Rede von
Dr.
Freiherr
Wolfgang
von
Stetten
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wir brauchen mehr Unternehmer in Deutschland", hat Herr Bury gesagt. Im selben Atemzug verhindern Sie aber jede Maßnahme, um mehr Unternehmen in Deutschland ansiedeln zu können. Der Standort Deutschland sollte verbessert und nicht mit noch mehr einschränkenden Gesetzen für In- wie für Ausländer uninteressant gemacht werden.
Nachdem die Steuerreform durch Ihre unverständliche Blockade - leider - gegen die Wand gefahren worden ist und dadurch Impulse für Investitionen abgetötet worden sind, wird nunmehr durch Ihren Gesetzentwurf zur Regelung von Unternehmensübernahmen oder durch den Entwurf der Grünen zur Begrenzung der Bankenvollmacht und zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
versucht, neue Hürden aufzubauen und ausländische Investoren vom deutschen Markt abzuschrekken.
Sie haben mit Ihrer Diskussion, die Absenkung der Spitzensteuersätze mache die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer, eine billige Neiddiskussion hervorgerufen.
Sie haben schlichtweg nicht begriffen, Herr Struck, daß die hohen Steuern in Deutschland inländische Firmen ins Ausland treiben und ausländische Firmen von Deutschland fernhalten.
Auch Ihnen müßten doch zwei Zahlen die Augen öffnen:
Deutsche Firmen haben im Jahre 1996 im Ausland über 60 Milliarden DM investiert, ausländische Firmen in Deutschland weniger als 5 Milliarden DM. Das ist die Diskrepanz, die es zu beseitigen gilt.
So wie Herr Flick seinen Wohnsitz in Österreich nahm - das im übrigen einen sozialistischen Finanzminister hat, der im Gegensatz zu Ihnen begriffen hat, daß niedrige Steuern Steuerzahler anlocken und hohe Steuern Steuerzahler verjagen -, wird das jetzt leider - legal - auch eine Reihe von wohlhabenden, gut verdienenden Bürgern tun. Sie machen dadurch unsere Nachbarländer reicher und unser Deutschland ärmer. Irgendwann müßte doch auch Ihnen einmal aufgehen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß es merkwürdig ist, daß Frau Schreinemakers ihr Geld mit dem deutschen Fernsehzuschauer verdient, aber ihre Steuern dafür in Belgien zahlt.
Ein großes Unternehmen aus meinem Wahlkreis, das ein Vertriebszentrum mit 400 bis 500 Arbeitskräften in Nordrhein-Westfalen bauen will - jetzt muß ich fast sagen: wollte -, hat festgestellt, daß ein Standort im grenznahen Holland, bei Venlo, ihm jährlich 14,5 Millionen DM Kosten spart. Dabei hätte dieses Unternehmen die erhöhten Lohn- und Lohnnebenkosten in der Größenordnung von 4,5 Millionen DM noch hingenommen, aber die 10 Millionen DM Steuern mehr pro Jahr akzeptierte es einfach nicht.
Wenn die Entscheidung dieses Unternehmens tatsächlich so fällt und der Betrieb in Holland aufgebaut wird, sind es vermutlich nur holländische Bauarbeiter, die dieses Zentrum bauen, übrigens vermutlich in einer Rekordgenehmigungszeit, weil keine Bremsen durch rot-grüne Politik wie in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind. Das sind ziemlich sicher 400 bis
500 Holländer, die dort arbeiten. Holland kassiert zwar 10 Millionen DM weniger Steuern als Deutschland kassiert hätte, aber immerhin noch in einer Größenordnung von 50 Millionen DM. Deutschland bekommt gar nichts. Das ist das, was wir Ihnen anlasten und wo wir Sie anmahnen.
Nun wollen Sie auch noch Unternehmensübernahmen unnötig erschweren und die angebliche Bankenübermacht brechen, nur weil es bei der Fusion bzw. Übernahme von Krupp und Thyssen zu Schwierigkeiten gekommen ist. Übrigens hat dabei die Republik nicht gewackelt, Herr Bury. Sie müssen da schon irgendwoanders gewesen sein oder waren selber nicht ganz auf den Beinen, so daß Sie glaubten, daß die Republik gewackelt habe.
Sie wollen nun den gerade zum 1. Oktober 1995 eingeführten freiwilligen Übernahmekodex im Gesetz noch dazu mit deutlichen Verschärfungen verankern und mit beträchtlichen Bußgeldern versehen. Sie haben gesagt, dieser Übernahmekodex sei ein Flop. Das ist ja wohl angesichts der Tatsache, daß 346 von 670 börsennotierten Aktiengesellschaften diesen erst zwei Jahre alten Kodex schon anerkannt haben, ein Witz. Die Auswirkungen sollten erst einmal abgewartet werden.
Wer dies voreilig als Flop bezeichnet, will nicht das freie Spiel der Kräfte, sondern Planwirtschaft.
Die Begrenzung des Beteiligungsbesitzes von Banken an branchenfremden Unternehmen auf 5 Prozent ist abzulehnen; sie ist vermutlich auch verfassungswidrig, weil hier keinerlei Einfluß auf irgendeine Größenordnung genommen werden kann. Ebenso ist das Übernahmeverbot bei einer schon bestehenden Beteiligung über 25 Prozent aus dem Grunde abzulehnen, weil hier keine marktbeherrschende Stellung vorliegt. Das ist eindeutig abzulehnen und rechtlich wohl auch bedenklich.
Übrigens wäre manche Firma, Herr Bury, bereits pleite gegangen, wenn nicht die Banken rechtzeitig eingesprungen wären. Außerdem halte ich es für schlichtweg unannehmbar und falsch, die Banken als Horrorinstrumente der Wirtschaft zu bezeichnen. Wir haben mit den von Ihnen beschuldigten Banken in den letzten 50 Jahren Deutschland aufgebaut. Bis auf Ausnahmen haben die Banken volkswirtschaftlich verantwortlich gehandelt. Die von Ihnen, Herr Bury, neulich abends im Fernsehen aufgestellte Behauptung, Banken und Versicherungen hinderten Innovation und Fortschritt,
ist so absurd und abenteuerlich, daß man darauf eigentlich gar nicht eingehen muß und kann. Das ist einfach schlichtweg falsch.
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Auf EU-Ebene wird zudem zur Zeit eine Richtlinie vorbereitet, die Unternehmensübernahmen zum Gegenstand hat. Wir sollten uns die Zeit bis zu deren Erlaß - voraussichtlich Ende 1998/Anfang 1999 - lassen und sie nutzen, unsere Erfahrungen mit dem Übernahmekodex zu sammeln, um sie dann auf der Grundlage der EG-Richtlinie in ein Gesetz einzuarbeiten. Ich gehe davon aus, daß so etwas auch vorgesehen ist. Wir werden dann hier ein vernünftiges Gesetz vorlegen.
Lassen Sie mich zum Schluß wiederholen: Wir müssen unsere Wirtschaft in Deutschland ent- und dürfen sie nicht belasten, sowohl in steuerlicher als auch in verwaltungsbürokratischer Hinsicht. Auch die Bürger müssen die Steuerentlastung spüren, weil es nicht sein darf, daß derjenige, der hart arbeitet, netto weniger hat als diejenigen, die von seinen Steuergeldern unterstützt werden und nicht arbeiten.
Schweden, Holland und Neuseeland haben gezeigt, wie man einen Staat retten kann, der zu einem Wohlfahrtsstaat verkommen war oder zu verkommen drohte. Wir sollten es nicht so weit kommen lassen, sondern rechtzeitig die Weichen stellen. Auch Sie, meine Damen und Herren, haben Verantwortung für die Menschen in Deutschland. Es gibt nicht nur die Würde der Sozialhilfeempfänger, sondern auch die Würde und Bürde derjenigen, die dafür aufkommen, daß jene in Würde leben können. Aber das sollte sich auf diejenigen beschränken, die wegen Krankheit, Alters oder Kindererziehung nicht arbeiten können. Alle anderen sollten mindestens für das Geld, das sie aus Steuermitteln von der Allgemeinheit erhalten, gemeinnützige Arbeiten verrichten.
Insgesamt tun Entlastung und Deregulierung Not. Alles andere, auch das, was Sie vorschlagen, ist von Übel.
Danke schön.