Rede von
Monika
Knoche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte der Schweizer Bevölkerung mein Kompliment aussprechen und ihr ganz herzlich dafür danken, daß sie in einer hochemotionalen Diskussion - sie wußte, es ist ein international viel beachteter Volksentscheid - nüchtern und zugleich zutiefst menschlich entschieden hat. Sie hat sich dafür entschieden, Menschen, die eine illegalisierte Droge konsumieren und dabei ein Suchtverhalten entwikkelt haben, gesellschaftlich nicht allein stehenzulassen. Sie hat sich dafür entschieden, daß der Staat die Aufgabe hat, die Fürsorge bei denen nicht enden zu lassen, die von einem illegalisierten Stoff nicht loskommen. Das verdient unsere große Anerkennung.
Dieses Schweizer Modell - Sie können hier noch so viele Argumente dagegen anführen - ist wissenschaftlich manifest untermauert. Es ist in der Schweiz gelungen, Menschen in einer schwierigen Phase zu stabilisieren. Es ist gelungen, den Gesundheitszustand dieser Leute zu verbessern. Es ist gelungen, die Reintegration, die Eigenständigkeit der Lebensführung, ja sogar die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Keine andere Form der Drogensubstitution kann bessere Erfolgsquoten vorweisen als dieses Schweizer Modell der kontrollierten Heroinabgabe.
- Ich sage: Substitution.
Es ist sehr wichtig, Herr Hüppe, folgendes noch einmal zu betonen: Noch niemand ist an der ärztlich verordneten Abgabe von Heroin gestorben. Aber
Monika Knoche
sehr viele sterben, weil sie ihnen verweigert wird. Das ist die harte Wahrheit.
Ich frage mich: Woher nimmt die Politik das Recht, zu definieren, wer eine Überlebenschance hat und wer nicht? Woher nimmt man sich dieses Recht? Die Doppelzüngigkeit, die Doppelbödigkeit, die Heuchelei, die dahintersteckt, kostet Menschen - in Deutschland sind es jährlich 1600 Menschen - das Leben. Das müssen wir uns vor Augen führen.
Gesundheitspolitik hat nicht das Recht, eine bestimmte Lebensführung zur Voraussetzung von Hilfe zu machen. Ich bin der Überzeugung, daß gerade die Erfahrungen, die in der Schweiz gemacht worden sind, uns, die wir hier verantwortlich zu entscheiden haben, den Auftrag geben, Parteibücher und Ideologien beiseite zu legen und Menschen nicht medizinische Hilfe vorzuenthalten. Es grenzt an unterlassene Hilfeleistung, wenn wir nicht endlich hier in Deutschland diesen Schritt tun.
Es wird Ihnen auch nichts bringen, Beispiele dafür anzuführen, daß der körperliche Zustand nicht desolat genug sei, um in diese Projekte zu kommen.
Wir waren dort, Herr Hüppe. Beide waren wir in Zürich. Sie wissen so gut wie ich, daß es viele Erkrankte gibt, die schwere psychische Erkrankungen haben und die große Probleme haben, reintegriert zu werden. Dennoch werden sie erreicht. Dies können Sie in Deutschland nicht vorweisen. Es gibt gar kein Recht, Menschen von Angeboten auszuschließen. Wir müssen niedrigschwellig alles tun, sie auch in die Gesundheitsversorgung zu reintegrieren.
Bitte vergessen Sie nicht - Herr Sauer ist im Moment nicht da -: Ich bin Karlsruher Bürgerin und Abgeordnete, Baden-Württembergerin. Aus Baden-Württemberg kommt der Karlsruher Appell, der die Bundesregierung eindringlichst auffordert, den Städten endlich die Möglichkeit zu geben, kontrollierte Programme zu machen. Karlsruhe ist eine CDU-regierte Stadt; Herr Seiler ist dort Oberbürgermeister der CDU. Stuttgart ist eine CDU-regierte Stadt. Frankfurt ist eine CDU-regierte Stadt. Sie können hier nicht ein rot-grünes Szenario aufbauen. Die Vernunft hat gesiegt, auch bei Politikerinnen und Politikern Ihrer eigenen Partei.
Widersetzen Sie sich nicht der Entwicklung der Zeit. Die Zeit ist reif dafür.
Ich habe es sehr begrüßt, als Herr Bundesgesundheitsminister Seehofer - der sich heute für diese Debatte entschuldigt hat - gesagt hat, er werde nach Zürich fahren und sich dieses Modell anschauen. Ich bin überzeugt davon: Wenn er als Gesundheitspolitiker entscheidet, dann wird er sich dieser Entwicklung nicht in den Weg stellen.
Danke.