Rede von
Dr.
Barbara
Höll
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier eigentlich zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses über die Steuerreform 1998/99 und darüber, wie Herr Waigel heute nacht eine schöne Erleuchtung hatte.
Wir sind noch in den Haushaltswochen, in der Haushaltsdiskussion für 1998, wo wir absolute Finanzierungslöcher haben. Alle Koalitionäre warten wie die Kaninchen vor der Schlange, was denn die Steuerschätzung im November bringen wird. Wir sind im Haushaltsvollzug für dieses Jahr, wo wir ein Defizit von etwa 20 Milliarden DM zu erwarten haben.
Aber Herr Waigel hatte heute nacht die Erleuchtung und hat seine Kollegen davon überzeugt, daß man trotz alledem den Solidaritätszuschlag im nächsten Jahr senken kann. Er hat sogar entdeckt, wie man das Ganze finanzieren kann, nämlich durch die Streckung des Erblastentilgungsfonds. Ich muß sagen, mich erinnert das alles etwas an das Grimmsche Märchen: Goldesel, streck dich, Tischlein, deck dich, Knüppel aus dem Sack.
Zur Streckung des Erblastentilgungsfonds: Die Zinsen werden weiter bezahlt, aber die Tilgung wird bewußt verlängert. Risiken, wie sie eben der Herr Kollege Metzger aufgezeigt hat, werden bewußt zur Seite geschoben. Das ist eine mehr als abenteuerliche Haushaltspolitik - und dies auf einem Schuldenberg von über 2 Billionen DM, auf dem die Bundesrepublik und alle Bürgerinnen und Bürger, egal welchen Alters, sitzen, den Herr Waigel als am längsten amtierender Bundesfinanzminister wesentlich mitverschuldet hat.
Jede Sekunde - schauen Sie auf die Uhr! - erhöht sich die Verschuldung der öffentlichen Hand der Bundesrepublik Deutschland um 3171 DM, also, indem ich diesen Satz spreche, schon locker um mehr als 10 000 bis 15 000 DM. Das muß man sich einmal vorstellen!
Auf dieser Grundlage wollen Sie aber den Soli-Zuschlag senken und sagen: Das kann man auch; denn die Tilgung muß ja nicht eher erfolgen. Das heißt aber im Klartext: Sie wollen sicherstellen, daß die Banken in dem von Ihnen veranschlagten Zeitraum Zinsen kassieren können, auf alle Fälle länger, als es nötig wäre.
Der Goldesel, Herr Waigel, hat im Unterschied zu Ihnen tatsächlich Gold abgesondert. Sie versuchen nur hilflos, nach Gold zu greifen. Dabei machen Sie noch eine Politik nach dem Versuch „Tischlein, deck dich" in konsequenter Fortführung Ihrer Klientelpolitik seit 1982. Ich muß sagen, Sie haben eine Steuerpolitik zu verantworten, die in vehementer Weise die Unternehmer und die Höchstverdienenden in diesem Lande entlastet hat.
Ich erinnere nur an das Standortsicherungsgesetz 1993 und an die Abschaffung der Vermögensteuer in diesem Jahr. Das gesamte Steuerkonzept diente nur dazu, diejenigen zu entlasten, die Ihrer Meinung nach Leistungsträger sind. Diese sind bei Ihnen immer alle männlich; aber das nur nebenbei. Das Wort Leistungsträger wurde mit einem neuen Inhalt erfüllt: Es geht nicht um die Arbeiter und Arbeiterinnen, um Krankenschwestern, Lehrer und Lehrerinnen und Bauarbeiter; es geht um diejenigen Menschen, die viel Geld haben. Das setzen Sie mit Leistung gleich.
Personen mit hohem Einkommen und Bezieher höchster Einkommen wollen Sie entlasten.
Das Gesamtsteuerkonzept ist erst einmal im Bundesrat gescheitert. Also versuchen Sie es mit dem Soli-Zuschlag. Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 30 000 DM bedeutet das für 1998 bei einem zu zahlenden Steuerbetrag von 2880 DM eine Ersparnis von 60 DM. Wenn man das auf zwölf Monate umlegt, bleiben dank Ihrer Senkung monatlich bei einer vierköpfigen Familie nicht sehr viele Mehreinnahmen.