Rede von
Dr.
Sabine
Bergmann-Pohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fischer, ich möchte ganz kurz etwas zum Verfahren sagen. Der Bundesrat hat vor einer halben Stunde den Beschluß gefaßt, und wir sollen jetzt darüber diskutieren, ohne genaue Kenntnis zu haben, wie der Beschluß überhaupt aussieht.
- Ich bitte Sie! Sie wissen, daß es in Bundesratssitzungen auch noch Änderungen geben kann.
Das Verfahren ist schon sehr eigenartig. Wir kennen den genauen Wortlaut des Beschlusses nicht.
Ich rate Ihnen, Art. 76 Abs. 3 des Grundgesetzes nachzulesen. Dort werden der Bundesregierung sechs Wochen und nicht sechs Stunden oder sechs
Minuten zugestanden, um eine Stellungnahme zu erarbeiten.
Ich denke, die Botschaft dieser Regelung ist klar: Die Arbeit an Gesetzen hat zügig zu erfolgen; sie verlangt aber Besonnenheit und Gründlichkeit.
- Ich komme dazu; bleiben Sie ganz ruhig.
Die Bundesregierung wird ihre Stellungnahme deshalb auch besonnen und gründlich erarbeiten. Sie wird das zügig tun. Zumindest die Koalitionsfraktionen werden ebenso besonnen und gründlich zu einer Beschlußfassung im Deutschen Bundestag beitragen. Wir halten nichts von unüberlegten Schnellschüssen, wie sie hier abgegeben werden sollen.
Das Anliegen des Bundesrates, das hinter dieser Gesetzesinitiative zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes steht, teilen wir voll und ganz. Es geht im wesentlichen um finanzielle Leistungen an Ausländer, die nach unserer Rechtsordnung vollziehbar, Frau Fischer, zur Ausreise verpflichtet sind, aber eben nicht ausreisen. Es handelt sich dabei um Personen, die einer eindeutigen Rechtspflicht nicht nachkommen.
Es können natürlich unterschiedliche Gründe für eine nicht beabsichtigte Ausreise vorliegen. Es können zum Beispiel Krankheit, die Nichtaufnahme im Herkunftsland, das Drohen von Gefahren für Leib und Leben sein, die dafür ursächlich sind. Das sind in der Tat beachtliche Gründe, die nicht einfach auf die Seite geschoben werden können.
Letztlich geht es aber gar nicht um diese Asylbewerber.
- Das sage ich Ihnen gleich.
Es ist auch das nicht richtig, was hier mehrfach von der PDS und auch von Frau Fischer eben gesagt wurde, daß nämlich pauschal abgeschoben wird. Natürlich wird jeder Einzelfall geprüft. Das ist völlig klar.
Es können aber auch andere Gründe vorliegen, die wir im Gegensatz zu den vorgenannten nicht akzeptieren können. Nur solche nicht hinnehmbaren Gründe werden in der Gesetzesinitiative aufgezählt und mit der Folge verbunden, daß solche Personen nicht mehr so finanziell unterstützt werden wie die anderen Ausreisepflichtigen, deren Hierbleiben für eine bestimmte Zeit zu tolerieren ist.
Wer ist betroffen? - Betroffen sind vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, wenn sie nur deswegen hergekommen sind, weil sie finanzielle Leistungen in
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Anspruch nehmen wollen. Betroffen sind auch vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, wenn sie selbst dafür verantwortlich sind, daß sie nicht ausreisen können,
insbesondere in Fällen, in denen die eigene Identität oder Nationalität verschleiert wird oder Ausweispapiere einfach zum Verschwinden gebracht werden.
Betroffen sind ferner vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, wenn sie zwar aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können, aber ohne weiteres freiwillig in ihr Herkunftsland oder einen anderen aufnahmebereiten Staat ausreisen können. Sie könnten ihrer Rechtspflicht also nachkommen, wenn sie nur wollten. Das in diesen Fällen gezeigte Verhalten dürfen wir doch nicht noch durch eine ungerechtfertigte Gewährung von Leistungen unterstützen.
Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, haben offenbar genau das im Sinn.
Das haben Sie auch durch Ihre Reden dokumentiert. Genau das lehnen wir wie auch der Bundesrat ab.
Meine Damen und Herren, etwas muß uns natürlich zusätzlich aufhorchen lassen: Da unterstützen die meisten SPD-geführten Länder - soweit ich weiß, haben alle SPD-geführten Länder im Bundesrat zugestimmt - diese Initiative im Bundesrat, weil sie offenbar die Probleme kennen, die in der Praxis - ich sage bewußt: leider - auftreten. Und was macht der ersehnte Koalitionspartner der SPD, Bündnis 90/Die Grünen? - Er gräbt im Deutschen Bundestag, vor aller Öffentlichkeit, Wort für Wort protokolliert, demonstrativ das Kriegsbeil gegen diese SPD-regierten Länder aus.
- Das sind auch unsere Sorgen, Frau Fischer. Wir haben schon ein Interesse daran, was zwischen Ihnen abgeht.
Ich hoffe nicht, daß sich die Kollegen von der SPD- Fraktion, Frau Sonntag-Wolgast, gegen eine Initiative auch von SPD-geführten Ländern stellen oder hier zunächst herumlavieren wollen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.