. Das ist etwas, was uns für die Schaffung von Arbeitsplätzen heute fehlt.
Insofern meine ich, daß wir in der nächsten Legislaturperiode, aufbauend auf dem heute zu beschließenden Gesetz, sehr gut in der Lage sein werden, weitere Elemente der Altersvorsorge einzubeziehen. Das ist notwendig, und das werden wir mit sehr viel Energie betreiben.
Sie von der Opposition sollten sich diesem Gesetzesvorschlag deshalb nicht verschließen. Arbeiten Sie mit, daß der Vorschlag die Hürden des Bundesrates nimmt! Stimmen Sie heute zu! Ich finde Stimmenthaltung im parlamentarischen Verfahren sowieso immer ein bißchen traurig. Es ist zwar noch nicht die ganz runde, endgültige Lösung, aber es ist ein sehr guter Einstieg. Stimmen Sie heute zu, und versuchen Sie, Ihren Einfluß auf die Bundesratsmehrheit zu nehmen, damit dieses Gesetz nicht im Bundesrat scheitert. Das wäre dann nämlich ein wahltaktisches Manöver, und das fände ich für das gesamte Projekt Vermögensbeteiligung in Arbeitnehmerhand ausgesprochen schade.
Danke schön.