Rede von
Hans
Michelbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluß der Debatte möchte ich Fazit ziehen: Die Aussagen der SPD, der Grünen und der PDS waren wieder eindrucksvoll. Sie haben das mit den Ausdrücken „Armutszeugnis für die deutsche Wirtschaft", „verfilztes System der Wirtschaft" verdeutlicht. Ich kann Ihnen nur raten: Mit Beschimpfungen auf die Banken und das Wirtschaftssystem hat in diesem Land noch niemand einen neuen Arbeitsplatz schaffen können.
Gleichzeitig geben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vor - daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, mit einem Gesetzentwurf vorpreschen, ist ja sehr ungewöhnlich -, der Retter des Finanzplatzes Deutschland zu sein. Das ist ein Widerspruch in sich. Denn mit Ihrer Blockade der Steuerreform haben Sie dem Finanzplatz Deutschland unermeßlichen Schaden zugefügt -
mehr als ein Übernahmegesetz je wiedergutmachen könnte.
Hätten wir Ihre wirtschaftsfeindlichen Umfinanzierungs- und Steuererhöhungsvorschläge umgesetzt, wären zumindest Unternehmensübernahmen aus dem Ausland kein Problem mehr: Bei der SPD-Steuerpolitik hätte kein ausländisches Unternehmen noch Interesse daran, Unternehmen in Deutschland zu übernehmen. Dann wäre das Problem gelöst, allerdings nach Art der SPD. Gleichzeitig wird deutlich, daß Wirtschafts- und Finanzmarktlenkung bei der SPD eine Wunschvorstellung bleibt.
Lassen Sie mich auf einige Aspekte Ihres Vorschlages eingehen. Zur Überwachung der Unternehmensübernahmen schlagen Sie ein äußerst kompliziertes und zeitaufwendiges Verfahren mit einem Gesetz zur Regelung von Unternehmensübernahmen vor. Allein der Paragraph zum Inhalt der Angebotsunterlagen umfaßt 17 Punkte mit bis zu fünf Unterpunkten.
Ihr bürokratischer Regelungsentwurf vergißt: Unternehmensübernahmen sind nicht mit der Nominierung eines SPD-Kanzlerkandidaten vergleichbar. Sie dürfen sich nicht über Monate, ja Jahre hinziehen, sondern müssen sachgerecht und schnell entschieden werden. Nur so kann eine dem Finanzplatz Deutschland förderliche Regelung gefunden werden. Denn eine Übernahme ist an sich nichts Schlechtes, wenn sie in den richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vollzogen wird.
Unverständlich ist mir auch, warum wir, bevor eine entsprechende EU-Richtlinie - Staatssekretär Hauser hat darauf zu Recht hingewiesen - Ende nächsten Jahres verabschiedet wird, gesetzgeberisch tätig werden sollen. In Ihrem Antrag schreiben Sie:
Hans Michelbach
Die gesetzliche Übernahmeregelung schafft Rechtssicherheit für die Unternehmen, ihre Arbeitnehmer und Aktionäre.
Ich nenne das glatten Zynismus. Wenn wir Ihren Antrag umsetzen würden, säßen wir in einem Jahr wieder hier zusammen und würden dann über das „Unternehmensübernahmeänderungsgesetz" beraten. Das bedeutet natürlich keine Planungssicherheit und schafft wenig Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Damit werden Investitionen blockiert, und dem Finanzplatz Deutschland wird Schaden zugefügt. Sie aber nennen diesen Vorgang Rechtssicherheit. Sie haben keinen wirtschaftspolitischen Sachverstand, der praxisnah ist - generell und auch bei diesem Thema nicht.
Meine Damen und Herren, Unternehmensübernahmen sind ein sensibler Bereich, in dem schnell mehr Schaden als Nutzen durch die überhastete Verabschiedung eines Übernahmegesetzes angerichtet werden kann. Wir haben ohnehin eine viel zu hohe Regulierungsdichte im Bereich des Kapitalmarktes, die erfreulicherweise mit dem vorliegenden Dritten Finanzmarktförderungsgesetz gelockert werden soll.
Wir müssen die Förderung von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und die Deregulierung bei den Investmentfonds voranbringen. Diese Forderungen haben Priorität und werden durch das Bundesministerium der Finanzen vorangebracht. Wir dürfen diese positiven Ansätze zur Deregulierung und zur Schaffung einer neuen Risikokultur nicht ersticken. Deutschland braucht mehr Risikokapital. Dies schafft man durch Deregulierung und nicht durch neue Regulierung.
Es gilt, auch für die internationalen Anleger Planungssicherheit zu schaffen und sie nicht gleich wieder mit neuen Regulierungsvorschlägen à la Übernahmegesetz zu erschrecken. Schauen Sie doch über Ihren Tellerrand hinaus. Sie schaden mit Ihrer Regulierungswut dem Standort Deutschland, seinen Unternehmen und letztendlich auch seinen Arbeitsplätzen.
Sie übersehen völlig, aus welchen Motiven andere Länder Regulierungsmaßnahmen bereits getroffen haben. Ende der 80er Jahre waren feindliche Übernahmen in den USA an der Tagesordnung, deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und die betroffenen Unternehmen sicher um ein Vielfaches schädlicher waren, als es bei uns der Fall war. Dies sind einige Negativbeispiele.
Der völlig deregulierte US-Wettbewerbs- und Finanzmarkt ist mit der deutschen Situation überhaupt nicht vergleichbar. Sie können hier nur das Kinde mit dem Bade ausschütten.
In Ihrem Antrag führen Sie auch aus, daß nur 260 von 670 börsennotierten Aktiengesellschaften den Übernahmekodex anerkannt haben und daher eine verbindliche Regelung dringend notwendig ist. Sie hätten sich besser bei der Übernahmekommission der Deutschen Börse informieren sollen. Das haben Sie scheinbar nicht getan.
Obwohl nicht alle den Übernahmekodex unterzeichnet haben, wurden die Regelungen des freiwilligen Übernahmekodex bei einer großen Zahl der Übernahmen, die bisher stattgefunden haben, freiwillig befolgt. Es ist also eine reine Verdummungstaktik, davon zu sprechen, große Teile der Wirtschaft hätten diesen Verhaltenskodex nicht akzeptiert.
Die Übernahmekommission weiß zu berichten, daß sogar ausländische Unternehmen den Kodex, obwohl sie ihm gar nicht unterliegen, freiwillig befolgen.
Meine Damen und Herren, Zwang, Regulierung und staatliche Lenkung sind für uns die schlechtere Lösung gegenüber Eigenverantwortung und Selbstverpflichtung. Das gilt auch für diesen Verhaltenskodex.
Wie Sie wahrscheinlich auch nicht wissen, hat sogar die Krupp AG bei ihrem sicher nicht vornehmen Versuch der Übernahme von Thyssen, obwohl sie den Kodex grundsätzlich nicht anerkannt hat, eine sogenannte Anerkennungserklärung abgegeben. Es ist also völlig irreführend, wenn Sie gerade mit der Übernahme Krupp/Thyssen die Notwendigkeit einer so umfassenden, bürokratischen gesetzlichen Regelung herbeireden. Das ist nur Mittel zum Zweck.
Sie wollen etwas ganz anderes. Sie wollen natürlich die Verketzerung der Wirtschaft, die Verketzerung der Banken. Das ist Ihr Hauptangriffsziel. Gerade dieser Fall Krupp/Thyssen zeigt, daß die Freiwilligkeit des Übernahmekodex funktioniert hat. Es besteht nach meiner Ansicht also kein Grund für blinden Aktionismus, wie Sie ihn hier heute vorschlagen.
Meine Damen und Herren, wir beklagen in Deutschland seit langem eine zu geringe Zahl von ausländischen Investitionen. Ich glaube, darauf sollten wir gerade bei der Frage des Finanzmarktes abheben. Ein kurzfristig mit dem Holzhammer zusammengezimmertes Übernahmegesetz à la SPD ist das Schlechteste, was wir jetzt tun können. Wir müssen sehen, daß bei uns investiert wird, daß wir unsere Finanzmärkte offen gestalten, damit auch ausländische Investoren wieder bei uns investieren und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist das richtige Ziel, nicht eine weitere Regulierung.
Vielen Dank.